Der Krieg zeigte seine Auswirkungen auf die Welt. Die Preise stiegen, Negativität legte sich auf das Gemüt der Menschen. Timothy warf die Zeitung beiseite, die auf dem Bürotisch lag.
"Die Toten würde ich da nicht zur Ruhe betten wollen." sprach Timothy laut aus und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er blickte auf den Schiebekalender, der Ende des Monats anzeigte. Er rollte mit den Augen.
"Scheiß Lohnabrechnungen." Er sah zu seinen Unterlagen. "Ich muss Sarah noch anrufen wegen den Kuchenbestellungen. Das auch noch." Er stöhnte genervt und zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte und diese kurz darauf aufging. Es war Tomas. "Was stöhnst du denn so? Man kann dich draußen hören, das schickt sich nicht." mahnte er und Timothy entgegnete: "Kannst du deine Besuche nicht ankündigen?"
"Warum sollte ich? Damit du dich nur zu dem Moment gut gibst?" Timothy blieb die Zunge im Halse stecken. Er fühlte sich ertappt. "Scheu dich nicht, mich um Rat zu fragen. Ich helfe dir. Ich würde gerne noch die Abrechnungen machen. Ohne Arbeit geht irgendwie nicht." Freudig lächelte Timothy. "Gerne. Kannst du machen. Danke!" Tomas näherte sich dem Schreibtisch und musterte seinen Sohn dabei. "Wenn das doch nicht deins ist, ist das okay. Wir finden sonst einen anderen Eigentümer. Es muss nicht in der Familie bleiben. Shadia hat die Führung ihres Instituts auch jemand anderem vermacht." sprach er seinen Sohn gut zu, aber Timothy winkte ab. "Passt schon. Ist nur eine stressige Phase. Das pendelt sich ein." Er tat das Thema damit ab und Tomas verließ nachdenklichen Blicken das Büro. "Sag Bescheid, wenn die Stundenzettel da sind. Ach, ich bin später bei deiner großen Schwester. Interesse mitzukommen?" Timothy schüttelte nur den Kopf und Tomas verließ den Raum mit einem Winken. Tomas hatte seiner Tochter beim Umzug geholfen und seitdem mehr Kontakt zu ihr.
Timothy kehrte gereizt zur Wohnung zurück und zu seiner Verwunderung war es still.
"In letzter Zeit kommt Hannes immer spät heim." merkte an an und betätigte den Lichtschalter. Er wollte gerade den Ofen anschalten, bis er die Tür hörte und Hannes der rief: "Bis dann." Timothy eilte zum Flur und stellte sich vor seinem Bruder.
"Wem hast du denn verabschiedet?" Er hob eine Augenbraue.
"Timmy, hallo erstmal. Gut, dass du mich darauf ansprichst. Darüber wollte ich noch mit dir reden." Die Zwillinge liefen in das Wohnzimmer.
"Was gibt es denn?" hakte Timothy nach und beide standen sich gegenüber. "Ich werde ausziehen. Ich habe eine tolle Frau kennengelernt und wir wollen den nächsten Schritt wagen." Timothys Augen weiteten sich. "Meinst du das ernst? Du willst mich alleine lassen?" Er verengte seinen Blick. "Verstehe das nicht falsch. Ich lasse dich nicht alleine. Wir wohnen seit über 15 Jahren zusammen und es war vorherzusehen, dass es mal zu diesem Moment kommt. Du packst das auch schon alleine und wir können uns regelmäßig treffen." ermutigte Hannes, sehr zu Hannes Missgunst.
"Du sagst das so leichtfertig. Dabei warst du immer derjenige, der nicht darauf klar kam, alleine zu wohnen. Deine Worte kannst du dir sparen. Als ob das wirklich so ist, dass wir uns weitersehen. Das wird sich verlaufen, seltener werden. So ist es doch immer. Ich möchte gerade nicht mehr mit dir sprechen. Ich bin schon gestresst genug." Er verließ den Raum und lief in die Küche. Jeden Versuch von Hannes mit ihm zu reden, misslang. Er wurde konsequent ignoriert.
