Gina kehrte mit Gamia zur Menschenwelt zurück. Es war Nachts und sie landeten auf dem Dach ihres Hauses. Gina trug noch ihre Robe und setzte sich. Gamia nahm neben ihr Platz.
"Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe, auch deinen Vater. Mit ihm rede ich gleich..." sagte sie schuldbewusst und Gamia nickte. Gamias Hände lagen auf ihren Knien. "Ich habe dich nicht wiedererkannt und du hast mir Angst gemacht, besonders als du gegen mich gekämpft hast. Das nimmt mich auch immer noch mit. Ich will nicht, dass das nochmal passiert." gestand sie ehrlich und Gina zuckte bei den Worten ihrer Tochter zusammen. Sie hatte ihr eine Narbe hinterlassen.
"Ich bin wirklich nicht immer gut gewesen, weder zu deinem Vater oder zu dir." Sie warf sich die Lügen oder dass sie Fritz Gamia hat nicht sehen lassen, vor.
"Wir alle tun verwerfliche Dinge. Ich bin lieber die Tochter des Todes als von einem Kilian." schmunzelte sie und Gina lachte mit ihr. "Der Tod, der Leben schenkt..." kicherte sie und Gamia fragte sie: "Kannst du auch wie Gevatter Tod aussehen?" Gina nickte. "Als Sensenmann ja." Gamia fing zu lachen an. "Ich als Halbblut würde sicher lustig aussehen, wenn ich ein halbes Skelett wäre."
"Meinst du etwa so?" Damit verwandelte sich das halbe Gesicht von Gina in einen Schädel und Gamia zuckte lachend zusammen. "Mom!" Sie nahm ihr menschliches Aussehen wieder an. "Versuch es lieber nicht, sonst siehst du für immer so aus!" Lauthals lachten beide.
"Na dann, wollen wir mal zu deinem Vater und danach möchtest du sicher zu Niklas." Gina und Gamia standen auf und teleportierten sich ins Haus. Sie fanden Fritz bei den Vogelspinnen. Er hatte eine auf der Hand und redete mit ihr. Es war nicht klar, ob er oder seine andere Persönlichkeit redete. Fritz sah ein wenig zerschunden aus.
"Fritz?" rief Gina und er drehte sich um. Seine Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf Gamia. Er ließ die Spinne ins Terrarium krabbeln und lief zu Gamia, um sie fest zu umarmen. Er wollte sie fast nicht wieder loslassen und löste die Umarmung leicht. Sein Blick fiel auf Gina und er war sich unsicher, ob er ihr nahe kommen sollte. "Sie ist wieder normal, Dad." meinte Gamia dann und Gina konterte: "War ich das je?"
Kurz darauf fiel ihr auch Fritz um die Arme und er war glücklich, seine Familie wieder bei sich zu haben. Gamia wollte sich fast nicht verabschieden, um Niklas wieder in ihre Arme zu schließen, aber Fritz sagte, dass sie selbstverständlich zu ihm durfte und keine Rücksicht nehmen sollte. Daraufhin schloss sie ihren liebsten Landwirt in die Arme.
Sie konnte sich nicht beherrschen und erzählte ihm alles, was geschehen war. Niklas konnte ihr kaum folgen und sagte nur, dass er froh sei, dass sie wieder da sei und eine Einigung gefunden wurde. Und nach langem schlief Gamia wieder richtig gut und erholte sich von den Strapazen vergangener Tage.
Mutter Natur ging ihrer Tätigkeit nach der Verhandlung wie gewohnt nach und erschuf weitere Hüllen. Ihr Handwerk wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen und sie bat das Wesen herein. Sie spürte einen Engel und drehte sich um. Es war der Engel aus der Gerichtsverhandlung. Sie verneigte sich vor ihm. "Ist etwas mit den menschlichen Hüllen?" fragte sie besorgt, aber der Engel verneinte.
"Der Himmelsfürst ist, was das anbelangt, zufrieden. Ich bin wegen der Gerichtsverhandlung hier. Wir haben Fragen." Höflich verbeugte er sich, während er dies sagte. Mutter Natur überraschte das Anliegen, aber sie nickte. "Welche denn?"
