Er hatte sie nie verstanden. Sie war völlig verrückt, tat schräge Sachen und passte überhaupt nicht in ihre reiche und vornehme Familie hinein. Man konnte ihr ansehen, wie fehl am Platze sie sich fühlte, wenn ihre Eltern wieder nur an ihr herumnörgelten. Es schien sie nur noch mehr zu Blödsinn anzustiften. Nie gab sie Ruhe, immer war sie in Bewegung, immer stellte sie etwas an. Lange Zeit hatte er nicht verstanden, warum sie das tat.
Sie hatte mitansehen müssen, wie ihr Vater ihre jüngsten Geschwister in den Tod trieb. Wie er ihre kleine Schwester, fünf Jahre alt, erschoss. Wie er ihre Schwester, zehn, dazu zwang ihren kleinen Bruder, gerade erst drei, zu töten. Wie er sich mit ihr im Arm erschoss, weil jede Hoffnung verloren war. Wie sie ihren Vater tötete, aber es war zu spät.
Sie war nur so, weil sie ihre Verluste tief in sich verdrängte und eine Fassade errichtet hatte. Er hatte sie für ihre Art verurteilt, wie ihr Onkel und ihre Tante, die sie adoptiert hatten, wie sie alle, ohne die Hintergründe zu kennen. Er war hinter das Geheimnis gekommen, als er das verstaubte Schwert entdeckt hatte, dass sie verborgen hatte. Als sie die Kräfte offenbart hatte, mit denen er nicht gerechnet hatte. Niemand wusste, was mit ihrer Familie passiert war. Sie sagte es ihm nicht, drohte ihm nur, bis er verschwand, um die Wahrheit zu suchen. Als er zurückkehrte, war sie verschwunden.
Sie hatte ihm einmal gesagt, dass sie keine Angst mehr habe. Dass man keine Angst habe, wenn man bereits alles verloren habe. Was sollte sie denn noch fürchten? Eine Strafe? Den Verlust der Familie, die nicht die ihre ist?
Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Sie war selbst längst verloren.