Ohne weitere Vorkommnisse vergingen wenige Tage und auch Fritz bekam keine Informationen von den anderen Gruppenmitgliedern. Vermutlich würde es aber nicht mehr lange dauern, bis sie sich wieder treffen würden. In der Gilde half Justin mit, wofür Henrik dankbar war, vor allem als sich auch Jeremy freistellen ließ.
29.8
Justin hatte Nachtdienst, als es an der großen Tür zu Gevatter Tod klopfte, diese mit einem ruhigen, aber auch interessierten Gesichtsausdruck von außen öffnete und Jeremy hektisch hineinlief. Die Tür schloss sich wieder und der Tod stand auf, um zu Jeremy zu gehen. Jeremy fiel auf die Knie und hatte ein kleines Baby, eingewickelt in einem weißen Tuch, auf seinem Arm. Das Baby wimmerte leicht und es war ein Junge. Aufgebracht schaute Jeremy zum Tod hinauf und der Sensenmann erkannte eine gewisse Traurigkeit in seinen Augen, allerdings überwog die Besorgnis. Der Tod erkannte den Grund für Jeremys Besuch, welcher flehend bat: "Bitte hilf mir!"
Selten bis kaum hatte der Tod Jeremy so ängstlich gesehen. Der Tod nickte nur und verrichtete sein Werk.
Der Gildenführer löste Justin am Morgen ab, um seinen Dienst anzutreten. Seit dem er nur noch mit Justin in der Gilde war, musste Henrik einen längeren Dienst absolvieren. Er wollte gerade mit den ersten Akten anfangen, als ein Mann zu ihm kam und ihm welche überreichte. Das störte Henrik nicht, bis der Herr fragte: "Ist die Gruppe nun endgültig geschnappt oder müssen wir mit weiteren Opfern rechnen?" Der Mann schien schon älter zu sein und war gereizt. Erst wusste Henrik nicht, was er antworten sollte, bis er sachlich meinte: "Genaueres kann ich Ihnen nicht sagen, seien Sie bitte vorsichtig." Sein Gegenüber murmelte etwas grummelig vor sich hin, aber Henrik verstand ihn nicht ganz und beließ es dabei. Oft fragte man Henrik über den Mordfall aus, was ihn sehr reizte, besonders zu dieser schweren Zeit.
Zwei Todesgeister brachten ihn abgeschlossene Akten und Henrik erkannte, dass diese Todeswesen ihre Lehre vor kurzem erst abgeschlossen hatten. Henrik dachte an Harald, welcher auch dabei gewesen war, wie Justin ihm später erzählte. Er vermutete, dass Harald früher oder später zu den Sensenschmieden gehen würde, da er handwerkliches Geschick besaß und Henrik war interessiert daran, wie dies wohl für Alma werden würde. Das Totenreich verhinderte, dass gehasste Familienmitglieder sich wieder treffen unteranderem daran, dass sie sich zufällig nicht begegneten oder nicht sehen konnten. Auch andere Todeswesen agierten, als würden sie keine Verbindung zu diesen Personen ziehen, egal ob sie denselben Nachnamen trugen.
Schließlich kam sein Neffe Fritz zur Gilde und gab ihm zwei Dokumente. Fritz trug seinen schwarzen Mantel beim Seelengeleit, aber seine Mimik drückte aus, dass er sich im Totenreich nicht wohlfühlte. "Wie laufen die Ermittlungen mit deinem Vater? Ich habe alles erfahren." fragte er vorsichtig nach, als er sicher war, dass niemand anderes in der Gilde war. "Bis jetzt gibt es keine Neuigkeiten, aber ich habe das Gefühl, die Gruppe wird sich bald wieder treffen und war nur aufgrund der Hinrichtung so still." berichtete Fritz und Henrik nickte. "Sagt mir bitte Bescheid, wenn sich was ergibt." bat er ruhig und Fritz erwiderte: "Werden wir machen." Leicht lächelte er und verließ die Gilde.
Fritz lief durch die Gänge, als er eine Frau erblickte, die ein schwarz-rot karierten Rock trug, dazu eine schwarze Jacke. Ihre braunen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden und sie war knapp 1,70cm groß. "Hallo Jered." grüßte sie freundlich und Fritz zuckte zusammen. Diese Frau war eines der Mitglieder der Gruppe, sonst hätte sie ihn nicht mit seinem Decknamen angesprochen!
