Garten Eden
Um die Uhr rankten sich Dornen, rund um den Uhrenturm und dem Inneren. Im Inneren lebte Mutter Natur. Sie erschuf Hüllen, ihre Hände waren zerschunden. Mutter Natur hielt inne, die Uhr hörte auf zu ticken. Ihre Hände strichen über den Körper und die Uhr beginnt wieder zu ticken.
"Was ist das nur für ein Wetter?!" fluchte Niklas und seufzte, als er vom Traktor stieg und die Hagelkörner ihn trafen. "Vorhin schien doch noch die Sonne!" Er seufzte und wartete einen Moment beim Unterstand.
"Soll ich dich ins Haus teleportieren?" vernahm er die Stimme seiner Freundin, die gerade aus dem Totenreich kam und lächelnd zu ihm sah. Es gab einen kleinen Begrüßungskuss. "Nein, das geht schon.", meinte er und sah zum Himmel. "Es ist Frühling, Anfang Mai und schau dir das Wetter an! Wenn es nachher im Sommer auch so ist, mache ich mir ernsthaft um die Kohlernte sorgen." Gamia sah sich die runterfallenden Hagelkörner an.
"Mutter Natur ist sehr launisch." Niklas seufzte bei ihren Worten. "Dann munter sie irgendwie auf." Die Gedanken kreisten um die Ernte, welche zwar noch eine Zeit hin war, aber die Sorgen waren da.
"Wenn die Menschen mehr auf sie achten würden, könnte ich das." sagte Gamia ruhig und blickte zu Boden. Der Hagel hörte auf. "Hilfst du mir noch beim einstreuen?" fragte Niklas und Gamia nickte. Daraufhin schleppten sie einen großen Sack Stroh durch Dreck zu den Hütten der Kühe. Danach lief Gamia erstmal zum kleinen Haus, um sich umzuziehen. Sie half Niklas noch ein bisschen auf dem Hof, bis er beschloss, Feierabend zu machen. "Lauf schon mal vor, ich rede noch mit meinem Vater." erklärte er und gab ihr einen schnellen Kuss. In den letzten Tagen sah er vermehrt nach Frank.
Frank freute sich über die Anwesenheit seines Sohnes und holte zwei Biere hervor. Niklas erzählte ihm von seinen Sorgen. "Ich habe keine Lust, dass die Ernte wieder nichts wird." klagte er, sah dabei immer wieder mal zu Frank, blickte dann aber wieder weg. "Es gibt gute und schlechte Jahre. Uns geht es nicht schlecht, wir können ein mieses Erntejahr verkraften. Dein Opa und ich hatten auch mal ein richtiges Pechjahr. Dank Rücklagen kamen wir gut zurecht und dann wurde eben auf ein, zwei Sachen verzichtet. So ist das eben. Manches kann man nicht beeinflussen." Frank legte viel Ruhe in seine Worte und das gab Niklas neue Hoffnung. Beide tranken ihr Bier aus und Niklas verabschiedete sich. Er wäre gerne noch länger geblieben, hatte allerdings noch Dinge daheim zu erledigen. Er kehrte zu Gamia zurück, die für ihn gekocht hat. Er dankte ihr.
"Kein Problem. Ich hatte gerade Zeit und wenn ich dir damit eine Freude machen konnte." Glücklich lächelte sie, sah in Niklas Gesicht aber das Gegenteil. "Dich beschäftigt etwas, außer die Sorge um die Ernte." merkte sie an und er wusste, dass er es nicht verbergen konnte. "Du warst eben noch bei deinem Vater. Ich glaube, ich kann es mir denken." murmelte sie und Niklas ließ vom Essen ab. Er konnte es nicht verbergen. "Ich sehe seinen nahestehenden Tod und dass dieser Tag immer näher rückt... Früher konnte ich es noch viel eher ignorieren, aber jetzt nicht mehr. Zu wissen, wann jemand Geliebtes stirbt ist furchtbar! Ich habe das Gefühl, noch jede einzelne Sekunde mit ihm ausnutzen zu wollen." Ihm kamen beim erzählen fast die Tränen. Gamia und er setzten sich an den Tisch gegenüber. "Ich sehe seinen Tod ebenfalls. Natürlich, ich bin ein Todeswesen und er ist nicht mein Vater, ich sehe dies neutraler. Es tut mir leid, dich betrüb zu sehen und ich mag deinen Vater. Er ist nicht fort, er wird wieder bei deiner Mutter sein können. Wir können ihn besuchen, wenn du mags. Ihr werdet euch weiterhin sehen können." erklärte Gamia und wäre sie kein Todeswesen und er selber kein Halbblut, hätte er ihre worte nie und nimmer geglaubt, es als typisches Geschwätz abgetan. Er ergriff ihre Hände. "Bitte, wenn es so weit ist, geleite du seine Seele! Bitte!" Seine Stirn berührte ihre Hand und er wollte weinen. Gamia ergriff seine Hände. "Ja, das werde ich." versprach sie ruhig und Niklas drückte ihre Hand fester. "Ich danke dir." Mit einem Lächeln sah sie Niklas an.
