Henrik setzte seine Worte am nächsten Tag direkt in die Tat um und lief zu den Scythe Makern. Sibylle grüßte den Gildenführer und fragte nach seinem Anliegen. "Ich würde gerne in Ruhe mit einen Ihrer Lehrlinge sprechen. Er soll Schnittverletzungen am Arm haben." Anscheinend wusste Sibylle, wem er meinte und holte den Lehrling. Mit zusammengefalteten Händen und viel Respekt stand er vor Henrik. Er hatte soviel Respekt, dass es schon wieder zur Angst wurde. Henrik stellte sich förmlich vor. "Ich bin Henrik Dronner, der Gildenführer und möchte über eine Sache reden." Beide gingen etwas abseits des Geschehens und Henrik nahm ihm etwas die Angst. "Du darfst mich auch duzen. Ich bin ein normaler Seelengeleiter und ich möchte dir nichts tun. Es geht um deinen Lehrmeister." Der braunhaarige Lehrling fragte nach. "Sie... äh, du meinst Herr Morphes?" Der Gildenführer ging davon aus, dass der Lehrmeister wohl so hieß und nickte. "Worum geht es denn? Brauchen Sie, äh, du eine Zeugenaussage von mir?" Henrik fand es interessant, wie der Lehrling das interpretierte. "Sagen wir ja, die brauche ich." Der Lehrling nickte zögerlich. "I-ich kann nur sagen, dass er sich über meine Fehler aufgeregt hat und dabei mit der Sense um sich gehauen hat, als er das Mädchen verletzt hat. Hätte ich alles richtig gemacht, wäre das nicht passiert."
Die letzte Aussage schockierte Henrik etwas und er erkannte, was der Lehrmeister psychisch in seinem Lehrling angerichtet haben musste. Er hatte kein Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl und gab sich zu Unrecht die Schuld an Almas Arbeitsunfall. Sofort versuchte Henrik ihm vom Gegenteil zu überzeugen. "Es ist nicht wegen dir passiert, sondern wegen der Unvernunft deines Lehrmeisters. Er allein trägt die Schuld. Erzähl mir doch bitte, wie dein Lehrmeister Herr Morphes so ist." bat Henrik mitfühlend und legte den Finger ans Kinn. Der Lehrling zögerte, in der Angst, jemand würde sie belauschen und ihm dann wehtun. "Er ist ein s-sehr garstiger Mann, brüllt viel und wird schnell wütend." Aufmerksam vernahm Henrik diese Worte und stand seinem Gegenüber bei, bevor er direkt fragte: "Hat er dir das auch angetan?" Dabei zeigte er auf die Arme des Lehrlings, welcher mit gesenkten Kopf und heruntergefallenen Schultern dastand. "Ja..." kam leise die Antwort und er hielt sich einen der Arme. "Bei jedem Fehler, den ich mache, schneidet er mir in die Arme und versucht die Schärfe einer Sense zu demonstrieren." Immer mehr tat dem Jungen Henrik leid und er wurde umso verbissener, dem Lehrmeister seiner Berufung zu entziehen.
"Warst du schonmal bei den Heilern deswegen?" hakte Henrik besorgt nach und der Junge schüttelte nur den Kopf. "Meistens darf ich sie nicht mal verarzten oder er lässt sie nicht einmal abheilen." Diese Misshandlung machte Henrik sprachlos und er sah, dass der Lehrling fast weinte. "Keine Sorge, deswegen bin ich hier, um dem ein Ende zu setzen." Hoffnungsvoll sah sein Gegenüber ihn an und konnte das kaum glauben. "Wirklich?" Henrik nickte und grinste gelassen. "Ich bin der Gildenführer, ich werde das wieder richten. Auf jeden Fall ein großes Dankeschön für deine Hilfe. Du hast mich viel weiter gebracht."
Der Lehrling konnte diese Worte erst nicht glauben und seine Augen funkelten auf. Selten hatte er solche Worte vernommen und war sehr gerührt. Der Gildenführer kehrte zu Sibylle zurück und redete mit ihr.
"Es geht um Herr Morphes. Ich habe mit seinem Lehrling gesprochen und dieser hat mir mehrere Dinge erzählt. Aufgrund des Unfalls und den Misshandlungen, die der Lehrling mir berichtet hat, möchte ich Herr Morphes seiner Berufung als Sensenschmied entziehen!" Mit einem strengen Gesichtsausdruck erzählte er Sibylle von den Vorfällen und argumentierte, warum er dem Lehrmeister seiner Berufung entledigen möchte.
