Was wäre, wenn wir uns damals nicht getrennt hätten, als er zur Bundeswehr ging? Er war mein erster richtiger Freund, vielleicht meine große Liebe, auch wenn ich nicht an eine derartige Bestimmung glaube. Aber er war sehr gut zu mir, brachte mich stets mit dem Fahrrad nach Hause und fuhr mitten in der Nacht die mehreren Kilometer zurück. Wir verstanden uns sehr gut, waren ein Herz und eine Seele, obwohl wir immer wussten, dass es nur für eine Weile sein würde. Dass er zur Bundeswehr gehen würde und dass wir dann nicht zusammenbleiben würden. Dass eine Fernbeziehung früher oder später doch ohnehin im Sande verlaufen würde.
Was wäre, wenn wir uns nach seiner Zeit bei der Bundeswehr wieder gefunden hätten? Es waren Jahre seit unserem letzten Treffen vergangen, doch der alte Funke war immer noch da. Aber ich war mittlerweile mit einem anderen Mann zusammen. Es war anders mit diesem Mann, er war ebenfalls gut zu mir, aber nicht auf diese allumfassende, selbstverständlich großzügige Art und Weise, wie er es gewesen war. Wir beließen es bei dem kurzen Treffen im Supermarkt, machten kein weiteres Treffen aus, versuchten gar nicht, den alten Funken wiederzubeleben und unsere neuen Leben auf den Kopf zu stellen. Aber was wäre, wenn wir es getan hätten?
Was wäre, wenn er nicht ein Jahr später auf der Autobahn umgekommen wäre, als er nach einem Unfall Hilfe leisten wollte und von einem anderen Auto erfasst wurde?
Es wäre ein anderes Leben gewesen.