In der Totenwelt bearbeitete Gamia mehrere Akten, wobei ihr einige Todesfälle auffielen, die identisch waren. Es klopfte an ihrer Tür und ein junger Mann trat hinein. "Ich würde gerne einen Sensenantrag stellen wollen." Gamia fand sein Auftreten etwas unhöflich, aber nickte. "Hallo erstmal." erwiderte sie kühl aber freundlich und holte die benötigten Papiere aus eine der Schreibtischschubladen hervor. "Ist das ein Erstantrag oder ein Zweitantrag zu einer neuen Sense?" hinterfragte sie und musterte den Todesgeist. "Zweitantrag." kam die kurze Antwort und Gamia schob ihm den Zettel hin. "Dann müssen Sie nur das ausfüllen, was verlangt wird." bat sie und gab den Zettel an ihr Gegenüber weiter. Fertig ausgefüllt überreichte der Mann Gamia den Zettel und verschwand. Seufzend legte sie diese in eine Klarsichthülle auf den Aktenstapel neben ihr. Mit diesen lief sie aus dem Büro und steuerte zuerst die Abteilung der Sensenschmieden an. Von draußen hörte sie das laute Klirren und Schlagen der Scythemaker, wie auch eine laute strenge Frauenstimme. Sie entschloss sic dazu den Auftrag in den schwarzen Schlitz an der Wand neben der rechten Tür zu stecken und zog dann weiter zu den Praktikern, bevor sie ihren Heimweg antrat. Die Arbeit im Zwischenreich hatte sie gut von dem Konflikt abgelenkt, auch wenn sie ab und zu noch daran gedacht hat, aber sie versuchte drüber zu stehen.
Daheim verkroch Gamia sich mit einem Buch ins Bett und verlor dabei wie immer das Zeitgefühl, bis das Klingeln der Tür sie aus den Gedanken riss und ihr Vater nach ihr rief. Sie legte das Buch zur Seite und teleportierte sich zur Haustür. An dieser stand Niklas und Fritz ließ beide alleine. "Hi... Gamia." murmelte er betrüb und hielt sich den linken Arm. Auch Gamia blickte ihn nicht sehr erfreut an, aber meinte, dass es sich im Zimmer besser reden lässt.
In ihrem Zimmer setzten sich beide aufs Bett und Niklas faltete die Hände zusammen, während er zum Boden sah. Er wusste anfangs nicht, wie er es sagen sollte, fand dann aber die passenden Worte. Das Paar schaute sich nicht sehr glücklich an. "Es tut mir leid, alles was ich gesagt habe. Nichts davon habe ich wirklich so gemeint und ich bin sehr froh, dass ich dich kennengelernt habe. Mir ging es seit heute Morgen ziemlich dreckig deswegen." In Gamias Augen funkelte etwas bei diesen Worten auf und anscheinend war sie sehr froh, dass sich der Streit klärte. Sie rückte näher heran und umfasste seine Schulter. "Verletzt hat es mich, aber deine Entschuldigung und Worte sind ehrlich. Ich bin dir nicht nachtragend, aber denk beim nächsten Mal bitte einfach nach, bevor du in deiner Wut etwas sagst oder sei still." sprach sie sanft auf ihn ein und Niklas nickte bestätigend. "Was ich gesagt habe, hat nicht einmal Sinn ergeben und war dumm." Bei dieser ehrlichen Aussage stimmte Gamia ihrem Freund zu. Er saß immer noch mit gesenkten Kopf da, bevor Gamia ihn von hinten umarmte. "Ich verzeihe dir." wisperte sie in sein Ohr und als er ihr Lächeln erblickte funkelten auch seine Augen wieder auf. Das Paar umarmte sich und Niklas lächelte erleichtert. "Ich habe vorhin schon nach dir gefragt, aber dein Vater sagte, du bist in der Totenwelt." erzählte er ruhig und Gamia nickte.
"In letzter Zeit ist ein bisschen mehr los und wir müssen alle aufpassen, denn die Teufel versuchen immer öfters die Seelen in die Hölle zu reißen." erklärte Gamia ruhig und legte den Kopf auf Niklas Schulter. Er schluckte besorgt. "Oh, das klingt nicht gut." murmelte er nachdenklich. "Ja, so eine Situation gab es 1409 schon einmal." erzählte Gamia weiter und erntete fragende Blicke von Niklas, bis ihr einfiel, dass er die größte Tragödie des Zwischenreiches nicht kannte! Daraufhin erzählte sie ihm davon.
