Die heißen Sommer wurden zur Normalität und dementsprechend auch die Hitzetoten. Seien es die Tiere, die in der Wärme im Auto gelassen oder nicht ausreichend versorgt worden oder die Menschen. Vermehrt waren es die Alten und Kranken, aber es gab Berichte von wenigen Kindern und Schwangeren, die den Umständen nicht trotzen konnten.
Gamia hockte sich zum Körper und setzte die Sense am Körper des Jungen an, der aus einem missbräuchlichen Haushalt kam und dem zu wenig trinken gewährt wurde. Sein Bett war lange nicht gemacht worden und bestand lediglich aus einer Matratze mit Kissen und Decke. Gamia brachte die Seele in den Garten Eden und schloss das Seelengeleit ab, als die Mutter des Kindes das Zimmer betrat.
"Es gibt Essen, komm jetzt!" Sie verließ den Raum geschwind wieder, ohne dem Kind Beachtung zu schenken. Gamia verwahrte die Akte und wandte sich dem nächsten Geleit zu.
Vicky beobachtete die Naturphänomene tagein tagaus. Nach ihrem Studio war sie in die Großstadt Lerbin gezogen. Dies hatte zur Folge, dass sie ihre Väter kaum mehr sah. Zeit hatte sie durch ihre Arbeit kaum mehr, aber dafür verdiente sie viel Geld. Liam bat Vicky immer, sich nicht zu überarbeiten und sie zu besuchen, aber seine Worte überzeugten sie nicht. Sie war dickköpfig geblieben und argumentierte, dass es schon fünf Stunden Fahrt von Brütteln nach Lerbin waren.
"Nicht, dass du es nochmal bereust." pflegte Liam immer zu sagen. Dieses Wochenende sagte sie ihren Vätern erneut ab, mit der Begründung, in die Wälder zu fahren, mit einem Kollegen, um die Vögel zu beobachten. Liam wünschte ihr viel Spaß, wäre aber erfreuter gewesen, sie würde ihre Prioritäten anders setzen. Liam legte sich zu Torben ins Bett. Torben genoss sein Leben als Rentner, gab aber zu, dass es ohne Liam langweilig sei.
Vicky begab sich mit ihren Kollegen in die Wälder und sahen außerhalb der Vögel, viele weitere Tiere. Sowohl tot als lebendig. Der Tod der Tiere streifte durch die Wälder und warf einen kurzen Blick auf die Lebenden. Seine Wege führten ihn in den Garten Eden.
Im Garten Eden saß Mutter Natur in einem Blumenfeld und pustete die Samen einer Pusteblume durch die Winde. Dies tat sie geistesabwesend, trotzdem bemerkte sie die Anwesenheit ihres Gehilfen neben sich.
"Wir entreißen der Pusteblume ihr Leben. Dennoch hauchen wir ihr gleichzeitig Leben ein, indem wir ihre Samen überall verteilen." Sie ließ den Stängel auf den Boden fallen. Ihre Haare fielen ihr ins Gesicht, welches der weiße Tod zur Seite schob.
"Wann gedenkst du, den zweiten Reiter zu rufen?" Mutter Natur zuckte zusammen. "Noch ist die Zeit nicht gekommen." Ihre Augen waren aufgerissen und wirkten eingefallen. Der weiße Tod strich über den Rücken seiner Erschafferin.
"Ihr seid noch nicht bereit, neuen Schmerz auf euch zu nehmen." Mutter Natur nickte und lehnte sich an ihren Gehilfen. "Der apokalyptische Reiter, den ihr beschworen, wo befindet er sich, nun wo die Pandemie vorbei ist?" Der weiße Tod legte den Arm um Mutter Natur.
"Er ist der Reiter der Krankheit. Ich denke er haust dort, wo viele Kranke sind und wartet auf das Ende." Mutter Natur blickte zum klaren Himmel hinauf und genoss die Zuneigung ihres Gehilfen.
Im Krankenhaus
Cedric und Frederic wanderten durch die Flure. In ihren Händen hielten sie Akten. Beide teilten sich auf. Cedrics Akte führte ihn zu einem krebskranken Patienten, den er durch den Tod von seinen Leiden erlöste. Frederics Akte brachte ihn zu einer Frau mittleren Alters, die einen Arbeitsunfall auf der Baustelle erlitt und den Verletzungen erlag. Beide Seelen wurden friedlich in den Garten Eden gebracht. Vater und Sohn kehrten in das Totenreich zurück und begaben sich zur Gilde. Dort trafen sie auf Alma und Johannes.
