Durch Harenstone waberte der anregende Duft von Zitronen. Genauer gesagt, von saftigen, frischen, köstlichen Zitronenmuffins. Verantwortlich dafür war ich. Ich hatte bis halb eins geschlafen, dann war ich von jetzt auf gleich hellwach gewesen und hatte nicht mehr schlafen könnnen. Alle anderen hingegen befanden sich noch im Tiefschlaf und da ich mich irgendwie von all den katastrophalen Ereignisse ablenken musste, beschäftigte ich mich eben mit Backen.
Nach langwieriger Sucherei hatte ich alle Zutaten in den Schränken gefunden und inzwischen befand sich bereits das siebte Blech mit zwölf wunderschönen Muffins im Ofen.
Sam lag immer noch im Wohnzimmer auf den Decken und wechselte zwischen Schlaf- und Wachphasen. Aber es schien ihm schon wesentlich besser als heute früh zu gehen. Offenbar hatte Gabriel gute Arbeit geleistet. Der Erzengel hatte Sams Schnittwunden mit einer Auflage aus hauchzartem Material versorgt, das sich eigenständig an die Wunden schmiegte. Da alle schliefen und mich das schlechte Gewissen plagte, hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, regelmäßig nach Sam zu schauen, ihn zum Trinken zu animieren und zu prüfen, ob sein Fieber stieg. Allerdings hielt er mich bei jedem Kontakt für Penny und beteuerte immer wieder, wie froh er war, dass ich, also Penny, da war.
Ich hängte die Ofenhandschuhe an ihren Haken und fuhr mir mit dem Arm über die verschwitzte Stirn. Backen hatte etwas Beruhigendes an sich, fand ich. Man arbeitet einfach ein Rezept ab, Schritt für Schritt. Es gibt einen Plan, eine handfeste Vorgehensweise. Keine nötige Improvisation, tückische Nischen, keine Ausnahmen, keine versteckten Dämonen, die zwischen den Zeilen schlummern könnten.
Es entspannte mich.
So in meinem Trott versunken machte ich mich an das nächste Blech mit den nächsten zwölf Muffins. Doch meine mit Schweiß und Zeit erarbeitete Entspannung sollte nicht lang vorhalten. Plötzlich nämlich dudelte Skype auf meinem Laptop los, den ich mit dem Rezept zum Ablesen neben die Mikrowelle gestellt hatte.
Da mich das laute Geräusch erschreckte, rutschte mir die Papierform des Muffins aus der Hand und landete kopfüber auf dem Blech, sodass der ganze Teig herauslief. Leise schimpfend schaute ich zu meinem Laptop. Der zeigte das Anrufsymbol von Owen Delaney. Ihr wisst schon. Mein Chef.
Auweia. Den hatte ich ja völlig vergessen.
Ich zog die Schürze mit den aufgedruckten Erdbeeren aus, setzte ein höfliches Lächeln auf und nahm den Videoanruf an. Owen Delaneys markantes, glattrasiertes Gesicht blitzte auf dem Bildschirm auf. Im Hintergrund befand sich eine Fensterfront, die einen perfekten Ausblick über London bot. Scheinbar saß Owen in seinem Büro an seinem Schreibtisch.
»Hi, Owen.«
»Was geht ab, Jennifer? Lange nichts von dir gehört.«
Was geht ab? Da schien sich jemand an die Jugendsprache anpassen zu wollen. Irgendwie passte das aber gar nicht zu Owen und seinem Busines-Look, bestehend aus einem weißen, maßgeschneiderten Hemd, grauer Kravatte, zurückgegelten Hararen und der dicken Uhr am Handgelenk.
Die Arme verschränkend antwortete ich: »Nichts eigentlich. Ich war schwer beschäftigt.«
Owen verengte die Augen und stützte sich auf seinen Schreibtisch.
»Hm«, brummte er nachdenklich, mich beobachtend. Dann wechselte er plötzlich das Thema und fragte: »Wann kommst du wieder vorbei? Trish hat schon nach dir gefragt. Sie könnte deine Hilfe gut gebrauchen.«
Ich griff nach Schüssel und Waage.
»Wie wäre es mit Dienstag?«, schlug ich vor. Owen nickte.
