Mutter Natur und Gevatter Tod weilten im Universum. Mutter Natur erschuf Lebewesen und Gevatter Tod hütete ihre Seele nach ihrem Ableben. Sie waren ein eingespieltes Team, dessen Arbeit Hand in Hand ging.
Besorgnis wuchs in dem Sensenmann heran. Er hatte Mutter seit einer Weile nicht mehr gesehen. Dies war ein ungewöhnliches Verhalten für sie. Der Tod hoffte, sie würde an einer Schöpfung werkeln, für sich alleine.
Ein lauter Schrei riss ihn aus dieser Hoffnung. Die Schmerzen waren deutlich rauszuhören und der Tod eilte zu Mutter Natur. Der Anblick der sich ihm bot erklärte Mutter Naturs Abwesenheit.
Eine fleischige, menschenähnliche Kreatur wand sich an Mutter Naturs linker Körperhälfte. Die Gestalt entwuchs aus ihrem Körper. Die Haut war von Geschwülsten übersät. Zwei verschlossene Augen und ein schreiender Mund formten das Gesicht. Der Tod konnte sehen, wie die Kreatur größer wurde und sich aus Mutter Naturs Haut formte. Mutter Natur lag auf dem Rücken. Sie schrie und vergoss Tränen. Da reichte es dem Sensenmann und er packte den verschmolzenen Körper der Beiden. Seine knöchernen Hände umgriffen seinen scharfen Rippenknochen, den er herausbrach und mit diesen schnitt er in die Haut der Beiden. Es wurde kein Blut vergossen und der Tod trennte beide voneinander. Die Wunden heilten schnell und es blieb keine Narbe über.
Gevatter Tod half Mutter Natur auf die Beine und sah zur Gestalt, die eben noch mit ihr verwachsen war. Eine hautfarbene Masse mit menschlichen Zügen. Langsam öffneten sich die Augen des Wesens und zwei blaue Augen funkelten ihnen entgegen. Der Tod hatte seinen scharfen Knochen zur Hand.
"Ich werde es erlösen!" sagte er und bewegte sich auf die Kreatur zu, den Knochen erhoben. Er ließ den Knochen auf das Etwas niedersausen, stoppte aber abrupt.
Mutter Natur hatte sich vor die Kreatur gestellt. "Nein, bitte erlöse es nicht!", Flehend sah sie den Tod an. "Es ist immer noch aus mir entstanden! Es hat eine Daseins-Berechtigung. Ich spüre keine negative Energie bei diesem Wesen. Es ist gut! Bitte!" Sie senkte den Kopf und die Kreatur kam mit ihren kleinen Armen und Beinen mühselig auf sie zugekrochen.
"Mutter..." wimmerte es in einer kindlichen Stimme und der Tod steckte den Knochen zurück in seine Rippe. Die Knochenstücke verschmolzen.
"Ich kann dir keine Bitte abschlagen."
Mutter Natur dankte dem Sensenmann und schlang die Arme um das Wesen, das aus ihrem Körper entwachsen war. Liebevoll trug sie es mit sich und folgte dem Tod.
Mutter Natur legte es auf eine grüne Wiese und beobachtete es dabei, wie es sich fröhlich auf der Wiese regte. "Ich habe unfassbare Schmerzen gelitten, als es plötzlich aus mir wuchs, aber nun möchte ich es nur lächelnd beobachten und lieben." wisperte Mutter Natur und setzte sich auf die Wiese. Die Arme schlang sie um die Beine. "Ich glaube, das möchte ich meinen Menschen mitgeben. Schmerzen, die mit einen wunderbaren Glück einhergehen, so wie ich sie fühlen durfte." Sie neigte den Kopf zum Tod, der den Abstand zum Wesen wahrte. "Lass die Nachkommen bitte nicht aus der Haut wachsen." bat der Tod und Mutter Natur schüttelte den Kopf. "Nein, aber wie wäre es im Inneren?", Sie legte sich auf den rücken und strich über ihren Bauch. "Ich dachte hier dran." Der Sensenmann kniete sich zu ihr. "Ich finde das eine schöne Idee. Ich werde mich um deine Geschöpfe kümmern." Mutter Natur lächelte das Skelett an. "Ich vertraue dir meine Seelen an."
"Seele." vernahmen sie die Stimme der namenlosen Kreatur und Mutter Natur sah zu dieser. "Ja, eine Seele. Sie vereint die Persönlichkeit eines Lebewesens und hält den Körper am Leben." Mit funkelnden Augen blickte es Mutter Natur an.
"Seele..."
Das Wesen wuchs heran und lernte von Mutter Natur. Es beobachtete sie in ihrem Tun. "Kümmerst du dich um die Erschaffung weiterer Seelen?" fragte es vornehm und Mutter Natur nickte. "Ja, irgendwann möchte ich eine Welt erschaffen, in der diese leben können. Ich habe schon eine Idee, wie sie aussehen soll." Sanft strich sie der Kreatur über die Haut. Die Kreatur schloss die Augen und ließ kurz darauf ein helles Licht erscheinen. Mutter Natur weitete die Augen und ein breites Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. "Das ist eine Seele! Du kannst Seelen erschaffen, genauso wie ich!"
