Am späten Nachmittag lief Shadia vom Bestattungsinstitut rüber und wunderte sich über das ihr fremde Fahrrad. Im Hausflur bemerkte sie Heathers Schuhe und bekam einen leisen Verdacht, welchen sie aber nicht glauben konnte. Kurzerhand rief sie seinen Namen. Musuko vernahm die Stimme seiner Mom und sah zu Heather.
"Meine Ma ist wieder daheim, wollen wir ihr mal hallo sagen. Die bekommt sicher einen Schreck, wenn sie sieht, dass ich einen Freund eingeladen habe, haha." Musuko lachte darüber und wartete auf Heather an der Tür. Gemeinsam liefen sie die Treppe hinunter und zur Begrüßung strich Shadia ihrem Sohn über die Haare. Ihr Augenmerk fiel dann auf Heather, die sich sofort vorstellte und ihr die Hand gab. "Sehr erfreut! Ich bin Shadia Fukkatsu, Musukos Mutter! Ich war schon verwundert, wem das Fahrrad gehört." schmunzelte Shadia und auf Heathers Nachfrage, ob es nicht im Weg steht, antwortete sie nur, dass alles in Ordnung sei.
Schließlich bat sie Musuko, kurz mitzukommen und Heather wartete auf der Treppe. Shadia lief mit Musuko ins Wohnzimmer. Musuko erahnte schon, was nun kommt. Kaum waren sie im Wohnzimmer grinste Shadia über beide Ohren. "Ich freu mich so für dich! Das ist das erste Mal, dass du Freunde mitgebracht hast, obwohl du letztens noch meintest, du brauchst keine. Wie schön! Hast du ihr was zu trinken angeboten? Möchte sie was essen? Braucht sie sonst etwas?" Musuko schmunzelte über die freudige Aufregung seiner Mutter. "Sie hat was zu trinken, alles gut. Ich möchte unseren Gast aber auch nicht lange warten lassen." redete er sich raus und Shadia musste ihm peinlich berührt Recht geben. "Frag sie direkt, ob sie zum Abendessen bleiben möchte und ob sie einen Wunsch oder Allergien hat." Shadia war es sehr wichtig, dass es dem Besuch gut ging und nahm dies sehr ernst. Musuko kam kurze Zeit später wieder. "Wenn sie darf, bleibt sie gerne und sie ist offen für alles, außer Pilze!" berichtete er und Shadia nickte. "Natürlich darf sie bleiben! Danke dir!" Musuko eilte die Treppe zu Heather hinauf und Shadia begab sich zuerst ins Bad und dann in die Küche.
Shadia rief Musuko und Heather später zum essen und hatte Kartoffelgratin mit Bratwurst zubereitet. Sie aßen in der Küche und jeder füllte sich selber auf. "Und du bist die neue Mitschülerin von Musuko?" fragte Shadia höflich und Heather nickte. "Das ist doch schön, wenn man Anschluss findet. Musuko ist auch ein lieber, er sieht nur so aus, als würde er alle nicht mögen." Shadia schmunzelte und strich über Musukos Arm. Darüber kicherte Heather, während Musuko still weiter aß. Schließlich kam Heather auf den Aktionstag zu sprechen.
"Samstag findet ein Aktionstag in der Kirche statt, Musuko! Möchten wir dahin gehen?" fragte Heather vorfreudig und ihr Gegenüber überlegte. "Davon hab ich gehört, Mom hat es mir erzählt, bevor es überhaupt in der Zeitung stand." Heather staunte und Shadia grinste, als Musuko erklärte: "Meine Ma ist dicke mit der Pastorin. Wenn irgendwas in der Kirche ist, weiß Mutter sofort davon. Der Aktionstag soll doch auch dazu beitragen, dass die Kirche nicht abgerissen wird." Bei seinem letzten Satz wurde Heather hellhörig.
Sie nahm einen Bissen und erzählte dann.
"Ich finde das auch nicht gut, dass sie die Kirche abreißen möchten. Darüber habe ich schon mit meinem Bruder diskutiert, welcher sich um den Abriss kümmern soll." berichtete sie und Shadia hörte ihr interessiert zu. "Dein Bruder gehört das Abriss-Unternehmen, richtig?"
Heather bejahte ihre Frage. "Dann kenne ich ihn. Er hat das Unternehmen damals geerbt, richtig?"
"Ja, vorher hat er dort schon gearbeitet und nach Vaters Tod dieses geerbt. Ich habe auch schon mit ihm gesprochen, aber er kann auch nicht viel machen." Verständlich nickte Shadia.
"Wir hoffen natürlich auch, dass die Kirche restauriert wird." meinte Shadia und leerte ihren Teller, bevor Heather zu ihren eigentlichen Fragen zurückkam.