"Der Himmelsfürst und Mutter Natur helfen aneinander und arbeiten zusammen, richtig? Ihr erschafft die Hüllen und den Ort für die Seelen meines Gebieters." sprach der Engel aus der Fraktion und Mutter Natur nickte. "Genau, das ist meine Aufgabe." antwortete sie leise und der Engel sah sie finster an. "Und warum standen Sie bei der Verhandlung nicht auf der Seite des Himmelsfürst und haben nicht für eine Auslöschung von Viktorius von Eden gestimmt?" Er kam ihr näher und instinktiv wich Mutter Natur zurück. "Sie hätten sich gar nicht erst einmischen dürfen! Dazu heißen Sie ihn hier auch noch willkommen..." Er war wütend auf ihre Handlung.
"Das geht nicht, dass Sie gegen den Himmelsfürst handeln." Er packte ihre rechte Hand und drückte zu. "Viktorius von Eden gehört ausgelöscht!" Sein Blick war eindringlich.
"A-aber er ist doch trotzdem eine vom Himmelsfürst geschaffene Seele." entgegnete sie und wollte sich los zerren. In der Zwischenzeit kehrte der weiße Tod zurück und hielt vor der Tür inne. Mit erschrecken beobachtete er das Geschehen. "Nicht mehr, er ist nur noch eine namenlose Existenz! Er bringt Ärger, wie können Sie das gut heißen?" Er packte ihre andere Hand ebenfalls. "Der Himmelsfürst gab Ihnen Freiheiten zu Ihren Kreationen und Sie unterstützen ihn nicht einmal. Das soll nie wieder vorkommen, verstanden?"
Eindringlich sah er sie an und Mutter Natur nickte. Der Engel ließ ihre Hände los und verschwand zurück in den Himmel. Mutter Natur sah auf ihre schmerzenden Hände, als sie den weißen Tod eintreten sah, welcher sie besorgt ansah. "Wie kann er als Engel sowas tun?" rief der weiße Sensenmann und begutachtete Mutter Naturs Hände.
"Es ist in Ordnung. Er war im Auftrag des Himmels da. Er war nur etwas zornig." meinte Mutter Natur lächelnd und ihr Gehilfe war geschockt. "Nein, das geht auf keinen Fall in Ordnung!" Mutter Natur aber lächelte nur. "Es ist geschehen, mir geht es gut. Ich werde weiter Hüllen kreieren." Sie war die Ruhe selbst und ihr Gehilfe wusste, dass weitere Worte zwecklos seien. "Ich habe übrigens einen kleinen Freund aufgelesen." sagte dieser dann und in seiner Handfläche piepte ein kleines Entenküken. "Es wurde beim überqueren der Straße überfahren." erzählte der weiße Tod und Mutter Natur nahm das Küken an sich. Liebevoll und sanft streichelte sie es. "Ich danke dir."
Der Frieden kehrte zurück in das Totenreich und die Todeswesen wurden zu einer großen Versammlung in der Gilde einberufen. Ihnen musste mitgeteilt werden, dass die Gefahr gebannt sei und dass die Seelengeleiter dem Suicide Hangman nichts tun sollten und er nun all die Seelen geleitet, die sich dem Freitod hingaben. Die Gilde war voll und Cedric bewunderte, wie sein Bruder ohne jegliche Scheu vor der Menge reden konnte und sogar noch Spaß dabei empfand. Diese Neuigkeiten machten im Totenreich die Runde.
Die Dronner-Familie war trotz allem die Ersten, die von alldem erfuhren.
Nach dem die Gilde sich wieder geleert hatte, klatschte Alma begeistert, welche die ganze Zeit neben ihren Vater gesessen hatte. "Es war so ungewöhnlich, die Gilde so voll zu erleben." Sie grinste und Henrik setzte sich wieder. Er nahm erstmal einen Schluck Wein, den sich seine Tochter ebenfalls einverleibte. "Ja, sowas gehört auch zu meinen Aufgaben. Es ist immer wieder aufregend." Beide stießen an. "Wie steht es um dir und Jayna?" fragte er lächelnd und Alma errötete leicht.
"G-gut! Ich habe sogar bereits einen Wangenkuss bekommen. Sie wird immer offener." erzählte sie und Henrik freute sich für seine Tochter. "Bleib dran, vielleicht wird es was. Es sieht zumindest danach aus und ich denke sie sucht ebenfalls was festes." meinte Henrik gelassen und Alma nickte.
"Sag mal... Jetzt wo der ganze Tumult vorbei ist, wollen wir nicht vielleicht Mom besuchen?" hakte sie nach und Henrik sah sie an. "Du hast Recht. Ich werde gleich danach fragen." Lächelnd stellte er sein Glas ab und stand auf. Er lief zu Gevatter Tod und ließ Alma einen Moment alleine. In dieser Zeit nahm sie den restlichen Wein und wartete.
