Gina wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, indem sie bewusstlos im Bett lag. Sie öffnete die Augen und sah sich im Raum um. Es war relativ dunkel und schlicht gehalten. Gina setzte sich auf und nahm eines der Kuscheltiere in die Hand, welche auf der schwarzen Bettdecke lagen. Ein Grabstein mit der Aufschrift R.I.P, ein Totenkopf und ein kleiner Sensenmanngeist mit Sense. Alle diese Plüschtiere waren selbst genäht worden.
Gina stand vom Bett auf und öffnete die Tür eines edlen Holzschrankes. Kurzerhand erblickte sie viele weiße Kleider und hielt sich eines vor dem Körper. Wenig begeistert hängte sie dieses wieder in den Schrank und sah zu einem Schreibtisch, auf welchem eine Silberfeder und ein Buch lag. Erst sah es aus, als würde sie es in die Hand nehmen und lesen wollen, doch dann ließ sie es liegen. Gina machte sich Gedanken darum, wie lange sie bereits weg war und dass ihre Familie ziemlich in Sorge sein müsse. Immerhin hatte sie gesagt, schnell hinterher zukommen.
Kurzerhand musterte sie die Tür hinter dem Schreibtisch und trat vorsichtig zu dieser. Mit der Hand umfasste sie die Klinge und wusste, dass sie durch diese Tür gehen musste, weil es keine andere Möglichkeit gab, aus dem Raum zu entfliehen. Daraufhin drückte sie die Klinge herunter, öffnete die Tür nach innen und trat durch diese in einen anderen Raum.
Kurzerhand wurden ihre Haare strahlend weiß. Sie sagte kein Wort, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und senkte den Kopf. Vor ihr baute sich eine große Gestalt auf und diese war sichtlich erzürnt auf Gina. Streng sprach diese: "Warum bist du in all den Jahren nicht zurück gekehrt?!"
Gina wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte und fiel auf die Knie. Reuevoll senkte sie den Kopf und kniete vor ihrem Gegenüber nieder. "Bitte verzeih, Gevatter Tod!"
Gevatter Tod schaute zu Gina hinunter. "Steh auf." bat er, da es ihm nicht gefiel, auf jemanden herab zuschauen. Er setzte sich auf seinen Platz und Gina bemerkte Justin, welcher mit überschlagenen Beinen, abgestützten Kopf und einem Grinsen zu ihr sah. "Ich war sehr fasziniert und überrascht, als sie mir über den Weg gelaufen ist. Sie schien aber ziemlich erschrocken und ist sogar bewusstlos geworden.", erzählte Justin schmunzelnd. "Es war aber interessant, ihre Aura zu spüren. Im ersten Moment hätte man wirklich glauben können, sie sei ein Todesgeist, doch jemand wie ich konnte sofort spüren, was sie wirklich ist." Er grinste Gina immer noch an, welche ihm kühl entgegen sah. "Wer ist das?" hakte sie unerfreut nach und der Tod antwortete ihr: "Das ist Justin Cheriko, mein zweiter Gehilfe. Nachdem du damals nie wieder gekommen bist, bat ich den Himmelsfürst um einen weiteren Gehilfen. Seit dem 1.1 diesen Jahres begleitet Justin mich schon. Nachdem du gegangen bist, bat ich ebenfalls um dein Lebensbuch." Daraufhin holte der Tod ein dickes Buch unter dem Schreibtisch hervor und packte es auf den Tisch. Begeistert schaute Justin zum Buch. "In diesem konnte ich nachlesen, was du in all der Zeit getan hast. Deine Straftaten auf der Erde oder dass du in der Zeit geheiratet und ein Kind bekommen hast." Der Tod klang nicht erfreut, als er Gina diese Dinge auflistete. Reuevoll senkte sie den Kopf.