"Wollen wir Samstag zusammen hin?" Musuko zuckte nur mit den Schultern. "Von mir aus." murmelte er und nahm einen Nachschlag. "Wollen wir auch einen Kuchen backen?" hakte Heather weiter nach und Musuko hielt inne. Ihm fehlten die Worte. "Wenn wir dafür Zeit finden?" meinte er fragend und aß weiter.
"Sicher, wenn wir den einen Tag vorher oder morgens backen! Wie wollen wir das denn machen? Wann soll ich zu dir kommen?" Musuko war überfordert von den ganzen Fragen und seine Mutter fing deshalb schon zu lachen an. Erwartungsvoll schaute Heather ihn an und wollte den Mund zu einer weiteren Frage öffnen, als sich Musuko ihre Gabel schnappte, Kartoffelgratin auffüllte und Heather in den Mund stopfte. "Frag nicht, iss!"
Heather war perplex, schluckte den Bissen runter und hustete beinahe.
"Och, Musuko." lachte Shadia und fragte Heather, ob alles ok sei. Sei nickte nur, als Musuko fertig gegessen hatte und sagte: "Besprechen wir das gleich in meinem Zimmer!"
Beide liefen wieder in Musukos Zimmer, nachdem Heather sich für das leckere Essen bedankt hatte, was Shadia sehr freute.
Musuko ließ nebenbei High Heaven laufen und Heather blickte zum TV, während sie sich mit Musuko unterhielt. Allerdings amüsierte Heather die Serie, was Musuko positiv aufstieß. "Ich schaue die Serie gerne. Muss gleich mal drauf achten, wie Loreleis Segen schief hängt, wenn die Beiden wieder was dummes machen." erwähnte er schmunzelnd und Heather begann zu schmunzeln. "Wie viele Staffeln gibt es?" fragte sie interessiert. "Zwei, das ist die Erste. Wenn du magst, können wir uns die Serie gerne zusammen anschauen!" Diesen Vorschlag fand Heather nicht schlecht, bis Musuko eine Idee bekam und sein Handy hervorholte. "Komm Freitagnachmittag doch einfach hierher, dann machen wir einen Filmabend, du übernachtest hier und am nächsten Tag gehen wir zur Kirche. Meine Mutter wird sowieso auch da sein, alleine schon wegen der Pastorin und ihr liegt was an der Kirche. Und jenachdem wie du möchtest, kannst ja noch etwas bleiben oder bis Sonntag hier schlafen." schlug er freudig vor und lächelte, dabei sah er motiviert zu Heather. Sie fand die Idee gut, war sich aber noch unsicher.
"Ich habe lange nicht mehr wo übernachtet und sonst nur bei Freundinnen." erwähnte Heather ruhig, als von Musuko ein tiefer Seufzer folgte und er sich an den Kopf fasste.
"Ist doch egal, ob man mit Jungs oder Mädchen abhängt. Ich werde schon nichts mit dir anfangen!" Er sah ruhig zu ihr und Heather nickte, als Musuko ihr etwas beichtete.
"Außerdem steh ich nicht auf Frauen, ich bin schwul. Behalte das aber bitte für dich, ok?" bat er sie eindringlich und Heather nickte. "Versprochen, das ist doch nicht schlimm." Musuko vertraute ihr und wusste, was passieren würde, wenn seine Mitschüler davon erfahren würden. "Muss übrigens auch nicht jeder wissen, dass wir aufeinander hocken. Ich mach mir einfach Gedanken, dass du nachher in irgendeine scheisse reingezogen wirst." Heather konnte seine Sorgen nachvollziehen und versicherte, dass sie es nicht jedem sagen wird.
"Es ist übrigens gleich halb neun, möchtest du bald heim oder wie lange darfst du bleiben?" erkundigte er sich und Heather blickte auf ihr Handy. "Morgen ist Schule, ich würde gleich heimfahren." antwortete sie und stand auf, als Musuko sie aufhielt. "Warte, hier ist meine Nummer." Kurzerhand speicherte sie seine Handynummer ein und er begleitete sie zur Tür. "Wir sehen uns morgen in der Schule!" verabschiedete Heather sich und fuhr von der Auffahrt. Kaum hatte Musuko die Tür hinter sich geschlossen, hörte er seine Mutter schon von hinten auf sich zukommen und kurzerhand umarmte sie ihn von hinten.
"Na, wie war es, das erste Mal jemanden Heim zu bringen, mit dem man sich versteht?" Shadia musste immer noch daran denken, wie Musuko vor kurzem noch meinte, dass er keine Freunde bräuchte und nun mit der neuen Mitschülerin etwas unternommen hatte. Es hatte Shadia immer belastet, dass ihr Sohn alleine war und Schwierigkeiten in der Schule hatte. Darum freute sie sich nun umso mehr für ihren Sohn.
Heather berichtete ihrem Bruder auch sofort von dem Treffen und ihrem Plan mit der Übernachtung.