Mit froher Kunde kam Henrik zurück. "Wie wäre es mit morgen?" fragte er lächelnd und Alma nickte fröhlich. Beim Griff zur Weinflasche bemerkte Henrik, dass diese leer war und blickte nur in Almas grinsendes Gesicht. Alma beließ es bei dem letzten Wein und kurz bevor Henriks Schichtablösung kam verabschiedete sie sich und wollte Heim.
Zufälligerweise kam ihr Jayna auf halben Weg entgegen und es war Alma fast unangenehm, schon zwei Wein intus zu haben. "Hi, Alma! Hast du gerade Dienstschluss gemacht? Wenn ja, ich ebenfalls." Sie lächelte und Alma antwortete: "Schon vor ein paar Stunden. Ich war noch bei Vater in der Gilde."
"Es gab doch eine große Versammlung. Ein Kollege erzählte mir alles. Viele Heiler konnten nicht anwesend sein, ich auch nicht. Ich finde es gut, dass es eine Einigung gab." erklärte Jayna glücklich und Alma hörte ihr aufmerksam zu.
"Ja, ich saß bei ihm, es war sehr voll." entgegnete sie. Sie wollte sich gerne noch mit Jayna unterhalten, spürte aber die Erschöpfung und den Wein. "Entschuldige bitte, ich bin ein wenig fertig. Wollen wir uns die Tage treffen?" fragte sie höflich und Jayna konnte das nachvollziehen. "Gerne! Wir schreiben uns. Erhol dich gut." Beide lächelten zum Abschied und kehrten zu ihren Wohnungen zurück.
Am nächsten Tag holte Henrik seine Tochter ab. Beide hatten sich für den heutigen Tag frei genommen und wollten sich ganz auf das Treffen mit Smeralda konzentrieren. Beide waren aufgeregt, Smeralda wiederzusehen und wussten nicht, was sie ihr alles erzählen sollten.
Vater und Tochter gelangten durch das Portal in den Himmel und fanden sich vor einer Tür wieder. Smeralda erwartete sie bereits und wurde emotional, als sie ihre Familie sah. Alma umarmte sie als erste und auch Alma vergoss kleine Tränchen vor Freude. Henrik weinte nicht, war aber sichtlich gerührt und gab seiner Liebsten einen Kuss.
"Kommt herein, aber bitte nicht erschrecken, meine Mutter ist ebenfalls anwesend." bat Smeralda und Henrik war mehr als überrascht. "D-deine Mutter?" Smeralda nickte und öffnete die Tür. Daraufhin erblickten sie das Wohnzimmer von Smeraldas Kindheitshaus und einer Frau, die auf dem Sofa saß und sich erhob, als sie den Besuch sah. Sie war sichtlich überrascht, als sie Henriks Erscheinung sah, aber stellte sich freundlich vor.
"Ich bin Amina Corenzola, Smeraldas Mutter." Sie reichte beiden die Hand und sie stellten sich ebenfalls vor. Ihnen fiel der viele Schmuck in die Augen. Amina stellte sich zu Smeralda. "Ich weiß, du hast viel erzählt, aber ich hätte nicht gedacht, dass du dich für solche Männer interessierst." murmelte sie und Alma kicherte, während Henrik perplex im Raum stand. Smeralda seufzte.
"Manchmal frage ich mich das selbst." scherzte sie und Henrik war sprachlos. "Ich brauche unbedingt Wein." wisperte er zu sich selbst und lief mit Alma zur Couch. Zu Dritt saßen sie Smeraldas Mutter gegenüber. "Ich bin natürlich froh, dass meine Tochter einen so adretten Mann gefunden hat. Den richtigen Partner an seiner Seite zu haben ist Gold wert." Sie seufzte und dachte an ihren Ex-Mann, welchen sie dachte zu kennen, bis sie von seinen Missetaten erfuhr.
"Wie ist es euch ergangen?" fragte Smeralda aufgeregt und war gespannt auf Neuigkeiten. Henrik fing zu erzählen an. "Wir haben einen Widersacher des Totenreiches besiegt und einen Kompromiss gefunden." Um die Stimmung nicht zu trüben, ließ er die Details weg und behielt die Wahrheit um Suicide Hangman für sich. Er wusste, dass Smeralda dies mitnehmen würde und es war besser, sie in Unwissenheit zu lassen. Smeralda dachte sich ungefähr, über welchen Feind sie sprachen und senkte kurz den Kopf. Alma berichtete von ihren Neuigkeiten. "Ich treffe mich aktuell mit einer anderen Frau und es sieht gut aus." Sie grinste mit roten Wangen und Smeralda freute sich. "Wenn sie deine Zukünftige wird, stell sie mir unbedingt vor." grinste Smeralda und Alma erzählte ihr, dass diese Frau Heilerin sei und wie sie hieß. Smeralda hörte ihrer Tochter zu und war überglücklich, ihre Familie wieder bei sich zu haben, wo sie sich nun nicht mehr täglich sahen.