"1409 versuchten mehrere Wesen aus der Hölle die Menschen zum Bösen zu verführen und selbst die Seelen Verstorbener, die in den Himmel geleitet werden sollten, versuchten sie in die Hölle zu zehren, was ihnen manchmal auch gelang. Die Tragödie spitzte sich zu, als mehrere Menschen an einem Ort gleichzeitig starben und ein großer Teufel dies als seine Chance ansah, direkt anzugreifen. Mehrere Seelengeleiter kämpften darum, dass die Seelen nicht in die Hölle gezogen worden." Gebannt hörte Niklas Gamias ruhiger Erzählung zu. "Wie ist der Seelenkrieg ausgegangen?" hakte er interessiert nach und Gamia überlegte. "Viele Seelengeleiter starben und nicht alle Seelen konnten gerettet werden. Schließlich griff die Fraktion der vier Engel ein und der Teufel kehrte in die Hölle zurück. Das war der größte Verlust des Totenreiches.", Niklas senkte den Blick. "Genau das scheint sich gerade zu wiederholen und wenn es ganz schlimm endet, wird wieder ein Teufel angreifen." Gamia senkte seufzend den Kopf und Niklas drückte sie liebevoll. Er war besorgt. "Bitte pass auf dich auf. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt." murmelte er und drückte seine Freundin ganz fest, welche die Umarmung erwiderte. Seine Sorge ließ ihr Herz schneller klopfen. "Ich passe auf mich auf." versprach sie und löste die Umarmung. "Ich werde noch ein bisschen auf dem Hof im Gange sein. Wenn du magst, kannst du mithelfen." bot er sanft lächelnd an und gab ihr vorsichtig einen Wangenkuss. "Mal schauen." meinte sie glücklich und brachte Niklas zur Tür hinaus. Nachdem er gegangen war, berichtete sie ihren Eltern erfreut davon, dass sie sich wieder vertragen haben. Frank fiel auf, dass Niklas viel ausgelassener war, als er wiederkam und erfuhr dann auch schnell warum. Das freute ihn sehr. "Ist Norbert zuhause?" erkundigte Niklas sich, da er ein kleines Anliegen hatte, aber Frank schüttelte den Kopf. "Er ist in der Stadt."
Norbert wartete munter an der Ampel, bis diese grün wurde. "Ich erinnere mich daran, wie wir immer im Sommer die Schafe zum Deich gebracht haben. Die Schafe schienen es aber weniger gut gefunden zu haben, in den Anhänger zu müssen." schmunzelte Norbert und erinnerte sich lächelnd an diese Zeit zurück. Er drückte aufs Gas und steuerte den Heimweg an. "Ich freue mich schon auf den Sommer." Dabei schaute er für einen kurzen Moment zum Beifahrersitz in die blauen Augen seiner Tochter Rin.
Rin lächelte Norbert an, jedoch verbarg sich in diesem etwas komisches, aber das schien Norbert wohl nichts auszumachen. Auch ihre beängstigende Aura schreckte ihn nicht ab und dass sie nicht mehr die Rin war, die er einst gekannt hat war ihm egal. Für Norbert war es immer noch seine Tochter.
Er fuhr heim und lud die Einkäufe ab, während Rin alles musterte und instinktiv in ihr Zimmer verschwand. Lächelnd sah Norbert ihr hinterher und musterte den Verband. Es war eine Schnittwunde, die er sich mit Absicht selbst zugefügt hatte. Rin schien die Bücher in ihrem alten Zimmer zu mustern und bei einem bemerkte sie getrocknetes Blut. Lechzend roch sie daran, es war Norberts Blut.
Die Bluttropfen waren genau auf die Seite getropft, die von einer Dämonenbeschwörung berichtete. Sie blickte von ihrem Fenster aus zur Schafsweide und stellte sich vor, diese alle tot zu sehen, ihr Fleisch zu begehren und es mit anderen Höllenwesen auf dem Feld zu treiben. Bei dieser Vorstellung schob sie sich die Finger in den Schritt.
Niklas sah Norberts Auto und wollte gerade an seiner Tür anklopfen, als er die Dämonenaura wahrnahm und mit geweiteten Augen zurücktrat. Er konnte und wollte es in diesem Moment nicht wahr haben. Ängstlich lief er zu seinem Vater zurück. "Und?" fragte er nach, aber Niklas meinte einigermaßen ruhig: "Das kann noch warten." Frank schaute seinen Sohn verwundert an und schien allerdings zu merken, dass er vor etwas Angst hatte. Niklas war eine Person, der man, auch wenn er versuchte ruhig zu wirken, anmerkte dass es ihm nicht gut ging. Er lief ein kurzes Stück mit Niklas, bevor Niklas anhielt und leise sagte: "Ich habe einen Dämonen bei Norbert gespürt , von dem ich glaube, dass es Rin ist."
Fassungslos schaute Frank seinen Sohn an. "Wie? Wie das?" fragte er flüsternd nach, aber Niklas zuckte nur mit den Schultern. "Das muss ich Gamia fragen." Daraufhin verschwand Niklas zu Gamia.
