Die Planung der Hochzeit beider Schritt voran. Mikel ging mit Shadia Kleidung shoppen und Heather mit Musuko. Dieser tat sich dabei nicht leicht.
"Kann ich nicht einfach etwas anziehen, was ich bereits besitze? Oder im Internet shoppen?" Heather rollte mit den Augen.
"Die haben hier auch schwarze Sachen."
"Auch Shirts wo man noch meine Tattoos sieht?" Er scherzte.
"Im Oktober mit Shirt rumlaufen? Und wenn du all deine Tattoos präsentieren möchtest, muss du nackt gehen." entgegnete Heather und für einen Augenblick wirkte Musuko, als würde er die Idee ernsthaft in Erwägung ziehen.
"Hast du schon die Kuchen bestellt?" lenkte er das Thema ab und bewegte sich gleichzeitig Richtung Ausgang. "Ja, ja habe ich. Als ich deine Trauzeugin wurde, wusste ich nicht, was das alles mit sich zieht." Sie seufzte und folgte Musuko aus dem Laden. Ihr nächstes Geschäft wurde ein Online-Geschäft, welches spezialisiert auf Gothic-Kleidung war.
"Schau, das Kleid wäre doch was für dich." Heather sah zum Laptop. "Ja, aber 200 Euro. Ich habe Shadia schon geschrieben. Die hat was für mich da."
"Wie du meinst. Ich hätte es dir gekauft." Musuko zuckte mit den Schultern.
"Spar das Geld lieber für Mikels Geschenk."
"Stimmt, aber da habe ich bereits eine Idee." Daraufhin zeigte er ihr ein paar Präsente, die er sich ausgesucht hatte und erzählte ihr, weshalb er das als passend empfand. Heather war immer wieder begeistert darüber, wie sehr sich Musuko Gedanken um seine Liebsten machte und mochte das besonders an ihn.
13 Oktober 1713
Am frühen Morgen fuhr Heather mit ihren Auto zu einer Filiale der Krachten Bäckerei. Die Angestellten des Ladens kannten Heather bereits und begrüßten sie ausgelassen. "Einmal abholen?" schmunzelte eine jüngere Verkäuferin und Heather folgte ihr nach hinten.
"Eines muss du uns aber erklären. Wir haben uns die Torte angesehen und ist das wirklich eine Hochzeitstorte?" Heather warf einen eigenen Blick auf die Torte.
"Perfekt. Ja, ist es." Eine bebrillte Verkäuferin kam nach hinten um die Torte ebenfalls zu bewundern.
"Ich finde sie cool." meinte sie und ein Blick von Heather auf die Knochenhaarspangen der Kollegin verrieten ihr, dass ihr der Stil ebenfalls zusagte.
"Cool, dann bezahl ich die schnell und packe sie ins Auto. Mein bester Freund heiratet heute." Heather folgte der Verkäuferin nach vorne und sie bekamen mit, wie Jakob die Auszubildende anging.
"Ich habe gesagt ich will das größere Stück hier vorne! Sind Sie überhaupt bei der Sache?" Das junge Mädchen Anfang 17 packte das Stück vom Tablet zurück auf das Kuchenblech. "Und das verkaufen Sie jetzt noch weiter oder was?" Das Mädchen fehlten die Gegenworte. "N-nein ich wollte es nur erstmal zur Seite pa-"
"Was Sie nicht alles wollten. Jetzt geben Sie mir das Stück hier ganz vorne!" Energisch tippte er mit den Finger auf die Tresenscheibe. Um das gewünschte Stück zu bekommen, musste die Auszubildende andere Kuchenstücke zur Seite stellen. Dabei nahm sie ein dunkleres auf den Kuchenheber. "Nein, nicht das!"
"Ich wollte es nur zur Seite packen." wisperte sie, aber da Jakob nichts verstand hackte er biestig nach.
"Was?!"
In dem Moment räusperte Heather sich und sprach Jakob an.
"Guter Herr, finden Sie nicht, Sie übertreiben gerade maßlos?" Die Verkäuferin mit der Brille fing fast zu lachen an.
"Und wer sind Sie, das beurteilen zu müssen? Wenn der Chef es nicht hinbekommt ordentliches Personal einzustellen?" Heather baute sich vor Jakob auf. "Die Verkäuferin ist Auszubildende im ersten Lehrjahr. Jeder Mensch fängt einmal an und selbst erfahrenes Personal begeht Fehler. Und manchmal sind es nicht die Verkäufer, sondern die Kunden." Heather sah Jakob in sein verzerrtes Gesicht.
