Sibylle vernahm diese und unterbrach ihre Arbeit, um zur Tür zu gehen. Sie öffnete diese und musterte Alma streng. "Guten Tag, ich bin Alma Corenzola." stellte sie sich ängstlich vor, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen und verbeugte sich leicht. Das fiel Sibylle positiv auf. "Guten Tag, Frau Corenzola. Ich bin die leitende Schmiedemeisterin dieser Abteilung, Sibylle Klinke. Was wünschen Sie?" Sibylle schaute streng auf Alma herab, welche sich nicht einschüchtern ließ und ihr in die Augen blickte. "Ich würde gerne das Handwerk der Sensenschmiede erlernen!" Alma war drauf und dran entschlossen, ihren Traum zu verwirklichen. Sibylle war ein wenig überrascht, aber gab sich kühl wie zuvor. "Dann komm mit!" befahl sie und Alma folgte ihr zu den Scythe Makern. Beide standen in einem Umkleideraum, in welchen Sibylle Alma führte. Sie überreichte ihr eine Schmiedeschürze. "Handschuhe und Schuhe suchen Sie sich bitte selber heraus und binden Sie Ihre langen Haare zusammen!" Damit verschwand Sibylle und ließ Alma alleine, welche ihre langen Haare zu einem Dutt zusammen band, nur ihr Oberteil und Hose anbehielt, bevor sie den Mantel ablegte und die Schürze umband. Daraufhin folgten die restlichen Kleidungsstücke und sie trat aus den Umkleideraum zu Sibylle. Diese kontrollierte Almas Auftreten und nickte. "Komm mit, ich zeige Ihnen alles." Sie liefen nach ganz hinten zu einem großen Lagerraum. "Hier finden Sie alles, was Sie zum anfertigen einer Sense benötigen. Alles unterteilt in Holz oder Metall, jenachdem was benötigt wird. Sie werden Ihre Zeit brauchen, bis Sie wissen, wo was ist." Alma nickte und sah sich gründlich um, bevor sie in eine Art Holzwerkstatt gelangten. "Hier sind die Drechselbänke für diejenigen, die einen unzerbrechlichen Holzstab für ihre Sense möchten. Früher war es hier etwas voller, mittlerweile bevorzugen viele Seelengeleiter eher einen Metallstab." Fasziniert schaute Alma den anderen Sensenschmieden bei ihrer Tätigkeit zu. Der Begriff Drechseln war ihr von der Erde bekannt und sie hatte auch schon ein bisschen Erfahrung darin. Daraufhin standen beide in einem Raum voller Öfen und Alma sah ganz viele Scythe Maker, wie diese mit Hämmern auf Metalle schlugen und eine Sense formten. "Das ist ein sehr wichtiger Bereich, in welchem die Sensenblätter und Stäbe wie auch Dekorationen gefertigt werden." Alma verstand und nickte. Sibylle schaute Alma kalt an. "Stellen Sie sich darauf ein, dass diese Lehre nicht einfach für Sie werden wird." Sie musterte Alma, welche bereit war, für diese Lehre alles zu geben.
Der erste Tag war nicht ganz, was sie erwartet hatte. Sie wurde von den Schmieder hin und her gescheucht. "Hol mir sofort einen Metallstab wie hier beschrieben!" befahl einer barsch und drückte ihr grob einen Zettel in die Hand. Alma spurtete ins Lager, aber wie Sibylle bereits erwähnte, brauchte sie ewig, bis sie was fand. Sie vernahm schon eine brüllende Stimme hinter sich. "Was dauert das solange?!" Der Schmieder kam ihr bedrohlich näher und funkelte sie finster an, bevor er nach einem Metallstab hinter ihr griff. "Bist den ersten Tag hier, hm?" hakte er mit erhobenem Kopf nach und Alma ließ sich nicht einschüchtern. "Ja!"
Der Schmied grinste gemein. "Länger wirste das auch nicht machen!" Er ließ Alma einfach stehen, welche die Hände zu Fäusten ballte, sich ihren Teil dachte und diese Worte einfach runter schluckte. Schließlich vernahm sie Sibylles laute strenge Stimme und Alma eilte herbei. Sie dachte, sie dürfte etwas Bestimmtes machen, doch dann wurde sie lediglich dazu beauftragt die Drechselbänke zu säubern. Nach dem Alma dies fertig hatte, kehrte sie zu Sibylle zurück, die gerade bei einer Sense bei war und schaute ihr dabei zu. Plötzlich zuckte sie zusammen, als Sibylle laut wie auch streng ermahnte: "Steh nicht rum, mach was!!"