"Genieße die Zeit mit ihm, die du noch hast."
Gamia ließ Niklas seinen Freiraum, den er brauchte und begab sich zum Haus ihrer Eltern. Sie musste mit ihrer Mutter über Franks Akte sprechen, wenn sie seine Seele geleiten wollte.
Ihr Vater saß draußen im Garten und verpflegte die Geflügeltiere. "Hi, Paps! Ist Mutter noch in der Totenwelt?" fragte sie und gesellte sich zu ihm. Fritz lächelte. "Ja, sie musste spontan los." erklärte er und sah zu den Enten und Hühnern. Seit Jahren pflegte Fritz das Geflügel, bis es schlachtreif war. Mit Niklas fertigte er dann die Braten an, welche Niklas verkaufte. Die Einnahmen teilten sie sich.
"Wie war die Arbeit?" hakte Gamia nach, woraufhin Fritz schmunzelte. "Ich wurde einen Praktikanten heute als einer der ältesten Mitarbeiter vorgestellt. Hach, es ist immer amüsant die Menschen auszutricksen, indem ich mich als einen von ihnen ausgebe. Sie sehen in mir den älter werdenden Mann, den sie sehen wollen." Er grinste.
"Was meinst du, wie lange können wir uns hier untermischen, ohne, dass Behörden Wind davon bekommen?" fragte Gamia interessiert und beide blickten sich an. Ihr Vater überlegte. "Wir können ohne weiteres verschwinden, als hätten wir nie existiert. Wir lassen sie glauben, was sie denken zu sehen. Also eigentlich für eine lange Zeit. Wir könnten jetzt einfach ins Totenreich zurückkehren und alle würden denken, dieses Haus sei seit 20 Jahren eine Ruine und meine Kollegen werden keinen Fritz Dronner kennen, so einfach ist das! Wir können kommen und gehen, wie es uns passt." Er stemmte die Hände an die Hüfte und hatte weiterhin sein keckes Lächeln aufgesetzt. Es faszinierte Gamia, wie er schon seit Jahrzehnten auf der Erde lebte.
"Denkst du irgendwann kommt der Tag, wo wir diese Erde verlassen müssen?" Für einen Moment war es ruhig. "Ganz bestimmt. Kaum was ist für die Ewigkeit." meinte er dann überraschend locker und widmete sich wieder den Tieren. Kurz darauf kehrte Gina zurück und Gamia sah ihrer Mutter an, dass es kein einfaches Seelengeleit gewesen ist.
Gamia lief zu ihrer Mutter und fragte direkt: "Du siehst genervt aus. Was ist passiert?" Sie verschränkte ihre Arme und Gina legte ihre Robe ab. "Ich musste spontan zu einem Geleit, weil der zuständige Todesgeist diesen nicht nachgegangen ist. Ich habe ihn mir direkt vorgeknöpft und er hat sich seiner Arbeit bewusst verweigert. Das kommt vor. Ich durfte ihn danach zur Gilde mitnehmen." erzählte Gina und Gamia verstand. Es kam besonders bei Todesgeistern vor, dass sie es nicht einsahen, diese Arbeit zu verrichten. Im Gegensatz zu den Todesengeln hatte dies allerdings Konsequenzen. Gamia dachte dabei an ihren Vater, welcher keine Arbeit mehr im Totenreich verrichtete, lediglich bei Notfällen.
Gina wollte zu Fritz laufen, aber Gamia hielt sie auf und beide blieben an der Tür zum Garten stehen. "Ich hätte ein wichtiges Anliegen." bat sie und Gina hörte zu. "Ich habe mit Niklas gesprochen. Es geht um seinen Vater." "Er wird demnächst sterben, ich weiß. Und du möchtest sicher seine Akte haben, richtig?" unterbrach Gina ihre Tochter, die kurz stockte. "J-ja, bitte...." Gina lächelte und holte eine Akte hervor. "Ich habe es mir schon gedacht, als ich sein näher kommendes Todesdatum sah." Dankbar nahm Gamia die Akte und schlug sie auf. "Hättest du sie nicht geleitet, hätte ich es für Niklas getan." erwähnte sie am Rande und Gamia behielt die Akte gut in der Hand. "Und jetzt lass uns zu deinem Vater, er wartet schon ganz sehnsüchtig." Daraufhin liefen beide zu Fritz in den Garten und setzten sich an den Holztisch.