Alma trug drei Sensen bei sich.
"Hallo allerseits." grüßte Cedric die Beiden und störte dabei ihr Gespräch. "Oh, hi! Ich würde euch ja umarmen, aber ich bin vollbepackt und meine Kleidung ist auch nicht sauber." entgegnete Alma lächelnd. Cedric strich mit seiner Handfläche über ihr Haar.
"Alles gut, wir sind auch nur hier, um Akten abzugeben. Johannes?" Angesprochener zuckte kurz, als sei er aus der Trance geweckt worden.
"Äh, ja!" Er nahm die zwei Akten und legte sie auf den Tisch. "Bis dann, Alma!" verabschiedeten sich Vater und Sohn, während Alma bei Johannes verblieb. Johannes saß zusammen gekauert auf seinen Stuhl und bewegte sein rechtes Bein unaufhörlich.
"Verdammt! Er ist erst seit kurzem da drin, aber es fühlt sich an wie Stunden!" brachte er aufgebracht heraus und Alma versuchte ihn zur Ruhe zu bringen. Dabei war sie ungefiltert ehrlich.
"Wir können uns denken, weshalb dein Vater beim Tod ist. Ich verstehe dein empfinden gut. Mir erging es ähnlich, aber sie sind nicht weg. Deine Eltern sind dann wieder vereint." Johannes lehnte sich zurück. "Wir könnten zu dritt im Garten Eden chillen." Er legte einen Fuß auf den Tisch. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Raum des Todes und Jeremy kam hinaus. Alma nickte Johannes nur zu und lief an Jeremy vorbei. Dieser wollte gerade bei Johannes schlechter Angewohnheit ansetzen, aber ließ es dann. Er setzte sich neben seinen Sohn.
"Ich werde erlöst."
Johannes hatte bereits mit dieser Nachricht gerechnet, trotzdem traf sie ihn, als er es aus Jeremys Mund hörte. Er fiel seinen Vater um die Arme.
"Dann kannst du ganz viel Zeit mit Mutter verbringen. Und ich sitze dann alleine hier." Er ließ von seinen Vater ab und senkte den Kopf.
"Denkst du, du bekommst es nicht hin?" sprach Jeremy die Gedanken von Johannes aus. Dieser nickte. "Aktuell sind wir vier in der Gilde. Ohne dich nur noch drei und einer davon ein Halbblut." Er senkte den Kopf.
"Johannes, du hast es doch sonst auch hinbekommen. Die Beiden kennen dich und werden sicher Rücksichtnahme nehmen." Jeremy strich über Johannes Schulter. "Ich möchte aber nicht, dass ständig Rücksicht auf mich genommen wird oder beide deshalb länger in der Gilde tätig sein müssen." Ein Hauch von Wut sprach aus ihm. "Wenn du dies nicht mehr möchtest oder der Tod eine weitere Person anstellen soll, rede mit Henrik und dem Tod darüber. Er wird eine Lösung finden, dich aber sicher auch in der Gilde missen." schlug Jeremy vor und Johannes starrte vor sich hin. "Ich denke ich bin gerade zu aufgewühlt von deiner Nachricht. Ich sollte abwarten wie es wird." Sein Vater nickte. "Es auf sich zukommen lassen ist aktuell das Beste, was du tun kannst."
Cedric und Frederic saßen sich im Wohnzimmer gegenüber. Neben Cedric saß Felicia, die ebenfalls gerade von ihrer Tätigkeit kam. Mit einer Bürste kämmte sie ihr Haar, welches den Tag über zu einen Dutt gebunden war. Cedric nahm eine dicke Haarsträhne zur Hand und schnupperte an dieser.
"Du duftest wieder herrlich." Felicia grinste bei seinen Worten.
Er ließ ihr Haar los und Felicia legte die Haarbürste zur Seite. "Jackson hat mir heute erzählt, dass er mit einen aus dem Kollegium zusammen ist. Ich freue mich für ihn." Im Gegensatz zu damals einst, löste diese Erzählung nichts in Frederic aus. "Dafür wirkte sein Vater ein bisschen im Gedanken versunken. Wenn da demnächst nicht etwas kommt." erzählte Felicia.
"Du meinst eine Erlösung?" ergänzte Frederic und Felicia nickte. "In letzter Zeit werden viele erlöst." merkte Felicia an und obwohl Cedric wusste, woran dies lag, behielt er das Geheimnis bei sich.