Sibylle verschränkte die Arme und hörte Henrik still zu. Sie blieb vollkommen neutral. Henrik musste einmal mit Sibylle darüber sprechen, immerhin war sie die Leiterin der Scythe Maker Abteilung. Sibylle lauschte seinem Bericht aufmerksam, bevor sie Stellung dazu nahm. "Wissen Sie, wir sind froh über jeden Seelengeleiter, der hier arbeitet. Es ist viel zu tun, wir brauchen die Personen und haben zudem die Lehrlinge.", Diese Aussage klang im ersten Moment ernüchternd, doch dann redete Sibylle weiter. "Jedoch können wir so einen Sensenschmied hier nicht gebrauchen. Tun Sie schon Ihren Job." Henrik erfreute diese Aussage sehr und Sibylle rief laut nach Herr Morphes, welcher zur Schmiedemeisterin lief. Er trug einen Vollbart und schien nicht erfreut, dass Sibylle ihn zu sich gerufen hat. "Was?!" fragte er barsch nach und schien gestresst. Herr Morphes war eiskalt.
Ebenfalls miss fiel es Herr Morphes, dass der Gildenführer vor ihm stand und das erzürnte ihn umso mehr. Henrik sah ebenso kühl zu Herr Morphes, sagte kurz Guten Tag und erklärte dann sein Erscheinen, bevor er Herr Morphes seine Taten vorlegte. "Ich entziehe Ihnen Ihre Berufung als Sensenschmieder und zudem Ihre Sense, da Sie gegen die Regel `Todeswesen dürfen sich gegenseitig nicht, aus welchem Grund auch immer, verletzen` verstoßen haben. Vorerst dürfen Sie nur noch Theoretiker Arbeit verrichten. Zudem haben Sie vermehrt Ihren Lehrling misshandelt, womit Sie ebenfalls gegen diese Regel verstoßen haben." Er sah Herr Morphes direkt entgegen, welcher mit den Zähnen knirschte und aufbrausend wurde. "Hören Sie mal, das können Sie nicht machen! Seit Jahren bin ich hier und habe Erfahrung, man braucht mich! Das haben Sie nicht zu bestimmen!" brüllte er und Sibylle schritt ein.
"Seien Sie still! Sie haben hier nichts zu melden!!" ermahnte sie rigoros wie immer und Herr Morphes beugte sich dem. "Ich habe mein Einverständnis gegeben und des Öfteren selber mitbekommen, wie Sie handeln!! Von nun an werden Sie den Sensenschmieden verwiesen!!" Herr Morphes war sprachlos, als er Sibylles harten Worte hörte.
"Ich entziehe Ihnen als Gildenführer Ihre Berufung als Sensenschmieder und bitte Sie darum, mir Ihre Sense unverzüglich auszuhändigen!" sprach Henrik und zog einige Blicke auf sich, welche er ignorierte. Herr Morphes nahm seine Sense und knallte diese vor Henrik auf den Boden. "Hier haben Sie Ihre beschissene Sense! Ficken Sie sich, arroganter Snoob von einem Gildenführer!!!" beleidigte er Henrik wutverzerrt, riss sich die Schmiedeschürze runter und warf die Tür mit einem lauten Knall zu. Henrik störten die Beleidigungen nicht, sie waren ihm egal und er nahm die Sense von Herr Morphes, welche er direkt zur Gilde brachte und in einem Nebenraum verwahrte. Er berichtete Jeremy davon und lief wieder heim, um seiner Tochter und Smeralda von den Neuigkeiten zu berichten.
Smeralda freute sich, ihn zu sehen. "Du kommst gerade noch rechtzeitig. Alma wollte gerade zur Arbeit." berichtete Smeralda und Alma kam aus dem Zimmer und lächelte. "Papa, hallo!" Sie stand in voller Schmiedemontur da und Henrik blickte seine Tochter stolz an. "Es geht um den Seelengeleiter, über den wir gesprochen haben." fing er zu erzählen an und Alma war gespannt. Smeralda hörte ebenfalls interessiert zu. Nachdem Henrik ausführlich von dem Gespräch erzählt hatte, ebenso von den Strafen, die Herr Morphes erteilt worden waren, war Alma sehr erleichtert und umarmte ihren Vater. "Vielen vielen Dank!" Sie war unfassbar glücklich und auch Smeralda sprach ihre Freude aus. "Das hast du gut gemacht, Henrik. Danke." Sie lächelte schüchtern und Alma wollte die Umarmung kaum lösen, aber sie musste zur Arbeit und verabschiedete sich noch einmal, indem sie Henrik fest drückte. "Ich habe nur meine Pflicht erfüllt." meinte er bodenständig und lächelte stolz dabei. Nachdem Alma gegangen war, umarmte Smeralda Henrik ebenfalls. "Ich finde das schön, wie du dich um Alma kümmerst." Für einen Moment schloss sie die Augen und Henrik strich sanft über ihr Haar.
Bei den Schmieden kam Alma direkt dem Lehrling von Herr Morphes entgegen, welcher Alma davon erzählte. "Der Gildenführer war hier und hat Herr Morphes seiner Berufung entzogen!" Gelassen nickte Alma. "Er wusste von allem und ich wollte nicht, dass der Lehrmeister weiter macht, nach allem. Ich habe übrigens schon alles erfahren." Alma schmunzelte und hatte ein warmes Gefühl in ihrem Herzen. "Wie?" fragte der Lehrling nach und musterte Alma mit einem dankbaren Blick. Irgendwie wirkte er befreit.