»Wunderbar. Bring Zeit mit. Wir müssen eine Inventur im Keller machen.«
Ich stimmte zu. »Gut. Dann also Dienstag.«
»Prima.« Owen lehnte sich vor und musterte etwas hinter mir. Neugierig forschte er: »Sag mal, wo bist du denn? Das sieht ja so anders aus als bei dir zuhause.«
Ich hielt inne und runzelte die Stirn. Dann stellte ich eine Gegenfrage. »Woher weißt du denn, wie es bei mir zuhause aussieht?«
Owens Antwort kam verzögert. Das machte mich schon misstrauisch, doch da erklärte er: »Ach, ich hatte das ein oder andere Mal Briefings mit deinem Vater wegen des Designs seiner Buchdeckel. Das ist alles.«
Ich murmelte nur: »Aha« und wog das Mehl ab, ehe ich hinzufügte: »Ich bin bei Freunden.« Konnten diese starrenden Augen nicht endlich von meinem Laptop verschwinden?
Owen zog eine erkennende Miene.
»Achso, ja cool. Naja, wie auch immer. Wir müssen leider aufhören, ich habe jetzt ein Meeting. Viel Spaß noch bei deinen Freunden und bis Dienstag!« Mit diesen Worten beendete er das Gespräch und der Bildschirm wechselte wieder zu meinem Rezept. Plötzlich fielen mir die Muffins ein. Ich schnappte erschrocken nach Luft, rannte zum Ofen und riss ihn auf.
»Oh Mist!«, jammerte ich, zog die angebrannten Muffins aus dem Ofen und stellte sie mit einigem Scheppern auf die Kücheninsel. Wütend pustete ich mir eine Haarssträhne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Schmuddelknoten gelöst hatte. Na großartig. Jetzt hielt Owen mich mit seinen Blicken auch noch vom Backen ab!
Ich legte den Ofenhandschuh beiseite und betrachtete mein Werk, das in der ganzen Küche auf Theken, dem Küchentisch, den Barhockern und auf dem Herd stand.
Zweiundsiebzig essbare Muffins, zwölf verbrannte und noch mal zwölf, die in den Ofen mussten. Jetzt musste ich nur noch überlegen, wie ich die wieder loswurde.
Hinter mir ertönte ein Gähnen, dann tauchte Nighton im Flur auf. Er kam aus Richtung des Wohnzimmers. Scheinbar hatte er gerade nach Sam geschaut.
Überrascht runzelte ich die Stirn. Ich hatte Nighton gar nicht die Treppe runterkommen hören. Musste an seinen Schleicherei-Fähigkeiten liegen. Er hatte sich inzwischen neben seiner Jogginghose ein schwarzes Achselshirt angezogen und wirkte noch etwas verschlafen. Ich ertappte mich dabei, diesem Umstand als schade zu empfinden, was mich direkt wieder ärgerte.
Im Türrahmen zum Flur blieb er stehen und blickte mit geröteten Augen auf das Küchenschlachtfeld.
»Was ist hier passiert?«, krächzte er.
»Ich habe gebacken«, erklärte ich unnötigerweise und band mir die Schürze wieder um. Nighton fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und gähnte nur erneut als Antwort. Er kam näher, setzte sich aus dem Stand auf einen der Barhocker und stützte sich mit beiden Unterarmen auf der Theke vor sich ab.
Ich warf einen Blick auf seine Schnittwunden und bemerkte: »Die sehen nicht gerade gut aus. Warum zeigst du sie nicht Gabriel?«
Nighton setzte eine missmutige Grimasse auf und schaute selbst auf die verkrusteten Wunden. Er brummte: »Und noch mehr Schwäche zeigen? Ganz bestimmt nicht. Sollen die Dinger halt heilen wie bei einem Mensch. Sie stören ja nicht. Könnten sogar ganz ansehnliche Narben werden.«
Zweifelnd zog ich eine Augenbraue hoch. Das war hoffentlich ein Witz. Wer stand denn auf Narben? Anstatt weiter drauf einzugehen, wechselte ich das Thema.
»Erzählst du mir, was gestern passiert ist?«, fragte ich und fing an, die etlichen Muffins in Dosen zu räumen.
Nighton griff sich an den Nacken.
»So genau weiß ich das selbst nicht. Es war ein heilloses Chaos. Eigentlich waren Mel, Niv, Penny, Evelyn und ich an der Themse, um dort eine Horde Dämonen einzudämmen. Mittendrin hat sich Sam aus dem Nichts bei Penny gemeldet und irgendwas davon gefaselt, er sei im Hyde Park und habe Kleidung von dir gefunden und dass er auf Dämonenspuren gestoßen sei. Auf die eines großen Dämons. Wir sind natürlich direkt hin, aber da war es schon zu spät. Der Baphomet hatte ihn schon gekriegt. Sam hatte keine Chance.«
Ich schluckte. Armer Sam.