Sofort schaute Alma sich um, als jemand sie beauftragte ein paar Teile ins Lager zu tragen, die ein wenig schwerer waren. Fast wäre ihr was davon runtergefallen, aber sie schaffte es. Nur beim sortieren war sie ratlos, als sie schon hörte, wie jemand neben ihr einen Stab auf den Boden warf. "Wer hat das hier einsortiert?!" Sie zuckte zusammen. "Entschuldigen Sie, ich bin neu." Ihrem Gegenüber war die Entschuldigung jedoch egal und zog Alma zu sich. "Ob neu oder nicht, Augen zum gucken hast du doch, oder?" Er packte sie von hinten an beiden Armen und Alma nickte. Ihr gefiel es nicht, so grob angepackt zu werden, aber sie hatte schon gemerkt, dass in der Schmiedeabteilung kein sanfter Ton herrschte. "Dann siehst du sicher auch, dass die Stäbe unterschiedlich lang sind, oder?"
Jetzt sah Alma es auch und sie korrigierte ihren Fehler sofort und musste auch die runtergeworfenen Stange des Seelengeleiters aufsammeln. Sie merkte, dass diese Lehre viel von ihr abverlangte.
Henrik saß Abends in der Gilde und wartete auf Alma, die jedoch nicht vorbei kam und er machte sich ein paar Gedanken, aber beruhigte sich damit, dass es ihr erster Lehr Tag war und erinnerte sich an seine Lehre zurück. Am frühen Morgen wurde er abgelöst.
Bevor er ging erinnerte er sich allerdings an das Foto und nahm es mit zu Alma. Er klopfte an der Tür und Smeralda öffnete ihm diese und bat ihn hinein. Henrik sah unsicher zu ihr, während Smeralda versuchte Henrik nicht anzuschauen. "Ist Alma da?" erkundigte er sich ruhig. "Sie schläft noch und kam sehr spät heim. Sie war sehr erschöpft und ist direkt ins Bett. Wir haben noch nicht weiter miteinander gesprochen." Henrik war ein wenig überrascht, dass es so anstrengend war, erinnerte sich aber an seine ersten Lehr Tage in der Gilde zurück. Ihm fiel das Bild ein. "Ich habe hier noch eine Fotografie, die Alma damals dabei und vergessen hatte. Ich dachte, ich gebe sie dir lieber zurück und du würdest sie gerne wiederhaben." fing er vorsichtig an und Smeralda schaute ihn unsicher an. Sie nahm das Foto mit gesenkten Kopf entgegen und versuchte ihm nicht zu nahe zu kommen. "Danke." sagte sie leise und Henrik lächelte traurig. "Mein Bild habe ich ebenfalls aufbewahrt. Ich hätte es nicht gedacht, dass du es behältst." murmelte er und es herrschte eine ungewöhnlich angespannte Stimmung zwischen den Beiden. Smeralda drückte das Bild an sich und schaute zu Boden. Der Anblick schmerzte Henrik und er konnte nicht länger mit ansehen, wie verletzlich Smeralda vor ihm stand. Er wusste, dass sie eine sehr scheue Person war, aber so zerbrechlich war sie nicht einmal zu Anfangszeiten gewesen. Er wusste, dass er dafür verantwortlich war und das bereitete ihm Schuldgefühle. Zudem wollte er nicht, dass Smeralda ihm nur noch so gegenüberstand. "Smeralda?" fragte er vorsichtig, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. "Ja, Henrik?" Er wusste nicht, wie er anfangen sollte. "Mir tut es leid, dass du dich wegen mir gerade so fühlst und ich dich verletzt habe. Es war damals eine unnötig dumme Entscheidung, welche ich bis heute bereue. Wenn ich es irgendwie besser machen könnte, würde ich es tun. Mir tut es weh, dich so zu sehen und das möchte ich nicht." Smeralda lauschte seinen schmerzlichen Worten und musste sich zusammen reißen, um nicht zu weinen, denn sie war eine emotionale Person. "Es lässt sich so oder so nicht mehr ändern." merkte Smeralda kühl an und Henrik stimmte ihr dabei zu. "Das stimmt, aber das, was ich besser machen kann, versuche ich besser zu machen. Wäre ich damals nur wieder zu dir gekommen, dann hätte ich dich niemals mit Alma alleine gelassen!" Er offenbarte Smeralda eine mitfühlende Seite und sie schenkte seinem Worten Glauben, doch änderte sich nichts an ihren Empfindungen. "Anfangs war ich überfordert, als die kleinen Engel vor mir erschienen und war wenig erfreut. Immerhin war ich auf dem Weg, die Trennung einigermaßen zu verkraften. Doch ich habe das Kleine unter meinem Herzen geliebt und für sie weitergemacht. Es war nicht immer leicht, aber ich liebe Alma und bin wirklich froh, sie zu haben." Sie hielt sich den rechten Arm und hatte den Stolz einer Mutter in ihren Augen. Henrik lächelte, als er ihr Funkeln sah und schaute entspannt zu ihr.
