Es ist der 13.3.1694 und die Frühlingssonne kommt langsam heraus. Ein Mädchen mit langen braunen Haar und dunkelblauen Augen verließ mit zwei weiteren Mädchen das Gebäude einer Privatschule. Sie trugen alle eine einheitliche Uniform. Um ihre pinken Hemdkragen war eine braune dünne Schleife gebunden und alle trugen eine schwarze Weste mit dem Schullogo. Das Schullogo war ein Wappen, braun umrandet und kariert. Links blau weiß und rechts rosa weiß.
Die Sonne schien am heutigen Tage und blendete die Mädchen. Das 16-jährige Mädchen hielt sich die Hand vors Gesicht, um nicht geblendet zu werden. Auf dem Schulparkplatz stand ein längliches, schwarzes Auto, welches Eindruck bei den Mädchen, bis auf eine der drei, hinterließ. Die Dritte fing an, freudig zu lächeln. "Da ist mein großer Bruder!" rief sie erfreut. Sie drehte sich zu ihren Mitschülerinnen um. "Bis Morgen!" verabschiedete sie sich und beide nickten. "Bis Morgen, Heather!" erwiderten sie kichernd und Heather spurtete zum Auto. Ihre Kameradinnen musterten sie. "Muss das cool sein, wenn der große Bruder eine eigene Firma hat. Die sind sicher millionenschwer." seufzte eine der beiden, als die andere erwiderte: "Ja, aber dein Vater ist doch Anwalt." Bestätigend nickte die Erste und gemeinsam liefen sie von dem Gebäude.
Heather war in das Auto ihres Bruders gestiegen. "Hallo, Damian!" grüßte sie fröhlich und sah zu ihrem Bruder. Er war 11 Jahre älter als sie und beide sahen sich sehr ähnlich. Auch er hatte dunkelblaue Augen und braune Haare, die ein wenig länger waren. Im Gegensatz zu seiner Schwester wirkte er ernster und nicht sehr glücklich. Über sein blaues Hemd trug er einen schwarzen Anzug. Damian sah zu seiner Schwester. "Hallo, Heather. Haben dich deine ´Freunde´ wieder wegen dem Auto bewundert?" fragte er genervt und Heather sah zur Seite. "Sag nicht immer sowas." murmelte sie und während Damian den Gang einlegte meinte er nur: "Unverständlich."
Er fuhr vom Parkplatz und Heather erzählte ihm sofort das Neueste. "Wir machen im Juni eine Klassenfahrt und sollen bis Mitte April fast 600Euro überweisen." Sah sah dabei zu Damian und merkte, dass ihm diese Nachricht mies stimmte. "Diese beschissene Schule! Entschuldigung, es reicht mir nur langsam.", entfuhr es ihm sauer und er ging vom Gas runter, als die Straße enger wurde. "Ich überlege wirklich, dass du die Schule wechselst. Warum bist du überhaupt auf dieser Privatschule? Weil unser Alter sich bei dir einschleimen wollte, als er meinte, für dich soll es nur die beste Bildung geben! Ich habe diese Schule schon immer gehasst. Sie ist teuer, die Menschen sind oberflächlich und sie vermittelt alte Werte, in denen sie Mädchen und Jungen trennt. Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Hexen! Ich könnte jedes mal kotzen, wenn ich sehe, wie sie insgeheim sagen wollen, Mädchen haben pink zu tragen und den Haushalt zu führen." meinte er sichtlich wütend und Heather senkte den Kopf. "Ich mag es dort. Ich habe da Freunde." murmelte sie bedrückt vor sich hin, als Damian sie auf den Boden der Tatsachen zurück holte und kalt sagte: "Die mögen dich nur, weil sie wissen, dass ich die Firma unseres Erzeugers geerbt habe. Ich sag dir, dass sich der Kontakt zwischen euch verliert, wenn du die Schule wechselst. Menschen sind leider so, dass sie sich nur für das interessieren, was du hast. Je älter du wirst, desto mehr wirst du dir darüber bewusst, Heather." Er hielt kurz an der Straße an, damit Trauergäste diese passieren konnten. Die Bestatterin, eine Frau mittleren Alters mit schwarzem Haar und roten Haarspitzen, dankte ihm mit einem Nicken und folgte der etwas älteren Pastorin mit den geflochtenen Zöpfen. Für die Geschwister und Trauergäste waren sie nicht sichtbar, doch ihnen folgten Schutzengel.