Alma lehnte sich an den Tisch ihres Vaters in der Gilde. Ihre Haare waren zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden. Eine schwarze Umhängejacke aus Stoff, versehen mit Nieten, zierte ihren 3/4 Pulli, welcher einen V-Ausschnitt besaß und bis auf einen Totenkopf mit Rose weiß gehalten war. Ihre Jeans war, genauso wie ihre Schuhe zum reinschlüpfen, in schwarz gehalten.
An ihrer Seite stand Jayna, in ihrem klassischen Gothik-Outfit und umfasste Almas rechte Hand. "Bald hast du Geburtstag. Ich weiß noch gar nicht, was ich dir schenken soll." merkte Jayna lächelnd an und Alma schmunzelte. "Muss du auch nicht. Und sonst tut es immer eine Flasche Wein." Sie grinste Jayna an und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Bei Wein bin ich auch dabei.", fügte Henrik hinzu und hob sein Weinglas. "Und wenige Tage später hat mein Neffe Geburtstag." merkte er an und Alma nickte.
"Frederic muss ich dann auch unbedingt gratulieren." Kurz darauf betrat Cedric die Gilde, mit einigen abgeschlossenen Akten in der Hand.
"Da war jemand fleißig." merkte Henrik an und bekam von Cedric ein trockenes: "Im Gegensatz zu jemanden, der nur in der Gilde sitzt und Wein trinkt." Henrik schwieg und Alma musste sich das Lachen verkneifen. Selbstständig gab Cedric die Akten beim Sensenmann ab und setzte sich dann zu seinem Bruder. "Der Feierabend ist jetzt auch notwendig. Ich wollte schon früher hier sein, aber es kamen immer mehr Seelengeleit dazu." Cedric genoss es, kurz zu sitzen.
"Ich hätte übrigens noch eine Bitte an di-" wollte Henrik sagen, aber ein kalter Blick von Cedric reichte, um ruhig zu sein. Er wollte einen kleinen Moment Pause haben und Henrik trank seinen Wein weiter. Alma und Jayna verabschiedeten sich dann kurz darauf und verließen die Gilde.
Die Zwillinge waren alleine und Cedric fragte: "Was wolltest du sagen?" Er schien ruhiger geworden zu sein. "Eine Bitte vom Tod. In letzter Zeit kommt es häufiger vor, dass Seelengeleiter ihren Job nicht nachgehen, hauptsächlich Todesgeister. Behalte dieses Phänomen bitte im Auge und händige mir die Querschläger aus. Und stell sicher, dass sich da keine größere Organisation hinter verbirgt. Das Totenreich braucht es nicht, dass jemand seine Tätigkeit bewusst verweigert." Cedric hörte ihm zu und nickte seine Worte ab. "Ich werde dem nachgehen." Daraufhin stand er auf und verließ die Gilde.
Daheim zog Cedric seine Stiefel aus, streifte seinen Mantel ab und entledigte sich seiner Krawatte. Seine Geliebte war ebenfalls daheim und sah ihn schon die Tür reinkommen. "Hallo Cedric." grüßte Felicia und beide tauschten einen schnellen Kuss aus. Er lief durch die Wohnung und blieb bei den Familienfotos stehen, die er sich gerne mal ansah.
Felicia stand hinter ihm. "Was beschäftigt dich?" fragte sie direkt und Cedric wusste, dass er seiner Frau nichts verschweigen konnte. "Henrik bat mich, im Totenreich nach Querschlägern, die ihre Arbeit nicht verrichten, Ausschau zu halten. Es geht dabei primär um die Todesgeister." Er seufzte und die Hände seiner Frau umfassten seinen Nacken. Sie fing an, ihn leicht zu massieren. "Warum gehen diese Todesgeister nicht ihrer Arbeit nach? Es ist nun mal ihre Strafe, die ihnen auferlegt wurde." seufzte er und verschränkte die Arme.
"Vergiss nicht, dass sie einst Menschen waren und dieses Dasein hier eine große Belastung sein kann. Außerdem sind Menschen so, dass sie sich nicht immer fügen und gegenangehen." erzählte sie sanft und strich mit den Händen über seine arme. "Ich bin es einfach gewohnt, Seelen zu geleiten und Akten zu schreiben. Es ist meine Aufgabe." meinte er, als Felicia ergänzte: "Du bist ein Todesengel und wurdest hier geboren. Natürlich siehst du es als deine Bestimmung an. Denk außerdem an unseren Sohn. Auch wenn es für uns Todesengel natürlicher erscheint, gibt es auch welche, die sich ihrer Arbeit entledigen." Ihre Hände glitten zu seiner Hüfte, während er ihr Recht gab. "Werde dem offener gegenüber." sagte sie und während sie dies sagte, öffnete sie seinen Hosenstall und ihre Hände glitten in diese.