Am frühen Abend verabschiedeten sich meine drei Freunde, nachdem Penny noch die gesamte Dekoration abgenommen hatte. Ich half ihr dabei, doch als sie schließlich mit Sam und Evelyn ging, verblieben nur noch Nighton und ich. Er ließ sich nach hinten in seinen Stuhl sinken und schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Und, alles klar?«, fragte er mit dieser ruhigen Stimme, die immer so viel mehr bedeutete, als sie zu sagen schien.
»Oh ja«, seufzte ich, glücklich und gleichzeitig erschöpft. »So klar wie schon lange nicht mehr.«
»Freut mich zu hören.«
Langsam lief ich auf ihn zu, ließ mich wieder neben ihm auf meinen Platz fallen und lehnte mich an ihn. Es fühlte sich so vertraut an, seine Wärme zu spüren, während ich den Schokoladenbrunnen und das absurde Plüschtier betrachtete, die beide ihren Platz auf dem Esstisch eingenommen hatten.
Ein ruhiges Schweigen legte sich über uns. Aber es war das gute Schweigen – das, in dem man keine Worte brauchte, weil alles Wichtige schon gesagt war. Mein Herz fühlte sich voller an, als es das schon lange nicht mehr getan hatte. Die Freude über diesen Abend saß tief in mir, und als ich schräg zu Nighton nach oben sah, murmelte ich leise: »Danke, Nighton. Wirklich. Das war die schönste Party, die ich mir je hätte träumen können.«
Ich spürte, wie er kurz ein Brummen durch seine Brust vibrieren ließ. »War nicht meine Idee«, erinnerte er mich mit einem schiefen Lächeln. »Penny kam damit an.«
»Ja, aber du hast mitgemacht«, entgegnete ich. »Du hast mich hergebracht und ein perfektes Schauspiel mit der Rechnung und dem ganzen Krisengipfel abgezogen. Hätte ich gewusst, dass das alles nur ein Vorwand war-«
Nighton unterbrach mich mit einem leisen Lachen. »Oh nein, der Krisengipfel ist echt. Er findet allerdings erst morgen früh statt«
Ich blinzelte überrascht. »Ach so?« Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte angenommen, das Ganze sei nur eine perfekte Ausrede gewesen, um hierherzukommen. Andererseits, die Party hätte man auch in der Kirche schmeißen können, wozu so weit reisen?
»Ja, um acht geht's los.«
»Und wie spät ist es jetzt?«, fragte ich, halb in Gedanken versunken.
»Spät genug. Und wir alle wären dankbar, wenn wir unsere Räumlichkeiten wieder in Besitz nehmen könnten«, erklang plötzlich eine monotone Stimme. Ich zuckte zusammen, als die Tür zum Foyer aufging und ein junger Typ mit Mittelscheitel, Hornbrille und einem One-Piece-Pullover auftauchte. Er lehnte sich mit vielsagender Miene an den Türrahmen, als käme er direkt aus einer Neunziger-Sitcom.
Nighton war unbeeindruckt. »Entspann dich, Mortimer. Wir sind gleich weg«, erwiderte er mit demselben monotonen Ton, ohne auch nur hinzusehen.
Ich konnte meinen überraschten Gesichtsausdruck nicht verbergen. Das war Mortimer? Der Keeper dieses ehrwürdigen deutschen Internats? Ich hatte mit jemandem gerechnet, der eher wie Miss Dawes wirkte – streng, mystisch, vielleicht ein wenig gruselig. Stattdessen stand da dieser fast schon gelangweilte Kerl, der so normal wirkte, dass es schon unheimlich war.