Alma war sich erst unsicher, wie sie es sagen sollte, brachte dann aber schüchtern hervor: "Der Gildenführer ist mein Vater."
Ihr Gegenüber verstand sofort und erkannte auch vereinzelte Ähnlichkeiten. "Richte Ihm bitte noch einmal ein Dankeschön von mir aus! Ich bin so froh, dass alles vorbei ist und ich nun einen anderen Lehrmeister habe!" Der Lehrling war immer noch schüchtern, wirkte aber ein wenig ausgelassener wie sonst. Ruhig nickte Alma. "Werde ich ausrichten." Beide lächelten sich an und vorsichtig fragte der Lehrling mit zusammengefalteten Händen und leiser Stimme: "Wie heißt du?"
"Alma.", antwortete sie grinsend. "Und du bist?" erkundigte sie sich erfreut und ihr Gegenüber antwortete mit leicht roten Wangen: "Ich bin Yannis." Beide sahen sich sanft lächelnd an und gaben sich die Hand.
Nach der Arbeit setzte sich Alma zu ihren Vater in die Gilde und trank einen Wein mit ihm. "Danke noch einmal für deine Hilfe, Papa. Der Lehrling war richtig glücklich darüber, dass sein Lehrmeister seine Berufung aufgeben musste." Henrik freute sich sehr darüber, das zu hören und lächelte. "Gern geschehen. Komm bei Problemen einfach immer zu mir." Alma nickte grinsend. "Ich habe Yannis auch vorgeschlagen, wegen seinen Armen, zu den Heilern zu gehen. Wir treffen uns gleich noch." erzählte sie fröhlich. "Ah, der Lehrling heißt also Yannis? Das ist doch toll." Entspannt trank er seinen Wein und lächelte genauso wie Alma es tat.
Nachdem sie ihr Glas geleert hatte, stand sie auf und verabschiedete sich noch einmal mit einer Umarmung. Henrik nahm sich den Akten an und brachte diese zum Tod. Erfreut grüßte dieser und sprach Henrik direkt auf ein bestimmtes Thema an. "Würdest du Cedric bitte ausrichten, dass er in den nächsten zwei Tagen die neuen Todeswesen unterrichten kann?" bat der Sensenmann und Henrik nickte. "Natürlich. Ich treffe ihn sicher demnächst noch an."
Alma traf sich mit Yannis vor der Tür der Scythe Maker. Yannis lächelte schüchtern und strich über eine seiner braunen Haarsträhnen mit Rotstrich zur Seite. Er trug seine Haare offen und Alma erkannte, dass Yannis mittellanges gewelltes Haar hatte. Auch Yannis bewunderte Alma, immerhin sahen sie sich das erste Mal außerhalb der Arbeit. "Wollen wir?" fragte Alma lächelnd und Yannis nickte nervös. Auf dem Weg zu den Heilern erzählte Alma, dass sie seine Worte ausgerichtet hatte, worüber sich Yannis freute. Sie erzählte ihm auch, wie alles dazu geführt hatte, den Lehrmeister seiner Berufung zu entziehen, dass sie vorher unsicher war und ihr Yannis vor dem Vorfall bereits aufgefallen war. Sie betraten die Heiler Abteilung und Fila kam auf sie zu. Fila erkannte Alma wieder und fragte nach dem Anliegen. "Können Sie sich bitte einmal die Arme meines Kollegen anschauen?" bat Alma freundlich und Fila nickte. "Natürlich, folgen Sie mir bitte einmal." Sie betraten einen Raum und Yannis setzte sich hin.
Er stülpte seine Ärmel vom grauen Hoodie hoch und Fila musterte die Narben. "Woher haben Sie die, wenn ich fragen darf?" erkundigte sie sich neutral und leise antwortete Yannis, dass sein Lehrmeister ihm dies angetan hatte. Die Ärztin nickte. "Man sieht, dass über einige Narben immer wieder neu geschnitten wurde. Diese hier ist aber noch nicht sehr alt." merkte sie an und Yannis nickte. "Die ist von gestern." gab er mit gesenkten Kopf zu und Fila holte einen Verband. Kritisch musterte sie die Narben, während sie diese Verband, dabei fiel ihr eine Sache ein und sie stand auf, um etwas zu besorgen. Sie kam mit einer rein weißen Engelsfeder zurück. "Die Narben werden immer bleiben, aber mit dieser heilenden Feder lässt sich der Schmerz lindern und die Narben heilen ein wenig besser ab." Sie strich die Engelsfeder behutsam über seine beiden Arme und Yannis hatte tatsächlich das Gefühl, als würde der Schmerz weniger werden und war fasziniert von der wärmenden heilenden Wirkung der Feder. Fila gab ihnen die Engelsfeder mit und erklärte, diese bei Schmerz zu verwenden und vorerst dreimal am Tag zu benutzen. Yannis dankte Fila sehr. Sie nickte gelassen und entließ beide.