"Wenn du dich wohlfühlst. Kannst mir ja nochmal erzählen, wie ihr das geplant habt. Wie fährt sich dein neues Rad?" erkundigte er sich und lief ins Badezimmer. "Gut! Ich fahr damit morgen zur Schule!" Damian musste schmunzeln, während er zur Zahnbürste griff. "Man, da weiß ich ja gar nicht, was ich mit meiner neu dazu gewonnenen Zeit anstellen soll." scherzte er, als Heather sich ebenfalls eine Zahnbürste nahm. "Es wird sicher auch mal regnen und es war ja deine Idee." Die Geschwister lachten und Damian machte sich bettfertig, während Heather nur ihre Zähne putzte und noch eine Weile wach blieb.
Am frühen Morgen wurde Heather von den herunterprasselnden Regentropfen geweckt, die gegen ihr Fenster prasselten. Im Halbschlaf wurde sie wach und Damian klopfte an ihrer Tür.
"Tja, Heather, wird wohl nichts mit Rad fahren, musst dein Bruder dich wohl fahren." meinte er belustigt, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Heather seufzte und stand auf. Die Geschwister trotteten beide in ihren Pyjamas in das Badezimmer und putzten zuerst ihre Zähne. Heather beugte sich mit dem Kopf hinunter, als Damian sich einen Spaß erlaubte, gemein grinste und seinen Wasserbecher über ihr Haar ausschüttete. Kurzerhand wirbelte seine Schwester auf und sah ihn grummelig an, bevor sie lachte und gegen seinen Becher schlug. Das Wasser schwappte über und traf sein blaues Oberteil, einen Pullover und tropfte zu Boden. Stumm nahm er ein Handtuch und wischte die Wasserpfütze weg. Er ließ seiner Schwester den Vortritt im Bad und genoß vorerst sein Frühstück.
Heather fand es schade, dass sie ihr Fahrrad nicht benutzen konnte und hoffte, dass die nächsten Tage besser werden würden. Vom weiten sah sie ihre Klassenkameraden, die schnell zum Gebäude rannten und nach einer Überdachung suchten. Heather eilte ebenfalls zum Schulgebäude und war glücklich, als sie im Trockenen sitzen konnte. Musuko war mit Regenschirm zur Schule gelaufen, doch der Regen hatte seine Spuren hinterlassen, was ihn aber nicht zu stören schien. Er wirkte wacher als sonst und setzte sich hin, holte seine Ordner und Federtasche hervor und griff dann nach seinem Handy.
Heather grüßte ihn und er hob kurz die Hand, bevor er Heather eine Nachricht schrieb. Sie las diese, in der geschrieben stand, dass er es für besser hielt, sich nicht im Klassenraum zu unterhalten. Zwar sah Heather dies ein wenig anders, doch konnte sie ihn auch verstehen. Karlo lief in den Klassenraum, kam an Musuko vorbei und haute mit der Hand gegen sein Handy, welches Musuko fast aus der Hand fiel.
"Hast eh keine Freunde!" rief Karlo gehässig. Musuko klappte die Handyhülle einfach zu, welche einen Drachen zeigte, daraufhin verwahrte er sein Handy sicher. Er machte sich nichts aus Karlos Aktion, war er es doch schon gewohnt.
In den Pausen suchten Heather und Musuko sich einen anderen Platz, um zu reden, doch blieb es nicht unbemerkt, dass beide Zeit miteinander verbrachten. Das Wetter beruhigte sich mit der Zeit und Heather wurde von ihrem Bruder pünktlich abgeholt. Sie stieg ein und bemerkte nicht, dass Karlo mit seinen Freunden am Auto vorbei lief und sie zusammen mit ihrem Bruder sah. Nachdem Heather eingestiegen war, erzählte sie freudig, dass sie mit Musuko die Übernachtung besprochen habe. "Soll ich dich Freitagabend fahren? Das bekommst du doch nicht auf dem Rad mit." bot er an und Heather musste ihm Recht geben.
"Freitagnachmittag oder abends, wie du Feierabend hast. Musst du nicht bald ein altes Haus abreißen?" erzählte sie und Damian nickte.
"Das wird auch wieder dauern, aber gut. Brauchst du etwas für die Übernachtung? Snacks?" hakte Damian nach, doch Heather schüttelte den Kopf. "Musuko meinte, seine Mutter fragt schon die ganze Zeit, ob ich was Bestimmtes essen möchte und geht für den Abend einkaufen. Ich habe ihn ein paar Snacks genannt. Ich brauche nur Bettzeug." erklärte sie ihm vorfreudig und Damian nickte, während er sich auf den Straßenverkehr konzentrierte. "Pass aber bitte trotzdem auf. Ihr versteht euch zwar und ich kenne seine Mutter, aber nicht, dass dir was passiert. Ansonsten habe ich nichts dagegen." meinte er fürsorglich und die Tatsache, dass Musuko ein Junge war, störte ihn nicht. Das wusste Heather auch. Er hatte lediglich Sorge, dass sie auf falsche Menschen hereinfallen könnte.