Dem Keeper entging meine Gesichtsentgleisung nicht. Ein seltsames, fast schadenfrohes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er seinen Blick fest auf mir ruhen ließ. »Willst du mir deine Begleitung nicht langsam vorstellen?«, fragte er an Nighton gewandt, ohne auch nur für einen Moment den Blick von mir abzuwenden. »Ich wüsste gerne, wen mein Dach beherbergt.«
»Das ist Jennifer Ascot«, erwiderte Nighton knapp, als wäre die Antwort für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Sofort blitzte etwas in Mortimers Augen auf, eine Mischung aus Erkennen und – war das Abscheu? »Ah, der gefallene Yindarin, Clementines problematischer Schützling. Interessant, dass du dich noch mit ihr abgibst. Man hört ja so einiges über euch beide.« Seine Worte trieften vor verstecktem Spott. »in Yindarin und ein Mensch... fast schon widernatürlich, findest du nicht? Hat man da noch Worte?«
Nightons Kiefer mahlte, und ich sah, wie sich seine Finger unbewusst an der Stuhllehne festkrallten. »Ein paar sogar«, knurrte er, seine Stimme vor Zorn eisig. »Wie wäre es mit 'Halt den Rand' oder 'Kümmer dich um deinen eigenen Kram'?«
Mortimers freudloses Lächeln wuchs, als hätte er genau auf diese Reaktion gewartet. »Ach, sei doch nicht so empfindlich.« Er hob die Schultern und fuhr betont beiläufig fort: »Hat Serge euch schon Zimmer zugewiesen?«
»Muss er nicht«, entgegnete Nighton. »Die meisten Zimmer sind leer. Wir suchen uns einfach eins aus.« Er klang, als hätte er lieber etwas oder jemanden zerschlagen wollen als zu reden. »Gab früher mal mehr Engel und Dämonen hier. Aber na ja, die Zeiten ändern sich.«
Der Keeper nickte gelassen. »Das stimmt.« Sein Blick wanderte zurück zu mir, und ich fühlte, wie mir eine unangenehme Gänsehaut den Rücken hinaufkroch. »Nun, fühlt euch wie zuhause. Aber bedenkt: Ich kriege alles mit, was in diesen Mauern passiert.« Er bohrte seinen Blick tief in meine Augen, als würde er meine Gedanken durchwühlen wollen. »Also benehmt euch.«
Die Abneigung, die ich schon bei seiner ersten Bemerkung gespürt hatte, vertiefte sich. Alles an ihm strahlte diese widerliche Arroganz aus, als hätte er die alleinige Macht über dieses Internat. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er wirklich so viel über uns wusste, wie er vorgab, aber... irgendwas an ihm war einfach falsch.
Zum Glück zog er sich nach diesem letzten, scharfen Kommentar endlich zurück, und Nighton bat mich, mich vorzulehnen, damit er aufstehen konnte. Sobald er stand, sich ein wenig streckte und die Spannung aus seinen Schultern schüttelte, fragte ich leise, aber unglücklich: »Wenn er wirklich alles mitkriegt, was hier passiert... bedeutet das, er würde es auch mitbekommen, wenn wir...?« Ich ließ den Satz absichtlich unvollendet, hob die Augenbrauen und sah ihn bedeutungsvoll an.
Nighton hielt kurz inne, seine Augen funkelten belustigt. Dann nickte er langsam.
