Mit dem Gedanken an dem Mordfall kehrte Cedric heim und stellte sich auf dem Rückweg viele Fragen. Er hatte auch mal ein paar Worte mit Markus gewechselt und wusste um sein Schicksal. Er hatte zwar seine anderen Kollegen, doch war sehr für sich und hatte keine, Cedric bekannte, tiefere Bindung zu einem Todeswesen, außer seiner Frau, gehabt. Hatte es jemand Bestimmtes auf Markus abgesehen und warum?
In der Wohnung zog er Stiefel und Mantel aus und legte sich zu Felicia ins Bett, die fest schlief, aber sein Erscheinen spürte und lächelte. Er legte den Arm um sie und versuchte zu schlafen, doch der Mordfall kreiste in seinem Kopf umher und ließ ihn nicht tief schlafen. Am Morgen wachte Felicia auf und wollte Cedric schlafen lassen, doch dieser stand mit seiner Frau auf und verwundert fragte sie sofort, was los sei, bevor er von dem Mordfall berichtete.
"Verstehe.... Stress dich damit aber bitte nicht zu sehr. Das tut dir nicht gut." bat sie besorgt und strich durch seine Haare. Sanft lächelte Cedric ihr entgegen. "Ich werde mein Bestes geben. Du hast ja Recht." Er umfasste dabei ihre Schulter und kam ihrem Gesicht näher, um Felicia einen Kuss auf die Lippen zu geben. Gemeinsam begaben sie sich in die Totenwelt und ihre Wege trennten sich bei Felicias Büro.
Cedric nahm sich in der Zeit vor, sich einmal das Büro, dem Tatort, anzusehen. Er lief zu dem Ort, wo sich Markus Büro eigentlich befinden sollte, fand dieses jedoch nicht an gewohnter Stelle, als der Sensenmanngeist auftauchte und den Ort für Cedric sichtbar machte. Das Zwischenreich vermied dadurch, dass Unbefugte eindrangen. Dankend lief Cedric hinein und musterte alles. Der Gehilfe überreichte ihm eine schwarze Polaroidkamera mit einem Totenkopf als Linse, machte mehrere Fotos und verwahrte diese sicher, bevor er sich mit einer Silberfeder alle wichtigen Notizen und Vermutungen machte. Er ging aus dem Raum und ihm fiel auf, dass sich der Mord langsam unter den Todeswesen verbreitete und für Unruhen sorgte.
Cedric lief zur Gilde, in der Hoffnung, auf seinem Bruder zu treffen. Zu seinem Glück war er auch da, mit seiner Tochter Alma. Sie grüßten sich gegenseitig und Cedric drückte seine Nichte, bevor er zum eigentlichen Thema kam. "Hast du schon mitbekommen, dass..." "Es einen Mordfall an Herr Wilson gab?" schnitt Henrik ihm das Wort ab und lächelte gelassen, während Cedric nickte. "Das war direkt das Erste, was ich heute zu erfahren bekommen habe. Immerhin bin ich in der Gilde. Die weiß sofort über fast alles Bescheid, was im Totenreich vor sich geht." erklärte Henrik ruhig und las sich alles sorgfältig durch. Alma lehnte sich zu ihrem Vater rüber und schaute ebenso fasziniert zu den bis jetzt gesammelten Informationen und Vermutungen. Mit dem Zeigefinger verwies Alma auf anfängliche Vermutungen.
"Selbstmord ist ausgeschlossen, wenn man auf die Blutspuren und die Asche achtet. Der Körper wurde zerteilt. Außerdem liegt nirgends seine Sense." Cedric stimmte dem zu. "Ich sehe das genauso und habe es nur anfänglich, bevor ich den Tatort sah, notiert. In der Vergangenheit gab es schon einmal Fälle, wo Todesgeister von Mordfällen redeten, welche sich später als Suizid herausstellten, aber auch gab es Morde, in denen es wie Selbstmord aussehen sollte." berichtete Cedric in einem gelassenen Tonfall und lobte sich Almas Auffassungsgabe. "Ich bezweifle auch, dass er einen anderen Todesgeist gebeten hat, ihn umzubringen. Laut dem Tod lagen dort noch unbearbeitete Akten. Es geschah plötzlich." stellte Cedric kühl klar und bestätigend nickten sein Bruder und Alma. "Es ist wirklich die Frage, warum man ihn ermordet hat und ob ihn jemand näher kannte oder nicht leiden konnte. Er hatte mit keinem Probleme, soweit mir bekannt ist." murmelte Cedric und wirkte nachdenklich. Seine Nichte legte den Finger aufs Kinn. "Vielleicht ist es etwas Allgemeines! Eventuell hatte Markus etwas an sich, was seinem Gegenüber böse aufgestoßen ist. Wie mit dem Halbengel, von dem du mir mal erzählt hast!" warf Alma ein und Cedric stimmte dem zu. "Genau, das ist keine schlechte Vermutung. Nur fragt sich dann, was hatte Markus an sich, was den Mörder einen Anlass zum Töten gegeben hat?" Alle drei waren am überlegen. "Die Motive des Halbengels Ivan waren einst für ihn Unreinheiten, in Form von Homosexualität oder die Beziehung zwischen Todesgeist und Mensch. Doch Markus hatte nichts davon. Es musst einen anderen Grund geben! Wenn es aber wirklich so ist, dann sind weitere Todeswesen in Gefahr!" erläuterte Cedric gefasst, doch der Gedanke, mit weiteren Opfern rechnen zu müssen, gefiel ihm gar nicht!
