Gemütlich saß Henrik in der Gilde und trank seinen Wein, während er einige Akten durchging. Es klopfte an der Gildentür und er gewährte Einlass, während er weiterschrieb. Bei der Stimme, die ihn grüßte, zuckte er allerdings zusammen, stellte das Weinglas ab und legte die Feder beiseite. "Smeralda, hallo. Ich bin überrascht, dich hier zu sehen." Vorsichtig lächelte Smeralda und nickte. "Stimmt, ich war seit 20 Jahren nicht mehr hier." Sie blickte sich um und erinnerte sich an die ersten Male, in denen sie in der Gilde war, um Henrik zu besuchen. Anfangs konnte sie nicht glauben, dass ein hohes Tier wie Henrik auf sie steht. Er bot ihr direkt einen Platz an und ruhig setzte sie sich. "Möchtest du einen Wein? Ich habe auch einen Weißwein da, den du so gerne magst." Henrik wusste nicht richtig, was er sagen sollte, als Smeralda seinem Angebot nach ging und er ihr ein Glas auffüllte. "Danke. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich noch daran erinnerst." gab sie zu und Henrik sah lächelnd zu seinem Wein. "Ich erinnere mich an alles über dich." gestand er mit einem gesenkten Ausdruck und Smeralda fühlte sich geschmeichelt. Sie nahm einen schluck und dass Henrik sich an ihren Lieblingswein erinnerte bedeutete ihr viel. "Es ist schon 18 Jahre her, dass ich zuletzt Wein getrunken habe, aber ich erinnere mich immer noch an den Geschmack." merkte sie an und für einen Augenblick schauten beide sich nur an, als Smeralda langsam zu reden anfing.
"Alma hat mir erzählt, was geschehen ist und es hat mich sehr erschüttert, dass jemand Alma sowas antut." Sie musste sich beherrschen, nicht zu weinen. Mitfühlend schaute Henrik zu ihr. "Ich empfinde ebenso. Als sie vorhin laut weinend in meine Arme fiel, wusste ich nicht, was los war und es hat mich erschrocken, sie komplett aufgelöst zu sehen. Wenn ich wüsste, wer das war, würde ich dieser Person sofort ihre gerechte Strafe geben, die sie verdient!" Er trank von seinem Wein und verspürte auch jetzt noch eine Wut der Frau gegenüber. "Sie hat mir erzählt, wie toll du dich um sie gekümmert hast und sie direkt in den Arm geschlossen hast. Das bedeutet uns beiden eine Menge, besonders mir." lobte sie und Henrik war anfangs überrascht, als er diese Worte vernahm, aber freute sich dann. Es gab ihm innerlich ein beruhigendes Gefühl, dass er nicht mehr so ungeschickt mit den Gefühlen anderer umging wie zuvor.
"Ich möchte für sie da sein, immerhin ist sie meine Tochter.", Beim aussprechen dieser Worte wurde ihm erneut bewusst, dass er eine Familie hatte. "Außerdem möchte ich mich bessern. Jahrelang bin ich nicht besonders gut mit den Gefühlen anderer umgegangen und habe viele verletzt, auch dich. Wenn ich dabei an den Streit mit meinem Bruder denke oder wie kaputt du nach der Trennung warst, bereue ich dies zutiefst und möchte keinem mehr so wehtun." Er senkte dabei den Kopf und Smeralda stimmte diesen Worten zu. Seufzend erzählte sie mit einer leicht betrübten Stimme: "Zu der Zeit, in der wir zusammen waren und es mir nicht gut ging, habe ich mir oft gewünscht, dass du mich einfach mal in den Arm nehmen würdest und mich emotional aufbaust." Nachdem sie ihm diese Worte gestand, realisierte Henrik erneut, dass er kaum richtig für sie dagewesen ist, als es ihr schlecht ging. "Dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich war dir kein guter Partner. Du bist sensibel und ich habe darauf keine Rücksicht genommen." Smeralda nickte und schaute sanft zu ihm. "Deshalb erleichtert es mich, dass du dich um Alma so kümmerst. Daran merke ich, dass du dich wirklich gebessert hast. Reden kann man viel, was wichtig ist, sind die Taten, die darauf folgen. Es macht mich glücklich, wenn Alma immer davon erzählt, wie es bei dir war, wenn sie heim kommt." Henrik schaute zu Smeralda und war perplex. Es freute ihn, dieses Lob zu hören und ihm fiel auf, dass Smeralda offener war, als es bei den letzten Malen der Fall war.