»Von einem Baphomet habe ich noch nie gehört.«
Nighton erklärte: »Das ist eine gefährliche Kreatur, die die Höllenkreise eigentlich nicht verlassen sollte. Baphomets haben den Unterkörper einer Ziege und den Oberkörper eines Menschen. Eines sehr muskulösen Menschen. Sie sind wild, bösartig und nutzen meistens ihre Hörner zum Aufspießen ihrer Opfer. Und wenn ihnen das nicht gelingt, zerfetzen sie sie mit ihren Krallen. Das in etwa ist Sam passiert. Und sie kommen nie allein.« Ein düsterer Blick schlich sich in Nightons Augen. Er strich sich über die Wunden an seinen Armen, ehe er fortfuhr.
»Ein Baphomet bringt immer seine dämonischen Ziegenjünger mit. Die sind deutlich mehr Ziege als Mensch, haben aber keine minder dämonische Präsenz. Die Ziegenjünger sind schnelle, gnadenlose und schwer zu bezwingende Gegner. Vor allem, wenn sie in großer Zahl auftauchen, und das tun sie meistens. Du kannst dir also vorstellen, was es für ein Gemetzel war. Wir waren bis in den Morgen beschäftigt. Am Anfang hatten wir eine kurze Pause, wo ich schon dachte, dass es das war. Da schickte ich Melvyn zu dir. Er kam nur leider nicht zurück.« Der düstere Ausdruck in Nightons Augen intensivierte sich, wich aber, als sein Blick auf mich fiel. Er musterte mich und die entstehende Wärme in meiner Mitte ließ mich woanders hinsehen, damit ich nicht errötete.
»Aber Melvyn ist mein Problem, und der Baphomet sowie die Ziegen sind Geschichte. Was macht deine Bisswunde?«
Unwillkürlich griff ich mir an den Bauch. Der Biss hatte vorhin plötzlich angefangen zu bluten, weswegen ich ihn notdürftig mit Toilettenpapier und Panzertape verbunden hatte, da ich nichts anderes hatte finden können. Trotzdem winkte ich ab und versicherte: »Mir geht es gut. Er hat ein wenig nachgeblutet, aber so schlimm ist es nicht.«
»Soll ich es mir ansehen?«, bot Nighton an.
Ich schüttelte den Kopf.
»Passt schon. Es wird eine hässliche Narbe geben, aber hey, ich lebe noch, dank dir und Gabriel. Außerdem geht es mir lange nicht so schlecht wie dem armen Sam. Meinst du, er kommt durch?«
Nighton nickte, nach einem der Muffins greifend und ihn in den Fingern drehend. Überzeugt behauptete er: »Dahingehend ist sein Engel sehr stark. Er wird dafür sorgen, dass er überlebt. Aber Sam und die Dämonen beiseite - jetzt habe ich eine Frage.« Er beugte sich vor und ließ seinen Blick über das essbare Chaos schweifen. Zweifel bildete sich in seinen Augen.
»Wer soll die alle essen?«
Ich zuckte wieder mit den Schultern und witzelte: »Ihr könnt sie ja zu euren Dämonen-Vernichtungs-Missionen mitnehmen. In so braunen Lunch-Tütchen. Ich habe da hinten welche gefunden.«
Dafür erhielt ich einen ungläubigen Blick. Ohne auf meinen Vorschlag einzugehen fragte Nighton: »Wie viele sind das überhaupt?«
»Mit denen im Ofen sechsundneunzig. Minus die zwölf, die mir angebrannt sind.«
Er ächzte. »Wieso so viele?«
»Na, ich musste mich halt beschäftigen. An mir geht das Ganze auch nicht spurlos vorbei und ihr habt alle geschlafen!«
»Ja, aber wieso denn nur auf diese Art? Wieso bist du nicht spazieren gegangen oder hast dir einen Film angesehen oder von mir aus Tonleitern auf dem Flügel geklimpert?«
»Spazieren? Nach heute Morgen? Du hättest mich doch garantiert gelyncht, wenn ich die Türschwelle ohne deine wachsamen Augen im Rücken übertreten hätte. Außerdem haben wir hier keine sehenswerten DVDs, und wenn ich mich auf dem Klavier verausgabt hätte, wäre Sam garantiert aufgewacht und der Ärmste braucht alle Ruhe, die er kriegen kann. Warum gehst du nicht zu ihm und heilst ihn? Hast du es überhaupt mal probiert?«
Nighton stöhnte und rieb sich die Schläfen. »Als ob ich das nicht schon längst getestet hätte. Sieh mich doch an, ich kann nicht einmal mich selbst heilen. Sekeera lässt mich nicht. Seit unserem Gespräch draußen ist sie zwar präsenter, aber ich habe das Gefühl, sie will mich bloß überwachen«, murmelte er.