"Wie du, Mutter." schmunzelte es. "Es fehlt nur eine Hülle." merkte Mutter Natur an und sah dabei zu, wie die Kreatur einen Menschen entstehen lassen wollte, doch das Ergebnis war niederschmetternd.
Vor den beiden lag die blutige Hülle eines kleinen Embryos. Die Knochen stachen durch die dünne Haut durch. Der Körper war verdreht und das Gesicht wirkte gequält mit den zusammen gekniffenen Augen und den zum Schrei angesetzten Mund. Der Mund wies spitze Zähne auf und erschrak Mutter Natur am meisten.
Eine Knochenhand berührte die Hülle und zersetzte sie dadurch zu Staub. Der Staub verteilte sich.
Mutter Natur und das Wesen sahen zum Tod. "Es wäre nicht lebensfähig gewesen, das konnte ich spüren. Bevor sich die Existenz quält halte ich es für das Beste, diese zu erlösen." Er zog weiter und ließ beide alleine zurück, während Mutter Natur ihm hinterher sah.
"Vielleicht kannst du keine Hüllen erschaffen, aber dafür Seelen, das ist viel wert." Mutter Natur lächelte ermutigend. "Die Welt von der du sprichst, lass sie uns zusammen erschaffen. Ich kann die Seelen entstehen lassen und du ihre Hüllen. Es muss anstrengend sein, alles alleine zu machen." Mutter Natur dachte über diesen Vorschlag nach.
"Es ist eine schöne Idee. Mir schwebt schon etwas vor. ein ruhiger Ort, an welchen ich die Körper erstelle!" Voller Enthusiasmus leuchteten ihre Augen auf. "Bekomme ich auch einen Ort für mich?" fragte es und Mutter Natur nickte eifrig. "Ich hole schnell den Tod. Er wird die Welt mit uns erschaffen!" Sie ließ es alleine und suchte den Tod. Dieser stand vor einen ihrer Blumenwiesen.
"Tod! Bitte komm, wir haben eine tolle Idee!" rief Mutter Natur und hielt an. Der Tod stand mit der Wirbelsäule zu ihr. "Wir? Du und diese Monstrosität die aus dir entstanden ist?"
Mutter Natur rührte sich nicht.
Sie legte die Hand vor dem Mund. "Tod, hegst du Groll gegen es?" Ihre Stimme war zart.
"Ja, ich verachte es, wie du es umgarnst! Es geht mir nicht um die Aufmerksamkeit, die du es schenkst, aber es nimmt dich ein!" Gevatter Tod drehte sich zu ihr um und sie sah in seine Augenhöhlen im Schädel. "Du hast es nicht einmal einen Namen gegeben!" merkte er an und Mutter Natur wich zurück. "Es bekommt einen Namen, sobald die Welt steht."
"In einer Welt in der es existiert möchte ich nicht wandeln. Egal wie schön diese ist, es macht alles hässlich."
"Nein! Hör auf das zu sagen! Du hast mich immer bei meinem Vorhaben unterstützt! Bitte! Ich brauche dich! Du bist genauso wichtig für die Entstehung!" Sie ließ die Arme hängen und der Tod kam näher. "Dann lass es mich erlösen, dann können wir die Welt kreieren."
Mutter Natur schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht."
"Wäre es eine der Hüllen gewesen hätte ich es getötet. Es wäre als Mensch nicht lebensfähig. Ich hätte es im Mutterleib erlöst, wäre es in jemanden herangewachsen." Mutter Natur erschrak bei den ehrlichen Worten des Todes.
"Und was sind eure Ideen?" hakte der Tod nach und Mutter Natur antwortete mit hängenden Kopf: "Ich erschaffe Körper, es die Seelen. Wir bekommen beide unseren eigenen Ort."
"Nein!"
Das gesamte Blumenbeet zerfiel und die Blumen gingen ein. Mutter Natur stand mit offenen Mund vor dem Tod. "Gib es nicht diese Aufmerksamkeit! Es wird sich für wichtiger halten, als es sollte! Irgendwann hast du es nicht mehr unter Kontrolle!" Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
"Das kannst du nicht erahnen! Es hat ein Recht auf seine Existenz! Es ist immerhin aus mir entstanden." Sie legte die Hände vor ihrer Brust.
"Weiß du wie egal mir das ist? Mich interessiert es nicht, wie wichtig jemand ist oder was er plant. Wenn etwas sterben soll, wird es sterben!" Mutter Natur spürte seine kalten Knochenhände auf ihren nackten Schultern.