"Ich bin genauso stolz, auf Alma und dich." sprach er ruhig zu ihr und Smeralda musste für einen Augenblick lächeln. "Alma würde ich gegen nichts eintauschen. Niemals hätte ich sie weggegeben, ihr was angetan oder ihr Leben beendet, bevor es überhaupt begonnen hat. Selbst wenn ihr Vater ein Schwerverbrecher gewesen wäre oder mir was Schlimmes angetan hätte, würde ich sie nach wie vor lieben."
Diese Worte berührten auch Henrik sehr und Smeralda drehte sich um, damit Henrik nicht sah, wie sie sich eine Träne wegwischte. Behutsam trat er an sie heran. "Wenn etwas ist oder du reden möchtest, dann darfst du gerne immer zu mir kommen." bot er ihr an und Smeralda wusste diese Worte zu schätzen. "Danke."
Almas Zimmertür ging auf und sie begrüßte ihre beiden Elternteile mit einem freudigen Hallo, aber sie schien noch ein wenig kaputt zu sein. Sie schien schon eine Weile länger wach gewesen zu sein, denn ihre Haare waren unteranderem gekämmt.
Ihr Vater fragte direkt neugierig nach, wie der erste Lehr Tag gewesen war und seufzend setzte sie sich auf das Sofa, bevor sie berichtete, wie sie zwar getriezt worden ist und wie anstrengend es war, aber sie drauf und dran entschlossen war, nicht aufzugeben. Ihre Eltern setzten sich zu ihr und Henrik grinste. "Meine Lehre in der Gilde war so ähnlich. Es war ebenfalls sehr anstrengend, aber zu Anfang ist dies immer der Fall. Man darf nur nicht aufgeben, auch wenn es manchmal kräftezerrend ist. Anfangs ist man unerfahren, fühlt sich vielleicht schlecht, wenn man sieht, wie weit die Anderen schon sind, aber man darf nicht vergessen, dass diese Personen auch einst angefangen sind und dies schon länger machen. Irgendwann wirst du auch an dem Punkt stehen und dann wird es vielleicht jemanden geben, der auf dich hinaufschaut." Alma nickte und lächelte sanft bei diesen Worten. "Und wenn du dann siehst, wie weit du gekommen bist und was du erreicht hast, wirst du unbeschreiblich stolz sein. Es ist wie eine Treppe, die man Stück für Stück besteigt."
Diese Worte machten Alma Mut und sie blickte zu Henrik auf. Smeralda rechnete es Henrik hoch an, dass er sich so um seine Tochter bemühte. Eine Sache beschäftigte Alma dann noch und sie sprach den Tonfall der Sensenschmieden an, unteranderem auch, dass man ihr sagte, sie würde es nicht lange machen. Auch wenn Henrik der Erzählung gefasst gegenüber trat, gefiel es ihm trotzdem nicht, was seine Tochter ihm erzählte. "Damit wirst du dich abfinden müssen. In meiner Lehre wurde auch oft ein grober Ton angewandt. Du wirst dir ein dickes Fell anschaffen müssen. Irgendwann stehst du drüber und dir wird das egal sein. Und lass dir von niemanden sagen, du wirst es nicht schaffen. Es ist deine Erfahrung, die du machst." Gelassen schaute Henrik zu Alma und strich über ihre Haare. "Sonst kannst du deine Sorgen immer bei mir abladen. Ich versuche zu helfen, wo ich kann." Henrik wusste, dass er nicht der Beste darin war, anderen Trost zu spenden, doch er versuchte sein Möglichstes. Für dieses Angebot dankte Alma ihm und stand dann auf, um ihr Tagebuch zu holen. "Ich habe den Tag noch gar nicht aufgeschrieben."
Mit angewinkelten Beinen saß sie in schwarzer Jogginghose, weißem T-Shirt und braunem Cardigan auf dem Sofa. Henrik musterte den Cardigan. "Den kenne ich doch. Hast du den nicht immer getragen, Smeralda?" fiel es ihm abrupt ein und Smeralda bestätigte seine Aussage mit einem Nicken, als Alma schon sagte: "Den hat Mama mir irgendwann geschenkt." Dabei schrieb sie ihr Tagebuch weiter. "Er steht dir." merkte er lobend an und stand dann auf.
"Ich werde mich dann heim begeben. Es war sehr schön und bleib auf deinem Weg." ermutigte Henrik sie und drückte Alma kurz an sich, als sie ihn zur Tür brachte und verabschiedete.
In der Wohnung zog Henrik Stiefel und Mantel aus, die er über die Garderobe hängte. Er lief in sein Schlafzimmer, welches direkt nach dem Flur kam und von dem Schlafzimmer konnte er direkt in das Wohnzimmer blicken. Diese beiden Räume trennte nur eine Schiebewand. An seinem Bett stand eine weiße schmale Kommode und aus der obersten Schublade holte er einen Bilderrahmen mit dem Abzug der Fotografie hervor, die auch Smeralda besaß. Mit einem matten Lächeln musterte er diese und hatte ein besonderes Gefühl dabei. Schließlich packte er das Bilder wieder in die Kommode und legte sich ins große Doppelbett schlafen.