Mutter Natur wandelte durch den Garten Eden und setzte sich an einen See nieder. Mit den Fingern tauchte sie in das Wasser ein und sprach dabei: "Zeige mir die Erde."
Sie blickte auf das Weltgeschehen und erkannte Pest, wie auch Krieg, die ihr Unheil trieben. Nachdenklich beobachtete sie sie bei ihren Tun. Sie blieben den Menschen verborgen, aber zeigten eine große Wirkung auf das Weltgeschehen. Mutter Natur sackte leicht in sich. Ihre Aufmerksamkeit gab sie ihren Venefica und linste zu Vicky.
Vicky war mit ihren 47 Jahren und einem Kollegen, der über 50 war, zum Tiere beobachten in den Wald gefahren. Dabei hatten sie ihre Ausrüstung mitgenommen, die noch in großen Rucksäcken neben einem Baum lagen. Sie planten ihr Lager nahe eines kleinen Vorsprungs zu errichten, wie schon die letzten Male zuvor. Vicky stand vor der Absicherung und hielt ihr Fernglas in der Hand. Ihr Kollege gesellte sich zu ihr.
"Da sind wir wieder." erwähnte er und Vicky nickte. "Es ist nun mal eine wichtige Aufgabe."
"Natürlich, stellvertretende Leiterin." Vicky verschränkte den Blick. "Reduziere ich nicht darauf. Dafür habe ich hart gearbeitet. Ich sehe nächste Woche erst meine Väter wieder. Das letzte Mal war vor einem halben Jahr." betonte sie und ließ das Fernglas sinken. Ihr Kollege nickte nur und rückte näher an sie heran. Er umfasste ihre Schultern.
"Ja und ich bin schon länger in diesem Beruf und mir wurde trotzdem keine Führungsposition zu teil!" Bevor Vicky es realisierte, stieß er sie durch die Absperrung und sie fiel drei Meter in die Tiefe. Er spuckte ihr hinterher und packte dann alle Sachen zusammen, die er ins Auto lud.
"Du wolltest immer in die Natur, also verreck auch in ihr!"
Er startete das E-Auto und fuhr auf die Landstraße. Um ihn herum befanden sich Wälder und er beschleunigte das Tempo. Mutter Natur beobachtete ihn wütend bei seiner Tat.
Durch die Bäume war die Straße schattig. Mitten auf dieser tauchte ein Reh auf und der Mann konnte nicht mehr bremsen. Er kollidierte mit dem Reh und kam von der Straße ab. Frontal knallte er gegen einen Baum und krachte durch die Frontscheibe. Um ihn herum lagen Glasscherben und Blut tropfte auf den Waldboden. Cedric erschien neben seinem Körper und setzte die Sense zum Seelengeleit an. Cedric zählte die Sünden auf.
"Betrug, versuchter Mord."
"Versuchter Mord? Diese Schnepfe ist nicht tot?" sprach die Seele erschrocken und Cedric entgegnete nur: "Nein." Er überhörte die Wut der Seele, die er in die Hölle schickte und schlug die Akte zu. Vom weiten vernahm er das Geräusch eines Flugzeuges. Cedric gab die Akte in der Gilde ab und begab sich zur Heilerabteilung. Im Flur wartete er auf seine Gattin.
Felicia stellte das Wasser der Dusche ab und legte sich ein Handtuch um. Sie erblickte Jayna in der Umkleidekabine, wie sie sich abtrocknete.
"Ich danke dir für deine Unterstützung heute bei der Notfall-Operation." sagte Felicia lächelnd und Jayna nickte. "Es ist immerhin meine Berufung."
"Trotzdem danke. Nur weil es deine Berufung ist, ist dein Tun nicht selbstverständlich." entgegnete Felicia und Jayna lächelte zufrieden.
"Hast du heute noch was vor?" erkundigte Felicia sich und Jayna nickte, während sie das Hemd ihrer Bluse zuknöpfte.
"Ich treffe mich mit Alma. Wir wollen in die Menschenwelt." Sie sah zu Felicia, die sich ein schwarzes Kleid überstreifte.
"Dann wünsche ich euch viel Spaß. Ich werde den Abend mit meinen Gatten verbringen."
"Danke, dir natürlich auch viel Spaß."
Felicia verließ die Umkleide und Cedric lächelte bei ihrer Erscheinung. Zur Begrüßung gab er ihr einen Kuss. "Ich habe noch ein bisschen mit Jayna gesprochen. Sie war heute mit mir in einer Not-Op. Diese Frau hat wahrlich Talent." erzählte sie und Cedric schmeichelte ihr mit: "Du besitzt ebenso ein großes Talent." Sie kamen daheim an und Cedric hängte seinen Mantel auf.
"Wir sind dieses Wochenende übrigens eingeladen von Niklas und Gamia. Sie haben ein kleines Treffen organisiert. Ich habe heute einen Brief von ihnen erhalten." Interessiert blickte Felicia zu Cedric, der ihr das Schreiben reichte.
