Am nächsten Morgen begleitete Alma Yannis zu ihrer Wohnung, damit sie sich rechtzeitig für die Arbeit fertig machen konnte. Alma musste später anfangen und nutzte deshalb die Zeit, um zur Gilde und dem Sensenmann zu gehen, damit sie nach der Oma von Yannis fragen konnte.
Alma klopfte an der großen Gildentür an und Florenz bat sie einzutreten. Er lächelte bei ihrer Erscheinung und dachte direkt an Henrik. Sie begrüßte ihn mit dem Vornamen und lief zur Tür, die zum Tod persönlich führte. Der Tod gewährte ihr Einlass und war erfreut, als er Henriks Tochter sah. "Was kann ich für dich tun?" erkundigte er sich höflich und eigentlich machte Alma unlieb von ihren persönlichen Vorteil gebrauch, doch fragte den Tod schließlich: "Kannst du mir bitte sagen, ob Babette Wohlkitti noch lebt?"
Alma war innerlich ein wenig nervös. Der Sensenmann überlegte und fragte sich, was Alma gerade von dieser Person wollte, doch beließ es dabei und verschwand kurz in einem Nebenraum, bevor er mit Babettes Akte wiederkam. "Sie lebt noch, doch nicht mehr für lange Zeit." erzählte der Tod, als er Alma dabei die Akte in die Hand drückte. Bei diesen Worten stockte Alma und schlug die Akte auf. Daraufhin erblickte sie ein Bild von Yannis Oma, las durch die Fähigkeit des jüngsten Gerichts ihre Tugenden und Sünden und sah zum Schluss ihren Todestag, welchen der Tod bereits niedergeschrieben hatte. Sie schloss die Akte wieder und dankte dem Tod, bevor sie wieder ihren Heimweg antrat.
Alma sah ihre Freundin zwar auf der Arbeit, doch hatte keine Zeit mit ihr zu reden. Wie sie es sich aber schon dachte, fing Yannis Alma nach der Arbeit ab und sie liefen zu Alma. Kaum waren sie dort, berichtete sie Yannis auch schon von ihrer Oma. "Wie du weiß, dass sie noch lebt?" fragte Yannis ungläubig aber überglücklich und Alma nickte versichernd. "Der Tod gab mir ihre Akte." Dabei nahm sie diese zur Hand und wurde überrumpelnd von Yannis umarmt. "Danke, dass du das extra für mich gemacht hast!" rief Yannis voller Erleichterung und ihr Grinsen erfüllte Almas Herz mit purer Freude. "Gerne, für dich gebe ich immer mein Bestes." Sie kuschelten sich aneinander und gaben sich einen Kuss auf die Lippen, als Alma den Blick jedoch senkte. "Ist etwas?" fragte Yannis bedrückt nach, bis Alma ihr die Akte gab. "Deine Oma.... sieh selbst." Alma faltete die Hände zusammen und senkte den Kopf, als Yannis die Akte aufschlug und selber den Todestag ihrer Oma las. Yannis ließ die Akte sinken. "Das ist ja schon in drei Tagen." stellte Yannis ernüchternd fest und starrte bedrückt auf das Dokument. Sie fühlte Almas Arm, der sich um ihre Schulter legte und nach einer unwohlen Stimmung fasste Yannis einen Entschluss. "Ich möchte ihre Seele geleiten!"
An Babettes Todestag tauchten Yannis und Alma früher im Altersheim auf, als es die eigentliche Todeszeit vorschrieb. Yannis wollte sich noch würdig von ihrer Oma verabschieden.
Im Altersheim trafen, wie im Krankenhaus, alle Welten aufeinander. Die Engel behüteten die Kranken, versuchten die Höllenwesen zu schwächen, die sich von den negativen Gefühlen aller nährten und in die schwachen Körper der Alten versuchten einzudringen, um Besitz von ihnen zu ergreifen. Die Todeswesen machten währenddessen still ihre Arbeit, die Seelen Verstorbener zu geleiten, auch wenn die Dämonen immer wieder versuchten, ihnen die Seelen zu stehlen.
