Ich war schon immer eine Träumerin. Ich konnte die Welt hinter der realen Welt sehen und manchmal fühlte ich mich dort weit wohler als ich es in der Realität jemals hätte können. In meiner Welt war nicht immer alles so, wie es auf den ersten Blick zu sein schien. Ich wusste, dass die Realität nicht die Grenze war, wie die meisten Menschen es glaubten, ich wusste, dass die ganze Welt viel größer und wunderbarer war, als sie es sich nur vorstellen konnten. Aber auch viel gefährlicher. Auf dem Pfad meiner Träume begannen Traumwelt und Realität miteinander zu verwischen. Ich begann, mich zu verlieren, in einer Welt, die mir trotz aller Besuche und aller Nähe stets ein Mysterium, ein Rätsel geblieben war, eine unbekannte Welt voller Geheimnisse.
Ich war schon immer eine Träumerin. Und so lernte ich Arthur kennen. Ich war schon früher nicht nur in der Lage, mir eine eigene Traumwelt zu erschaffen, sondern auch die Träume von anderen zu manipulieren. Ich spürte die Albträume, die ihn verfolgten, bereits bei unserer ersten Begegnung und ich wollte ihm helfen. Aber er war ebenfalls ein Träumer, er spürte meine Anwesenheit in seinen Gedanken. Zu Anfang war er wütend auf mich, er fürchtete sich vor mir und vor allem davor, dass ich seine sorgsam gehütete Fassade durchdrang. Er war ein ruhiger, organisierter Mann, der sich nicht gerne in die Karte schauen ließ und gerne über alles die Kontrolle behielt. Es machte ihm Angst, dass er bei mir die Kontrolle zu verlieren drohte.
Und doch war er da, als ich in einer Traumwelt gefangen wurde, die so tief in den Schichten unseres Bewusstseins liegt, dass es kein Entkommen gab. Dort unten konnten Tage zu Jahren werden. Der Sinn für die Realität ging völlig verloren, die Traumwelt wurde zur Wirklichkeit. Ich wusste davon, und doch konnte ich nichts dagegen tun, mich in ihr zu verlieren.
Er war wie ein Lichtblick in der Finsternis aufgetaucht. Er wusste, dass er mit mir gefangen sein würde, und doch war er gekommen. Gemeinsam schufen wir eine Welt nach unseren Vorstellungen. Dort unten war es unmöglich, unsere Gedanken und Geheimnisse voreinander zu verbergen. Er erfuhr alles über mich und ich erfuhr alles über ihn. Ich lernte ihn zu verstehen. In seinem Leben hatte er es nie leicht gehabt, er hatte niemals wirkliche Liebe erfahren und sich vor jeglichen Gefühlen abgeschottet, um sich zu schützen. Seine Zurückhaltung, seine Rationalität und sein Streben nach Logik waren seine Art, mit seiner Vergangenheit umzugehen und seinen Schuldgefühlen für den Mord an seinem Peiniger. Doch ich erfuhr nie, warum er mir gefolgt war.
Und als wir zurückkehrten in die reale Welt, war alles anders. Wir wussten zu viel voneinander, wir waren uns zu ähnlich, sodass wir einander fortstießen, um uns zu schützen.
Ich ging, weil alles zwischen uns gesagt schien und es doch Millionen ungesagter Worte gab. Doch ich kehrte zu ihm zurück, als mir bewusstwurde, dass ihn zu verlieren viel schlimmer war als irgendetwas sonst. Meine Welt, die unsere geworden war, hatte mir ohne ihn nichts mehr zu bieten. Ich begann zu begreifen, was er getan hatte, als er mir gefolgt war. Schon einmal war er dort unten gefangen gewesen und er hatte nie mehr dorthin zurückkehren wollen, zum Kern seiner tiefsten Wünsche, größten Ängste und dunkelsten Albträume, und dennoch war er für mich gekommen. Wir hatten zusammen unsere Ängste und Sorgen bekämpft, wir waren zusammengewachsen und es machte mir ebenso viel Angst wie ihm, dass er mich besser kannte als sonst jemand. Ich konnte ihm ebenso wenig ins Gesicht sehen wie er mir. Es hatte gedauert zu begreifen, dass meine Angst, ihn zu verlieren, größer war als alles andere.
Wir lernten, dass wir uns noch ähnlicher waren als gedacht, denn er hatte gedacht, dass ich ihn nicht mehr wollen würde, nachdem ich alles von ihm wusste. Und ich hatte gedacht, dass er mich nicht wollte, als er mich fortstieß. Ich konnte damals nicht ahnen, dass er sich für nicht gut genug hielt. Aber ich liebte ihn mit all seinen dunklen Seiten, weil er auch die dunklen Seiten an mir liebte.
Er sagte mir, er würde immer für mich zurückkommen, mir überall hin folgen, weil er mich beschützen wollte.
Mir ging es ähnlich mit ihm und dennoch sagte ich ihm, dass ich keinen Ritter brauchte, der mich beschützte, ich war nicht hilflos und er war es auch nicht. Wir konnten einander unterstützen, einander helfen, aber wir brauchten einander nicht zu retten. Wir mussten nur lernen, dass es mehr wehtat, den anderen zu verlassen, als irgendetwas sonst.
Mit einem Kuss besiegelten wir unser Versprechen auf Ewigkeit. Denn wenn Traum und Realität verschwimmen, gibt es keine Grenzen mehr.