Ein Moment der Stille herrschte, bevor Henrik nach einem schluck Wein die richtigen Worte fand. "In der ersten Zeit, in der ich Alma richtig kennengelernt habe, konnte ich immer noch nicht richtig realisieren, dass sie wirklich mein Kind ist und ich nun ein Vater bin. Irgendwie kommt mir das noch etwas unbeschreiblich vor." Im Gedanken dachte er an die Momente, in denen Alma schon bei ihm gewesen war. Smeralda konnte sich bei diesen Worten ein schmunzeln nicht verkneifen. "Mir ging es ähnlich, aber welches werdende Elternteil muss sich nicht erstmal daran gewöhnen? Ich habe es auch erst realisiert, als ich ihre ersten Tritte gespürt habe und ich sie nach der Geburt auf dem Arm gehalten habe." Ein stolzes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Es stimmte Henrik froh, dass Smeralda lächelnd neben ihm saß und es fühlte sich für ihn wie früher an. "Ich weiß noch, wie wir damals das erste Mal über Kinder geredet haben. Wir meinten, wenn es passiert, dann passiert es eben, aber ich war mir bewusst, dass ich wohl kein guter Vater sein würde." Smeralda erinnerte sich ebenfalls. "Du bist kein schlechter Vater. Was du anfangs zu Alma gesagt hast war nicht richtig, aber du hast deinen Fehler wieder gut gemacht." erwiderte sie lächelnd und Henrik stimmte ihr zu. "Ich muss sagen, dass ich stolz auf sie bin und sie ist wirklich eine perfekte Mischung von uns beiden." Henrik grinste und auch Smeralda schmunzelte darüber. "Da hast du Recht." Beide nahmen einen weiteren schluck Wein und Henrik fing an, Smeralda seine Anerkennung auszusprechen.
"Es war sicher nicht leicht, Alma alleine aufzuziehen und dabei deiner Tätigkeit nachzugehen. Dafür bewundere ich dich wirklich sehr und ich kann es dir nicht oft genug sagen." Dieses Lob ehrte Smeralda und ihre Augen funkelten auf. "Ich war nicht ganz alleine, aber du hast nicht ganz unrecht. Die erste Zeit war anstrengend und ohne die kleinen Engel hätte ich es wesentlich schwerer gehabt. Bis auf einige Zwischenfälle ist Alma aber ein pflegeleichtes Kind gewesen." Nach wie vor war Henrik stolz auf Smeralda und sagte dies offen heraus. "Sie ist wirklich gut erzogen. Ich bin dir dankbar für alles." Diese Worte erfüllten Smeralda mit einem unfassbaren Glücksgefühl und sie musste sich zusammen reißen, um vor Henrik nicht zu weinen, aber sie war sehr gerührt. "Wenn es dir schlecht gehen sollte, darfst du jederzeit zu mir kommen, egal ob ich schlafe, dann darfst du mich gerne aus dem Schlaf reißen. Selbst wenn viel zu tun ist, werde ich mir einen freien Moment nehmen, um dir beizustehen." Diese liebevollen Worte waren zu viel für Smeralda. Sie stellte ihr Weinglas ab und schlug die Hände vors Gesicht, bevor sie zu weinen anfing. "Oh, Henrik. Warum?" Die Tränen flossen über ihr Gesicht und Henrik zuckte zusammen, da dies so plötzlich kam. Smeralda konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und Henrik erkannte, dass sie aus Freude weinte.
Vorsichtig kam er ihr näher und war sich unsicher, wie sie nach langem auf eine Berührung reagieren würde, aber er erinnerte sich an seine Worte und wagte es, indem er den Arm um sie legte. "I-ich kann nicht beschreiben, was in mir vorgeht, aber es bedeutet mir soviel, was du gesagt und getan hast! Du hast dich verändert." Henrik kniete sich hinunter und senkte berührt den Kopf. "Ich habe dich nicht verdient gehabt. Du bist so eine tolle Persönlichkeit und ich habe es nicht einmal richtig hinbekommen, dir beizustehen." Er strich über ihren Arm, während Smeralda ihre Tränen wegwischte. "Es stimmt, dass du früher kein guter Zuhörer warst, aber gerade fühle ich mich sehr gut bei dir aufgehoben." Mit funkelnden Augen blickte Henrik Smeralda an, die ihn verweint anlächelte und Henrik konnte erst nicht glauben, was er hörte. "Danke, dass du mir trotzdem eine Chance gibt's." Er setzte sich wieder und Smeralda lächelte weiterhin sanft. Sie trank ihren letzten Wein aus und stand auf. "Ich würde dann jetzt heimgehen." gestand sie und Henrik folgte ihr. "Es erleichtert mich, dass wir uns noch einmal aussprechen konnten und danke dir, dass du vorbei gekommen bist." Er trat näher an ihr heran und Smeralda nickte. "Ich empfinde ebenso und es fühlt sich besser an als vorher." Für einen Moment sahen sie sich an, bevor Smeralda sich umdrehte und zur Treppe trat. Nachdem sie die erste Stufe betreten hatte, fasste Henrik den Mut und fragte Smeralda offen und ehrlich: "Smeralda? Würdest du dem noch eine Chance geben?" Kurz darauf bereute er es, diese ungeschickte Frage gestellt zu haben. Überrascht drehte Smeralda sich um und überlegte. Schließlich schaute sie ihm ehrlich entgegen und antwortet: "Ich weiß es nicht. Vermutlich würde es seine Zeit dauern und wer weiß, ob es so werden würde wie früher." Mit dieser Antwort konnte Henrik leben und er verabschiedete sich von ihr. "Schön, dass du da warst." Lächelnd nickte Smeralda. "Vielleicht komme ich wieder öfters vorbei, wie früher." meinte sie und drehte sich um. Dieser eine Satz ließ Hoffnung in Henrik aufkeimen und er musste das Gespräch erst einmal verarbeiten.
