Gevatter Tod geleitete die Seelen beider in das Zwischenreich, während Gina die Umgebung im Auge behielt. Sie konnte die Auren von Viktorius und ihrer Tochter spüren. Der Tod und sie blickten sich an, bevor sie auf das Flachdach des Hauses gingen. Dort erblickten sie die Beiden. Gamia freute sich, als sie ihre Mutter erblickte, die kurzerhand Gamias Sense nahm. Überraschenderweise machte Viktorius keine Anstalten, Gamia bei sich zu behalten und ließ sie zu Gina gehen. Gamia nahm ihre Sense entgegen und umarmte Gina leicht, aber daraufhin sah sie ihre Mutter fixiert auf Suicide Hangman. Vorsichtig griff er nach seiner Sense, während Gevatter Tod mit ihm sprach. "Viktorius von Eden, entweder Sie unterlassen es, Menschen in den Suizid zu treiben, indem Sie sich in Ihrer eigenen Hölle einsperren oder wir werden Sie hier und jetzt vernichten."
Suicide Hangman weitete die Augen, als der Tod förmlich mit ihm sprach und fühlte sich ein klein wenig respektiert. Allerdings wollte er sich nicht einfach fügen. "Der Suizid wird auch ohne mich weiterhin existieren. Nicht nur du entscheidest über den Tod eines Menschen. In der Natur gibt es Tiere, die sich das Leben nehmen und ich versichere, dass ich dafür nicht verantwortlich bin. Ich war nicht einmal bei jedem Suizid dabei. Ich habe zwar ihr Leid gehört, aber ich war nicht da, als sie starben. Ich habe es lediglich nur gespürt." erzählte Suicide Hangman mit einer komischen Ruhe. Es wirkte fast, als sei es sein Plan gewesen, auf den Tod zu treffen und Gamia vermutete, dass er es beenden wollte. Was genau, wusste sie aber nicht.
"Es ist gegen die Regeln." widersprach Gevatter Tod und Viktorius lachte. "Gegen welche Regeln? Gegen deine oder nicht doch eher gegen die des Himmelsfürsten? Wenn Mutter Natur zulässt, dass ihre Geschöpfe sich selber töten, kann es nicht gegen ihre Regeln sein, oder?" Kaum hatte er dies ausgesprochen flogen mehrere Vögel über ihnen hinweg. Bei seinen Aussagen wurde Gina wütend und wollte ihn am liebsten mit einem Schlag enthaupten.
"Gevatter Tod, wenn dir alles egal ist, wenn ein Mensch stirbt, warum ist es dir dann nicht auch egal, wie er stirbt? Die Todesursache ist doch nichtig. Was zählt ist nur das Ableben des Menschens." fragte der Suicide Hangman mit einem Lächeln im Gesicht. "Wie ich bereits mitteilte ist es gegen die Regeln und darum ist die Ursache nicht relativ. Denn dann wäre auch die Ursache Mord relativ!" rief der Sensenmann und hatte auch seine Sense bei sich, bereit anzugreifen. Die Ruhe von Viktorius schwand und er entgegnete laut: "Wessen Regeln?!"
Das nahm Gina als Anlass, anzugreifen und sie spurtete auf Suicide Hangman zu. Gamia sah ihr mit geweiteten Augen hinterher. "Es ist egal, wessen Regeln es sind, akzeptiere es und mische dich nicht in den Zyklus des Lebens ein!" schrie sie, während sie ihm näher kam. Die Wut ihm gegenüber war groß. Sie hob die Sense an, um diese auf ihn niedersausen zu lassen, doch ihre Sense stieß auf Widerstand. Ihre Sense stieß auf einen Sensenstab, jedoch handelte es sich nicht um Viktorius Gegenwehr, sondern um Gamias!
Gina weitete die Augen und ließ von ihr ab. In ihrem Blick spiegelte sich entsetzen, Wut und Enttäuschungen wieder. "Gamia?! Sag nicht, du stehst auf seiner Seite?! Hat er dich manipuliert?! Was hat er mit dir gemacht?!" rief sie fassungslos, während Gamia ruhig da stand und sich ihrer Mutter entgegen stellte. "Nein, ich stehe weder auf seiner, noch auf eurer Seite. Er hat mir nichts getan, als ich bei ihm war ist mir nur etwas bewusst geworden." antwortete sie gelassen und Gina konnte ihren Ohren nicht trauen. "Wie? Was ist dir bewusst geworden? Du warst immer gegen den Suizid!"