Damian fuhr weiter und Heather senkte den Kopf. "Mir ist das egal. Von mir aus kannst du mich auch auf eine öffentliche Schule schicken." gab Heather dann nach und fand diese Gedanken nicht sehr schlecht. Erfreut nickte Damian, bis er das Blaulicht vor sich sah und anhielt. Seine Schwester blickte auf. Sie sah durch die vorderen Autos nicht viel und hatte auch kein Interesse daran, den Unfall zu mustern. Es schien aber was Größeres zu sein. Heather machte sich Gedanken. "Hoffentlich ist keiner gestorben." meinte sie mitfühlend, aber ihr Bruder schien weniger Empathie dafür zu haben. "Und wenn, dann wäre das so." sagte er kühl und Heather lehnte sich ans Fenster. "Denkst du, es gibt irgendwas oder jemanden, der sich nach unserem Tod um uns kümmert?" fragte sie nachdenklich und sah zum Himmel hinauf. "Nein, du stirbst einfach. Dein Körper hört auf zu arbeiten, das wars! Danach kommt nichts mehr. Es ist, als würdest du tief schlafen und nicht mehr aufwachen." entgegnete Damian kaltherzig und verschränkte die Arme. Seine Schwester war da anderer Meinung. "Ich glaube schon daran, dass alles einen tieferen Sinn hat und auch jemand auf Mutter aufpasst." erwiderte sie sanft lächelnd, doch auch diesmal entgegnete Damian nur: "Das ist, was sich die Menschen sagen, damit es ihnen besser geht, weil sie die Wahrheit nicht akzeptieren wollen. Sie klammern sich an irgendeinen Glauben." Er senkte den Kopf und trotz seiner negativen Einstellung ließ sich Heather nicht von ihrer Einstellung abbringen. "Hm, ich glaube auch, dass sich jetzt jemand um die Unfallopfer kümmert, wie ein Schutzengel. Warum sollte es nicht mehr zwischen Himmel und Erde geben?" Ihr Bruder konnte nur seufzen. "Weil es so ist." zischte er und beruhigte sich langsam. "Stress dich nicht so, Bruder. Denk an dein Herz." meinte sie besorgt und sah zu ihm. Er nickte nur. "Alles gut." versicherte er und löste seine verschränkte Körperhaltung." "Sicher pass jemand auch auf dich auf!" meinte Heather leicht scherzend und Damian winkte seufzend ab. "Hör bloß auf." bat er und Heather lachte kurz, bis sie tief Luft holte und sich wieder ans Fenster lehnte.
Das Unfallopfer war ein älterer Mann, welcher bei dem Zusammenprall tödlich verletzt wurde. Die Rettungskräfte konnten nichts mehr für ihn tun. Ein junger Seelengeleiter mit orange-rötlichen Haar musterte diesen mit der zierlichen Sense in der Hand. Der Seelengeleiter setzte die Sense an dem Körper an und baute eine Brücke auf. Aus der Akte las er die Formalitäten heraus und die Seele sah ein helles Licht vor sich. Die Akte galt als abgeschlossen und da dies das einzige Todesopfer war, kehrte der Seelengeleiter ins Totenreich zurück.
Durch seine auffällige Kleidung fiel der Seelengeleiter vielen ins Auge. Seine grünen Augen würden von einer eckigen matt orangefarbenen Brille umrandet und über sein grünes T-Shirt trug er eine dünne orangene Jacke. Seine Jeans war schlicht schwarz.
Mit der Akte in der Hand betrat er die Gilde und lief auf Jeremy zu, welcher gerade Dienst hatte. Grinsend setzte sich der Seelengeleiter auf den leeren Stuhl neben Jeremy und legte die Akte auf den Tisch. "Bin wieder da, Paps." grüßte er und lehnte sich zurück. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und wollte seine Füße gerade auf den Tisch legen, als sein Vater ihn streng ermahnte: "Johannes! Wir sind in der Gilde, das macht man nicht!" Sofort nahm Johannes seine Füße wieder runter und sah seinem Vater beim schreiben zu, als er von ihm ebenfalls eine Akte bekam. "Es soll nicht so aussehen, als würdest du nichts machen. Im Totenreich gibt es immer was zu tun und du machst immer noch deine Gildenlehre." meinte Jeremy ruhig und Johannes setzte sich an die Akte.
