Bei Familie Wilson machte sich Sorge breit. "Wilma ist wieder solange weg, hoffentlich ist alles in Ordnung. Ich habe ihr gesagt, sie soll gut auf sich aufpassen." merkte Mia nachdenklich an. "Vielleicht trinkt sie wieder oder macht mit jemand anderen etwas." versuchte Markus sie zu beruhigen. Plötzlich läutete es an der Tür und Mia spürte etwas, was sie vor 21 Jahren schon einmal gespürt hatte. Das Ehepaar öffnete die Tür und zwei kleine Engel flogen zu ihnen. Diese wirkten furchtbar bestürzt und strahlten keine Freude aus, wie sie es sonst immer taten. Beide bekamen daraufhin ein ganz schlechtes Gefühl und die Engel griffen jeweils nach einer Hand des Ehepaars und redeten mit einer ruhigen mitfühlenden Stimme. "Es tut uns sehr leid, euch das mitteilen zu müssen... Eure Tochter Wilma wurde ermordet und ihr Geist von Dämonen ausgelöscht..."
Mia stieß einen grausamen lauten schrei voller Trauer, Wut und Verzweiflung aus, während sie mit ihren Mann auf die Knie sackte. Die kleinen Engel begaben sich auf ihrer Höhe und weinten ebenfalls. Mia schlug die Hände vor das Gesicht und Markus nahm sie in den Arm. Auch er stand völlig neben sich und konnte die Situation nicht begreifen. Auf dem Boden tropften dicke Tränen. "Wir konnten nichts in unserer Macht stehende tun, um es zu verhindern. Wir sind genauso bestürzt." Auch wenn die kleinen Engel weinten, strahlten sie etwas linderndes aus, ein Mitgefühl, dass zeigte, dass beide nicht alleine waren. "Warum nimmt man uns sogar im Tod alles, was wir haben?!" fragte Mia unter bitteren Tränen. Die Engel strichen ihr diese weg, auch wenn es nichts brachte, da erneute Tränen über Mias Gesicht flossen, welche nie zu enden schienen, genauso wie der Schmerz, den sie in diesem Moment spürte. Es würden niemals genug Tränen vergossen werden können, um die Trauer zu lindern.
"Es stand nicht in unserer Macht. Der Himmel steht euch bei." Ein unfassbarer seelischer Schmerz durchfuhr Mia. "Und ihr Körper? Können wir ihre Asche aufbewahren?" Mit einem Taschentuch wischte sie das Nass weg, als die Engel den Kopf senkten. "Ihr Körper wurde vollständig von Dämonen zerfressen."
Mia wollte spucken, aber sie konnte nicht und die Tatsache, was mit ihrem Körper geschehen war, setzte ihr nur noch mehr zu. Sie weinte stundenlang ununterbrochen in den Armen ihres Mannes und beide entschuldigten sich von der Tätigkeit. Beide waren nicht dazu in der Lage, dieser nachgehen zu können, wofür der Tod vollsten Respekt hatte.
Der Tod schlug Wilmas Lebensbuch zu, denn dieses wurde nicht mehr fortgeführt. Er trat durch eine Tür hinter dem Sitzbereich und verwahrte dieses in einem Regal für die Lebensbücher der Todesengel auf, bevor er in den Raum zurück kehrte. Ruhig richtete er sich an Josef. "Ihr Tod ist unter keinen normalen Umständen geschehen. Bitte hol Cedric Dronner zu mir."
Josef nickte, verbeugte sich und lief aus dem Raum. Er fand Cedric bei den Praktikern und bat ihn, mitzukommen. Cedric ahnte, dass es etwas schwerwiegendes sein musste und folgte ihm in den Raum des Todes. Der Sensenmann grüßte ihn und Cedric erwiderte diese Begrüßung höflich.
"Ich nehme an, etwas ist passiert?" erkundigte Cedric sich direkt. "Ja, es gab einen bewussten Mord an Wilma Wilson." erklärte der Sensenmann und Cedric hörte genau zu. Die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt und stand kerzengerade in dem düsteren Raum. "Sie war noch ein sehr junger Todesengel." merkte Cedric nachdenklich an und der Tod bestätigte seine Aussage. "Ihr Leichnam wurde bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet und auch Ihr Geist wurde vernichtet. Man hat Sie vollständig ausgelöscht." Gefasst lauschte Cedric den Worten und dachte nach. "Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern, Gevatter Tod." Damit verbeugte Cedric sich, als der Tod ruhig sagte: "Ich verlasse mich auf dich, Cedric."
