Er schaute sie an und versuchte zu verarbeiten, was sie ihm gerade erzählt hatte. Versuchte, die Ausmaße zu begreifen, wie anders sein Leben verlaufen wäre. Fünfzehn Jahre war es her, dass sie während der Schulzeit ein Paar gewesen waren. Er war nicht einfach gewesen und doch hatte sie sich nicht von seiner garstigen Art abschrecken lassen, hatte sich in sein Herz geschlichen und er hatte alles für sie getan – bis zu dem Moment, als er sah, wie sie einen anderen küsste. Er hatte sich nicht die Blöße geben wollen und sich ihrer Ablehnung stellen, er hatte per SMS mit ihr Schluss gemacht und war aus der Stadt verschwunden, sobald er seinen Schulabschluss hatte. Erst fünfzehn Jahre später kehrte er zurück und lief ihr über den Weg – nur um zu erfahren, dass ihre Trennung auf einem riesigen Missverständnis beruhte. Nicht sie hatte den anderen Jungen geküsst, sondern ihre Freundin mit derselben Haarfarbe, der sie ihre Jacke geliehen hatte.
Er konnte nicht begreifen, wie blöd er gewesen war. Wie sehr er zugelassen hatte, dass ein simples Missverständnis, das mit etwas Kommunikation beseitigt hätte werden können, sein Leben derart geprägt hatte. Nicht nur, dass er die Liebe seines Lebens wegen eines solchen dummen Fehlers verloren hatte, er hatte nie wieder Vertrauen in eine Frau fassen können. Keine Beziehung hatte lange gehalten, weil seine Verschlossenheit, die sie damals mühelos überwunden hatte, nur noch stärker geworden war. Er konnte in diesem einen Moment nicht komplett überblicken, wie viele kleine Situationen letztlich von diesem Augenblick beeinflusst worden waren.
Ein Augenblick, der nie passiert war.