Der Schichtwechsel fand kurze Zeit später statt und Henrik betrat die Gilde mit seiner Tochter und Johannes grinste. "Guten Tag, Gildenführer Henrik Dronner und Schmiedemeisterin Alma Corenzola!" grüßte er und machte einen leichten Knicks. Henrik und Alma schmunzelten, als Alma erwiderte: "Nicht so förmlich, Gildenlehrling Johannes Soroski!" Dabei verneigte sie sich und lachte. Alma trug bereits ihre Arbeitskleidung und ihre Haare waren zusammen gebunden. Vor mehreren Jahren hatte sie ihre Meister Prüfung erfolgreich abgeschlossen, was sie und ihre Eltern mit stolz erfüllt hat. Selbst Sibylle war begeistert gewesen und Alma hatte das geschafft, worauf sie mühsam hingearbeitet hatte. Sie hatte auch bereits zwei Lehrlinge ausgebildet, auf die sie stolz war und erinnerte sich, wie sie erst nicht glauben konnte, eine Lehrmeisterin zu sein. Öfters hatte sie aber auch ihren Vater um Rat fragen müssen, der ihr hilfsbereit zur Seite stand. Trotz allem haben beide Lehrlinge die Prüfung bestanden, was ihr sehr wichtig war und sie hätte sich schlecht gefühlt, wären sie durchgefallen.
Jeremy rollte mit den Augen, musste allerdings lächeln, als sein Sohn seine kleinen Späße spielte. Henrik musterte Jeremy und meinte dann amüsiert: "Verzeih, aber dein Sohn sieht dir irgendwie gar nicht ähnlich." Er lachte leicht, spürte aber Jeremys kühlen Blick, als dieser überraschend konterte: "Und manche Kinder sehen einem wieder zu ähnlich, nur in, zum Beispiel, weiblich!"
Henrik war mundtot und perplex. Alma kicherte und fügte hinzu: "Wo er Recht hat..." Johannes lachte und klopfte auf die Schulter seines Vaters. "Das hast du gut gekontert, Dad!" lobte er und auch Henrik war überrascht. "Das war wirklich gut. Eigentlich kann man mich nicht oft sprachlos machen, aber du hast es geschafft." musste er zugeben, aber Henrik konnte gut damit umgehen. Johannes erzählte ihm auf seine Bitte hin noch ein paar wenige Einzelheiten, bevor beide die Gilde verließen. Auch Alma lief los, um ihrer Arbeit bei den Scythe Makern nachzugehen.
Sie war nicht lange dort, da kam Sibylle auf sie zu. "Kollegin Corenzola, es wartet ein Mädchen im Warteraum. Vermutlich ein neuer Lehrling." Damit lief Sibylle an ihr vorbei und Alma lief in den besagten Nebenraum. Sie betrat diesen, lächelte und grüßte. "Guten Tag, ich bin Alma Corenzola. Wer sind Sie?" Sie gab dem jungen Mädchen, welches ca. über 20 zu sein schien, die Hand und musterte sie. Das Mädchen hatte mittellanges, glattes, blondes Haar mit einem Mittelscheitel und trug ihre Frisur stirnfrei. Ihre Augen waren blau und sie trug eine silberne runde Brille. Sie war etwas kleiner wie Alma und machte einen selbstbewussten Eindruck. "Ich bin Amelia Bromerus und möchte meine Lehre hier machen." stellte sie sich vor und erwiderte die Begrüßung. Der Name kam Alma bekannt vor, bis ihr auch wieder einfiel, woher. Sie wollte Amelia nicht darauf ansprechen, aber sie erinnerte sich daran zurück, dass Cedric erwähnte mit einem Dr. Elliot Bromerus gesprochen zu haben, welcher seine Frau an die Mörder der Redemptor Noster Gruppe verloren hatte.
Wie einst in ihrer Lehre übereichte sie Amelia die passende Arbeitskleidung und zeigte ihr daraufhin die verschiedenen Orte bei den Sensenschmieden. Sie musste immer an ihre Lehrzeit denken. Sie war nicht so streng wie Sibylle, ließ ihre Lehrlinge aber auch oft auf sich alleine gestellt, damit sie besser lernen konnten. Sie ließ Amelia schließlich alleine und es dauerte nicht lange, bis ein Scythe Maker meinte, dass sie ihm bitte einen langen Sensenstab holen sollte und wurde lauter in seinem Tonfall, als sie länger dabei brauchte. Alma bekam dies mit und wusste noch, wie dies war. "Was dauert das?!" zischte er und Alma wollte gerade einschreiten, als Amelia ihr Gegenüber gereizt ansah. "Beschwer dich nicht, sondern hol dir den Stab selber. Ich bin Lehrling, es ist mein erster Tag!" meinte sie selbstbewusst und ließ sich dies nicht gefallen. Alma stockte und war sprachlos. Amelias Gegenüber wurde wütend, nachdem er sich wieder gesammelt hat. "Wie bitte?! Wie reden Sie mit mir?! Sie haben mich gefälligst zu siezen und stehen unter mir, Sie unbedeutender Lehrling! Ihr erster Tag, sagen Sie? Dann wird dies auch Ihr letzter sein!" Er kam Amelia bedrohlich näher, die sich nicht einschüchtern ließ und schließlich schritt Alma ein. "Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Ich werde mit Ihr darüber reden." Alma verbeugte sich und ihr Kollege meinte nur: "Haben Sie Ihre Lehrlinge mal im Griff!"