"Da gehen wir doch mit Vergnügen hin." Sie gab Cedric den Brief zurück. "Ich freu mich. Ich wette, dass Frederic wieder Kuchen mitbringt." Beide fingen zu schmunzeln an.
Ihre Vermutung bestätigte sich am Samstagnachmittag. Niklas und Gamia hatten in ihrem Garten einen großen Holztisch mit Stühlen aufgestellt. Zu siebt saßen sie am Tisch und Niklas reichte jeden ein Getränk seiner Wahl. Am Tischrand standen die mitgebrachten Kuchen von Frederic. Gamia und Niklas hatten für den Besuch eine Hack-Lauch-Suppe zubereitet. Frederic fing beim ersten Bissen an zu schwärmen.
Er lobte das Paar und schaute dabei zu ihnen. Sein Blick blieb bei Niklas kleben. Ihm fiel Niklas dünner werdendes Haar und die vermehrten Falten auf. Er behielt seine Gedanken für sich und aß weiter. Fritz durchbrach die Stille.
"Wir überlegen uns, undercover zu gehen. Die Menschen in dieser Umgebung werden misstrauisch. Vielleicht zieht es uns auch zurück in die Totenwelt. So oder so werden wir uns früher oder später von der Menschenwelt verabschieden müssen." Cedric und Gina wurden langsamer mit den Essen. Sie wussten, dass die Erde in etlichen Jahren kein bewohnbarer Planet mehr sein würde, aber sie hielten sich zurück.
"Was hindert euch?" erkundigte sich Felicia und Gina ergriff das Wort. "Auf einer Seite die Nähe zu unserer Familie und die Totenwelt." Fritz geleitet zwar wieder Seelen, aber das Zwischenreich ist ihm weiterhin unlieb." Sie sah zu Fritz, der ergänzte: "Solange es noch nicht musst, sehe ich keinen Bedarf." Er stellte die Schüssel zur Seite und erfreute sich an den Nachtisch. Am späten Abend verabschiedete sich die Familie gegenseitig, nur Frederic verblieb einen Moment länger. Er bat Gamia zu sich. Fragenden Blickes folgte sie ihm.
"Was gibt es?" hakte sie nach und erblickte Sorge in Frederics Gesicht.
"Ich weiß nicht, ob es nur mir so ergeht, aber Niklas ist jetzt 76?" Gamia nickte. "Er sieht langsam älter aus. Mit 60 wirkte er wie aufstrebende 40 und langsam hat er was von einem 50-jährigen." Gamia hörte ihm zu.
"Er ist zur Hälfte immer noch ein Mensch und Menschen altern. Er wird nie wie Mitte 20 oder 30 Jahre aussehen. Ich liebe ihn trotzdem." meinte sie gestochen scharf und ihr Onkel machte eine beruhigende Handbewegung.
"Ist schon in Ordnung. Es ist mir nur aufgefallen und ich habe mir Sorgen gemacht, denn als Halbblut wird er nicht unsterblich sein. Was ist wenn sein Körper weiterhin so altert und er später eine alte Hülle ist, die noch Jahrzehnte so leben musst?" Seine Frage brannte sich in Gamias Gedächtnis und sie starrte ihn ratlos an.
"Ich weiß es nicht." Sie verabschiedete ihren Onkel und lief mit hängenden Kopf in das Haus. Sie fand Niklas im Badezimmer vor dem Spiegel stehen. Dabei beobachtete sie ihn.
"Jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaue glaube ich, noch weniger Haare als zuvor zu haben." scherzte er. Ein Scherz, über den Gamia nicht lachen konnte. Gamia wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht was. Er drehte sich zu Gamia um. "Aber du liebst mich trotzdem noch." sagte er selbstsicher und Gamia nickte nur. Niklas sah ihrem Gesicht die Besorgnis an.
"Oder nicht?" Gamia wirkte wie aus der Trance gerissen. "Doch, doch. Es ist nur, deine menschliche Seite, niemand weiß, wie dich das Halbblut-Dasein noch beeinflussen wird. Diese Ungewissheit macht mir zu schaffen." Niklas legte die Arme um seine Freundin.
"Ich weiß es auch nicht und ich versuche nicht darüber nachzudenken. Vielleicht lebe ich auch nur etwas länger wie die Menschen und dann bin ich irgendwann einfach tot. Ehrlich gesagt möchte ich es auch nicht wissen." Gamia legte die Arme um Niklas.
"Manchmal glaube ich, meinen eigenen Körper nicht zu kennen. Manchmal habe ich Alpträume von Unfällen, in denen ich nicht sterben kann, obwohl ein normaler Mensch tot wäre. Ich weiß zu wenig über mich als Halbblut und ich trau mich nicht, zu einem menschlichen Arzt zu gehen." gestand Niklas und Gamia kam eine Idee.