Cedric beobachtete Alma, wie sie nachdenklich über die Bilder schaute und ihre Aussagen waren ihm aufgefallen. Er tippte seinen Bruder auf die Schulter und die Zwillinge blickten sich an. Anscheinend war es auch Henrik aufgefallen und beide dachten dasselbe. Schließlich nahm Henrik den Mut zusammen und meinte locker: "Du erinnerst uns an deinen Opa Richard."
Leicht schmunzelte er und Alma blickte irritiert hoch. "Wie?" fragte sie nach und Henrik faltete die Hände zusammen. "Unser Vater war zu seiner Zeit für die Ordnung im Totenreich zuständig, so wie Cedric nun. Er war sehr begab darin und wir glauben, du hast ebenfalls sein Talent geerbt." erklärte Henrik stolz und lächelte seiner Tochter, genauso wie Cedric es tat, entgegen. Alma war überrascht, fühlte sich auf einer Seite aber auch geehrt, als sie in die stolzen Gesichter der Brüder sah und grinste. "Danke, das wusste ich bis eben gar nicht!" gestand Alma, doch beide versicherten ihr dies noch einmal und überglücklich dachte Alma an ihren Opa. Cedric sammelte die Informationen wieder zusammen und Alma verabschiedete sich, um zu den Sensenschmieden zu gehen.
Anfangs erledigte sie die organisatorischen Dinge, als ein Mann mit grimmigen Gesichtsausdruck auf sie zukam. "Borkes, ich will meine Sense abholen!" befahl er regelrecht und Alma dachte sich nur ihren Teil über den Mann und holte die besagte Sense hervor. Mürrisch und skeptisch musterte der Mann diese und wurde dann lauter. "So eine Sense wollte ich nicht haben! Die ist völlig falsch!!" schnaubte er Alma zusammen, die sich davon nicht einschüchtern ließ und den Auftrag kontrollierte.
"Nein, hier steht Ihr Name, mit der Beschreibung und einer Skizze der Sense, samt Ihrer Unterschrift." erklärte Alma gelassen und zeigte ihm das Formular, als der Mann mit der Handfläche auf das Papier schlug. "Sie wollen mich doch verarschen! Als ob ich so eine Sense verlangen würde! Selbst wenn, würde ich diese verweigern! Wer hat die geschmiedet?! Ein Anfänger?!" brüllte er durch den Raum und Alma wich sprachlos zurück. Sie sah dem Mann leicht finster entgegen, als die Frage des Mannes beantwortet wurde.