"Ich wiederhole meine Frage! Warum bist du nie zurück gekehrt? Ich gab dir eine Wohnung, als du zur Lehre gegangen bist und du hast versprochen, jeden Tag vorbei zukommen. Nachdem einige Zeit verging, erkannte ich, dass du dein Versprechen eiskalt gebrochen hast. Es erzürnt mich, schließlich wurdest du als mein Gehilfe erschaffen!" Nach wie vor antwortete Gina nicht und stand lediglich schuldbewusst da. Der Tod beließ es dabei, als er merkte, dass aus Gina keine Antwort herauszubekommen war.
Gevatter Tod packte das Lebensbuch zur Seite und schaute zu Gina, bevor er Worte aussprach, die ihr missfielen. "Die nächste Zeit wirst du hier verbringen, an deinem eigentlichen Platz."
Gina weitete die Augen. "Nein, das kannst du nicht machen! Ich habe eine Familie, zu welcher ich möchte!" Sie stellte sich quer, aber ihre Bedürfnisse interessierten den Sensenmann nicht. Deshalb wollte sie durch die große Tür zur Gilde rennen, doch kaum war sie bei dieser, legten sich Ketten um das Schloss und Gina spürte einen Druck an ihrem Hals, welches von dem Totenkopfhalsband auskam. Schließlich wurde sie von hinten festgehalten. "Lass mich los, Josef!!" befahl Gina wütend, doch Josef blieb kalt wie immer und Gina stand wieder vor dem Platz des Todes. "Deine Familie?" Er schaute zu Justin und fasste einen Kompromiss. "Ich werde dir erlauben, deiner Familie die Umstände zu erklären. Außerdem würde ich gerne mit deinem Kind reden wollen." Langsam beruhigte Gina sich und stimmte dem Kompromiss zu. Daraufhin bat der Tod Justin ihre Familie herzuholen.
Im Gedanken stand Fritz bei seinen Vogelspinnen und ließ eine über seine Hand krabbeln. Er war betrüb und im Gedanken bei seiner Frau. Gamia stellte sich zu ihrem Vater and en Türrahmen. "Mom ist immer noch nicht da." merkte sie seufzend an und machte sich genauso wie ihr Vater Sorgen. Fritz sah man dies besonders an. Seine Tochter versuchte ihn aufzumuntern. "Vielleicht ist etwas dazwischen gekommen und sie hat noch einen Auftrag bekommen. Das kommt schnell vor im Totenreich." Sanft lächelte sie ihm entgegen und gerade als Fritz ihr zustimmen wollte und dabei seine Vogelspinne wieder ins Terrarium krabbeln ließ, öffnete sich ein Flügelportal vor beiden und Justin trat durch dieses. Er stellte sich vor und verbeugte sich. Beide wurden gebeten mitzukommen und kurz darauf standen sie im Raum des Sensenmannes. Noch verstanden sie nicht, was los war und waren mehr als überrascht.
Gamia nahm sich eine Haarsträhne zur Hand, als sie bemerkte, dass sich Teile ihres Haares schneeweiß färbten und blickte schockiert zu ihrer Mutter. Gina stand vor ihnen und faltete die Hände zusammen. Auch Fritz war sprachlos, als er seine Frau und Tochter mit den weißen Haaren sah, doch freute er sich, Gina zu sehen. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht, aber was geht hier vor sich?" fragte er sie mit gemischten Gefühlen und seine Frau wusste erst nicht, wie sie antworten sollte. Der Tod bat sie zu sprechen. Gina sah vorsichtig zu Fritz und Gamia. Betrüb gestand sie ihnen dann alles.