"Das Personal von heute taugt doch alles nichts mehr!" blökte Jakob und Heather entgegnete: "Nur so nebenbei, ich arbeite im Büro dieser Bäckerei und führe unteranderem die Vorstellungsgespräche. Wenn Sie weitere Beschwerden haben, können Sie es mir direkt sagen." Das Gesicht von Jakob erstarrte und er tätigte eine abweisende Handbewegung. Ohne was zu kaufen verließ er den Laden.
Heather seufzte und atmete laut ein, um zur Ruhe zu kommen. "Ich hasse sowas." Innerlich war sie mit Stolz erfüllt. Vor Jahren wäre sie eingeknickt und es hätte sie beschäftigt. Mittlerweile vergaß sie solche Begegnungen immer öfters.
Ihre Aufmerksamkeit galt nun dem jungen Mädchen, welches weinend nach hinten lief. Heather folgte ihr und wartete, bis sie aus dem Bad wiederkam.
"Solche Pappnasen hat man öfters. Man darf nur lernen, es nicht an sich ranzulassen und mit denen umzugehen. Ich habe früher auch immer geweint, wenn ich gemeine Kunden hatte. Es hat auch Jahre gedauert, aber spätestens seit ich die rechte Hand der Chefin bin, lässt mich das kalt." Sanft lächelte Heather.
"Ich wünschte ich würde nicht so einknicken. Erzählen Sie das der Chefin?" In der Stimme der jungen Azubine lag Ehrfurcht. "Von dem Kunden ja. Wie ich sie kenne wird sie darüber lachen." Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf die Lippen der Azubine. "Ich habe noch was vor. Melde dich im Büro, wenn etwas ist und lass das Sie weg." Ein aufmunterndes Lächeln zeichnete sich auf Heathers Lippen ab und ihr Gegenüber nickte.
"Ich danke Ihn- dir." Heather zahlte die Torte und verstaute sie sicher in ihr Auto. Ihr nächstes Ziel war Shadias Zuhause. Heather fuhr auf die Straße und schmunzelte bei den Anblick des Autos vor ihr. Es war ein kleiner blauer Wagen, der gelbe Badeenten auf die Hutablage geklebt hatte. Das Auto bog auf dem Friedhofsparkplatz ab und Heather erkannte kurzzeitig die grauen Federsticker. Heather fuhr ein kleines Stück weiter und parkte vor dem Haus. Auf die Auffahrt zu parken war mit ihrem größeren Auto ein wenig mühselig, obwohl Shadia immer beteuerte, ein Bestattungswagen würde dort ebenfalls hinpassen. Shadia öffnete die Tür, was Heather mit der Torte zu Gute kam. Heather stellte die Torte auf dem Küchentisch.
"Hallo erstmal." Beide Frauen umarmten sich und Shadia warf neugierig einen Blick auf die Torte. "Hach, sie ist perfekt. Ich weine gleich schon wieder. Ich habe den Tisch sch auch schon angedeckt." Shadia holte ein Taschentuch hervor und wischte eine kleine Träne weg, bevor sie Heather die Stube zeigte. Der Tisch wurde umhüllt von einer schwarzen Tischdecke. Das Geschirr wies Motive von Totenköpfen auf. Die Kerzen und Servietten waren ebenfalls in schwarz gehalten.
"Es ist wirklich hübsch. Die Beiden werden sich freuen." lobte Heather und Shadia freute sich darüber. "Danke dir. Aber komm, lass uns dich schick machen."
In Shadias Schlafzimmer setzten sie sich gegenüber auf zwei Hocker. Ihr Schlafzimmer war dekoriert mit Bilderrahmen von Musuko. Dabei fiel Heather ein Bild auf, in denen beide totenblass geschminkt waren und posierten wie Zauberer.
"So, ich habe ein bisschen Make-Up gekauft, aber vorher lass uns das schwarze Kleid raussuchen." Zusammen durchstöberten sie Shadias Kleiderschrank und Heather zog ein schwarzes langes Spitzenkleid hervor. Sofort funkelten Shadias Augen. "Aww, das hatte ich immer bei besonderen Momenten von Musuko an. Seine Einschulung, Schulauftritte, Abschluss."
"Dann solltest du es auch jetzt tragen. Keine Wiederworte." Heather überreichte es Shadia, die es gerührt an sich drückte. Kurz darauf stießen sie auf ein weiteres Kleid in schwarz, welches Heather vor den Spiegel anprobierte. "Es passt." murmelte Heather.
"Ich bin überrascht, dass es nicht zu schlabberig aussieht. Das habe ich in und nach meiner Schwangerschaft gerne angezogen. Ist wohl beim letzten waschen eingelaufen." Heather entschied sich für dieses Kleid und setzte sich wieder.