Fassungslos fragte sie ihre Tochter. Gamia seufzte. "Personen ändern ihre Meinung in einigen Fällen und lernen immer dazu. Ich habe gelernt, dass der Freitod nichts Böses ist." Bei diesen Worten fiel Gina beinahe die Sense aus der Hand. "N-nichts Böses? Gamia, du bist ein Sensenmann, ein Todeswesen und solltest es wissen... Wie oft sorgt sein Eingreifen für Tumult?" Ihre Tochter schüttelte den Kopf. "Weil wir lediglich noch nicht gelernt haben, damit umzugehen. Wir wollen das Problem beseitigen, anstatt eine Lösung zu finden, damit umzugehen. Selbst wenn wir ihn auslöschen wir ein neuer Suicide Hangman geboren werden. Außerdem bin ich auch eine Nachfahrin von Viktorius und verstehe seine Seite." Im Gegensatz zu Gina blieb Gamia ruhig. Gina war außer sich, dass sich Gamia gegen sie stellte und noch nie war die Distanz zwischen beiden so groß wie jetzt. "Du bist mehr eine von Eden als ein Sensenmann." zischte Gina und es verletzte Gamia, dass ihre Mutter dies aussprach, als sei sie unreinen Blutes. Sie trug doch selbst den Namen Dronner und irgendwas sagte Gamia, dass Gina diesen gerade umso mehr hasste.
"Weiß du was? Ich stehe lieber auf Suicide Hangmans Seite und dem freien Willen der Menschen, als ihnen dafür eine Strafe aufzuerlegen." Ihre Tonlage war ruhig und sie lächelte sogar dabei. Es war ein einfaches, freundliches Lächeln. "Wie schon erwähnt ist es die Aufgabe eines Sensenmannes, genauso wie die der Todeswesen, Seelen zu geleiten. Als nächstes möchtest du wohl noch den Tod auslöschen!" rief Gina streng und gegen ihre Aussage wehrte Gamia sich. "Es ist nur... Warum sollten die Opfer von Suicide Hangman so bestraft werden? Wenn es diese Regeln nicht gäbe, wäre es dem Tod dann egal, wer wie stirbt?"
Ruhe
Gina biss die Zähne zusammen, der Sensenmann hielt sich im Hintergrund auf und war bis jetzt ungewöhnlich still gewesen. "Wir sollten aufhören, den jeweils anderen von seiner Meinung zu überzeugen und einen Kompromiss finden." setzte Gamis weiter fort, aber Gina wollte keine Einigung. "Dabei gibt es keinen Kompromiss oder eine Meinungsverschiedenheit. Er ist schlichtweg gegen die natürliche Ordnung!" Während sie dies rief, sprintete sie auf Suicide Hangman zu! Gamia reagierte schnell und sprang ihrer Mutter mit der Sense entgegen. Beide Sensen trafen aufeinander und es war ein Kampf wer mehr Stärke besaß, dem jeweils anderen Einhalt zu gebieten. "Ich möchte nicht gegen dich kämpfen..." rief Gamia mit zusammen gebissenen Zähnen. Ihr war bewusst, dass sie gegen ihre Mutter keine Chance hatte, trotzdem versuchte sie ihr alle Stärke entgegen zu bringen.
"Dann lass mich vorbei und ihm ein Ende bereiten!" rief Gina und nutzte ihre Kraft. Sie drückte Gamia weg, die daraufhin gezwungen war, nach hinten zu springen. Ginas Sense schlug auf den Boden auf. "Es macht mir Angst, dass du mich ohne zu zögern angreifst..." hauchte Gamia zittrig. "Keine Mutter sollte ihr Kind angreifen..." Ihre Mutter war nicht wiederzuerkennen.
Wie weit würde Gina gehen, um an ihr Ziel zu kommen?
"Du stehst mir im Weg! Ich will dich nicht angreifen, aber du muss dich ja vor Viktorius stellen!" In ihrer Stimme klang ein kleines Wehleiden wieder und Gamia hatte das Gefühl, dass Gina innerlich hin und hergerissen war. Auf einer Seite wollte sie ihrer Berufung erfüllen, war sie doch gleichzeitig auch Teil des Dronner-Stammbaums. In diesem Moment bemerkte Gamia, dass ihre Mutter der einzige Tod war, der anwesend ist. Wohin war der Sensenmann gegangen? Ohne seine Anwesenheit hoffte Gamia, dass Gina zur Besinnung käme, doch dem war nicht so. Ihr Ziel hatte sie weiterhin klar vor Augen.