Yannis setzte sich zu ihrer Oma, die nur noch im Bett lag und schlief. Dieser Anblick versetzte Yannis einen Stich ins Herz und sie umfasste Babettes Hand. "Hey, Omi, ich bins, Yannis. Wenn du mich hören oder dich an mich erinnern kannst." redete Yannis still und behutsam auf ihre Oma ein, welche jedoch keine Regung zeigte. Auch wenn Yannis damit gerechnet hatte, tat es ihr doch weh. Mitfühlend legte Alma ihre Hände auf Yannis Schulter und beobachtete ihre Freundin, wie sie trauernd am Bett ihrer Oma saß und leise bittere Tränen vergoss. "I-ich weiß noch, wie ich i-immer bei dir war o-oder wir Opa gemeinsam geärgert haben... Oder das Weihnachtsessen bei dir w-war auch immer richtig lecker..." Yannis schluchzte bei diesen Erinnerungen und die Tränen tropften auf ihre Hände, wie auf die weiße Bettwäsche. "Ich... ich habe dich so vermisst... Ich vermisse auch Mama und Papa und meine Geschwister.... H-hätte ich mich damals nur n-nicht umgebracht... dann hätte ich dir in den schweren Zeiten beistehen können!" Langsam kämpfte auch Alma mit den Tränen und Yannis Augen waren ganz glasig. Sie spürte, wie Alma über ihren Oberarm streichelte. "Weiß du, Yannis, auch wenn deine geliebte Oma nicht reagiert und du das Gefühl hast, sie würde nichts von alldem mitbekommen, so spürt sie doch im tiefsten Inneren deine Worte. Sie erinnert sich durch ihre Krankheit an nichts, doch ihre Seele tut dies. Wie bei Menschen, die im Koma oder sterbenskrank liegen, völlig regungslos oder Menschen mit einer geistigen Behinderung, die wirken, als würden sie wenig wissen, was man ihnen sagt, merken auch wie eine gesunde Person, wie mit ihnen gesprochen und umgegangen wird. All deine Handlungen ihnen gegenüber bekommen sie mit. Es ist nur ihr Körper, die Hülle, welche nicht intakt ist, doch ihre Seele spürt alles. Auch deine Oma weiß im Inneren, dass du da bist und hört deine Worte. Behalte sie so in Erinnerung, wie du sie zu deinen Lebtagen kanntest und nicht wie sie hilflos im Bett liegt." sprach Alma weise und ruhig, während sie die weinende Yannis umarmte und von hinten den Kopf auf ihre Schulter legte. Yannis versuchte zu lächeln, ihrer Oma wegen. Sie stimmte Almas Worten zu, doch konnte sie noch nicht richtig daran neuen Mut fassen.
Schließlich war die Zeit für Babette gekommen, von der Erde zu gehen und ihren Weg ins Nächste Leben anzutreten. Yannis umfasste ihre feine kleine Sense, die sie zu dem Körper ihrer Oma führte und sah, wie die Seele zur Sense gezogen wurde. Mit aller Kraft sprach Yannis die Formalitäten von Babette aus und die Seele glitt in die Sense. Durch die Sense wurde eine Brücke aufgebaut. Bei Babette eröffnete sich der Himmel mit einem gleißenden Licht.
Sie sah Engel und hörte die beruhigende Stimme des Himmelsfürsten. Babette erblickte all die Verwandten, die voraus gegangen waren und fühlte sich lebendig. Sie war gesund und hatte das Erscheinungsbild ihres 30-Jährigen Ich mit braunen langen gewellten Haar und rosa Kleid. Babette hatte ein zartes Lächeln auf den Lippen und war endlich erlöst.
Tränen tropften auf den leblosen Körper von Babette und das Bett. Sie hatte ein sanftes Lächeln im Gesicht und sah aus, als würde sie schlafen. Alma drückte Yannis nach dem Seelengeleit und ließ sie in dieser Zeit nicht alleine. "Lebe wohl, Oma..." schluchzte Yannis und streichelte das letzte Mal die Hand ihrer Oma, bevor sie aufstand und einen letzten Blick zu ihr warf. Sie öffneten ein Flügelportal und fanden sich vor Yannis Wohnung wieder. In Yannis Zimmer brach sie weinend auf dem Bett zusammen und Alma vergoss mitfühlend ebenfalls Tränen. Sie ließ Yannis die ganze Zeit über nicht los und es half ihr sehr, dass Alma ihr beistand, ihr die Tränen wegwischte und mit ruhigen tröstenden Worten auf Yannis einredete, bis sie neuen Mut fand.
Yannis wischte sich ihre Tränen weg und lächelte beruhigt. "Du hast Recht, Alma. Ich bin froh, dass es Oma im Himmel endlich besser geht und sie nicht mehr länger leiden musst." sagte Yannis leise und Alma lächelte ebenso, als sie merkte, dass es ihrer Freundin langsam besser ging. Die einzige Sache, die Yannis Gedanken bereitete, war, dass sie ihre Oma gerade nicht im Himmel sehen konnte, auch wenn sie sich wünschte, bei ihr zu sein. Doch Yannis wusste, dass sie ihre Oma irgendwann wiedersehen würde.