Sie freute sich, ihn wieder zu sehen, aber merkte ihm seine Nervosität direkt an. "Ich muss dringend mit euch reden." bat er und Gamia rief ihre Eltern. Alle setzten sich in die Stube zusammen und Niklas fing an von seinem Erlebnis zu berichten. Gina wusste sofort Bescheid und schloss durch Niklas Hinweise ein eindeutiges Urteil. "Er hat seine Tochter wieder beschworen. Wir müssen sofort etwas unternehmen, bevor etwas Schlimmes geschieht!" Ohne Zögerung stand sie auf und sie steuerte Norberts Haus an. Rin spürte dies und verfinsterte ihre Miene. Sie trat zu Norbert in die Küche. "Ich muss gehen." sagte sie kalt und er senkte den Blick. "W-warum?" Seine Augen wurden glasig, aber seine Gefühle interessierten Rin nicht. "Es gibt Wesen, die mich los werden wollen." Norbert verstand noch nicht recht und er wollte Rin nicht gehen lassen, wo er sich extra all die Mühe gemacht hatte, sie wiederzusehen und Rin erst seit nicht mal zwei Tagen bei sich hatte. "Ich werde wiederkommen." wisperte sie und Norbert bedeuteten diese Worte viel. Hauptsache er konnte sie irgendwann irgendwie wiedersehen. Er drückte sie, jedoch blieb dies unerwidert. "Ich habe dich lieb, Rin." Nachdem er die Umarmung löste, verschwand Rin durch ein Höllenportal und dann klopfte es an der Tür. Er öffnete diese und erkannte Ginas strengen Gesichtsausdruck. Gina spürte zwar nur noch die sich verflüchtigende Aura, aber musste trotzdem ein Wort mit Norbert reden. "Frau Cheriko, was kann ich..." Gina unterbrach ihn direkt und kam auf dem Punkt. "Woher kommt die dämonische Aura? Was hast du getan?" Sie war sichtlich erzürnt und verlangte eine Antwort. In diesem Moment wirkte sie ungewöhnlich streng.
Der Schäfer wurde nervös und senkte reuevoll den Kopf. "Ich habe einen Dämonen, um genauer zu sein meine Tochter, beschworen." Die Anwesenden waren schockiert über das, was er ihnen erzählte und Gina behielt die Ruhe weg. "In einem Buch stand, wie das ging." murmelte er traurig vor sich hin. "Hast du das Tor wieder verschlossen?" wollte Gina unbedingt wissen und hastig nickte Norbert. Das erleichterte die Beteiligten. "Sowas darfst du nie machen!! Wer weiß, was dadurch noch seinen Weg in diese Welt findet!!" flößte Gina ihm streng ein und schaute Norbert direkt an, welcher trauernd nickte.
Gina sprach ein ehrliches und hartes Wort mit Norbert. "Sie sieht zwar aus wie Rin und hört bei dir auf diesen Namen, aber sie ist nicht mehr die Rin, die du kanntest. Rin war einmal deine Tochter, ein Halbdämon, aber nun ist sie ein Dämon, ohne richtige Hülle und Namen. Ihre Hülle wird sich je nach belieben immer wieder ändern, genauso ihr Name. Du siehst in ihr das, was du sehen möchtest. Das weiß sie und passt sich dem an, was ihr Gegenüber sehen möchte, um diesen um den Finger zu wickeln. Genauso war es bei ihrer Partnerin nicht anders!" Diese Worte trafen Norbert innerlich. "Es tut mir so leid, dass ich euch diese Umstände bereitet habe." sagte er betroffen und versuchte sich zu beherrschen. "Trotzdem bleibt Rin meine Tochter, egal ob sie ein Dämon ist!" Nach wie vor wollte sich Norbert diese Tatsache nicht eingestehen und Gina beließ es dabei. "Mach sowas nie wieder!" flößte Gina ihm eindringlich ein und Norbert nickte. "Versprochen."
Die Familie lief von seinem Haus weg und Gina war immer noch ein wenig wütend. "Wir haben Glück, dass er das Tor wieder verschlossen hat, sonst hätten wir ein großes Problem gehabt. Er hat auch nur gezielt Rin beschworen, aber bei Beschwörungen werden meistens mächtige Teufel erschaffen und nicht nur diese können durch das Portal gelangen. Trotzdem würde ich lieber gerne wissen, wo sie sich rumtreibt." Erzürnt schaute Gina hinter sich und entspannte sich ein wenig, als Fritz den Arm um sie legte. "Gerade jetzt zu dieser Zeit können wir sowas nicht gebrauchen." zischte Gina und irgendwie schien sie die Situation sehr ernst zu nehmen.
Rin wandelte in ihrer Dämonengestalt umher und wurde von einer negativen bedrückenden Stimmung einer Familie angezogen. Diese stand weinend vor dem abgebrannten Haus. Es war eine dreiköpfige Familie und der Dämon grinste erfreut darüber, wie schlecht es den Menschen ging und war sehr an dem Mädchen interessiert. Diesem Mädchen schien es schon psychisch schlecht zu gehen und das machte es dem Bösen leichter in die Menschen einzudringen und vom Himmel abzuwenden. Kurzerhand heftete Rin sich an die Versen des Mädchens, um langsam Besitz von ihr zu ergreifen und durch die Negativität stärker zu werden.