"Magst du dich auch hinlegen?" bat Shadia und Heather kam der Bitte nach. "Ich bin es gewohnt, Menschen im liegen zu schminken." Beide schmunzelten und Shadia machte sich an ihr Werk. Heather erkannte sich selbst nicht wieder im Spiegel, als sie sich zum ersten Mal in Totenblässe und schwarzen Akzenten sah.
"Ich wäre eine hübsche Verstorbene.", scherzte Heather und Shadia lächelte darüber. "Ich habe mein Wort als Treuzeugin gehalten. Musuko wird begeistert sein." Shadia packte die Utensilien beiseite. "Mikel kommt demnächst, aber einen kleinen Moment haben wir noch. Hach, ich kann es nicht glauben, dass er heiratet. Er war doch mal so klein. Dürfte ich dir ein paar Bilder zeigen?" Dabei holte sie bereits das Fotoalbum hervor. "Gerne. Das könnte lustig werden." Shadia setzte sich neben Heather auf das Sofa.
"Die Babyfotos überspringen wir. Es soll nicht zu peinlich für ihn werden. Auf den meisten schläft er sowieso nur. Er konnte schon immer wunderbar überall schlafen."
Beide lachten und Heather konnte diese Aussage aus eigener Erfahrung bestätigen. Heather bemerkte ein Foto, welches die ganze Seite des DIN A4 Fotoalbums ausfüllte.
"Wir bräuchten mal ein neues Familienfoto. Das ist veraltet." Shadia wollte weiterblättern, aber Heather hielt sie auf. "Ist sie deine Mutter? Sie sieht dir ähnlich." Sie verwies auf eine unsichere wirkende Frau die einen Pferdeschwanz trug.
"Leider nein. Sie ist meine Tante, aber viele dachten das. Meine leibliche Mutter steht daneben." Damit verwies sie auf eine Frau, die genervt in die Kamera sah, mit langen, gelockten Haar. Heathers Gesicht verzog sich.
"Du verarscht mich." meinte sie ungläubig.
"Ich wünschte es wäre so. Ich kenne sie nicht. Sie starb Tage nach meiner Geburt und wer mein Erzeuger ist, ist unklar. Darum wuchs ich bei meiner Tante und ihren Mann auf. Sie waren richtige Eltern für mich. Sie haben oft auf Musuko aufgepasst, immerhin wohnten sie direkt nebenan." Shadia blätterte weiter und Heather sah das füllige Gesicht eines Mannes mit Drei-Tage-Bart, der den 4-jährigen Musuko auf dem Arm hielt. "Das ist das einzige Bild von Musukos Vater in diesem Album. Wie du siehst war er ein Schmierfink und ich frage mich, wie Musuko von ihn abstammen kann. Egal, weiter." Bei dem nächsten Bild schwärmte sie.
"Aww, da war er zum ersten Mal im Sarglager. Es hat ihn total unbekümmert gelassen und er hat an dem Tag viel gezeichnet. Er war so ein ruhiges und pflegeleichtes Kind. Man brauchte ihn nur Stift und Papier geben und er war stundenlang beschäftigt. Es war mir schon immer klar, dass er mal Tätowierer wird, als er die Hähnchenkeulen mit Edding bemalen wollte. Ach was hat er mich ausgefragt darüber, wie es ist, selbstständig zu sein." Shadia schniefte leicht und Heather strich über die Schulter.
Auf den nächsten Bild lag ein 13-jähriger Musuko schlafend in einem Sarg und auf den folgenden posierte er wie ein auferstandener lebender Toter.
"Er war schon immer anders. Das wusste ich schon bei seiner Geburt." Heather schmunzelte aber erstarrte direkt bei den nächsten Foto. Es zeigte Musuko, der mit 15 neben den offenen Sarg von Shadias verstorbener Tante stand und ein selbst gemaltes Schild in den Händen hielt mit der Aufschrift: Wir sehen uns wieder, aber erst beerdigen wir dich!
Die Zeichnung zeigte Shadias Tante Tee trinken mit dem Tod.
"Ja, das hättest du nicht sehen müssen. Aber sie wollte es so. Das wirkt so trocken, aber tatsächlich haben wir gelitten als sie und mein Onkel starben." Die restlichen Bilder waren entweder alte Zeichnungen oder Aufnahmen von Musukos Einschulung, einem Schulauftritt wo er einen Busch spielte oder andere Momente im Leben. Mal mehr mal weniger professionell aufgenommen. Das letzte Bild zeigte ihn mit Shadia vor seinem Tattoostudio am Tag der Eröffnung.