In den nächsten Tagen führte Alma ihre Lehre fort, obwohl ihr das Ereignis noch in den Gedanken zu schaffen machte. Besonders am ersten Tag war Sibylle sehr sauer auf sie, weil dementsprechend ihre Leistungen waren und meinte, auf der Arbeit habe sie zu funktionieren, egal was sie beschäftigte. Sonst habe sie von der Arbeit fernzubleiben. Jedoch wollte Alma sich wegen dieser Person nicht kaputt machen lassen und strengte sich an. Bei den handwerklichen Aufgaben konnte sie ihre Gedanken vergessen und war in ihrer eigenen Welt. Das war Sibylle schon häufiger aufgefallen, dass Alma sehr konzentriert bei dem war, was sie tat und man sie schwer davon trennen konnte. Es regte Sibylle zwar auf, dass man Alma dann zweimal ansprechen musste, aber sie lobte sich Almas Hartnäckigkeit.
Am heutigen Tag, an dem Alma zur Arbeit lief, kam ihr direkt Sibylle entgegen. "Sie kommen gerade richtig. Viele Sensen wurden eben abgeholt, darunter auch die, die Sie entgegen genommen haben. Es war alles in Ordnung. Das heißt, Sie können sich in Ruhe um Ihre Tätigkeiten kümmern." Für einen Moment erschrak Alma, ließ sich aber nichts anmerken und war erleichtert, dass sie Fabiola beim aushändigen der Sense nicht wiedersehen musste. "Was passiert bei Zweitanträgen eigentlich mit der ersten Sense?" hinterfragte Alma ihre Lehrmeisterin, welche sich zu Alma umdrehte.
"Einige geben ihre Sense ab und wir verwenden die Teile wieder, die wieder verwertet werden können, schmelzen das Metall neu ein oder nehmen die Holzstäbe für die Lehrlinge zum drechseln. Die Segnung erlischt bei der Übergabe.", Das fand Alma interessant, da der Tod ihr dies gegenüber nicht erwähnte. "Andere behalten ihr erstes Modell oft als Wanddekorration oder Erinnerung." Sibylle machte sich an eine weitere Sense. "Genug geredet, Sensen schärfen!" Sofort machte sich Alma ans Werk und schärfte verschiedene Sensen, welche Sibylle am Ende begutachtete.
"Sie machen Fortschritte, aber die Sensen sind noch nicht scharf genug. Außerdem sind einige Stellen schärfer und andere unscharf. Es muss gleichmäßiger werden." merkte sie gestochen scharf an und Alma nickte. Sie merkte sich dies und behielt es im Hinterkopf.
Sibylle erlaubte ihr Feierabend zu machen und Alma begab sich direkt zur Gilde, in der Hoffnung ihren Vater dort anzutreffen. Sie kam gerade rechtzeitig, denn er verabschiedete sich gerade von einem anderen Gildenmitglied, welches Feierabend machte und freute sich, Alma zu sehen. "Hallo Alma! Das fängt ja gut an! Setz dich und bediene dich, wenn du magst." Lächelnd nahm er ein paar Akten zur Hand und bearbeitete diese. Eine Weile sah sie ihm dabei zu, während sie von dem Arbeitstag berichtete. Schließlich nahm sie ihm einige Akten ab und Henrik dankte. "Keine Ursache. Seit der Lehre habe ich lange keine Akten mehr bearbeitet oder eine Seele geleitet." merkte Alma gelassen an und schrieb mehrere Todesdaten nieder. Schließlich erzählte Henrik von dem Gespräch mit ihrer Mutter gestern Abend und Alma war überrascht, dies zu hören, aber freute sich. "Meine Mutter hat noch geschlafen, als ich heute morgen aufgewacht bin. Das freut mich aber total! Ich hoffe das Beste!" Energisch drückte Alma die Daumen und war total, wie sich die Situation zwischen ihren Eltern noch entwickeln würde.