Gina teleportierte sich an Gamia vorbei und wollte über diesem Weg an Viktorius heran. Direkt neben ihn erschien sie und wollte ihn köpfen, doch er beugte sich nach hinten und die Sense fuhr über ihn hinweg.
Viktorius blickte zu ihr, nahm seine Sense und rammte ihr den Sensenstab in ihren Oberkörper. Dadurch trat Gina wenige Schritte zurück. Suicide Hangman und Gina blickten sich verhasst an. Gamia lief zu Viktorius rüber und dieser Anblick ließ Gina wütender werden.
"Wir können unsere Wurzeln nicht verleugnen und sollten zu ihnen stehen." sprach Gamia aus und traf damit bewusst Ginas wunden Punkt. "Er gehört immer noch zu unserer Familie, egal was er ist. Vater ist ebenfalls ein Verbrecher. In der Menschenwelt ist er verrucht für seine taten, trotzdem lieben wir ihn."
Diese Worte rührten Viktorius tief in seinem Innersten, aber er konnte es nicht richtig fühlen. Da hingegen fühlte Gina mehr Zorn.
"Vater hatte, wenn auch gegen seinen Willen, etwas mit einem Dämon am Hut. Und wie ich das verstanden habe, wollte Viktorius nie zum Suicide Hangman werden!" Ihre Stimme war laut und beschützend. Viktorius senkte den Kopf. "Ich wollte nie hierzu werden... Ich wollte nur sterben... mehr nicht. Eigentlich würde ich mich ohne weiteres auslöschen lassen, um endlich weg zu sein, doch irgendwas sträubt sich dagegen und lässt mich kämpfen..." hauchte er mitgenommen und konnte keine Antwort darauf finden. "Wie im Leben lebe ich diese Existenz weiter...." Er senkte den Kopf. Noch nie hatte er so viel Lebenswillen gezeigt, darum gekämpft, sich gewehrt. Was ihn antrieb war es, dass er nicht wollte, dass der Suizid ungerecht behandelt wurde, ebenso die Menschen. Er wollte Gerechtigkeit für die, die den Freitod dem vorbestimmten vorzogen.
Gevatter Tod betrat Garten Eden. Er sah all die Seelen, die an Mutter Natur glaubten. Dabei bemerkte er viele Seelen aus dem Zeitalter der Hexen. Alle lebten in Einklang mit der Natur. Viele liefen entweder mit dünnen Gewand oder nackt durch den Garten. Jeder war frei für sich und verurteilte niemanden. Wider andere genossen die Existenz als Reinform der Seele. Sie meditierten, lebten für sich, genossen es im Einklang mit den Geschöpfen der Natur zu sein.
Der Tod betrat das vom Garten abgetrennte Uhrwerk, um dessen sich Dornenrangen wanden. Er lief in Mutter Naturs Raum der Erschaffung und kniete zu Boden, als er sie bewusstlos dort liegen sah.
Er hob sie hoch und schummrig öffnete Mutter Natur die Augen. Zu diesem Zeitpunkt kam der weiße Tod dazu und zuckte bei Mutter Naturs Anblick zusammen. "Was ist passiert?" fragte dieser und eilte zur Hilfe.
"Ich habe sie in diesem Zustand vorgefunden."
Langsam kam sie wieder zu sich und saß auf dem Boden. Sie blickte beiden entgegen. "Tut mir leid, dass ihr euch Sorgen gemacht habt. Mir geht es gut... Ich muss nur die Hülle..." Sie wurde klarer. "Die Hülle! Der Himmelsfürst wartet sicherlich!" Hektisch ließ sie die Hülle, welche nur einen Kopf und Toros besaß, abholen. Über die Unvollständigkeit war sie sich nicht bewusst. Der weiße Tod legte seine Hand auf Mutter Naturs Schulter. Sie drehte sich zu ihnen um und entschuldigte sich. Beide machten ihr bewusst, dass sie sich nicht entschuldigen musste.
Schließlich fragte sie, was das Anliegen des Todes sei. "Mutter Natur, ich habe einen Feind, der die Menschen den Freitod wählen lässt. Ich bin nur für die letzten Augenblicke des Menschens da und wollte dich, als die, die das Leben geschaffen hat, fragen. Wie stehst du zum Freitod?"