»Hm«, brummte ich. Kurz haderte ich mit mir, ob ich etwas dazu sagen sollte. Aber ein bisschen ging es ja hier auch um Sam. Also räusperte ich mich.
»Redet sie mit dir?«
Überrascht sah Nighton von dem Muffin auf. Er schien mit so einer Frage nicht gerechnet zu haben. Etwas unsicher antwortete er: »Nein. Nicht ein Wort.«
Ich schluckte, drehte mich weg und musste an Sekeeras forsche Art denken. Ob sie gerade zuhörte? Bestimmt, oder? Auf den Ofen-Timer starrend fuhr ich fort.
»Mir hat sie oft vorgeworfen, ich würde sie blockieren. Tatsächlich hat das meistens auch gestimmt und ich habe es nur nicht gemerkt. Vielleicht willst du insgeheim gar nicht, dass sie mit dir redet. Probier’s doch mal. Mauern senken und so.«
Im Rücken spürte ich Nightons bohrenden Blick. Aber ich wollte mich nicht umdrehen, ihn nicht ansehen. Nach ein paar Sekunden murmelte er verwirrt: »Wieso hilfst du mir?«
Ja, warum half ich eigentlich? Gute Frage.
»Keine Ahnung«, flüsterte ich zurück. Dann aber raffte ich mich zusammen und wandte mich wieder zu Nighton um, der mich mit unergründlicher Miene beobachtete, den halb gegessenen Muffin vor sich. Bevor ich mich weiter dazu äußern konnte, legte er schon den Kopf schief und erkundigte sich in beiläufigem Ton aus heiterem Himmel: »Auf einer Skala von eins bis zehn, wenn zehn für puren Hass und eins für gar keinen Hass steht, wie sehr hasst du mich noch?«
Mit einem Ofenhandschuh in seine Richtung wedelnd empörte ich mich: »Ha! Was ist denn das für eine beknackte Frage? Denkst du etwa, ich könnte meinen Verlust in Zahlen fassen?«
Nighton setzte eine zerknirschte Miene auf. »Entschuldige. Ich hatte nur den Eindruck, dass-«
»Sagen wir, eine solide fünf«, fiel ich ihm ins Wort. Mein Sinneswandel irritierte ihn offenbar ganz kurz, denn er blinzelte und hakte nach: »Fünf? Ist das gut?«
Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu und antwortete, den Ofen ausschaltend: »Es ist zumindest nicht scheiße. Natürlich ließe sich das alles in eine weniger hasserfüllte Richtung beschleunigen, wenn du, ich weiß nicht, mich zum Beispiel mit zu euren Missionen nehmen würdest.«
Natürlich entging Nighton mein Wink mit dem Zaunpfahl nicht. Aus seiner zuvor noch verschmitzten Miene entwickelte sich ein leicht angenervter Gesichtsausdruck.
»Jennifer!«, stöhnte er. »Geht das etwa schon wieder los?«
Ich ruckte einmal mit den Augenbrauen nach oben, lenkte dann aber ein: »Nein, heute bearbeite ich dich nicht.«
Er rollte mit den Augen und knurrte: »Wie großzügig.«
Mit seinem Geknurre entlockte er mir ein leichtes Grinsen. Ich beschloss, wieder das Thema zu wechseln, während ich die Muffins zum Abkühlen auf ein Gitter stellte.
»Wie geht es eigentlich weiter? Wie lange soll ich hierbleiben?«
Kurz schien Nighton nachzudenken. Er wirkte erleichtert über den Themawechsel. Schließlich antwortete er: »So lange, bis feststeht, wer hinter den Dämonenattacken steckt. Der nächste Angriff wird irgendwann kommen, nur dann müssen wir vorbereitet sein und versuchen, den Dämon zu schnappen. Vielleicht kann er uns zu seinem Meister führen, oder zu dem, was auch immer ihn kontrolliert. Bis dahin allerdings werden wir größte Vorsicht walten lassen. Ich will wirklich nicht, dass dir nochmal etwas zustößt.«
Stirnrunzelnd wandte ich ein: »Das weiß ich zu schätzen, aber - dir ist schon klar, dass ich trotzdem noch das Haus verlassen muss?«
»Ja«, erwiderte Nighton und legte den Kopf schief. Der Blick seiner intensiv grünen Augen bohrte sich in meine. »Aber diesmal mit mir als Wächter. Wird wohl Zeit, dass ich doch wieder in mein altes Amt zurückkehre.« Er setzte ein leider sehr heißes, verheißungsvolles Lächeln auf, bei dem ich geräuschvoll schlucken musste. Konnte er mich bitte nicht so anschauen? Um nicht rot zu werden, stürzte ich mich auf seine Worte, über die ich mich mehr freute, als ich zugeben würde.