Spätabends kehrte Alma von der Arbeit heim, alleine. Yannis brauchte ihre Zeit für sich und es war in Ordnung für sie, wenn Alma heim geht. Ihre Eltern schliefen beide schon. Alma hatte den Mantel ihres Vaters im Flur gesehen und das Kerzenlicht war erloschen. Mit letzter Kraft schrieb sie ihr Tagebuch und schlief dann ein.
Smeralda wachte am nächsten Morgen als erste auf und machte sich daran, die Aufträge zu bearbeiten. Sie schlug die nächste Akte auf und wollte gerade die Silberfeder ansetzen, als sie erschrocken die Augen weitete, die Feder fallen ließ und zurückwich. Panik stieg in ihr hoch und sie schrie auf. "Oh mein!!"
Ihr Schrei weckte Henrik und Alma, die sich sofort das Nötigste anzogen und zu Smeralda geeilt kamen, die auf dem Boden saß. Henrik kniete sich zu Smeralda und nahm sie in den Arm. Dabei strich er durch ihre Haare und redete ihr gut zu. "Wir sind da, Smeralda. Was ist los?" Ängstlich zeigte Smeralda nur auf den Schreibtisch und Henrik stand auf, um die Akte näher zu mustern, während Alma ihrer Mutter beistand. Henrik nahm die Akte zur Hand und inspizierte diese genauer. "Harald Corenzola... Das ist dein Vater." merkte Henrik ruhig an und Smeralda nickte bei diesem Namen, zuckte jedoch auch zusammen. "E-er soll ins Zwischenreich geleitet werden.... I-ich möchte nicht, d-dass er mir oder Alma begegnet." stammelte sie panisch und war kurz davor zu weinen. Henrik kniete sich zu ihr und umfasste die Schulter seiner Partnerin. Aufmunternd lächelte er. "Smeralda, ich kann dir sagen, dass du keine Angst davor haben musst. Im Zwischenreich treffen Verwandte, die kein gutes Verhältnis zueinander haben, nicht aufeinander. Er wird auch Alma in keinster Weise irgendwie kennenlernen. Das Totenreich hat seine Mittel, dies zu verhindern." erklärte Henrik ruhig und Smeralda schenkte seinen Worten Glauben. "Dir wird nichts passieren, versprochen." versicherte er ihr noch einmal und Smeralda sah ihm erleichtert in die Augen. Alma half ihrer Mutter beim aufstehen und setzte sich mit ihr auf das Palettensofa. Henrik gesellte sich dazu und nahm die Hand seiner Partnerin.
"Wir haben uns beide ziemlich erschrocken, als wir dich gehört haben. Was hat dein Vater mit dir gemacht, dass du solche Angst vor ihm hast?" fragte er behutsam nach und hoffte, dass er Smeralda nicht zu Nahe trat. Er wusste nämlich, dass sie eine Person war, die irgendwann von sich aus zu jemanden kam, wenn sie bereit war, über ihre Probleme zu sprechen. Sie senkte den Kopf und faltete die Hände zusammen. Es fiel ihr schwer, darüber zu reden und da sie eine emotionale Person war, weinte sie beinahe.
"Eigentlich hatte ich alles im Leben. Meine Eltern waren zusammen, wir hatten Geld und ein Haus. Wir waren auch sehr glücklich. Vielleicht hat es mich manchmal gestört, dass meine beiden Elternteile arbeiteten und ich deshalb auch mal alleine war, doch ich konnte mich nicht beschweren, bis meine Mutter am Essenstisch erzählte, dass sie im Büro befördert wurde und daraufhin mehr Geld als mein Vater verdiente..."
Smeralda war 15 Jahre alt und stand in der Küche mit ihrer Mutter und beobachtete sie beim kochen, bis sie bat, dass Smeralda ihren Vater zum essen holen sollte. Smeralda lief in den Garten zu der Heimwerkstatt ihres Vaters und klopfte an, als sie ihn fluchen hörte. Anscheinend klappte etwas nicht so, wie er es wollte. Unsicher trat Smeralda in die Werkstatt ein. "Papa? Mama sagt, dass das Essen fertig ist." Kurz beobachtete sie ihren Vater dabei, wie er versuchte, etwas zu reparieren, bevor er es sein ließ und aufstand. Smeralda zuckte zusammen, als sie den finsteren Blick ihres Vaters sah und schrie kurz auf, als Harald ihren Arm packte und fest zudrückte. "Sei still oder möchtest du, dass es schlimmer wird und deine Mutter das mitbekommt?!" zischte er und drückte noch mehr zu. Unter Mühen schüttelte Smeralda eingeschüchtert den Kopf und beherrschte sich, nicht zu weinen, da dies die Situation noch verschlimmert hätte. Deshalb liefen Vater und Tochter normal ins Haus, wie immer und setzten sich wie gewohnt an den Esstisch.