"Als nächstes Foto kommt eines von der Hochzeit, das versichere ich." schwärmte Shadia und stellte das Fotoalbum zurück in den Nachtschrank. "So, Mikel sollte gleich kommen. Er ist ja immer so überpünktlich. Und du gehst zu Musuko. Wir sehen uns später." Es folgte eine vorsichtige Umarmung, um das Make-Up nicht zu verschmieren und Heather fuhr mit dem Auto zu Musukos Wohnung.
Sie klingelte und Musuko öffnete ihr verschlafen im schwarzen Pyjama. "Das ist jetzt nicht dein Ernst." waren Heathers erste Worte und Musuko rieb sich die Augen. Er weitete diese und realisierte Heathers äußeres Erscheinungsbild. Instinktiv umarmte er sie. "Du hast dein Versprechen gehalten. Du bist wunderschön." Stolz lächelte Heather. "Danke, aber kommen wir zu dir. Wie siehst du aus? Du weiß was für ein Tag heute ist? Hast du schon was gegessen?" Musuko stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
"Erst gehe ich pinkeln." Heather rollte mit den Augen und setzte sich in das Wohnzimmer. Kurze Zeit später kam Musuko mit einer großen Müslischüssel in den Raum.
"Hoffentlich knurrt mir später nicht der Magen oder ich muss auf Klo. Wäre ja furchtbar. Stehst beim Standesamt, hast den Tag deiner Tage und das Gefühl, du musst ka-"
"Musuko! Iss dein Müsli!" Heather bemühte sich, nicht ihr Gesicht anzufassen.
"Ist das Kleid von Mutter?" Gemütlich aß er. "Ja. Es ist ihr altes Umstandskleid." Musuko nickte interessiert, da sein Mund voller Müsli war. Er schluckte den letzten Bissen runter.
"Ach ja, wo ich mich noch wie ein Parasit von ihr genährt habe, hehe." Musuko stellte die Schüssel in den Geschirrspüler.
"Ich geh mich dann duschen und fürs Standesamt schick machen. Mach dir nebenbei den Fernseher an." Heather tat wie er es ihr riet und es verging eine Stunde, bis Musuko wiederkam.
"Trauzeugin, was sagen sie dazu?"
Mit ausweichenden Blicken stand er vor Heather, die den TV ausschaltete und ihn musterte. "Wow, du hast dir richtig Gedanken gemacht." Musuko stand in einem schwarzen Hemd vor ihr, der hinten einen Rosentotenkopf-Print hatte und vorne eine kleine Rose mit Schädel im inneren.
Die Jeans war schwarz und gewollt an einigen Stellen ausgefranst. Die Schuhe waren schwarze Sneaker mit den Print zweier liebender Totenschädel.
"Deine Tattoos sieht man auch gut und ist das-", Sie schnupperte an dem Hemd. "Parfüm?" Peinlich berührt nickte Musuko. "Ja, extra 50 Euro deswegen ausgegeben."
"Aber riecht gut an dir." gestand Heather. "Danke. Ich habe keine Ahnung von Parfüms. Es war in einem Totenschädel-Flakon und schwarz. Das hat mir gereicht." Er lief ins Bad zurück und holte es. "Hier, bedien dich." Daraufhin sprühte Heather sich ein kleines bisschen auf das Kleid. "Und seit wann bist du wach?" Sie setzten sich auf die Couch.
"Seit sieben Uhr. Ich habe ja frei heute. Wann wollen wir los? Oder müssen eher gesagt?" Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es zehn Uhr war. "Gleich. Um elf ist der Termin." Musuko sagte dies entspannt, aber er bewegte ununterbrochen sein rechtes Bein. "Deine Mutter hat mir Bilder von dir gezeigt, als du noch klein warst." Schlagartig stoppten seine Bewegungen.
"Nein, och Mutti, wie peinlich. Hoffentlich macht die davon keine Fotoshow." Heather lachte leise und fand Musukos peinlich berührtes Verhalten sympathisch. Bei einem weiteren Blick auf die Uhr zückte Heather ihre Autoschlüssel. "Wollen wir?" Musuko schluckte und nickte. In ihrem Auto musterte er die moderne Ausstattung. "Ich habe mich immer gefragt ob dieses Auto nicht zu groß für dich ist oder zu modern. Du hattest immer nur gebrauchte Kleinwagen und dann kam dieser Koloss." Er schnallte sich an. "Manchmal nervt die Größe und ich musste echt aufpassen, als ich die ersten Wochen damit fuhr. Mittlerweile geht's. Ich habe ihn auch nur gekauft, weil mich das Auto an das Alte meines Bruders erinnert hat."
"Und du das Geld hattest."
"Korrekt." Musuko schaltete seine Lieblingssongs ein und sie hielten auf den Parkplatz des Standesamtes an.