Gevatter Tod duzte Cedric und behandelte ihn sehr vertraut. Cedric nickte und sich verabschiedeten sich voneinander.
Die Tatsache über Wilmas Tod verbreitete sich im Zwischenreich und so erfuhr auch Gamia davon. Zwar erinnerte sie sich an Momente, die sie zusammen verbracht haben, aber da ihr nicht viel an Wilma gelegen hatte, trauerte sie nicht wirklich, fragte sich aber, wie es ihrer Freundin gehen musste. Ihre Mutter hatte ebenfalls davon gehört und sie sprachen kurz darüber, aber Gamia verschwand aktuell immer schnell zu Niklas, wenn sie Zeit hatte und half ihn auf dem Hof. Er zeigte ihr sogar, wie man Traktor fährt, auch wenn dies noch nicht so klappte, wie es sollte.
Gamia grüßte und grinste, als sie bei Niklas war, der sie bat, ein paar Holzbalken mitzunehmen, während er sich mit Akkuschrauber und Nägeln bewaffnete, um kaputte Balken an der Hütte zu reparieren, die im Laufe der Zeit durch die kräftigen Galloways kaputt gegangen sind. Er befestigte ein paar Balken, bevor Gamia sich daran versuchte und er sie dabei von hinten musterte, wobei sein Augenmerk kurz auf ihren Hintern ruhte, bis er sich beschämt ermahnte. Gamia rieß ihn aus dem Gedanken, als sie fragte, ob er das Holzstück festhalten und andrücken könnte. Gesagt, getan und schnell waren sie damit fertig. Zufrieden grinsten sich beide an und unsicher blickte er von ihr weg. Eine schwarze Kuh lief auf ihnen zu und Niklas streichelte diese. In den nächsten paar Tagen schlachten wir wieder, du darfst gerne dabei sein." bot er ihr an und Gamia hatte nichts dagegen. "Gerne, das als Todesengel zu sehen, ist sicher auch interessant, als nur immer sterbende Menschen vor sich zu haben." Dazu sagte Niklas nichts. "Jakob und Rin waren auch schon öfters dabei."
Die Kuh lief langsam weg und er nahm sich den Akkuschrauber. "Wegen Rin...", fing Gamia vorsichtig an, während Niklas sich schon denken konnte, was kommen würde. "Kommst du mit ihr aus, obwohl sie ein Halbdämon ist?"
Niklas nickte nach kurzer Zeit. "Ja, schon. Als kleine Kinder war es anfangs immer komisch, da wir nicht wussten, was es mit dem Aura spüren auf sich hatte und sie als Halbdämon durchaus etwas an sich hat, dass sie von Tieren und Menschen gemieden wird. Norbert hat deshalb manchmal Probleme und als sie beim schlachten zusah, stand sie mehrere Meter entfernt dort. Trotzdem komme ich als Bekannter gut mit ihr aus und sie tut keinem etwas. Sie ist gefühlslos und hat ihre Eigenarten, aber das ist eben Rin. Außerdem verbinde ich mit ihr ein bisschen etwas und in einigen Punkten sehen wir uns ähnlich." erzählte er neutral, ohne ein schlechtes Wort über sie zu verlieren, aber er war auch keine Person, die über andere lästerte. "Was denn?" hinterfragte Gamia, auch wenn ihr die Antwort klar zu sein schien. "Wir sind beide Halbblüter und haben unsere Mütter verloren."
Plötzlich spürten er und Gamia eine Aura und monoton stand Rin neben ihnen. "Ich habe meinen Namen vernommen und das über mich gesprochen wird." merkte sie neutral an und schaute einfach nur zu den beiden. "Nichts schlimmes." erwähnte Niklas schnell und peinlich berührt. Rin sah ihn ohne Worte an. "Mir ist egal, was du gesagt hast, ich habe nur meinen Namen vernommen. Manchmal fühlt es sich an, als würde man beschworen werden." sagte sie abschließend und lief von der Weide. Gamia und Niklas folgten ihr und erblickten Jakob, der spontan rüber gekommen war, bei Rin. Wenn man alle zusammen sah, ließ sich vermuten, dass sie höchstens 2-3 Jahre auseinander waren. Mit geröteten Wangen und grinsen grüßte Jakob Rin und blendete alles andere aus. "Hey, Rin! Schön, dich zu sehen. Komm doch gerne einmal bei mir vorbei." bot er an und schien als Mensch keine natürliche Scheu vor Rins Dämonenseite zu haben.