Als sie hinter der Tür auf dem Weg zur Rückkehr standen war Alma richtig glücklich über das Treffen. Es erinnerte sie an etwas. "Denkst du, Opa weiß davon, dass Viktorius besiegt und ein Kompromiss gefunden wurde? Wie er sich wohl dabei fühlt?" seufzte Alma und Henrik überlegte. "Hmmm, erzähl Cedric bitte nichts davon, aber was hältst du davon, wenn wir kurz zu ihnen rübergehen?" fragte er und Alma nickte. Der Vorschlag gefiel ihr und sie reisten nach kurzer Absicherung, ob sie Zeit hätten, zu Henriks Eltern. Obwohl seine Eltern überrascht waren, dass sie kurzfristig Besuch bekamen, freuten sie sich.
Zuerst wurde Alma als Enkeltochter begrüßt. "Du wirst deinem Vater immer ähnlicher! Ich kann mich dir so gut als Leiterin der Scythe Maker vorstellen." schwärmte Flavia und setzte sich zu Richard. Henrik und Alma saßen ihnen gegenüber. "Wir waren bei ihrer Mutter und wollten einmal vorbeischauen, wo wir schon im Himmel sind. Außerdem hat sie Fragen an euch oder eher möchte euch was erzählen." erklärte Henrik und gab das Wort an Alma weiter. Bevor sie reden konnte drückte Flavia ihren Sohn noch an sich.
"Das nächste Mal ist Cedric aber wieder dabei, ja?" bat sie schmollend und Henrik nickte. "Es war nur relativ spontan, sonst hätte ich ihn mitgenommen." meinte Henrik und Flavia verstand ihn. Alma fragte schließlich Richard. "Hast du erfahren, dass Viktorius-", Bevor sie aussprechen konnte nickte Richard schon. "Mutter hat mir davon erzählt, sie war nach der Verhandlung hier. Ich finde den Kompromiss gut." erklärte er und senkte leicht den Kopf.
"Wir waren immer nur darauf aus, ihn zu vernichten, wie bei einer Hexenverfolgung. Es freut mich, dass ihr doch noch einen Kompromiss finden konntet.", meinte er gedankenverloren. "Ich habe ihn nie gekannt. Er trat mir als Suicide Hangman entgegen, als ich ihn zum ersten Mal traf. Ich kenne ihn nur aus Mutters Erzählungen. Unsere Bindung ist nicht besonders stark, trotzdem ist er mein Erzeuger." Mit einem munteren Lächeln sah er beide an. "Aber lass uns das Thema wechseln. Wie war es bei deiner Gattin, mein Sohn?" Glücklich sah er beide an und genoss den kurzen Augenblick mit seiner Familie.
Viktorius blickte auf den toten Körper einer Frau. Sie war einer Gruppenvergewaltigung auf einer Party zum Opfer gefallen und wurde daraufhin von ihrem Freund verlassen, weil er der Ansicht war, dass sie ihn dadurch fremdgegangen sei. Es führte dazu, dass sie zur Klinge griff. Er geleitete die Seele in das Totenreich. Dies fühlte sich anfangs ungewohnt an, doch schnell fühlte er sich wieder zu Zeiten seines Seelengeleiter Daseins. Monoton verrichtete er seine Arbeit um den Kompromiss zu erfüllen. Er wusste, dass der Himmel ihn kritisch beäugte, aber ließ es sich nicht anmerken. Viktorius musste sich eingestehen, dass er sich sogar ein stück weit gut fühlte, diese Seelen zu geleiten. Es waren viele Seelen und er ließ die Akten immer von einem Sensenmanngeist überbringen und verschwand in seiner eigenen Hölle, wenn er keine Seele geleitete. Ab und zu sahen Josef, Gina oder Justin beim Geleit nach dem rechten und halfen ihn mitunter. In solchen Momenten fühlte es sich wie ein miteinander an. Gevatter Tod und Viktorius arbeiteten Hand in Hand.
