Die Leute im Dorf nennen mich seltsam. Weil ich anders bin. Aber das macht mir nichts. Ich bin gerne anders. Vor allem weil es bedeutet, dass den anderen die Schönheit entgeht, die sie in den Höhlen finden.
Ich bin oft in den Höhlen, in denen sich die ganze Schönheit dieser Welt offenbart, die ganze Pracht, die die begrenzte Anzahl an Elementen entfalten kann, wenn man sie unterschiedlich kombiniert. Viele Legenden ranken sich um diesen Ort, dessen Kristalle schöner sind als man es sich vorstellen kann, deren Funkeln und Leuchten selbst die Sonne überstrahlt. Die Legenden sprechen von den Seelen der Steine. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber manchmal glaube ich, sie spüren zu können. Ein schwaches Pulsieren im Inneren der Kristalle, wann immer ich sie berühre. Es ist, als würden sie zu mir sprechen, auch wenn ich sie nicht verstehen kann. Ich wünschte, ich könnte es, aber meine Sprache ist die der Worte, eine Sprache, die die Steine nicht sprechen. Ich kann die Energie spüren, die diesen Ort durchdringt, ein Sog, der mich immer weiter ins Innere des Berges zieht und mich immer wieder hierherführt. Es fühlt sich an, als würde mein Schicksal in den Tiefen der Höhlen darauf warten, sich mir zu enthüllen.
Und dann ist da noch die kleine Eidechse. Sie ist immer da, wann immer ich die Höhle betrete, sie geleitet mich sicher über alle Wege, führt mich zu den schönsten Schätzen und beschützt mich. Ich spreche immer zu ihr, weil ich glaube, dass sie mich versteht. Die Leute nennen mich verrückt. Aber es kümmert mich nicht. Sie haben nicht in die leuchtenden Augen der Eidechse gesehen, deren Grün tiefer ist als jeder Smaragd, deren Wirbel und Sprenkel ihre eigene Geschichte erzählen, deren Tiefe mich in den Bann zieht, erschreckend und wunderschön zugleich. Ein Blick in die Augen der Eidechse und ich fühle die Verbindung zwischen uns, fühle mich sicher und geborgen in seiner Gegenwart. Der Blick dieser Eidechse geht tiefer als das Äußere, sie sieht hinter die Fassade und macht das Verborgene sichtbar. Ich weiß, dass sie mich beschützt und über mich wacht, selbst wenn ich sie mal nicht sehen kann.
Und manchmal glaube ich, dass in ihrem Handeln Menschlichkeit liegt. Dass die Intensität, mit der sie sich bewegt, als würde sie jeden Moment bewusst und in allen Einzelheiten erleben und in sich aufnehmen, unmöglich zu einem Tier gehören kann. Aber die Menschen haben verlernt zu sehen, sie haben verlernt, das Leben zu fühlen – vielleicht erscheint es mir nur deswegen so überraschend, das zu finden, wonach ich mich selbst sehne und zwar in den Augen eines Tieres, von dem ich nicht erwartet hatte, dass sie eine derartige Geschichte erzählen. Weil ich doch zu sehr an die Menschen gebunden bin und wie sie denken, weil es sich außerhalb meiner Begriffe befindet, davon auszugehen, dass ein Tier so intelligent sein kann.
Und doch liegt ein Wissen in ihren Augen, ein altes Wissen, als hätten sie schon zu viel von dieser Welt gesehen. Es liegt eine Sehnsucht in ihnen, die mich gefangen nimmt, deren unendlich, unstillbare Sehnsucht zu groß für so ein kleines Tier erscheint.
Vielleicht überrascht es mich deshalb nicht, als ich die Augen der Eidechse plötzlich im Gesicht eines jungen Mannes wiederfinde. Sein Blick ist so verloren, so traurig, so dunkel und unergründlich wie die Höhlen, in dem ich ihn treffe.
Ich frage mich, ob unsere Begegnung ein Anfang ist. Oder ein Abschied.