Mein Vater wollte der Herr im Haus sein und irgendwas störte ihn daran, dass Mutter mehr verdiente. Ich hatte immer Angst, wenn er sauer war oder ich alleine mit ihm war, wenn er schon Feierabend hatte, während Mutter noch arbeitete. Wenn er mich von der Schule abgeholt hat, bekam ich Panik, ins Auto zu steigen... Meine Mutter bekam dies nicht mit. Nach der Beförderung hatte sie mehr zu tun und war oft erschöpft. Vater versuchte die Misshandlungen zu verstecken und sie aussehen zu lassen, wie ein Versehen. Er spielte meiner Mutter eine heile Welt vor und ich hatte Angst, mit der Wahrheit rauszurücken. Stattdessen habe ich versucht, mich an positive Dinge zu klammern. Mit 16 Jahren war ich auf einer Klassenfahrt und in meiner Klasse gab es einen Jungen, der sehr nett war und in dem ich mich verliebt hatte. In meinem Tagebuch hatte ich viel über ihn geschrieben und ich war sehr glücklich, als ich mit dabei war, in dem nahegelegenen Wald einen zu trinken. Wir waren ein paar Schüler und ich war ganz aufgeregt. Sowas Verbotenes hatte ich noch nie gemacht und mein Schwarm war in der Nähe. Doch für mich war der schöne Abend schnell vorbei..." Ungerne erinnerte Smeralda sich daran zurück.
Die Stimmung war gelockert. Smeralda war nervös, immerhin war ihr Schwarm in der Nähe und es war das erste Mal, dass sie gegen Regeln verstieß, die auch Konsequenzen nach sich zogen konnten. Auch merkte sie, dass das Bier schnell bei ihr ansetzte. Eigentlich schmeckte es ihr nicht, sie trank nur, weil sie in der Gruppe war und keine Spießerin sein wollte.
Schließlich fingen die Schüler an, über alles zu reden, die Lehrer und Mitschüler nicht ausgeschlossen. Smeralda bemerkte eine ihrer Mitschülerin bei ihrem Schwarm. Diese schien sich gut mit ihm zu verstehen, sie griff nach seiner Hand, flüsterte etwas in sein Ohr und sie standen auf. Die Mitschülerin gab ihm einem Kuss auf die Wange und beide verschwanden hinter einem Baum. Für Smeralda war dies ein Stich in ihr Herz, als sie das mit ansah. Kurzerhand stand sie auf. "Ich geh zurück zur Herberge." murmelte sie getroffen und lief leicht angetrunken durch den Wald. Smeralda schüttelte sich vor Kälte und sah sich um. Sie fand den richtigen Weg nicht mehr zurück und bekam Angst. Auf ihrem Weg kamen viele Gedanken in ihr hoch und sie fing an zu weinen, wenn sie an ihren Klassenkameraden dachte, der sich in ein anderes Mädchen verliebt hatte. "Warum sollte er sich auch in jemand hässliches und schüchternes wie mich verlieben?" schluchzte sie verletzt und schlug die Hände vors Gesicht. Kurz blieb sie stehen und wurde von schlechten Gedanken verfolgt. Eine im schwarzen Nebel gehüllte dürre Gestalt mit Strick um den Hals baute sich hinter Smeralda auf und verstärkte ihre negativen Gedanken. Smeralda sah kaum was und fand sich schließlich an einer Schlucht wieder, welchen sie zittrig hinuntersah. Die vernarbte Gestalt umfasste Smeraldas Schulter und flößte ihr negative Gedanken ein. "Ich an deiner Stelle würde diesen Abhang hinunterspringen." flüsterte diese mitleidig. "So muss du nicht mit ansehen, wie glücklich dein Schwarm und seine Freundin sind. Außerdem kann dein Vater dich dann nie wieder schlagen, du wirst nie wieder Schmerzen haben, weder körperlich noch emotional. Zu warten, bis alles besser wird ist zwecklos. Deine Mutter wird niemals erfahren, was dein Vater getan hat. So gestresst wie sie immer ist und keine Zeit für dich hat.... Es wird sie sowieso nicht interessieren und du würdest es nur schlimmer machen. Möchtest du, dass dein Vater auch noch anfängt, sie zu schlagen? Willst du das?! Du möchtest diese Schmerzen nicht mehr, oder?" flößte diese ihr traurig und hoffnungsvoll ein. Diese negativen Gedanken beschatteten Smeralda und sie weinte kläglich. "Ich möchte dies nie wieder..." wisperte Smeralda verletzt. "Wenn du hier runter springst, wirst du nie wieder welche haben, versprochen." sagte die schwarzhaarige Gestalt mit einem traurigen Lächeln. "Es soll alles aufhören..." flehte Smeralda verzweifelt und dachte an all die Schmerzen, die ihr Vater ihr zugefügt hatte. "All deine Qualen werden aufhören. Es ist deine Entscheidung, ob du weiter leiden oder erlöst werden möchtest." Die Gestalt umhüllte Smeralda mit ihren negativen Gedanken und Smeralda schaffte es nicht mehr, einen positiven Gedanken zu fassen und lief näher auf den Abhang zu, bevor sie schließlich mit geschlossenen verweinten Augen sprang.
