Am nächsten Morgen wachten Gamia und Niklas gemeinsam auf und machten sich kurz darauf an die Arbeit auf dem Hof. Zuerst fütterten sie die Tiere, bevor Niklas ihr einen Kuss gab und Jakob bei einer Kleinigkeit half. Als er auf dem Hof lief, sah er einen 10-jährigen Jungen mit seiner 8-jährigen Schwester spielen. Jakob war mittlerweile Vater von zwei Kindern geworden und glücklich verheiratet. Jakob grüßte Niklas mit einem Handschlag und erklärte ihm, dass er eine Wanne vom Dachboden holen müsse und sie liefen in die Scheune. Durch Niklas Stärke war dies viel einfacher und Jakob dankte ihm. "Wir müssen unbedingt mal wieder auf ein Bier zusammen kommen!" meinte Jakob und Niklas nickte nur, kehrte aber auch schon zu Gamia zurück, denn beide hatten noch ein bisschen was zu erledigen.
Kaum war Niklas wieder bei Gamia, verabschiedete sie sich kurzfristig. Mit gezückter Sense öffnete sie ein Flügelportal und teleportierte sich durch dieses in einem Wald. Im Wald stand ein verzweifelter Mann mit einer Pistole in der Hand. Hinter ihm stand die Gestalt mit dem Henkersstrick, welche Gamia erblickte und grinsend musterte. Gamia funkelte die Gestalt finster an, als der Mann die Pistole in den Mund nahm und abdrückte.
Sofort wandte sich Gamia an die Seele und fragte sich, ob sie es nicht hätte verhindern können, immerhin war ein Teil von ihr dem Sensenmann sehr ähnlich. Die Gestalt verschwand und Gamia geleitete die Seele des Mannes ins Zwischenreich. Kaum hatte sie dies getan, verspürte sie eine weitere Aura, lächelte und folgte dieser.
Ein Wildschwein war im Moor versunken und der weiße Tod nahm die kleine Sense, um die Seele des Tieres zu geleiten. Daraufhin lief ein Wildschwein neben ihr und schmiegte sich an sie. Der weiße Tod lächelte und fühlte Gamias Aura. Sie erkannte ebenfalls den weißen Tod. "Hallo Gamia." grüßte dieser und zog sie zu einer Umarmung zu sich. "Geht es dir gut?" fragte dieser höflich und Gamia nickte freudig. Da das Seelengeleit plötzlich gekommen war, stand Gamia in Arbeitskleidung da, aber das war dem Tod im weißen Gewand egal. "Ich verabschiede mich. Grüß Gina nett von mir." bat dieser und Gamia nickte. "Werde ich. Bis irgendwann." Der weiße Tod verschwand und ging in den Raum, in dem Mutter Natur sich immer aufhielt.
Mutter Natur kniete auf dem Boden und arbeitete an den Füßen eines Menschens. Der weiße Sensenmann schaute zu ihr und Mutter Natur kniete barfuß auf dem Boden. Sie liebte das Gefühl, wenn ihre nackten Füße durch den Boden der Erde liefen und das Gras auf ihrer Haut spürte. Bei näherer Betrachtung erkannte der Tod im weißen Gewand eine kleine Dorne in Mutter Naturs kleinen Zeh und zuckte zusammen. Besorgt fragte sich dieser, ob der Dorn nicht wehtut, schaute dann über Mutter Naturs Schulter und musterte ihre Arbeit. Mutter Natur vollrichtete ihr Werk und war zufrieden, allerdings bemerkte ihr Gehilfe, dass die Hülle sechs Zehen hatte und wollte sie darauf ansprechen, als kleine Engel die Hülle bereits abholten. "Alles in Ordnung?" fragte Mutter Natur und stand lächelnd auf. Sie sah das Wildschwein und streichelte dieses, als ihr Gehilfe sagte: "Die Hülle hatte sechs Zehen." Mutter Natur stockte. "Oh, da ist mir anscheinend ein kleiner Fehler passiert. Wenigstens war es kein schwerwiegender Fehler. Mir tut es immer Leid, wenn eine Hülle nicht so ist, wie sie sein soll." Sie senkte den Kopf und streichelte das Wildschwein weiter.