Hannes zog mit seiner Freundin zusammen, sehr zum Widerwillen seines Bruders. Timothy deckte die Kosten alleine und kümmerte sich, mal mehr mal weniger, um den Haushalt. Er merkte allerdings, dass das Institut seine Zeit einnahm und hatte alsbald die Schnauze voll. Sein Stolz ließ nicht zu, zuzugeben, dass er sich überschätzt hatte. Tomas merkte seinem Sohn dies an und zwang ihn dazu, aufzuhören. Er hatte sich strikt dagegen gesträubt, aber war machtlos. Tomas besetzte seine alte Chef-Position und suchte nach einen neuen Nachfolger. Sein Sohn verblieb beschämt in der Versorgung und sprach nicht viel mit seinem Vater. Tomas sprach mit Shadia darüber, die mit diesem Ausgang bereits gerechnet hatte. Sie teilte Musuko dies mit, welcher schmunzelnd entgegnete, dass die Selbstständigkeit nicht für jeden was sei.
Die ersten Reiter der Apokalypse wandelten durch die Erde. Der Reiter der Krankheit sorgte vermehrt für kleinere Epidemien, der Reiter des Krieges für die Verfeindung zwischen diversen Ländern. Ein weiterer Weltkrieg brach nicht aus, aber die Befürchtung war immer da. Genauso wie die Auswirkungen, die die Menschen zu spüren bekamen. Selbst Jahre nach dem Kriegsausbruch waren diese zu merken.
Sarah merkte dies anhand der steigenden Preise. In ihrem Büro ging sie die Details durch.
"Ich hasse Preiserhöhungen." murmelte die mittlerweile 45-jährige und gähnte mit offenen Mund. Dabei sah man den Gelbstich ihrer Zähne und ein Kaffeeatem gepaart mit Nikotingeruch mischte bei. Ein Anruf ereilte sie, welcher sich als Timothy rausstellte. Sarah erkundigte sich.
"Na, Timmy? Kommst du wieder an, um dich über deinen neuen Chef auszukotzen?" Sie lachte leise, bekam dafür eine bissige Antwort von ihrem Cousin zurück. "Dem habe ich heute meine Kündigung auf den Tisch geknallt! Ich mach bald was anderes. Kein Bock mehr auf die Scheiße. Aber sag mal, hat mein Paps sich schon bei dir gemeldet? Ich rufe ihn die ganze Zeit an, aber er geht nicht ran." Sarah holte ihr Handy hervor.
"Warte." Sie klingelte bei Tomas, aber keine Rückmeldung. "Nein, nichts. Fahr mal persönlich vorbei. Schlüssel hast du ja." Sarah hustete. Timothy verabschiedete sich und fuhr zu Tomas Haus. Er betrat dieses und fand Tomas schließlich in seinem Schlafgemach vor. Tomas war im Schlaf verstorben.
Timothy kontaktierte seine Verwandten und teilte die belastende Nachricht mit. Tomas Körper wurde im Fukkatsu-Institut versorgt. Anlässlich dessen half Shadia bei der Versorgung. "Ich bekomme das schon hin." hatte sie vor der Kollegin beteuert. Shadia wusste, dass Tomas in ihrem Institut, bevorzugt von ihr, versorgt werden wollte. Diesen Wunsch erfüllte sie ihn hiermit. Zu seiner Beerdigung fanden sich seine Kinder, Kollegen, ältere Freunde die noch lebten und Shadia ein. Sie war die Letzte, die von seinem Grab wich. Dabei musterte sie das große Familiengrab und die neueste Inschrift im Grabstein, die Tomas Namen trug und das Datum 9.8.1723.
Zwei Wochen nach seiner Beerdigung kam Clara nach Feierabend zu Sarah in die Bäckerei, um gemeinsam ein Blumengesteck auf sein Grab zu legen. Beide blickten auf das Grab.
"Ihr habt euch besser vertragen, nachdem die Sache mit deinem Ex war, oder?" merkte Sarah an und hustete leise. Clara nickte.
"Und ich bin dankbar dafür, dass es nicht im Streit auseinander ging. Dies hätte ich bereut." Die Cousinen legten den Arm um die jeweils andere und Clara dankte Sarah fürs mitkommen.