"Ich habe euch angelogen. In Wirklichkeit bin ich kein Todesgeist, ich bin ein Sensenmann." Man merkte Gina an, dass ihr dies leid tat und ihre Familie musste diese Offenbarung erst verarbeiten. "Der Tod hat mich zusammen mit dem Himmelsfürst erschaffen, nachdem er sich nach dem großen Seelenkampf 1409 für einen Gehilfen entschied. Am 1.1.1410 kam ich zum Tod und sollte ihm beistehen, doch ich widersetzte mich dieser Aufgabe und lebte mein eigenes Leben." Mit ihrer Erklärung verstand Fritz unteranderem immer mehr, warum sie einst nicht in der Gilde heiraten wollte oder fertige Akten immer den Praktikern mitgab. Die Familie war nach wie vor sprachlos, doch Fritz kam behutsam auf Gina zu und umfasste ihre Hände. "Mir ist egal, was du bist, ich liebe dich. Fühl dich nicht schlecht, weil du denkst, du würdest uns nur anlügen. Ich vertraue dir nach wie vor und du hattest deine Gründe." Diese aufmunternden Worte halfen Gina gerade sehr und munterten sie auf. Sie lächelte vorsichtig und fühlte sich bei Fritz wohl.
Der Sensenmann musterte Gina und Fritz. Am liebsten hätte Gina Fritzs Hände nicht mehr losgelassen. Schließlich lief sie zu ihrer Tochter und strich über ihr Haar. Schweren Herzens beichtete sie dann, dass sie beide vorerst nicht sehen konnte. Diese Nachricht erschütterte ihren Ehemann und ihre Tochter. Besonders Fritz wollte seine Frau nicht gehen lassen. "Es tut mir leid." wisperte sie und drückte Fritz fest an sich. Traurig erwiderte er die Umarmung und strich über ihren Rücken. Ebenso wurde Gamia umarmt und Gina drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. "Wir verstehen das." sagte Gamia ruhig und diese Sätze erleichterten Gina ungemein, auch wenn sie verstehen hätte können, wenn ihre Familie ihr nicht mehr vertrauen würde. Sie hatte nicht zum ersten Mal eine Lüge gelebt.
In einem ruhigen Moment kam der Sensenmann auf Gamia zu sprechen. Die Familie schaute zu Gevatter Tod, welcher sein Augenmerk auf Gamia richtete, die ihm ruhig entgegen blickte. "Gamia, dir ist bewusst, dass aufgrund deiner Mutter, das Blut eines Sensenmannes in dir fließt." Erst als der Tod dies direkt aussprach, wurde ihr dies einmal richtig bewusst. Sie war ein Halbblutsensenmann und nach und nach wurde ihr klar, dass ihre schnelle Wundheilung und der wenige Schlaf Indizien dafür waren. "Ich werde mich dir noch einmal in Ruhe annehmen. Justin wird dir Bescheid geben. Bis dahin lass ich dich gehen." Gamia wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte und nickte nur. Fritz bekam Sorge, irgendwann wieder ganz alleine zu sein und das wollte er nicht.
Es wurde für Ginas Familie Zeit, zu gehen und ein langer Kuss folgte zwischen dem Ehepaar. Gina senkte den Kopf und war genauso traurig wie ihre Familie. Sie umarmten sich alle drei und kleine Tränen rollten ihnen über die Wange, bevor sie von Justin heimgebracht worden.
Bestürzt sah Gina ihnen hinterher, bevor der Tod sie bat, sich neben ihn zu setzen. Es herrschte Stille, bevor der Tod Gina ein paar Akten übergab. "Danke." murmelte sie leise und im Gedanken versunken bearbeitete sie diese.