Gamia war heimgekehrt und gab die Akte des Mannes ihrer Mutter mit. Gina fand dies nicht erfreulich, als ihre Tochter von dem Suizid erzählte und wusste, dass der Tod es auch nicht war. Sie teleportierte sich ins Totenreich und Gamia lief zu Niklas, der an einem Auto stand und sich unterhielt. Es war Jakobs Frau Alicia, die ihre blonden Haare zusammengebunden hatte. Ihre zwei Kinder saßen auf der Rückbank. "Wir möchten zu meinen Eltern. Jakob redet übrigens darüber, dass er gerne wieder mit dir entspannt reden wollen würde. Schau mal bei ihm rum. Wir sind morgen Abend wieder da!" Lachend schloss sie das Fenster und fuhr aus dem Dorf. Als er Gamia erblickte, legte er den Arm um sie. "Recht hat sie ja. Ich schaute heute Abend mal bei ihm vorbei." Er küsste Gamia auf die Wange und beide lächelten.
Als Gamia sich auf den Weg ins Zwischenreich machte, lief Niklas zu Jakob rüber, welcher sich sehr über den Besuch freute. "Schön, dass du vorbeigekommen bist. Jetzt haben wir ja auch unsere Ruhe, wo die Familie nicht da ist." grüßte er und schmunzelte freudig. Niklas lächelte und setzte sich mit ihm in die Küche. Jakob bot ihm ein Bier an und Niklas nahm ausnahmsweise eines. "Du und Gamia habt keine Kinder, schade eigentlich. Sie hätten sich sicher gut mit meinen verstanden. Wie kommt das?" fragte er gelassen nach und Niklas konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Deshalb meinte er nur: "Gamia kann keine Kinder bekommen." Jakob nickte. "Schade, aber dann ist das wohl so." Er beließ es dabei und ging nicht weiter darauf ein. Jakob fragte, wie es allgemein Niklas, Frank und Gamia ging und Niklas antwortete, dass alles in bester Ordnung sei. Daraufhin erzählte Jakob ein bisschen von sich. Seit dem Tod seiner beider eltern gehörte ihm der Hof alleine und er erwähnte, dass er sich demnächst neue Kühe zulegen wollte. Ruhig hörte Niklas ihm zu, als Jakob sagte: "Hast du Norbert in letzter Zeit gesehen?" Niklas stockte und schüttelte den Kopf. "Nein, warum?" hakte er verwundert nach. "Nur so. Er ist ja auch schon über 60 und macht das alles noch mit den Schafen. Ob das gut so ist? Ich meine, sogar dein Vater macht nicht mehr soviel!" merkte Jakob an und Niklas nickte zustimmend.
Er verabschiedete sich wenig später von Jakob und lief an Norberts Haus vorbei. Niklas tat dies nicht gerne, aber er trat näher an dem Haus heran und machte sich nicht sichtbar für andere. Gamia hatte ihm ein paar Dinge gelehrt und er kannte seine Todesengel-Seite nun besser. Er linste in das Küchenfenster und zuckte zusammen, als er ihn sah. Kurzerhand entfernte er sich von dem Fenster und machte sich wieder für alle sichtbar. Er konnte sich nicht immer unsichtbar für die Menschen halten und manchmal vergaß er auch, dass andere ihn nicht sehen konnten. Einmal sprach er mit seinem Vater und erst, als keine Reaktion kam, bemerkte er sein Versehen. Seine Freundin fand es gut, dass er sich daran versuchte und auch den Halbblut-Teil in sich besser verstehen lernte. Niklas kehrte ins Haus zurück und wartete, bis seine Partnerin wiederkam, da ihm immer wieder durch den Kopf ging, was er gesehen hatte.
