Zwei Tage waren seit der Schlacht vergangen, die über ihrer aller Zukunft entschieden hatte. Noch immer war alles so unwirklich, als wäre es das Leben eines anderen, das er nun führte. Vielleicht war es wirklich so, denn nichts war mehr wie vorher, alles hatte sich verändert. Er selbst hatte sich verändert in der Feuerglut der Schlacht, unter dem Regen der Feuerkugeln, dem Klirren der Schwerter, dem Blut und dem Schweiß, dem Geruch nach Tod und Verderben. So viele Freunde hatte er sterben sehen, seine ganze Familie war den Gegnern zum Opfer gefallen. Und wofür? Er hatte vergessen, wofür sie gekämpft hatten. Wer die Gegner waren und warum. In der Schlacht waren sie doch alle gleich, dort gab es nur noch Leben und Tod.
So viele Menschenleben waren an einem einzigen Tag ausgelöscht worden und als sich die Abenddämmerung über das Feld senkte und alle Farben grau färbte, gab es nur noch die Toten, die alle eins waren. Es gab keine Gegner, keine Verbündeten, es gab nur die Toten und die Lebenden, die viel zu wenige geworden waren.
Er hatte nicht vergessen, wie die Frau seines Bruders ihm entgegengetreten war, als er ins Lager zurückgekehrt war. Er wusste, er würde es nie vergessen, der Augenblick hatte sich ihm eingebrannt. Sie hatten kein Wort gewechselt, ein Blick in seine Augen hatte ihr alles gesagt, was sie wissen musste. Keiner hatte es aussprechen müssen, dass jede Hoffnung verloren. Ihr Mann, die Liebe ihres Lebens, der Vater des Kindes unter ihrem Herzen war nicht mehr am Leben. Er erinnerte sich, wie er sie im Arm gehalten hatte, als sie hilflos weinte und er ihre Tränen teilte. Er hatte an diesem Tag seinen Bruder verloren, mit dem er immer durch dick und dünn gegangen war, der auf ihn aufgepasst hatte, seit er denken konnte. Er war nicht mehr da. So wie unzählige andere. Es gab niemanden, der an diesem Tag nicht jemanden verloren hatte.
So viel Grausamkeit, so viel Leid. An einem einzigen Tag. So viele Leben.
Er hatte zu viel gesehen, zu viel ertragen, um noch an das Gute zu glauben. Um noch Hoffnung zu haben. Vielleicht würde er eines Tages wieder Hoffnung haben, vielleicht würde er wieder an das Gute glauben. Eines Tages. Wenn die Wunden verheilt waren, wenn die Trauer nachließ, wenn es eine Zukunft gab, in der sie endlich in Frieden leben konnten.
Frieden. Das war seine Hoffnung. Sie alle hatten Blut an den Händen, deshalb fiel es allen schwer, Frieden zu schließen. Keiner konnte vergessen. Keiner konnte vergeben. Manchmal nicht einmal sich selbst.