Sarah verblieb einen Moment länger auf dem Friedhof und sah zum Grab von Johannes Mutter, auf welches sie langsam zu lief. Sie las die Inschrift und stand eine Weile vor dem Grab stehen. Sie dachte an Johannes und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Dabei bemerkte sie, dass das Datum identisch war mit dem Todesdatum von Jorina. Ihre Gedanken wurden von einer ihr bekannten Stimme unterbrochen. "Hallo. Du hier? Das überrascht mich." Sie zuckte zusammen und hustete leicht. Sie erblickte Johannes, der einen orangenen Blumenstrauß bei sich trug. "Hey. Alles Gute." murmelte sie, wobei Johannes sie nur kritisch musterte. "Spar dir das." Er legte die Blumen auf ihr Grab nieder. Obwohl er seine Eltern im Himmel sehen konnte, behielt er diese Tradition bei. Johannes musterte Sarah eindringlich, dass sie dabei bereits nervös wurde. Johannes überlegte, lockerte seine Gesichtszüge und seufzte leise. "Geh mal zum Arzt. Das Rauchen bekommt dir nicht." Er ging eiskalt an ihr vorbei und verschwand anschließend ins Totenreich.
Sarah stand angespannt auf dem Friedhof.
"Wie zum Arzt?" Seine Worte lösten Angst in ihr aus. Sie wusste, dass er den Tod sehen konnte und fürchtete nun, diesem nah zu sein. Johannes war ins Totenreich zurück gekehrt und trat seinen Dienst in der Gilde an. Er lehnte sich zurück und holte eine Akte aus der Schublade hervor. Beim aufschlagen blickte ihn Sarahs Gesicht entgegen. Immer wieder las er ihre Todesdaten, bis er die Akte zuschlug.
"Mehr konnte ich auch nicht für sie tun."
Johannes Worte schwirrten in Sarahs Kopf rum und diese Besorgnis fiel auch Heather auf. Sarah kam ins Büro, um sich einen Kaffee zu holen. Diese Gelegenheit nutzte Heather. "Was beschäftigt dich?"
Mit einer Handbewegung bat Sarah, mitzukommen. Sie und Heather liefen hinter das Büro, damit Sarah rauchen konnte. Dabei hielt sie ihre Kaffeetasse in der Hand.
"Ich habe Johannes wieder getroffen. Kennst du den noch?" fragte Sarah und Heather überlegte kurz. "Der Two-Night-Stand?" antwortete sie trocken und Sarah verschluckte sich beinahe an ihren Kaffee.
"Ja, der!" Sie musste husten.
"Wir haben nicht viel gesprochen, aber er hat gesagt, ich soll zum Arzt gehen. Er behauptet von sich selbst ein Todesengel zu sein. Denkst du er hat meinen Tod gesehen?" Heather hob fragend eine Augenbraue.
"Hast du nicht selbst mal gesagt, er ist ein Spinner und jetzt glaubst du, hinter seinen Worten steckt mehr?" entgegnete Heather. "Vielleicht wollte er dir nur Angst machen. Ich meine, was du gesagt hast, war auch nicht nett. Ich erinnere mich." Sarah biss sich auf die Lippen.
"Ja, das war scheiße." murmelte sie.
"Sarah, du bist ein rational denkender Mensch. Deshalb ziehe ich gerade diese logischen Schlüsse." erwähnte Heather, aber Sarah war in diesem Moment wenig überzeugt. "Ach weiß du, vielleicht sollte ich doch mal zum Arzt. Einfach zur Vorsorge. Ich war lange nicht mehr da." Sie drückte ihre Zigarette aus und Heather nickte. "Das ist natürlich auch eine sinnige Idee."
Sarah holte sich einen Termin bei einem Arzt und saß selbst im Wartezimmer nervös da. Ihre Gedanken kreisten ständig um Johannes. "Vermutlich machst du dir unnötig Stress und es ist alles super." dachte sie, um sich selbst zu beruhigen. Schließlich wurde sie aufgerufen und ihr Hausarzt schickte sie weiter zu einem Lungenarzt. Dort bekam sie die endgültige Diagnose.
Lungenkrebs im Frühstadium.