"Hallo Jakob. Das kann ich machen." Ohne Gefühl ging sie an ihm vorbei und Jakob schaute ihr hinterher. Niklas lachte bei diesem Szenario und flüsterte Gamia ins Ohr: "Er steht schon länger auf Rin, aber sie versteht es nicht und geht nicht auf seine romantischen Gefühle ein." Leicht schmunzelte Gamia, grüßte Jakob und zu dritt lehnten sie sich vor das Tor. Dabei beobachteten sie die Tiere. "Na, hab gehört, bei euch geht das Schlachten wieder los!" Locker redeten sie miteinander und Gamia hörte den Jungs einfach nur zu, ohne selber was dazu zu sagen. Dabei beobachtete sie Niklas eine Weile und verspürte ein Kribbeln in ihrer Bauchgegend.
Am Tag der Schlachtung mussten die Vorbereitungen schnell vonstatten gehen und Frank erzählte dem Schützen, welches Tier geschossen werden musste. Aufmerksam stand Gamia am Rand und war ruhig, bis ein lauter Schuss ertönte, der die Vögel in der Nähe wegfliegen ließ. Gamia sah, wie der Körper zuckte und nach einem gezielten Messerschnitt ausblutete.
Plötzlich verspürte Gamia eine warme aber dem Tod ähnliche Aura. Ein gleißendes Licht erschien vor dem zuckenden Körper der Kuh und eine menschenähnliche Gestalt in langer weißer Robe und mit kleiner Sense kniete sich zu dem Körper. Die Sense berührte das entweichende Licht der Hülle und eine Hand strich über die helle Erscheinung. Die Seele der Kuh entwich aus der Hülle und stand der weißen Gestalt gegenüber. Verwirrt muhte diese, als eine sanfte Stimme sagte: "Ich bin hier für dich.", Eine Hand strich durch das Fell und hinderte die Kuh daran, zurück auf dem toten Körper zu blicken. "Schau nicht dorthin, sieh mich an."
Daraufhin sah die Kuh in ein geschlechtsneutrales, eher weibliches Gesicht mit kurzem weißen Haar und einem beruhigenden Gesichtsausdruck. "Ich bin der weiße Tod und bin hier, um dich zu erlösen. Ich stehe für euch ein, im Dienste von eurer Schöpferin Mutter Natur." stellte sich die Gestalt vor und legte dabei vorsichtig die Stirn auf die der Kuh. Ein sanfter Wind kam auf. "Mutter Natur und ich holen dich ab."
Damit ging der weiße Tod gemeinsam mit der Kuh die Weide entlang, bis sich ein helles Licht auftat.
Kurz darauf erblickte die Kuh auf der Weide mehrere friedlich grasende Galloway-Kühe und gesellte sich dazu. Der weiße Tod ging durch das Licht wie ein Portal und betrat einen Raum, der dem Inneren einer Uhr ähnlich sah. Vor ihr stand eine wunderschön anmutige und natürliche Frau, mit langen braunen welligen Haaren und Mittelscheitel. Ihre Augen funkelten naturgrün, obwohl sich ein kleines grau beimischte. Das Kleid war lang, grün silbrig und aufwendig verziert. "Die Kuh ist glücklich auf der Weide bei ihren Artgenossen, die ihr vorausgegangen sind." berichtete der weiße Sensenmann und die Frau lächelte sie dankend an. "Danke dir. Ich finde Schlachtungen immer traurig. Wenn es den Menschen aber einen Nutzen gibt...", Sie senkte traurig den Kopf. "Es tut mir immer so weh, wenn meinen Geschöpfen Leid widerfährt." Für einen kurzen Augenblick hustete die Frau und besorgt fragte der weiße Tod nach, ob alles in Ordnung sei. "Es geht wieder, ich habe nur kurz keine Luft bekommen."
Dann strich sie über seidenlanges schwarzes Haar. "Das ist eine sehr hübsche Hülle." merkte die weißhaarige Gestalt an und zog die Kapuze der Robe runter. Zustimmend nickte ihr Gegenüber. "Danke, sie ist wirklich schön. Ich werde den kleinen Engeln und dem Himmelsfürst Bescheid sagen." Der weiße Tod drehte sich um und trat langsam durch ein helles Portal. "Ich werde auf der Erde für deine Geschöpfe da sein, Mutter Natur."