Gamia und Niklas saßen auf dem Dach ihres Hauses. Beide sahen über die Landschaft hinweg. Ihr Blick blieb aber immer bei Jakobs Haus hängen.
"Irgendwie erschreckend, dass wir ihn aus unserer Jugend kennen und miterlebt haben, wie er zu einem griesgrämigen Mann wurde.", merkte Gamia an. "Alles ausgelöst durch die Existenz eines Dämons."
"Bis zum Ende erfuhr er nie was seine Nachbarn wirklich sind." Gamia stand auf und in ihrer Hand erschien eine schwarze Akte.
"Denkst du seine Seele erkennt meine Stimme?" In Gamias rechter Hand erschien ihre Sense. "Na dann, bis gleich!" Gamia verabschiedete sich mit einen Lächeln und sprang über die Dächer des Hauses. Darunter dem alten Haus der Maté, welches langsam zerfiel. Gamias Familie verhinderte mit jeden Mitteln den Einzug in das von böser Energie umhülltes Haus.
Jakob stand draußen auf einer Leiter und versuchte eine Lampe zu reparieren. "Olles Scheißteil!" fluchte er dabei und schaute mies drein. Die Nacht zog bereits über den Tag hinein und Jakob sah schlechter. "Ach leck mich doch!" brüllte er und wollte die Leiter hinuntersteigen, aber sein Fuß blieb hängen und er stürzte samt Leiter nach hinten. Der Kopf knallte gegen einen der Blumentöpfe und Jakob blieb regungslos liegen. Eine große Blutlache bildete sich und Gamia setzte ihre Sense an.
"Jakob Bassel, geboren am 2.2.1653, gestorben am 15.10.1713." Jakobs Seele vernahm ihre Stimme, aber er konnte sie nicht zuordnen.
"Durch Ihre Sünden wird Ihre Seele fortan in der Hölle weiterleben."
"Nein! Diese Hure Rin ist schuld an allem! Sie hat mein gesamtes Leben ruiniert!" Gamia öffnete das Tor zur Hölle und ließ die Seele in den Abschlund gleiten.
"Diese Fotze sollte in der Hölle schmorren! Sie nahm mir Frau und Kinder!" Auf seine Worte antwortete Gamia nicht. Trotz seiner Wut schaffte sie es alleine und mit Leichtigkeit seine Seele in die Hölle zu befördern. Sie musterte den leblosen Körper und kehrte zu Niklas auf das Dach zurück. Ihre Sense und Akte behielt sie bei sich für ihren weiteren Weg.
"Er ist in der Hölle angekommen. Lass uns demnächst den Notruf tätigen." Niklas senkte den Kopf. "Jetzt bin ich der einzig Verbliebene. Fühlt sich fast schon einsam an, aber ich habe ja dich." Er erhob sich und lief zu Gamia, um ihr einen Kuss zu geben. Beide schlossen ihre Augen.
"Ich verstehe dich. Es ist komisch, dass alle anderen weg sind. Ich denke aber, das machen viele Menschen durch. Je älter du wirst, desto mehr erlebst du, wie Leute, die du mal kanntest, sterben." Ein ruhiges Lächeln zierte ihre Lippen.
"Na dann. Ich geh noch schnell die Akte wegbringen und bin dann wieder bei dir."
Gamia überreichte die Akte Henrik in der Gilde, welcher sich ein Glas Wein mit seiner Tochter genehmigte.
"Wie geht's deinem Vater?" erkundigte sich Henrik nach seinem Neffen.
"Er ist wohlauf. Ich sehe ihn regelmäßig."
"Grüß ihn lieb von mir." bat er und Gamia kam seiner Bitte auf den Rückweg nach. Sie wartete die Zeit bei Fritz ab, während sie beobachteten, dass Niklas auf die Rettungskräfte wartete. Fritz zeichnete nebenbei.
"Ich genieße die Abgeschiedenheit unserer Familie."