Hand in Hand arbeitete Jayna mit den anderen Heilern, um den Seelengeleiter zu retten. Er wurde von einem Dämon schwer verwundet. Die Heiler waren bedeckt mit schwarzer Materie und Blut. Jayna vernähte die Wunde und zu ihrer Erleichterung war die Operation geglückt. Der Patient war stabil und nach allen Säuberungsarbeiten begab sie sich unter die Dusche. Sie fühlte sich gut, wenn sie wusste, dass sie jemanden gerettet hat. Zu Anfang war dies ihre größte Baustelle. Mit der Zeit lernte sie, damit umzugehen. Mitunter fühlte sie sich an einigen Tagen schlecht und besuchte dann einen Heiler, der psychologische Hilfe anbot. Sie dachte daran, Alma die Tage wieder zu besuchen und ihr wurde warm, wenn sie an den Wangenkuss dachte. Vielleicht würde sie es beim nächsten Mal schaffen, sie auf die Lippen zu küssen und nahm es sich vor für ihre nächste Begegnung. Sie schickte Alma einen Brief und bekam schnell eine Antwort zurück, in dem Alma erzählte, dass sie heute Morgen im Himmel bei ihrer Mom war und ob sie sich übermorgen treffen wollen, da würde es besser passen. Jayna freute sich und überlegte, was sie Alma beim nächsten Mal fragen könne, um ein Gespräch aufzubauen. Außerdem kam ihr der Gedanke, ob sie ihre Mutter auch im Himmel besuchen konnte.
Diesmal erwartete Alma Jayna bei sich in der Wohnung und hatte einen Wein vorbereitet. Jayna fand dies schön und freute sich. Auf Almas Couch machten sie es sich gemütlich und Jayna fragte Alma, wie es ihr bei ihrer Mutter ergangen sei. "Sehr schön. Sie wurde dieses Jahr erlöst und und es war das erste Mal, dass wir sie im Himmel besucht haben. Meinem Vater war es ein bisschen unangenehm, als er auf seine Schwiegermutter getroffen ist, die auch dort war." Alma lachte und Jayna kicherte mit ihr. "Denkst du, ich könnte meine Mutter auch eines Tages besuchen gehen?" murmelte Jayna und Alma nickte. "Wenn sie im Himmel ist, ja! Frag einfach Gevatter Tod persönlich! Keine Sorge, ich kenne ihn, meine Familie ist gut mit ihm. Ich begleite dich auch gerne." erklärte Alma und schlug ihr diese Bitte vor. "G-gerne... Ich habe doch etwas Respekt vor dem Sensenmann." gestand sie, was mitunter auch daran lag, dass sie dachte, der Tod würde sie für ihren Vater verurteilen, aber Alma machte ihr bewusst, dass der Tod neutral war und ihn dies nicht interessierte. Jayna erleichterte dies und fragte Alma, ob sie sie morgen begleiten könne.
"Natürlich. Komm morgen nach meiner Arbeitsschicht vorbei." meinte sie und Jayna war ihr unfassbar dankbar dafür. Vor lauter Euphorie nahm Jayna ihren Mut und gab Alma den langersehnten Kuss.
Alma hatte noch ihr Weinglas in der Hand, welches sie beinahe verschüttete. Überrascht ließ sie die Augen offen, aber schloss diese dann, als sie die Situation realisierte. Jayna lief rot an, als sie den Kuss löste, während Alma glücklich lächelte. "Mir hat es gefallen." sagte sie und nahm Jayna die Unsicherheit. "Ich bin nicht so erfahren." stammelte sie, aber auch da nahm Alma ihr die Sorge. "Ich hatte seit Jahren niemanden mehr. Ich bin genauso aus der Übung." erklärte sie und gab Jayna das Gefühl von Geborgenheit.
Alma wusste auch, dass all dies Neuland für Jayna war und wollte sie sanft bei der Hand nehmen. "D-darf ich nochmal?" murmelte Jayna und schmunzelnd antwortete Alma: "Natürlich!"
Daraufhin verschmolzen ihre Lippen zu einem weiteren Kuss.
Alma hielt ihr Wort und begleitete Jayna zum Tod. Jayna fiel ein stein vom Herzen, als sie erfuhr, dass ihre Mutter im Himmel lebte. Sie wollte sie besuchen und durfte ins Himmelsreich. Allerdings wollte sie dies alleine tun. Alma konnte das nachvollziehen und nahm Jayna die Schuldgefühle. Sie dankte Alma für die Begleitung und trat ihren eigenen Weg zu ihrer Mutter an.