"Das war ich! Ich habe die Sense geschmiedet!" ertönte eine kalte Stimme und mit verschränkten Armen und hocherhobenen Kinn trat Sibylle gefasst zu dem Mann. "Und Sie sind?!" wollte der Herr garstig wissen, als Sibylle ruhig sagte: "Sibylle Klinke, Schmiedemeisterin und Leiterin der Sensenschmieder-Abteilung!" Sie nahm die Hand des Mannes zur Begrüßung und blickte ihn überlegen an. "Wenn Sie ein Problem mit ihrer Sense haben, bitte ich Sie darum, dies doch bitte mit mir zu klären und nicht einfach meine Lehrlinge anzugehen, verstanden?" hakte sie eindringlich mit einer ruhigen Strenge nach, dass dem Herr die Worte ausblieben. Dann entriss Sibylle Alma den Auftrag und nahm die Sense zur Hand, welche sie ausdrücklich inspizierte. "Ich weiß nicht, was Sie haben. Der Stab ist eben und glatt.", Sie fuhr mit der Hand um den Stab. "Das Sensenblatt hat keine Delle, Beulen oder Einkerbung und ist messerscharf." Um es dem Mann zu beweisen, nahm sie ihren Zeigefinger und strich über die Klinge, bis sie dem Herr ihren blutenden Finger zeigte, wobei sie keine Miene verzog und dabei direkt in seine Augen sah. Für einen Moment herrschte Stille, als Sibylle ihm die Sense entgegen drückte. "Sie können gerne aufbrausend sein und andere anmachen, aber nicht hier, nicht meinen Lehrlingen und vor allem nicht mir gegenüber! Nehmen Sie Ihre Sense und verlassen Sie sofort die Abteilung!!" wies Sibylle streng an und betonte lauter das "sofort". Trotz allem blieb sie ruhig und der Mann murmelte noch etwas fluchend vor sich hin, beließ es aber dabei und ging mit der neuen Sense, nach dem er die Alte kaltherzig Alma in die Hand gedrückt hatte.. Alma sah ihm monoton hinterher, doch bewunderte Sibylles Art und lächelte. "Danke." sagte sie kurz darauf, als sich ihre Lehrmeisterin umdrehte. "Das passiert manchmal. Ich mache nur meine Arbeit. Komm mit!" Aus dem Danke machte Sibylle sich wie gewohnt nichts und es war schon fast bedeutungslos.
Alma folgte ihrer Lehrmeisterin, die ihr heute etwas Bestimmtes zeigen wollte. Schließlich kamen sie zu einem Tisch, auf denen mehrere Werkzeuge bereit lagen und auf der eine Sensenhalterung stand. Sibylle nahm die Sense, die Alma in der Hand hielt und stellte sie auf diese. Alma hatte dies schon einmal gesehen und hatte eine Vermutung. Beide Frauen standen davor, als ein Lehrmeister zu ihnen kam. Leicht grinste Alma, als sie Yannis an der Seite des Lehrmeisters sah, der Yannis etwas mitteilte. "Sieh genau zu, Krempenlauer." befahl der Scythe Maker eindringlich und Yannis nickte. Sibylle stellte sich vor die Sense und erklärte zu Anfang ein wenig. "Dies ist eine zurück gegebene Sense, da ein Todeswesen einen Zweitantrag gestellt hat und die Erste nicht mehr benötigte. Sensenschmieder können diese, eigentlich unzerstörbaren Sensen, mit speziellen Werkzeugen auseinanderbauen und ihnen so ihrer Segnung entziehen." Daraufhin nahm sie das erste Werkzeug zur Hand und löste die Schrauben, die bei dieser Sense Stab und Sensenblatt zusammenhielt. "Jede Sense ist individuell handzuhaben." erzählte sie nebenbei gelassen, löste die erste Schraube und drückte dann Alma das Werkzeug, einen Schraubenzieher, in die Hand und Alma verstand wortlos, dass sie an der Reihe war. Danach überreichte sie Yannis das Werkzeug, bis alle Schrauben gelöst waren. Sibylle zog die Halterung etwas auseinander, um Stab und Sensenblatt besser voneinander trennen zu können. "Die Materialien verwerten wir wieder." erwähnte Sibylle nebenbei, dabei lief sie mit der Klinge zu einem heißen Ofen und schmolz das Metall ein. Fasziniert schauten die Lehrlinge zu. "Wir werden das demnächst öfters machen."
Beide nickten und waren sehr gespannt, besonders Yannis. Jetzt lernten sie das auseinanderbauen von Sensen, bevor es für sie endlich in die Prüfung ging und Yannis ihre eigene Sense schmieden musste.
Alma hatte vor Yannis Dienstschluss gehabt und ihrer Mutter freudig von der heutigen Erfahrung mit dem Vorfall erzählt. Daraufhin hatte sie noch in ihr Tagebuch geschrieben und war dann eingeschlafen. Eigentlich schlief sie tief und fest, bis ein Klopfen sie aus dem Schlaf riss. Alma wirbelte mit den Kopf umher und musste das erst realisieren. Schließlich stand sie auf und wunderte sich, wer das sein konnte, dachte kurzzeitig aber auch an den Mordfall und stockte, als sie der Tür näher kam. Vorsichtig trat sie näher, es klopfte erneut und zur Sicherheit nahm Alma ihre Sense zur Hand. Sie kam der Tür näher und umfasste den Schlüssel. Es klopfte wieder und langsam drehte Alma das Schloss auf, umfasste die Klinge und öffnete behutsam die Tür, als sie ihren Namen vernahm. "Alma, bitte mach auf!" Erleichtert seufzte Alma und hatte es bereits vermutet. Sie öffnete die Tür und blickte Yannis entgegen, die Alma ängstlich, traurig, beschämt und entschuldigend ansah. "Tut mir leid, dass ich dich so aus den Schlaf reiße." sagte Yannis leise mit einem traurigen Unterton und gesenkten Kopf, während sie in die Wohnung lief. Alma ließ die Sense verschwinden.