Frederic stand auf, um sich zu verabschieden. "Ich werde noch einmal bei Frissie vorbeischauen. Wir sehen uns." Er drückte seine Eltern beide an sich.
Fritz bemerkte die Aura seines Bruders auf dem Hausdach und teleportierte sich zu ihm. "Huch! Ich wollte gerade runterspringen." Sein Bruder Fritz grinste. "Ich dachte mir, ich komme zu dir!" Frederic fiel Fritz in die Arme und sie setzten sich auf die Dachsiegel. "Wir haben neue Nachbarn bekommen. Die wohnen jetzt da, wo Jakob früher wohnte. Ehepaar mittleren Alters. Sind bisschen steif vom Verhalten und haben wohl Kohle wie Heu. Das Haus ließen sie erstmal grundsanieren. Und das Haus wo Rin lebte, ist mittlerweile zugewachsen. Irgendwie ist das nicht mehr dasselbe wie damals." Er nahm seine Karten hervor und fing zu mischen an.
"Der Einzige, der noch da ist, ist Niklas und selbst da wird es langsam schwierig, die Identität zu wahren. Noch denken die Menschen, er ist ein junggebliebener Bauer und ich ein alter Rentner, aber lange lässt sich der Schein nicht wahren." Er verharrte in seiner Bewegung.
"Zieht zurück in die Totenwelt oder macht euch nicht sichtbar für die Menschen." schlug Frederic vor, aber an Fritzs Gesichtsausdruck sah er bereits, was er davon hielt. "Für Gina und mich mag es funktionieren, aber Niklas möchte weiter auf dem Hof arbeiten. Ich denke er merkt aber, dass es nicht einfach als Halbblut auf Erden ist, wenn man länger lebt, wie der Durchschnitt. Letztens sprach ich mit Gina darüber. Sie empfindet die Idee mit der Totenwelt als gut. Jetzt muss es nicht sein, aber schau dir die Erde an! Es wird immer unattraktiver, auf der Welt zu wandeln. Früher mochte ich diesen Ort mehr. Am schwersten lässt sich aktuell Niklas überzeugen. Er verachtet die Totenwelt und wüsste dort nichts mit sich anzufangen. Vielleicht werden es auch erstmal nur Gina und ich sein, die ins Zwischenreich zurückkehren." Die Stille nach seinen Worten durchbrach eine quakende Ente.
"Fast vergessen, wir haben unser Gefieder an einen Geflügelbauern verkauft. Die Nachbarn haben sich beschwert." Fritz flüsterte seinen letzten Satz und verwies auf das sanierte Haus. Frederic hob fragend eine Augenbraue.
"Warum wohnen die dann in der Nähe eines Bauernhofes?" Fritz zuckte nur mit den Schultern. "Auf jeden Fall ist es auch ein Schritt, um später leichter zurückziehen. Wir können ja in deine Nähe ziehen." fügte Fritz hinzu und bemerkte Frederics freudigen Blick. "Immer gerne! Grüß mir meine Nichte lieb. Es war ein vielschichtiger Tag. Wir sehen uns! Hoffentlich demnächst als Nachbarn!" Die Brüder lachten leise und Frederic kehrte heim.
Fritz teleportierte sich in sein Terrain-Zimmer, in welchem Gina auf ihn wartete. Sie trug ein weißes Nachtgewand und beobachtete die kleine Vogelspinne auf ihrer Handfläche. Sie bemerkte Fritz und ließ die Spinne zurück ins Terrarium krabbeln.
"Es war Frederic." erzählte Fritz und Gina nickte, während sie das Terrarium schloss. "Wir haben über den Gedanken geredet, zurückzuziehen." Gina setzte sich auf dem Fußboden des Raumes und Fritz gesellte sich neben sie.
"Früher oder später werden wir es tun müssen. Auch Niklas wird nicht drum herumkommen." Sie legte die Handflächen auf die Knie.
"Du klingst als würdest du wissen, dass irgendwas kommt." merkte Fritz an und legte seine rechte Hand auf ihre linke. Gina neigte den Kopf zu ihm.
"Du weiß, als Tod weiß ich viel, darf aber nicht über alles reden." Ihre Köpfe berührten sich. "Die Menschheit steuert auf ihr Ende zu, richtig?" Fritz bekam keine Antwort auf seine Frage. Gina blieb verschwiegen und schloss die Augen. Fritz bemerkte erst Minuten später, dass sie eingeschlafen war und trug sie ins Bett.