Mein bester Freund hatte es noch nie leicht mit mir. Schon als wir noch klein waren, hatte ich nur Flausen im Kopf und hab ihn immer zu allem Möglichen angestiftet. Meistens ist er nur auf meine Streifzüge und Abenteuer mitgekommen, um auf mich aufzupassen und darauf, dass ich nicht versehentlich noch jemanden umbringe und es viel zu wild treibe. Das waren immer seine Worte. Und natürlich war das maßlos übertrieben und er hatte auch durchaus Spaß an den weniger brisanten Streichen, aber ein wahrer Kern steckte dennoch darin. Vielleicht ist es also meine Verantwortung, dass er Polizist geworden ist. Aber er ist für diese Aufgabe geboren. Ein Beschützer, ein Retter in der Not, ein Held. Und für mich war es ganz praktisch, dass ich immer einen Fürsprecher hatte, jemanden, der mich aus dem Gefängnis boxte, wenn ich mit meinem Protest mal wieder zu energisch war. Ich bin schon immer eine Rebellin gewesen. Das ist die Aufgabe, für die ich geboren wurde.
Eigentlich könnten wir also nicht unterschiedlicher sein, aber wir sind dennoch beste Freunde. Weil wir einander ergänzen und weil wir aufeinander aufpassen und immer füreinander da sind. Als Kinder hatten wir beide es nicht einfach, aber zusammen haben wir der Welt getrotzt. Wir haben einander Halt gegeben. Und auch wenn ich manchmal fürchtete, dass sich unsere Wege trennen würden, da sie uns in verschiedene Richtungen führten, sobald die Schule vorbei war, war unsere Verbindung immer stärker. Nichts konnte das Band zwischen uns durchtrennen.
Das dachte ich zumindest. Aber ich mache Fehler. Viele Fehler. Ich bin ein schwieriger Mensch und außer ihm hat es nie jemand lange mit mir ausgehalten. Alle Fehler hat er mir verziehen, er hat mich nie verurteilt - bis auf diesen einen letzten Fehler.
Alle Entschuldigungen haben nichts genützt, meine Anrufe und Nachrichten hat er ignoriert, meine Besuche bei ihm zu Hause und sogar auf der Wache hatten nichts gebracht. Er tat so, als würde ich nicht existieren. Ich konnte es ihm nicht verdenken, weil ich zu weit gegangen war, aber ich war wütend auf ihn, dass er mir nicht einmal die Chance gab, es wieder gut zu machen, dass er mir nicht einmal genug Aufmerksamkeit schenkte, um sich meine Entschuldigung anzuhören. Aber vor allem war ich enttäuscht. Enttäuscht, dass er bereit war, unsere Freundschaft einfach so aufzugeben. Und maßlos enttäuscht von mir selbst, dass ich den Wert unserer Freundschaft bis jetzt nicht zu schätzen gewusst hatte.
Es gab so vieles, das ich ihm sagen wollte, aber er hörte mir einfach nicht zu. Und es gab nur einen Weg, ihn dazu zu bringen. Vielleicht würde er mich dafür auch umbringen. Oder mich einfach im Knast verrotten lassen, denn dort würde ich zweifelsohne landen. Aber solange er mir verzieh, solange er mir wenigstens die Chance gab, es wieder gut zu machen, würde ich alles tun.
Eben auch, ins Polizeirevier einzubrechen, in dem er heute Nachtschicht hatte. Denn wenn er mich verhaften und verhören musste, musste er sich anhören, was ich zu sagen hatte. Leider hatte das Planen von Aktionen und deren Durchdenken nie zu meinen Stärken gehört. Und so erfuhr ich erst, als ich in der Arrestzelle der Station saß, dass er sich für heute krankgemeldet hatte. Wenigstens fand sein Partner meine Aktion sehr komisch. Der Polizeichef hingegen weniger. Konnte ich ihm nicht mal verdenken.
Und so verbrachte ich eine sehr unruhige Nacht auf einer harten Bank in der Arrestzelle. Ob er wohl kommen würde, sobald er von meiner Verhaftung erfuhr?
Und würde er mir verzeihen?