"Warum hattest du denn deine Sense in der Hand?" fragte Yannis nervös nach und Alma meinte nur seufzend: "Ich war lieber vorsichtig. Hätte immerhin ein Mörder sein können." Bei dem Wort Mörder zuckte Yannis zusammen und gestand auch gleich den Grund für ihren überraschenden Besuch. "D-deshalb bin ich hier." flüsterte Yannis und krallte sich an Almas Oberteil, welche ihre Freundin in den Arm nahm und liebevoll beistand. "Alles gut, ich bin ja hier." Sie gab Yannis einen Stirnkuss, verschloss die Tür wieder und lief dann mit Yannis in ihr Zimmer. Beide legten sich ins Bett und Alma legte den Arm um Yannis und streichelte sie dabei. "Erzähl, was ist los?" erkundigte Alma sich und Yannis rückte näher an sie ran. "I-ich habe einfach nur Angst, auch um dich." antwortete Yannis zittrig und diese Sorge fand Alma niedlich. Sie versuchte Yannis ein beruhigendes Gefühl zu geben.
"Mir wird nichts passieren und dir auch nicht. Ich werde dich mit allen Mitteln beschützen, versprochen." Dabei küsste Alma Yannis Hand und lächelte aufmunternd. Dieses Lächeln erwiderte Yannis und fühlte sich schon geborgener, doch hatte auch ein mulmiges Gefühl. "Weiß du, wenn ich früher immer Sorgen hatte, bin ich zu meiner Oma gegangen, wenn Mama und Papa gerade nicht da waren." erzählte Yannis nachdenklich, als sie sich an frühere Zeiten erinnerte und traurig den Kopf senkte. "Ich vermisse sie. Sie hieß Babette Wohlkitti und mein Tod muss sie sicher sehr getroffen haben... Falls sie es überhaupt realisiert hat." Traurig seufzte Yannis und versuchte sich zu beherrschen, um nicht weinen zu müssen. Aufmerksam hörte Alma den Worten von ihrer Freundin zu. "Warum nicht realisieren? Ist deine Oma krank?" hakte Alma interessiert nach und Yannis nickte bestätigend. "Meine Oma fing vor wenigen Jahren an, dement zu werden... Das war für alle Beteiligten nicht schön, als wir von Omas Erkrankung erfuhren. Ich wüsste gerne, ob sie noch lebt." Dann überkam es Yannis und sie vergoss ein paar Tränen. Alma wollte sie nicht weinen sehen und umarmte Yannis zärtlich, um ihr ein Gefühl zu geben, dass Yannis nicht alleine war. Alma strich Yannis die Haare aus dem verweinten Gesicht, um mit einem Tuch die Tränen wegzuwischen. "Wir werden herausfinden, ob deine Oma noch lebt und egal ob ja oder nein, werden wir sie besuchen." versicherte Alma ruhig und grinste ein wenig. "Wie das?" schniefte Yannis ungläubig, als Alma gerissen meinte: "Mein Papa ist doch der Gildenführer und wir hegen eine besondere Bindung zum Tod. Ich werde Gevatter Tod höchstpersönlich nach deiner Oma fragen!" Komplett konnte Yannis das noch nicht glauben, doch bei Almas selbstsicheren Worten funkelten ihre Augen auf und sie vergrub bei einer Umarmung ihr Gesicht in Almas Oberkörper und sprach ihre ganze Dankbarkeit aus. "Danke danke danke!! Ich weiß nicht, wie ich dir das zurückgeben soll." Alma beschämten die Worte. "Es ist alles in Ordnung. Du musst mir nichts zurückgeben. Mir reicht es, dass ich dich nicht mehr weinen sehen muss." Endlich lächelte Yannis wieder und fühlte sich sehr wohl bei Alma. Egal was war, sie war da für Yannis und half ihr immer so gut es ging. Langsam schloss Yannis die Augen und schlief Hand in Hand mit Alma ein.