Diese Bemerkung nahm Alma einfach hin und schaute unerfreut zu Amelia, die sie sofort in den Nebenraum mitnahm. Beide setzten sich hin und Alma faltete die Hände zusammen. "Das, was Sie sich eben geleistet haben, war nicht korrekt, sowohl Ihre Wortwahl, als auch Ihr Tonfall. Ich verstehe, dass man sich nicht alles gefallen lassen sollte, es war aber nicht in Ordnung. Hätten Sie dies zu unserer Abteilungsleiterin gesagt, wären sie sofort entlassen worden. Denken Sie über Ihr Verhalten nach." bat Alma und sprach ruhig mit ihrem Lehrling darüber, welche den Kopf senkte und nickte. "Dann wäre das geklärt." Alma lächelte und ließ Amelia für heute nicht mehr aus den Augen, nachdem Amelia sich noch einmal persönlich beim Mann entschuldigte, welcher murrend sagte: "Naja, aber beim nächsten Mal garantiere ich für nichts."
Später verabschiedete Alma sich von ihrem Lehrling und lief zur Gilde. Sie traf allerdings auf Samuel, der gerade mit Akten vom Tod wiederkam. "Guten Abend, Frau Corenzola. Ihr Vater ist vor kurzem heimgegangen." erklärte er ruhig und lächelte höflich. Alma dankte ihm für die Auskunft und suchte Henrik daheim auf. Ihre Mutter war auch da und saß mit Henrik im Wohnzimmer. Trotz der Jahre haben beide sich nie das Ja-Wort gegeben und Henrik selber empfand dies auch nicht für wichtig.
Sie umarmte ihre Eltern und setzte sich neben Henrik, bevor sie seufzte. "Ich habe einen neuen Lehrling." Beide blickten auf und freuten sich für ihre Tochter, bis Alma erzählte. was sich heute ereignet hatte. "Oh, hoffentlich bleibt das ein Einzelfall, sonst wird das eine interessante Zeit werden." meinte Henrik und war froh, dass er mit Samuel damals keine Probleme gehabt hat.
Smeralda wechselte schließlich das Thema, als sie meinte, sie hätte vor kurzem was wiedergefunden und Alma fragte sich, was es wohl sein könnte, als Smeralda ein zusammen gefaltetes Bild hervorholte und Alma gab. "Ach herje, da war ich noch im Kindergarten." entfuhr es ihr beschämt und Henrik schaute sich die Zeichnung an. Es war ein kindliches Bild, welches Alma darstellen sollte, die mit ihrer Mutter umherlief. Der Hintergrund war schwarz.
"Ich weiß noch genau, dass wir unser Zuhause oder Familie malen sollten. Der schwarze Hintergrund sollte für mich das Totenreich darstellen und ich erinnere mich daran, dass die Erzieherin gefragt hat, warum ich denn nur meine Mama gezeichnet habe und wo mein Vater ist. Das war auch das erste Mal, dass mir bewusst wurde, dass ich keinen hatte. Jenachdem haben sie bei meiner Mutter einen Aufstand gemacht und sie gefragt, ob es Probleme gäbe, da mein Hintergrund schwarz war. Ich konnte natürlich schlecht sagen, dass es das Zwischenreich ist." erklärte Alma aufgebracht und seufzte daraufhin. Smeralda nickte zustimmend. "Ich war danach auch etwas fertig, als sie so auf mich eingeredet haben und Alma mich dann nach ihrem Papa fragte." erwähnte Smeralda mit nachdenklicher Miene und Alma entschuldigte sich leise. Es beschämte sie und Henrik senkte den Kopf. "Oh man, wer hätte gedacht, dass euch dies solche Probleme bereitet." murmelte er, aber Smeralda ergriff seinen Arm und kuschelte sich an ihn. "Das ist doch lange kein Thema mehr." meinte sie glücklich und gab ihm einen Kuss.