Gamia war immer noch im Totenreich, bearbeitete eine Akte und nahm dann ihre Sense, um in die Menschenwelt zu gelangen. Mittlerweile geleitete sie viele Seelen selber und kam mit bösen Seelen auch besser zurecht. Auf der Erde beobachtete sie drei Jungs, die ein Bild von sich machen wollten. Es schien ein Urlaubsauflug zu sein. Sie standen an einer mehrstufigen Steintreppe und wollten wohl einen Waldausflug machen, bis einer beim Foto knipsen nach hinten fiel und die Steintreppen hinunter stürzte. Seine zwei Freunde sahen ihm geschockt hinterher und er fiel mit der Schläfe gegen eine Metallstange. Sofort eilten sie zu ihm und riefen einen Krankenwagen.
Gamia stellte sich an den Körper und ihre Sense berührte den Körper. Daraufhin baute sie eine Brücke auf und sprach die Formalitäten aus. Sie verspürte einen kleinen Widerstand. "Nein, ich und meine Freunde wollten noch so viel erleben, das kann man ihnen nicht antun!" Die Seele war nicht böse und wollte sich nicht dagegen wehren, geleitet zu werden, sie war lediglich bestürzt darüber, dass das Leben so früh geendet ist und seine Freunde diesen miterleben mussten. Gamia sprach weiter die Akte aus, bis sie hinzufügte: "Jeder hat seine Zeit mitbekommen, ob nun hier oder alleine. sie wären am heutigen Tage gestorben!" Sie geleitete die Seele mit einem letzten ruck ins Himmelsreich, bevor die Akte als abgeschlossen galt und sie zurück in das Zwischenreich kehrte.
Gamia vollrichtete dort noch wenige Arbeiten und teleportierte sich dann zu Niklas heim. Sie fand ihn am PC sitzen und hatte ein beklemmendes Gefühl. "Ist etwas vorgefallen?" fragte sie und Niklas zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte. "Äh... naja..." stammelte er und Gamia sah ihn fragend an. Er drehte sich mit dem Stuhl zu ihr um und senkte den Kopf. "I-ich... es geht um Norbert." fing er an und Gamia nickte. "Ja? Du kannst es mir ohne Hemmungen erzählen, das weiß du doch." sprach sie ruhig auf ihn ein und Niklas war sich dessen bewusst.
"Norbert wird sterben!"
Er sagte dies frei heraus und fügte hinzu: "Und zwar morgen mitten in der Nacht." Gamia legte die Hand auf seine Schulter und strich lächelnd über diese. "Ich weiß schon, es beschäftigt dich nicht nur, weil er ein guter Freund deines Vaters ist, sondern auch, weil du jetzt richtig miterlebst, zu wissen, dass bald ein naher Tod geschieht. Ich kann mir vorstellen, wie es dir gehen musst, es ist nicht schön, auch wenn du damit aufgewachsen bist. Besonders, weil du auf der Erde großgeworden bist. Als Todeswesen, das im Zwischenreich geboren wurde, habe ich eine andere Einstellung dazu." erzählte sie ihm mit einem aufmunternden Lächeln. Niklas lächelte leicht. "Du hast Recht... Aber ich weiß ja, dass der Tod ganz normal ist und zum Leben dazu gehört. Es ist ja nicht das Ende." sagte er und wirkte optimistischer. Gamia freute dies zu hören und scherzte: "Ja, der Tod ist normal oder bescheuert wie meine Mutter." Das Paar musste darüber lachen und manchmal vergaß Niklas, dass Gamias Mutter eines der mächtigsten Todeswesen im Zwischenreich war.
Das Paar ging ins Bett und als sie sich am nächsten Tag um den Hof kümmerten, besuchten sie Norbert, welcher gerade zu den Schafen lief. Er sah beide und lächelte, bevor er grüßte. Norbert wirkte ein wenig nachdenklich, aber munter wie sonst auch. Niklas grüßte zurück und ließ sich nichts anmerken. "Wie geht's?" erkundigte Niklas sich und lächelte normal, obwohl er Norberts ablaufende Zeit genau sah.