Gamia starrte aus dem Fenster und beobachtete das Szenario vor ihr. Sie merkte kaum, dass eine Vogelspinne auf ihre Schulter kletterte, die ihr Vater zuvor noch auf den Arm hatte. "Oh, Niklas kommt wieder. Sie fahren weg. Na dann, wir sehen uns!" Sie ließ die Spinne auf die Hand krabbeln und überreichte sie ihren Vater.
"Hab dich lieb!"
Sie eilte aus dem Haus hinüber zu Niklas, der gerade die Küchentür betrat. Er war kurzzeitig überrascht, dass sie nicht schon in dem Haus war.
"Und was hast du erzählt?" Sie setzte sich auf den Stuhl. "Dass ich zum Bier trinken vorbeikommen wollte und ihn so fand." Seine Freundin nickte. "Dann ist für heute alles getan. Lass uns ins Bett."
Für Gamia war die Nacht kurz. Sie schlief nicht lange und dadurch bekam sie mit, wie etwas oder jemand auf dem Dach landete. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es zwei Uhr abends war. Gamia spürte die Anwesenheit eines weiteren Todesengel und wollte sich gerade auf das Dach teleportieren, aber die Aura bewegte sich weiter fort. Gamia vernahm, dass der Gast vom Dach runtersprang und teleportierte sich außerhalb des Hauses. Kampfbereit hielt sie ihre Sense im Griff. In dem Moment trug sie nur ihr schwarzes Nachthemd, was sie wenig kümmerte.
"Hoppala, hab ich dich erschrocken? Sorry." ertönte Frederics fröhliche Stimme und Gamia löste ihre Anspannung. "Was führt dich um die Uhrzeit hierher?" Frederic nahm sein neues Handy zur Hand, welches Gamia ihn mit Niklas organisiert hatte, damit er seinem Tätowierer schreiben konnte. Trotz seiner Vorfreude kam es erst vor kurzem zu einem Kontakt, was mitunter daran lag, dass Frederic damit beschäftigt war, die Technik des Handys zu verstehen.
"Er hat mir eben geschrieben! Am achtzehnten November ist der Termin! Nimm dir da bloß kein Seelengeleit vor!" erzählte er euphorisch und Gamia brauchte einen Moment, um zu verstehen.
"Der Tätowierer?" Eifrig nickte Frederic.
"Eben? Um die Uhrzeit? Zeig!" Sie konnte es nicht recht glauben, aber dann sah sie die Nachricht von 1:38 Uhr und laut der Messenger-App war er immer noch online. "Nachtaktives Kerlchen."
Gamia hielt ihr Versprechen und begleitete ihren Onkel zum Tätowierer. Musuko grüßte beide und verbarg sein Grinsen, indem er sich umdrehte und sich dem Tablet zuwandte.
"Ich habe den Tod als Kunden, hehe." Er präsentierte Frederic das Motiv. Es war ein schwarz-weiß Motiv von einem Wesen mit Kutte, welches eine Urne mit den Namen Ferdi hielt, eine Abkürzung für Ferdinand. Musuko fand es amüsant, dass der Tod sich etwas mit dem Tod stechen ließ. Frederic entschied sich für den rechten Oberarm und verzog anfangs das Gesicht.
"Sie haben gute Musik an. Den Song kenne ich. Die Band höre ich auch." Musuko lächelte.
"Duzt mich und freut mich." Kurz darauf redeten sie über die Musiker, die sie hörten. Gamia konnte nur zuhören und musterte die Bilder an der Wand.
"Welche Bedeutung hat denn der Name auf der Urne?" fragte Musuko ihn, als er gerade dabei war, diesen zu stechen. "Mein Ehemann hieß Ferdinand, aber er wurde bereits erlöst äh also ist gestorben." Frederic verhaspelte sich leicht und Gamia schmunzelte. "Ich bin auch verheiratet, aber erst seit einem Monat. Ich habe mir auch ein Partnertattoo mit ihm stechen lassen. Am coolsten war die Reaktion meines Tätowierers. Er hat mich beglückwünscht und meinte dann, ist ihm doch Latte, wo ich mein Gemächt drin versenke." Frederic lachte und schwelgte in Erinnerung.