Der Fall fühlte sich wie eine kurze Ewigkeit an und endete diese doch sehr schnell, mit dem Aufprall ihres Körpers auf dem Boden. Smeralda spürte nur einen kurzen Schmerz und war sofort tot. Die Gestalt blickte auf Smeraldas Leiche hinab. "Jetzt wirst du nie wieder Schmerzen haben. Tote spüren nämlich nichts mehr."
Mit tränenden Augen saß Smeralda auf dem Sofa und wurde von ihrer Familie in den Arm genommen. "Bitte schlag mich niemals." flehte Smeralda ängstlich und Henrik zuckte bei dieser Aussage zusammen, die Smeralda verzweifelt tätigte. "Nein, sowas würde ich dir niemals antun, versprochen!" Er ließ sie nicht los und wischte ihr das Nass von den Augen weg. Es schmerzte Henrik, seine Partnerin verletzlich zu sehen und er schenkte ihr jeden Beistand, den es gab. "Im Nachhinein war es eine dumme Entscheidung. Ich hätte mir aber nie vorstellen können, jemals jemanden zu finden, der mich liebt. Als kleines Mädchen habe ich mir auch immer Kinder gewünscht, doch da ich dachte, mich würde sowieso keiner wollen, schlug ich mir das auch schnell wieder aus dem Kopf." Sie schniefte kurz, nahm Henriks Hand und hörte auf zu weinen. "Ich bin sehr dankbar dafür, euch zu haben." Stolz und verweint lächelte sie, als sie die Tränen selber wegwischte und mit einem Tuch die Nässe abzutupfen. Henrik bekam leichte Gewissensbisse, wenn er sich daran erinnerte, wie verletzt er sie einst hatte, doch dies war vergessen und vergeben. Smeralda fühlte sich auch viel besser, nachdem sie von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und verspürte innerlich eine wohlfühlende Zufriedenheit. Henrik umarmte Smeralda liebevoll. "Ich liebe dich über alles, würde dir immer beistehen und dich beschützen. Was dein Vater getan hat, ist unverzeihlich, doch er wird seine Strafe bekommen und weder dir noch Alma etwas antun können. Ich würde alles dafür geben, an deiner Seite zu bleiben. Ihr braucht euch nicht zu fürchten, ich stehe euch bei." Henrik zog seine Tochter zu einer Umarmung hinzu und ließ sie ein Gefühl der Sicherheit verspüren.
Alma hatte weiterhin den Arm um ihre Mutter gelegt, während Henrik aufstand, um sich die Akte anzusehen. Er musterte das Bild von Smeraldas Vater Harald, welcher im Alter etwas kühl wirkte, die Haare bereits ergraut und zum Teil ausgefallen. Henrik hätte eine Verwandtschaft nicht ausgeschlossen. Ähnlichkeiten waren vorhanden. Mit einem monotonen Gesichtsausdruck, gemischt mit leichtem Hass, sah er die Tugenden und Sünden. Besonders großgeschrieben wurden seine Misshandlungen an Smeralda, aber auch die Lügen, die er seinen Mitmenschen erzählte. Henrik nahm sich eine Silberfeder und schrieb sämtliche Daten nieder. Darunter auch seinen Todestag am 22.7.1674 in seiner Holzwerkstatt bei einem unglücklichen Unfall. Er klappte die Akte zu und nahm sie an sich, mit der festen Überzeugung, die Seele von Harald Corenzola zu geleiten.