Beide liefen um die Ecke und fanden einen Ort, an dem sie ungestört sein konnten. Die Dame stellte sich vor ihm und nannte ihren Namen. "Ich bin Dolly Dolin und hier, um dir das zu geben." Sie redete etwas leiser und überreichte Fritz einen Zettel. "Unser nächstes Treffen steht bevor. Sicherlich hast du von Ahrends Hinrichtung erfahren, darum haben wir uns etwas zurück gehalten." erklärte Dolly mit einem sanften Lächeln und Fritz nickte nur bestätigend. "Habe ich." murmelte er leise und las sich die Formalitäten durch, bis Dolly sich von ihm verabschiedete und ihrer Berufung nach ging.
Sofort teleportierte Fritz sich zu seinen Eltern und hatte Glück, dass sein Vater daheim war. Er zeigte ihm direkt den Zettel und Cedric war erfreut, als er diesen sah. Zusammen setzten sie sich in sein Büro. Das Treffen war Anfang September, erneut in den alten Hallen. Cedric musterte den Zettel und dachte nach. Dabei kam ihn Henriks Angebot in den Sinn. Er hielt gedanklich inne und war sich unsicher, ob er seinen Sohn darauf ansprechen sollte, aber wiegte dann die Vorteile ab. Es wäre zu aufwendig, jedes Treffen abzuwarten und könnte auf Dauer zu gefährlich werden. Deshalb nahm Cedric seinen Mut zusammen und fragte ihn: "Mein Sohn, würdest du das Risiko eingehen, die Gruppe mit anderen Todeswesen zu stürmen? Diesen Personen muss endlich das Handwerk gelegt werden!"
Fritz legte den Finger ans Kinn und überlegte. "Ja, warum nicht? Es kann so immerhin nicht weitergehen! Es sind schon zu viele Todesgeister gestorben." bejahte er und hatte wenig Sorge, dass ihm etwas zustoßen könnte. "Die Gruppenmitglieder sind sehr gering und sollten zu besiegen sein. Ich danke dir wirklich sehr und werde mit Henrik darüber reden, um genug Todeswesen beisammen zu bekommen. Viel Zeit haben wir nicht, wenn das Treffen bereits in knapp einer Woche ist." merkte Cedric an und wirkte in sich gekehrt. Cedric vertiefte sich immer sehr in seine Fälle und blendete die Außenwelt dabei komplett aus. Verbissen setzte er immer alles daran, den Täter ausfindig zu machen und ärgerte sich, wenn er eine Angelegenheit offen stehen lassen musste. In den Jahren, wo er Fritz nicht finden konnte, hatte er sich für einen schlechten Vater und Versager gehalten.
Dann teilte Fritz seinem Vater eine Information mit. "Die Frau, die mir den Zettel gab, hieß Dolly Dolin." erwähnte er und Cedric horchte auf. "Das ist interessant, danke dir. Ich werde sie nicht aufsuchen gehen können, aber vielleicht weiß Alma mehr, was ihre Sensen angeht." mutmaßte er und lehnte sich zurück. "Ich werde dir umgehend Bescheid geben, sobald ich mit Henrik gesprochen habe." Damit verabschiedeten sich Vater und Sohn.
Kaum kam Felicia heim, beichtete Cedric ihr das Vorhaben, welches er geplant hatte und wie er bereits erwartet hatte, war Felicia nicht begeistert davon. Schon mehrmals und zuvor auch hatten sie darüber gesprochen. Sie saß auf seinem Schoß und lehnte sich an seinen Oberkörper. Obwohl sich in ihrem Gesicht Besorgnis widerspiegelte, seufzte sie nur und bat Cedric: "Bitte passt auf und macht nichts unüberlegtes." Cedric nickte und strich über ihr Haar. Zärtlich blickte er sie an. "Versprochen, wir werden immer aufpassen." wisperte er ihr ins Ohr und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
Zügig begab sich Cedric auf dem Weg zu den Scythe Makern. Frau Klinke empfing ihn und sofort kam Alma auf ihn zu. "Hallo Onkel Cedric." begrüßte sie ihn und Cedric lief mit ihr zu den Akten für die Sensen. "Ich bräuchte bitte die Akte über Dolly Dolins Sense." bat er und erklärte ihr daraufhin, was es Neues gab, als er von dem Plan erzählte, die Gruppe zu stürmen. "Braucht ihr Leute, die mitmachen? Ich würde dir dabei helfen." bot Alma ihre Hilfe an und suchte nebenbei die Akte heraus. Über ihr Angebot war Cedric erfreut, dachte allerdings darüber nach, denn er wollte nicht, dass seine Familie gefährdet wird, allerdings war Alma alt genug, um Entscheidungen zu treffen. Außerdem war sie keine schwache Kämpferin und er kannte die Geschichte von Almas drei Narben am Arm, als sie als junger Todesengel alleine einen Dämon in die Hölle zurück gestoßen hatte. "Das wäre sehr vom Vorteil." gab er sein Einverständnis und realisierte, dass er sich zum größten Teil auf seine Familie stützen musste, denn man konnte nie wissen, wer ebenfalls ein Mitglied der Gruppe war und im Nachhinein Cedric hintergehen könnte. Zugleich hasste er es auch wieder, der Anführer von einer Gruppe zu sein.