"Das Intime vermisse ich am meisten." Gamia errötete.
"Onkel!" zischte sie, aber Frederic ließ das unbekümmert.
"Vertiefen wir das Thema nicht weiter." murmelte Musuko lächelnd.
Frederic verabschiedete sich nach der Session und Bezahlung. Gamia folgte ihm. "Da hättest ja fast alleine gehen können." merkte sie an und ihr Onkel entschuldigte sich. "Tut mir leid, dass wir nicht viel geredet haben. Wer hätte gedacht, dass der Musuko so cool ist? Schade, dass er vergeben ist."
"Onkel!"
Musuko schloss den Laden und lief die Treppen zur Wohnung hinauf. Heather kam ihn entgegen. "Hi Heath! Wie wars mit Mikel?" Sie zog ihre Schuhe an. Mikel stand an der Wand im Flur. "Wir haben meditiert, zu Mutter Natur. Und er hat mir was zum räuchern erklärt." Sie nahm ihre Jacke und umarmte Musuko kurz. Musuko war mit Mikel alleine.
"Hast du ihr deinen Glauben nähergebracht?" Musuko gab ihn einen Wangenkuss. "Ja, sie war sehr fasziniert."
Beide begaben sich in die Küche und Musuko bediente sich an der veganen Bolognese. "Ich hatte heute einen richtig coolen Kunden. Schwarze lange Haare, leicht geschminkt, cooles Outfit und Metal-Fan. Wir konnten uns so gut über die Bands die wir hören unterhalten. Er war sogar auch mal mit einen Mann verheiratet. Ihr hättet euch auch verstanden." Freudig erzählte Musuko davon und biss in seine Nudeln.
"Und am liebsten hättest du ihn nicht nur mit deiner Tattoonadel gestochen, oder?" Mikel starrte Musuko mit geweiteten Augen und runterhängenden Mundwinkeln an.
"Nein, bestimmt nicht."
"Aber du denkst bestimmt manchmal daran, dich bei wem anders zu erleichtern, oder?" Musuko fiel fast die Gabel aus der Hand.
"Stop, das Thema haben wir doch durch. Du bist Ace und wir haben keinen Sex in der Ehe, alles schirr. Mich stört es nicht und wenn mich die Lust überkommt habe ich immer noch meine rechte Hand. Mikel, wir sind jetzt fast sechs Jahre zusammen ohne, dass ich mich mit wem anders befriedigt habe und das wird auch in sechzig Jahren nicht anders sein." Er griff nach Mikels Händen.
"Ich könnte dich nie verletzen oder betrügen. Du bist der Mensch, wo ich mir einen Arschtritt geben lasse, über meine Bindungsängste zu gehen und zu heiraten." Mikel senkte gerührt den Kopf.
"Trotzdem schwärm nicht so von anderen Männern vor meiner Anwesenheit, das kann ich nicht leiden." Musuko nickte. "Ok, kommt nicht wieder vor. Tut mir leid." Ein Lächeln überkam Mikel. "Hoffentlich. Die einzig andere Person, die ich an dir akzeptiere ist Heather." Musuko nickte nur und biss in die Nudeln, während Mikel ins Schlafzimmer lief.
Gamia beobachtete Niklas vom Dach der Scheune aus wie er mit dem Schlachter sprach und zwei der Kühe geschossen worden. Sie bemerkte den weißen Tod, der ihre Aura ebenfalls wahrnahm. Die Zeit für ein Gespräch war jedoch nicht gegeben. Der weiße Tod kehrte zu Mutter Natur im Garten Eden zurück. Mutter Natur genehmigte sich ein Schlammbad mit Berta, während Tiffany mit Viktorius im Gras saß.