"Ich hatte mir gewünscht, dass wir nie über Leben und Tod diskutieren müssen." Sein Schädel berührte ihre Stirn. "Müssen wir nicht. Bitte erschaffe mit uns die Erde. Ich werde dir ebenso ein eigenes Reich geben. Außerdem werde ich es unter Kontrolle behalten. Vergiss nicht, ich bin allmächtig. Ich werde es mit dir auslöschen, wenn es sich höher stellt." Aufmunternd lächelte sie und spürte seine Knochenfinger über ihren Rücken streichen. Ihre Finger fuhren über seine Rippen. Interessiert musterte sie diese und umfasste eine der großen Rippen mit der ganzen Hand.
"Bitte, steche mir eine Rippe in den Körper."
Augenblicklich wich der Tod zurück. "Das kann ich nicht! Was passiert dann mit dir? Ich will dich nicht verletzen!"
Furchtlos kam Mutter Natur näher. "Mir wird nichts zustoßen. Ich kann nicht sterben. Ich möchte nur eins mit dir werden. Ein Zeichen unserer ewigen Verbundenheit." Ihre Stimme wurde leise.
"Etwas für den Notfall, wenn du nicht bei mir sein kannst, wenn ich vor es stehe." Der Tod verstand ihr Vorhaben und brach sich eine seiner untersten Rippen ab. Mutter Natur ließ sich auf das verwelkte Blumenbeet fallen. Mit der Rippe in der Knochenhand beugte sich der Tod über sie und stach die Rippe durch ihren Brustkorb.
Mutter Natur kniff die Augen zusammen und griff nach den verwelkten Gras, welches zwischen ihren Fingern zerbröselte. Der Tod stach die Rippe tiefer in sie, welche sie in all ihrer Gänze aufnahm. Ein unaussprechliches Gefühl stieg in ihr auf und sie spürte eine neue Kraft in sich erwachen. Sie hatte seine Rippe komplett in sich aufgenommen und lag auf dem Beet. Mutter Natur fühlte die Verschmelzung der Rippe des Todes mit ihren eigenen. Langsam öffnete sie die Lider und strich über des Todes Wangenknochen.
"Ich danke dir."
Er half ihr beim aufstehen und zusammen begaben sie sich auf dem Weg zurück zum Wesen. Bei der Kreatur angekommen sahen sie ein letztes Mal auf das Nichts, in dem sie existierten. "Tod, es ist so weit."
Kurzerhand nahm der Tod all seine Kraft zusammen und ein großer Knall erfüllte das Nichts. All die Blumen und ersten Geschöpfe verschwanden in der Leere. Die Leere füllte Mutter Natur mit ihren Ideen aus und die Erde, das Universum, die Planeten entstanden. Sie nahm sich sieben Tage, in der sie die Erde mit ihren Geschöpfen beschenkte. Wasser, Erde, Feuer und Luft. Mensch und Tier.
Für den Tod erschuf sie mit seiner Hilfe das Totenreich und die Kreatur erhielt ihren Ort, den Himmel.
"Ich habe mir einen Namen für mich überlegt." Mutter Natur stockte bei diesen Worten. "Ich möchte Himmelsfürst genannt werden. Ich lebe schließlich im Himmel." gab er kund und Mutter Natur nickte. "S-so soll es sein, Himmelsfürst."
"Ich danke dir für diesen Ort. Ich werde mich an unser Bündnis halten und Seelen erschaffen. Außerdem habe ich schon Visionen von meinen Gehilfen." Euphorie sprach aus ihm. "Gehilfen?" hinterfragte Mutter Natur und bei dem Gedanken an seiner ersten Schöpfung zuckte sie zusammen. "Ja! Engel werde ich sie nennen! Sie werden mir zu Hilfe stehen, wenn ich Seelen erschaffe." Mutter Natur sah starr zur Gestalt.
"L-lass mich dir etwas zeigen." Daraufhin lehrte sie ihn, wie er groteske Gestalten unter den Deckmantel einer menschlichen Hülle versteckte.
"Vielen Dank, Mutter."
Der Himmelsfürst nahm die form von hellen Licht an und er erschuf seine Engel, allen voran die vier Engel der Fraktion. Einer von ihnen ging seinen eigenen Weg und wollte Menschen erschaffen, scheiterte aber kläglich. Er wurde verstoßen und wurde zum Höllenfürst. Eine Änderung, die nicht spurlos an Mutter Natur und den Tod vorbei ging.
Zusammen fanden sie sich beim Himmelsfürst ein, der ihnen den Vorfall erklärte. "Ich habe dir gesagt, du wirst die Kontrolle verlieren." wisperte der Tod und Mutter Natur schüttelte den Kopf. "Nein, ich glaube, es war unvermeidbar. Gut und Böse gehören zusammen wie Leben und Tod! Die Welt kann nur so ins Gleichgewicht kommen!"
Das weitere Vorhaben der Erde besprachen sie mit dem Himmelsfürst und schufen die Welt, wie wir sie kennen. Die Guten kamen in den Himmel, die Bösen kehrten in der Hölle ein und die Unerlösten wandelten im Zwischenreich umher.