Schließlich fand Alma das Formular bei den Akten für nicht abgegebene Erstsensen. "Hier, bitteschön. Ihre Sense wurde noch nicht abgegeben, das passt doch perfekt ins Muster eines Redemptor Noster Mitgliedes." erwähnte Alma lächelnd und überreichte Cedric die Akte, welcher ihr dankte. "Kein Problem. Die Mitglieder müssen ihre Erstsensen in den nächsten Tagen sowieso abgeben, wenn sie nicht möchten, dass sie nur noch Theoretiker-Arbeit verrichten dürfen. Entweder tun die Mitglieder dies, um weiterhin verdeckt zu bleiben oder sie sträuben sich dagegen und werden leicht auffindbar sein." mutmaßte Alma mit einem gerissenem Lächeln und Cedric musterte sie stolz, wenn er ihre Schlussfolgerung und Auffassungsgabe hörte, die ihn immer wieder an seinen Vater erinnerte.
Mit der Akte unter dem Arm verschwand Cedric und lief an einem etwas älteren Herr vorbei, welcher die Sensenschmiede betrat. Alma lief gerade zur Tür, sah den Mann jedoch nicht. Dieser sah sich orientierungslos um, bemerkte Alma aber genauso wenig. Der frühere Lehrmeister von Yannis kam auf den Mann zu, stellte sich vor und erkundigte sich nach seinem Namen. "Guten Tag, mein Name ist Harald Corenzola. Ich möchte hier anfangen." Der Sensenschmied nickte und ihm entfiel komplett, dass er eine Kollegin namens Alma Corenzola hatte.
Die Sensenschmiede lag nicht weit entfernt von der Gilde und Cedric traf auf seinen Zwillingsbruder. Auf seinem Tisch lag ein hoher Stapel Akten und als Henrik sah, dass sein Bruder vorbei kam, machte er sich nicht einmal die Mühe, zu lächeln und formell zu wirken. "Willkommen." murmelte er und schrieb die Akte zu ende. Cedric staunte über den Aktenstapel und dachte daran, dass Felicia sich nicht mehr scheuen würde alle Dokumente auf einmal zu tragen. Gerade als Cedric fragen wollte, stand Henrik auf und sagte seufzend: "Die müssen nur noch zum Tod." Vermutlich hatte er gewusst, was Cedric ihn fragen wollte. Selbstverständlich half Cedric ihm beim tragen und sein Bruder dankte ihm, wirkte allerdings leicht erschöpft. "Alles in Ordnung?" fragte Cedric besorgt nach und merkte Henrik an, dass er erschöpft war, obwohl die Gildenmitglieder ihren Dienst immer alleine verrichteten. "Na ja, nicht wirklich. Jeremy wird für einen längeren Zeitraum ausfallen. Justin und ich machen die Gilde nur zu zweit, ich arbeite täglich länger, als vorher, außerdem ist viel zu tun. Vermutlich waren es nur die letzten Tage und es wird wieder. Ich habe den Tod vorhin um Ginas Hilfe gebeten. Sie wird den Nachtdienst übernehmen." erklärte er und wollte sich nicht überanstrengt zeigen, da sich dies nicht für ihn gehörte, vor Cedric konnte er aber ehrlich sein. Mit einem besorgten Blick nickte Cedric. "Sonst helfe ich dir. Das kann ich gleich gerne machen, denn ich habe keine Aufträge zu vollrichten und wollte mit dir über die Neuigkeiten sprechen, welche den Mordfall behandeln." erwähnte Cedric ruhig und sah, wie erleichtert Henrik über die Unterstützung seines Bruders war. Henrik erfuhr von Cedrics Vorhaben und gab sein Einverständnis, als Cedric sagte, dass Alma auch dabei sein wollte. Er fragte bewusst nicht Henrik, denn er wollte seinem Bruder diesen Stress nicht auch noch aufbürden Henrik fand sein Vorhaben gut, konnte aber nicht weiter darauf eingehen, da er andere Dinge im Kopf hatte. Die Zwillinge setzten sich an den Gildentisch und Cedric unterstützte seinen Bruder bei der Tätigkeit. Für einen Moment erinnerte Cedric sich an die früheren Zeiten zurück, in denen die Brüder ihre Eltern immer zur Gilde begleitet und ihnen bei der Arbeit zugesehen hatten. Mittlerweile saßen sie selber am Platz ihrer Eltern und waren irgendwie in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten. Sowohl Henrik als Gildenführer, wie auch Cedric als Detektiv und Vollstrecker des Totenreiches.