"Ihr dürft mitbaden wenn ihr wollt." merkte Berta lächelnd an, aber das Paar bevorzugte es, ihre Kleider anzubehalten. Viktorius errötete sogar leicht. Der weiße Tod selbst kniete sich auf Gras und beobachtete Mutter Natur. "Ich spürte die Anwesenheit von Ginas Tochter." Mutter Natur nickte.
"Der Sensenmann selbst kommt mich später besuchen. Wir haben etwas zu besprechen.
Mutter Natur wartete in einer Waldlichtung auf Gevatter Tod. Ein Tor tat sich auf, aus welchen der Sensenmann trat. Das Tor schloss sich und der Tod stand samt Sense vor Mutter Natur. Mit einem Lächeln umarmte sie ihn zur Begrüßung. Eine Umarmung, die erwidert wurde. "Ich war immer glücklich darüber, dass ich dich anfassen konnte ohne zu töten." Beide setzten sich knieend gegenüber. Der Tod legte die Sense zur Seite.
"Wie ergeht es dem Totenreich?"
"Wie besprochen haben die Todeswesen nicht davon erfahren, dass die Menschen die Freitod begehen fortan nicht mehr ins Totenreich kommen. Nach und nach werden eben jene Todeswesen erlöst. Das Zwischenreich besteht fast nur noch aus Sündern und Todesengeln." Mutter Natur nickte. "Ihr kommt zurecht im Totenreich oder benötigt ihr Hilfe?" Sorge lag in ihrer Stimme.
"Wir kommen klar. Danke der Nachfrage. Die Bevölkerung selbst geht zurück. Sag, wie fühlst du dich?" Der Tod blickte in Mutter Naturs zärtliches Gesicht. "Ich erhole mich Stück für Stück. Ich genieße die Zeit mit meinen Venefica. Komplett erholen werde ich mich aber nur können wenn wir über das weitere Vorhaben sprechen und dieses durchführen." Ihr Gegenüber nickte. "Ich brauche deine Hilfe um sie zu rufen." Mutter Natur rückte näher an den Tod heran.
"Ich kann immer nur einen von ihnen rufen."
"Das ist in Ordnung. Ich möchte nicht, dass sie alle gleichzeitig über die Welt einher fallen." Sie umfasste seine Knochenhände.
"Mit ihren scheinen werden auch Plagen über die Welt einher fallen."
"Dessen bin ich mir bewusst." Ihre Augen spiegelten ein Flehen wieder. "Mutter Natur bist du dir dessen wirklich sicher? Ist die Apokalypse einmal eingeläutet, ist sie nicht zu stoppen. Möchtest du dies den Menschen und der Welt, deine Kreation, antun?" Er ließ ihre Hände los. Sie senkte den Kopf.
"Gäbe es eine andere Lösung, würde ich sie bevorzugen. Ich möchte meine Geschöpfe nicht leiden lassen, aber ich werde mich nie vollständig erholen können, wenn das menschliche Leben nicht entschwindet. Vielleicht mag ich erholter wirken, wenn ich im See bade, aber die Erde leidet nach wie vor. Alle leiden und du weiß, das alles ein Ende hat."
"Und dass das Ende nur ein Neuanfang ist." Mutter Natur nickte. "Die Erde, das Leben, muss enden, damit daraus was Neues entstehen kann." Beide blickten sich entgegen.
"Verstehe. Wenn du dir dem wirklich sicher bist, rufe ich den ersten für dich herbei."
"Ja, bin ich." Sie rückte zurück und der Sensenmann legte beide Knochenhände auf den Waldboden. Alles um diese Hände herum verdorrte und Mutter Natur beobachtete, wie der Tod innehielt und mit den bloßen Knochenhänden ein versiegeltes Portal erschienen ließ. Das versiegelte Portal war schwarz und zeigte verschwommen hustende, von Geschwüren überdeckte Menschen aus ärmlichen Zeiten. Das Siegel zeigte den Kopf einer rabenähnlichen Gestalt. Mit markanter Stimme sprach der Tod.
"Komm!"
Das Siegel brach.