"Muss du auch nicht. Meine Oma ist Heilerin in der Totenwelt. Wir könnten sie nach einem Termin bitten. Da würde dich keiner wie ein Monster behandeln." Augenblicklich kamen in Niklas Erinnerungen hoch. Er erinnerte sich an Alexander und dem vermeintlich hilfsbereiten Arzt.
"Nein, so schnell gehe ich nicht wieder ins Totenreich. Selbst wenn deine Oma mich behandelt. Auch dort werde ich nichts ganzes sein. Ich werde immer zwischen den Lebenden und den unsterblichen Todeswesen stecken bleiben. Damit muss ich klar kommen." Er ließ von Gamia ab und griff nach der Zahnbürste. "Ich möchte nicht weiter darüber reden."
"Ok." hauchte Gamia und verließ das Badezimmer, ohne einen letzten Blick auf seine Todeszeit zu werfen.
Den Menschen fiel auf, dass Gamia jünger war und Niklas alterte. Gamia wurde das Gefühl nicht los, dass die Menschen sie ansahen, als wäre eine Enkelin mit ihrem Opa unterwegs oder eine junge Frau mit ihrem Sugardaddy. Niklas ignorierte diese Blicke beim einkaufen und nahm Gamia demonstrativ an die Hand. Sie war froh, nachdem sie den Supermarkt verlassen konnte. Beide stiegen ins Auto und im Auto ließ Niklas seinen Frust raus.
"War ich dir peinlich?" keifte er Gamia an, die den Kopf schüttelte. "N-nein."
"Aber dir haben die Anderen schon Gedanken gemacht, oder? Seit wann ist dir wichtig, was andere über uns, dich oder aus deiner Familie denkt?" blökte er weiter und Gamia entgegnete laut: "Dir war es doch auch nicht egal oder warum wolltest du jedem unbedingt zeigen, dass wir zusammen sind?" Für einen Moment verstummte Niklas.
"Und wenn du mir peinlich wärst, würde ich mich unsichtbar für die Menschen machen."
"Was du heute sicher gerne getan hättest!"
"Niklas, hör auf mit diesen Anschuldigungen! Ich liebe dich seit über 50 Jahren und es war mir egal, dass du ein Halbblut bist, daran wird sich nichts ändern!" rief sie und stieß auf Uneinsichtigkeit. "Zur Erinnerung, du bist unsterblich, ich nicht oder besser gesagt, keiner weiß es! Früher oder später wird der Tod uns eh auseinanderreißen." Geschockt starrte Gamia ihn an.
"Du weiß doch nicht was kommt! Vielleicht kannst du ein unsterbliches Todeswesen werden oder wir leben friedlich im Garten Eden zusammen. Mit dieser Einstellung musst du gar nichts erst anfangen. Die Menschen lieben sich auch, obwohl sie wissen, dass sie irgendwann sterben. Trotzdem tun sie es, weil sie den Moment genießen. Dir wäre es genauso wenig wie mir egal, wenn wir den jeweils anderen nicht hätten." Niklas biss die Zähne zusammen und wollte nicht zugeben, dass Gamia Recht hatte.
"Ich hätte das damals sein lassen sollen. Das hätte ich mir doch denken können, dass das keine Zukunft hat." murmelte er und Gamia fragte ihn: "Was denn?"
"Diese Beziehung!" fuhr er sie garstig an und Gamia weitete geschockt die Augen.
"Willst du diese Beziehung beenden oder wie? Wegen ein paar Blicke unbedeutender Leute oder deinem Problem mit dem Alter?" Leise Tränen, die sie zurück zu halten versuchte, liefen ihre Wange hinunter.
"Du bist unsterblich und alterst nicht. Du kannst da nicht mitsprechen, wie es für Menschen ist, die nicht mehr alles können und deren Schmerzen, Schwächen, Vergesslichkeit, ihre Vitalität weniger wird." Er umfasste das Lenkrad.
"Niklas, ich ein Todeswesen, das auf der Erde lebt. Ich habe etliche Menschen altern und sterben sehen. Deinen Vater oder Norbert zum Beispiel. Ich geleite täglich Seelen älterer Menschen, die dement worden oder auf den Rollator angewiesen waren. Ich bin doch kein Seelengeleiter, der wie eine Maschine Seelen hinüberführt und keine Gefühle hat. Was denkst du?" Ihre Stimme wurde leise.
"Es ändert trotzdem nichts an der Tatsache-"
"Dann gehe ich jetzt." Gamia stieg aus dem Auto aus und blickte in Niklas Gesicht. Er war wütend, wirkte aber auch verwundert über ihr Tun.
"Ich werde bei meinen Eltern sein. Komm wieder wenn du wieder klar im Kopf bist." Sie schlug die Autotür zu, wischte sich die Tränen weg und machte sich unerkenntlich. Mit ihrer Sense teleportierte sie sich in Niklas Haus, nahm ihre wichtigsten Sachen und begab sich zu ihren Eltern.