»Ach, auf einmal doch? Hast du nichts Besseres zu tun?«
Nighton verschränkte die Arme. Im nächsten Moment wirkte er plötzlich wieder betroffen, als er erwiderte: »Doch, eine Menge sogar. Aber davon ist mir nichts wichtig. Wenn ich gestern Nacht da gewesen wäre, wäre das alles garantiert nicht passiert.«
Ich sah ihm in die Augen. Ein Teil von mir bäumte sich auf und wollte auf ihn zugaloppieren und ihn auffressen, doch der andere, zum Glück Größere, schwenkte ein REISS-DICH-ZUSAMMEN-Schild. Und der siegte.
Trocken entgegnete ich: »Da fühle ich mich aber geehrt. Ich dachte, du hättest als großer Yindarin keine Zeit mehr für mich Fußvolk.« Für meinen unüberhörbaren Spott erhielt ich einen gespielt strafenden Blick. Jedenfalls hielt ich ihn für gespielt. Nighton pulte den Rest des Muffins aus dem Förmchen und erklärte dann beinahe süffisant: »Ich habe mich entschlossen, für deine Art Fußvolk eine Ausnahme zu machen. Das könnte auch meiner Beziehung zu Sekeera zuträglich sein. Außerdem bin ich einfach zu gut darin, auf deinen Hintern aufzupassen.«
»Pff«, machte ich, den Kommentar zu Sekeera absichtlich überhörend, und stemmte die Hände in die Seiten. Jetzt übertrieb er aber!
»Das würde ich so nicht unterschreiben.«
Nighton verstand direkt, worauf ich anspielte. Ihm verging das Lachen. Eine zerknirschte Miene machte sich auf seinen Gesichtszügen breit und er murmelte, auf seine Hände schauend: »Touché.«
Unangenehmes Schweigen breitete sich aus, das ich damit unterbrach, indem ich das Thema zum dritten Mal wechselte und ohne nachzudenken anmerkte: »Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Spaß beim Hinterherlaufen. Ich habe die Woche nämlich einiges vor. Dienstag zum Beispiel bin ich bei Owen-«
»Owen? Wer ist das?«
Nighton hatte mich direkt unterbrochen. In seinen Augen funkelte es plötzlich stählern und eine erstaunliche Kühle hatte in seiner Stimme mitgeschwungen.
Etwas irritiert erklärte ich: »Mein Aushilfsjob-Boss? Der Sohn von Matthew Delaney, dem Medienmogul? Der Inhaber von Ratherburg&Fitz? Das Möchtegern-Model? Hat Sam echt nichts von ihm erzählt?«
Nightons Blick bereitete mir Unbehagen, auch wenn ich gar nichts gemacht hatte. Was hatte er denn nur? War er etwa eifersüchtig? Aber wenn ja, warum nur? Worauf, vor alledem?
»Nein, hat er nicht«, sagte er leise. Im nächsten Moment stand er auf und verkündete, nach Sam sehen zu wollen. Ich hielt ihn zurück, indem ich seinen Namen aussprach. Nighton schaute über die Schulter. Die Hände in die Seiten stützend und mir ein Grinsen verkneifend, forschte ich: »Sag mir bitte nicht, dass das gerade Eifersucht war.«
»Was?!«, schnappte Nighton entrüstet. »Eifersüchtig? Ich? Auf was denn? So ein Blödsinn! Warum auch? Es ist immerhin deine Sache, was du mit wem machst, oder?«
Da mein Grinsen nur breiter wurde, schnaufte er und ging ins Wohnzimmer. Als ich mich beim Grinsen erwischte, räusperte ich mich und drehte mich schnell weg.
Was war denn das jetzt gewesen? Warum freute ich mich darüber, dass Nighton so reagiert hatte? Und wo war mein schwelender Ärger auf ihn geblieben?