Fritz und seine Tochter hatten sich auf das Sofa gesetzt. Gamia winkelte die Beine an und blickte zu ihrem Vater, welcher sichtlich traurig war. "Ich möchte deiner Mutter so gerne beistehen. Sie sah so fertig aus und als wolle sie diese Aufgabe nicht machen. Am liebsten wäre ich jetzt bei ihr. Ich weiß auch nicht, wann wir sie wieder sehen werden. Dabei möchte ich sie nicht wieder verlieren." Er war emotional am Ende und es fehlte nicht mehr viel, bis ihm auch die Tränen überkamen. Gamia nahm ihren Vater sofort in den Arm und stand ihm bei. Behutsam strich sie mit ihrer Hand über seinen Rücken und lächelte aufmunternd. "Ich muss das auch erst verarbeiten. Besonders wenn ich mir vor Augen führe, dass ich mich von den anderen Todesengeln unterscheide. Ich habe das nie in Frage gestellt und dachte, es sei normal und bei jedem genauso." Nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, kam ihr etwas in den Sinn, was sie sogar zum schmunzeln brachte. "Dann ist Niklas zumindest nicht mehr der einzige Halbblut." Sie kicherte und auch Fritz nickte. Dieser musterte seine Tochter und strich behutsam über ihre Schulter. "Geh ruhig zu Niklas, wenn du das möchtest." Er hatte Gamia angemerkt, dass sie gerne bei ihm wäre. "Sicher? Ich bleibe sonst gerne hier und lass dich nicht alleine." Ihr Vater aber versicherte, dass es in Ordnung war. "Vermutlich werde ich selber auch noch einmal zur Totenwelt gehen und mit meinen Eltern darüber reden." Beide umarmten sich, Gamia dankte ihm und lief zu Niklas rüber. Wie gesagt trat Fritz in der Zeit seinen Weg zu seinen Eltern an.
Felicia sah ihm beim öffnen der Tür sofort an, dass ihn etwas beschäftigte und nahm ihn in den Arm. "Was ist los? Ist deiner Familie etwas zugestoßen?" Sie sorgte sich um ihren Sohn und zusammen setzten sie sich aufs Sofa. Cedric sah seinem Sohn ebenfalls eine große Besorgnis an. "Wo sind Gamia und Gina?" hinterfragte er ruhig. Fritz setzte sich und senkte den Kopf. "Gamia ist bei Niklas und Gina..." Es fiel ihm schwer, das auszusprechen und Felicia hatte Befürchtungen, dass sie Streit hatten oder sie schwer verletzt wurde. Von einem Todesfall gingen seine Eltern nicht aus, denn dann hätte ihr Sohn komplett anders vor ihnen gestanden.
Langsam erzählte er ihnen von allem und musste selbst erstmal begreifen, was am heutigen Tage geschehen war. Er realisierte dies wirklich, als er es selber vor seinen Eltern aussprach. Cedric und Felicia waren im ersten Moment überrascht, aber sahen dem gefasst gegenüber. Was größtenteils an den guten Kontakt lag, den besonders Cedric zum Tod hatte. "Die Tatsache, was sie ist, stört dich nicht. Dir macht mehr die Situation zu schaffen, dass du sie eine unbestimmte Zeit lang nicht mehr sehen kannst." hielt Cedric fest und traf damit genau einen Punkt bei Fritz. Mit betrübten Blick nickte er und Felicia setzte sich zu Fritz.
Sie strich mitfühlend über seinen Rücken, während Cedric die Arme verschränkte und die Beine überschlug. Er dachte nach und bekam schnell einen Einfall. "Wenn du magst, kannst du oder ich gerne einmal mit deinem Onkel sprechen. Immerhin ist er der Gildenführer und wenn ich gemeinsam mit ihm zu Gevatter Tod gehe, dann wird er vielleicht einen Kompromiss eingehen." Cedric tat es nicht gerne, aber für seine Familie würde er sich den guten Kontakt zum Tod zunutze machen.
Dieses Angebot ließ Hoffnung in Fritz aufkeimen und er wusste das von seinem Vater sehr zu schätzen. Kurzerhand stimmte er diesem zu.
Dankbar verabschiedete Fritz sich und würde dies sofort Gamia ausrichten. Kaum war er gegangen, küsste Felicia Cedric und umarmte ihn dabei. "Ich finde, dass es eine gute Idee ist." flüsterte sie in sein Ohr und verliebt hielt er ihre Hand, welche er liebevoll küsste. "Wenn ich meiner Familie irgendwie helfen kann, tue ich alles, was möglich ist."