Schließlich löste Gina die Brüder von ihrem Dienst ab und betrat grinsend die Gilde. "Guten Abend, ihr zwei. Ihr könnte Feierabend machen, ich bin jetzt da. Übrigens hat mir Fritz von eurem Vorhaben erzählt, Cedric. Ich werde euch dabei helfen!" versicherte sie Cedric und stemmte die Hände an die Hüfte. Dafür war er ihr sehr dankbar und verabschiedete sich mit Henrik von ihr, nach dem Henrik ihr noch ein paar Dinge erklärte. Sie nickte und setzte sich auf den Gildenplatz.
Da Fritz wusste, dass seine Frau Dienst in der Gilde hatte, besuchte er sie und gab ihr eine abgeschlossene Akte. "Fritzie!" rief sie erfreut, sprang auf und das Ehepaar gab sich einen innigen Kuss. Frech grinste Gina und stand selbstbewusst vor ihm. "Willkommen in der Gilde! Vor dir steht_", Sie stellte sich auf den Tisch und scherzte: "Die Gildenführerin!"
Kurz breitete sie die Arme aus, bevor sie in Gelächter ausbrach. Sie drehte sich um und musterte die Höhe. "Dein Bruder würde sicher hier runter springen!" scherzte sie und Fritz schmunzelte, als er Gina dort oben stehen sah. "Wobei..." Grinsend ließ sich Gina mit ausgebreiteten Armen nach hinten fallen und mit geweiteten Augen schaute Fritz zum Tisch, auf den Gina eben noch gestanden hatte. Gina stand nun hinter ihm und er drehte sich zu ihr um. Keck grinste sie. "Todeswesen passiert nichts. Ich kann mich auch einfach nur runterstürzen." meinte sie schulterzuckend, als Fritz ängstlich den Kopf schüttelte. "Ach, mir passiert sowieso nichts, egal wie zugerichtet ich wäre. Ich bin immerhin der Tod." Sie lachte, lief an Fritz vorbei und setzte sich auf den Tisch. "Wenn du willst, kann ich die Gilde verschließen und wir haben etwas Zeit zu zweit." Dabei zwinkerte sie ihm zu und Fritz gefiel diese Vorstellung, aber er schüttelte den Kopf, bis es an der Tür zum Tod klopfte und Josef diese öffnete. Sofort setzte sich Gina wieder auf den Stuhl und nahm die Feder zur Hand, als Josefs strenge Stimme schon ermahnte: "Gevatter Tod sagt, du sollst keinen Unsinn veranstalten!"
Gina nickte einfach nur, schrieb ihre Akten weiter und schmunzelte. Fritz legte den Arm um sie und beugte sich zu ihr rüber, um ihr einen Kuss zu geben, bevor er sich verabschiedete und zur Menschenwelt zurück kehrte.
Am folgenden Tag besuchte Cedric seinen Sohn und klopfte an der Tür. Er vernahm laute Musik, die in die Richtung Metal ging und deshalb dauerte es einige Zeit, bis Frederic ihm die Tür öffnete. Frederics Haare waren offen und er trug ein Unterhemd, was Ferdinand besonders reizend an seinem Partner fand. "Hi, Dad!" grinste Frederic und wie gewohnt gab er Cedric einen Wangenkuss. Cedric lächelte erfreut und strich über seine Schulter. Er stellte die Musik leiser und Ferdinand grüßte Cedric im vorbeigehen. Vater und Sohn liefen in die Stube und Frederic erfuhr von dem Plan. Energisch nickte er. "Du kannst auf mich zählen!" versicherte Frederic entschlossen und Cedric dankte seinem Sohn. Damit hatte er fünf Leute zusammen. Er selber, Frederic, Fritz, Alma und Gina. Gina war ein sehr großer Pluspunkt, denn sie besaß eine Menge Stärke. Cedric hatte mit ihnen alles besprochen, wo das Treffen statt fand und wann. Alle waren bereit, der Gruppe das Handwerk zu legen.