Im Himmel fand sich Jayna in dem alten Wohnzimmer ihres Zuhauses wieder und stand ihrer Mutter gegenüber. Yui gesund zu sehen erfreute Jayna am meisten. Das letzte Bild, was sie von ihrer Mutter hatte war, als sie krank und geschwächt von ihrer Chemo im Bett lag. Tränen flossen über das Gesicht beider und sie kamen für eine große Umarmung zusammen. Auch für Yui war es ein ungewohnter Anblick, ihre Tochter, reifer, erwachsener zu sehen. Lediglich Jerome fehlte und dieser Tatsache waren sich beide bewusst. "Dein Vater wollte nur das Beste. Er hätte hier sein sollen." wisperte Yui und holte zwei weiße Tücher für beide heraus, um sich die Tränen abzuwischen.
"Setz dich." meinte Yui sanft und beide setzten sich an den Wohnzimmertisch. Jayna wollte soviel erzählen, wusste aber auch nicht, wo sie anfangen sollte. Schließlich fing sie damit an, dass sie Heilerin im Zwischenreich geworden sei und Yui konnte ihren stolz kaum verbergen. Jayna wurde rot dabei und erzählte dann auch von ihrer ersten Freundin.
"Wie lange hast du sie schon?" fragte Yui und Jayna gestand beschämt, dass es noch sehr frisch sei. Yui schmunzelte.
"Du erinnerst mich daran, als ich fest mit deinem Vater zusammen kam." Beide lächelten, aber es schwang eine gewisse Trauer mit. Schließlich würden sie Jerome nie wieder sehen. Jayna erzählte ihrer Mutter von den vergangenen Jahren, wo sie bei Ludheim gelebt hat und merkte, wie ihr das Gespräch auch psychisch gut tat. Es hatte ihr gefehlt, Kontakt zu ihrer Mutter zu haben.
Jayna war dankbar für dieses Erlebnis und freute sich auf weitere Treffen, jetzt wo ihr bewusst war, dass ihr diese Möglichkeit offen stand. Sie war auch Alma gegenüber dankbar, die sie zum Sensenmann begleitet hat. Alma und Jayna trafen sich die Tage regelmäßig, wie es bei ihnen mit der Arbeit passte. Je mehr sie sich sahen, desto offener wurde Jayna und fasste mehr Vertrauen zu ihrer Freundin. Vor Henrik konnte Alma diese Neuigkeiten auch nicht verbergen und durch Henrik erfuhr auch Cedric davon. Die Brüder hofften natürlich, dass Alma diesmal ihr Glück gefunden hat und sie nichts grausames erleben musste. Alma bot Jayna an, gemeinsam mit Henrik einen Wein zu trinken, doch schüchtern hatte Jayna abgelehnt. Es erinnerte sie ein wenig an Yannis. Genauso wie ihr Vater fand Alma immer in den schüchternen Persönlichkeiten ihre Freuden.
Fritz fand ebenfalls wieder Freude an allem, seit dem in seiner Familie alles wieder normal war, zumindest was er unter normal verstand. Mit seiner Ehefrau war er wieder ein eingespieltes Team, mit der er immer wieder mal intim wurde. Seine Tochter kam zum Karten spielen vorbei, wenn sie nicht gerade bei Niklas oder im Totenreich war. Mittlerweile hatten die Dronner-Familienmitglieder die Nachricht von Suicide Hangman gut aufgenommen und lebten damit. Selbst Gina war Viktorius nicht mehr verhasst gegenüber, wenn sie ihn antraf, um nach dem Rechten zu sehen.
Einige Monate vergingen und ein neuer Frühling brach an.
Gamia war bei ihren Eltern daheim und saß mit ihnen im Garten. Sie spielten Karten auf dem Holztisch unter der Frühlingssonne. Die ersten Blüten fingen zu blühen an. Gamia ließ sich davon ein wenig ablenken und wandte sich an ihre Mutter. "Immer wenn ich so in die Natur schaue, denke ich an Mutter Natur. Sie hat mich bei der Gerichtsverhandlung damals am meisten begeistert mit ihrer Anmut und ihrem Wissen." schwärmte Gamia und Gina lächelte. "Ich kann das verstehen, sie hat all dies erschaffen und ist eine bewundernswerte Gestalt. Man kann viel von ihr lernen." entgegnete Gina und beide sahen zur blühenden Blume.
Akt 10 Suicide Hangman Ende