"Gut, ich habe heute länger geschlafen, nach langem wieder. Viel werde ich aber heute nicht machen. Hab in den letzten Tagen noch den Rest fertig gemacht." erwähnte er und das freute Niklas sehr zu hören. Er wollte Norbert etwas sagen, ohne komisch zu klingen. "Ich finde es gut, dass du dich noch so gut um alles kümmerst, Norbert. Mein Vater findet das auch." sprach er ruhig aus und Norbert dankte ihm für das Kompliment. "Ach, irgendwann werde ich damit auch aufhören. Mit Frank muss ich auch nochmal reden!" erwiderte er lachend und wandte sich den Schafen zu. Niklas lief mit Gamia in die Halle und lehnte sich an die Wand. "Oh man..." seufzte Niklas und Gamia stellte sich zu ihm. "Meistens spüren Menschen, wenn sie sterben und erledigen oft noch ein paar Dinge oder verhalten sich anders." erklärte Gamia ihrem Freund und Niklas nickte. "Irgendwann kommt für jeden die Zeit." sagte er ruhig und lächelte, als er zum Traktor ging. "Na, dann! Wollen wir? So wie früher?" fragte er lachend und hielt ihr die Hand hin. Grinsend ergriff Gamia diese und setzte sich mit ihm auf dem Traktor. Sie fuhren auf die Weide und mähten diese. Als sie von der Weide fuhren, erblickten sie Norbert, welcher gerade von Franks Haus kam und sich anscheinend mit ihm unterhalten hatte. Wenn Niklas im Hintergedanken hatte, dass Norbert nicht mehr lange lebte, hinterließ dies einen komischen Beigeschmack.
Norbert machte sich einen ruhigen Tag und lebte, wie jeden Tag auch, außer dass er an diesem nicht viel arbeitete und eher für sich war.
Jakob kam kurz vorbei und brachte ihm ein paar Eier vorbei. "Man sieht sich!" verabschiedete Jakob sich und kehrte zum Hof zurück, wo er die Tiere alle versorgte und die Ställe ausmistete. Er bekam die Zeit nicht richtig mit, als er eine weibliche Stimme rufen hörte. Ihm kam die Stimme bekannt vor, die seinen Namen rief und er lief zum Haus. "Hallo?!" rief er laut und als er sah, wer vor der Haustür stand, stockte er und konnte dies nicht glauben.
"Rin! Ich dachte du wärst..." sie lächelte ihm entgegen, doch hinter diesem Lächeln verbarg sich etwas heimtückisches. Rin hatte das Erscheinungsbild wie vor über 20 Jahren, nur wirkte sie älter und wie eine reife Dame. "Guten Tag, Jakob. Schön, dich zu sehen." grüßte sie und lief zu ihm
Rin strich über seine Wange und flößte ihm Worte ein, dass sie nach ihrem Wutausbruch, welches eigentlich der Abend war, an dem sie in die Hölle gegangen war, eine Einrichtung besucht hätte und mehr als nur das Dorf sehen wollte. Jakob glaubte diese Worte. "Schön, dass du wieder da bist, komm rein." bot er an und öffnete die Tür. "Ich zieh mich nur schnell um." entschuldigte er sich und Rin ging bereits rein, während Jakob durch die Hintertür verschwand. Er grinste genauso wie damals und alte Gefühle kamen in ihn hoch.
Im Bad zog er sich um und merkte, dass er noch nach Stall roch, was ihm unangenehm war, er wollte Rin aber nicht lange warten lassen. Er lief zu ihr und er sah, dass sie sich bereits in die Küche gesetzt hatte. "Entschuldigung, ich komm gerade aus dem Stall." entschuldigte er sich beschämt, aber Rin störte sich nicht daran. "Du darfst auch gerne duschen gehen, ich sehe mich dann etwas um." meinte sie aufgeschlossen und Jakob wollte dies am heutigen Tage sowieso noch erledigen. "Wenn du Durst hast, bedien dich!" bot er an und zeigte ihr die Gläser. Rin nickte und Jakob verschwand unter die Dusche. Als er unter der Dusche stand, musterte Rin die Familienbilder von Jakobs Familie genauer. Sie wurde sauer, als sie die strahlenden Gesichter sah und hatte das Verlangen, dies zu zerstören.