»Ja, würde er.«
Ich zog einen Flunsch. »Na großartig. Hättest du das nicht vorher erwähnen können? Wie soll ich das denn bitte aushalten?«
Nighton konnte sich ein breites, süffisantes Grinsen nicht verkneifen. »Tut mir leid, der voyeuristische Keeper war nicht mehr auf meinem Schirm.« Er reichte mir seine Hand und zog mich mühelos hoch. »Das heißt wohl, wir werden die Zeit miteinander leider mit Reden verbringen müssen. Wie schrecklich!«
Ich knurrte leise. Na klar, das kam ihm ja gerade recht! Doch bevor ich ihm eine spitze Bemerkung an den Kopf werfen konnte, ließ ich es lieber dabei und sammelte meine Geschenke ein, während er den Koffer holte. Den Kuchen, diesen steinharten Klotz, wollte ich ebenfalls mitnehmen. Als Nighton zurückkam und mich damit sah, warf er mir einen zweifelnden Blick zu. »Den willst du doch nicht wirklich behalten, oder?«
»Doch«, entgegnete ich entschlossen, während ich den Kuchen in eine Tasche packte. »Der eignet sich super als Wurfgeschoss. Ich wette, damit könnte man die Zwillinge problemlos ausschalten. Oder man wickelt ihn in eine Socke und drischt damit auf Selene ein. Die Möglichkeiten sind endlos! Und außerdem«, fügte ich mit einem übertriebenen Lächeln hinzu, »ist das ein Kuchen, den du, der fiese, unnahbare Yindarin, höchstpersönlich für mich gebacken hast. Den hebe ich auf, bis er so hart ist, dass man ein Laserschneidegerät braucht, um ihn zu zerteilen.«
Nighton hob überrascht die Augenbrauen und lachte leise. »Du hast dir ja wirklich Gedanken gemacht.«
Ich grinste und zuckte mit den Schultern. »Kennst mich doch.«
Voll bepackt folgte ich Nighton die Wendeltreppe hinauf, die sich in einer schwindelerregenden Spirale bis in den ersten Stock wand. Der Marmorboden unten war einem Fischgrätenmuster aus dunklem Holz gewichen, das bei jedem Schritt ein leises Knarren von sich gab. An den Wänden hingen alte Waffen – Schwerter, Lanzen, Rüstungen – die mehr nach Mittelalter auf der Erde als nach den mystischen Ober- und Unterstädten aussahen. Fünf Türen gingen von dem quadratischen Flur ab, der von einem Kronleuchter beleuchtet wurde, dessen Kerzenlicht Schatten in den Raum warf. Wieder fragte ich mich, wo zur Hölle die ganzen Schüler dieses Internats steckten. In Dun'Creld hatte es zu keiner Zeit Ruhe gegeben, immer war etwas los gewesen!
Nighton steuerte auf die weiße Tür direkt gegenüber der Treppe zu, drückte sie auf und blieb wie angewurzelt stehen. Ich sah nur seinen Rücken und hörte das resignierte Ausstoßen seiner Luft. Neugierig wie immer quetschte ich mich an ihm vorbei – und erstarrte.
»Das... das kann doch nicht ernst gemeint sein?« Es fiel mir schwer, meinen Schreck zu verbergen.
Das Zimmer, erleuchtet von einem kleinen Erkerfenster, war winzig. Zwei schmale Betten mit Holzrahmen standen übertrieben weit auseinander, fast wie in einem alten Kloster. Beide waren mit mintgrünen Baldachinen überdacht, als hätte jemand versucht, es 'schick' aussehen zu lassen. Zwischen den Betten stand ein altertümliches Schminktischchen, darauf zwei Kerzen und ein Hocker, dessen Bezug exakt dasselbe Muster wie die Baldachine und die schweren Vorhänge hatte. Vor dem Fenster stand eine Kommode – oder vielleicht war es ein Waschtisch? Keine Ahnung. Auf ihm war ein Spitzendeckchen ausgebreitet, und obendrauf thronte eine weiße Porzellanschüssel, als wäre das hier irgendein Historienfilm.
»Was auf Gottes grüner Erde ... Mittelalter, ich grüße dich«, stöhnte ich fassungslos. »Das ist ja schlimmer als in Dun'Creld!«
Nighton ließ den Koffer wortlos neben dem Schminktisch fallen.
»Die müssen doch noch andere Zimmer hier haben!«, jammerte ich weiter und deutete auf die Betten.
»Nein.« Nightons ernüchternde Antwort ließ alle meine Hoffnung zerbröseln. »Die Zimmer hier sehen alle so aus.« Er klang so völlig ungerührt, als hätte er sich schon längst damit abgefunden.
Ich stieß einen wimmernden Laut aus und stellte meine Geschenke auf den Waschtisch ab, dabei stemmte ich die Hände in die Seiten. »Sag mir bitte, dass es hier wenigstens in der Nähe eine Toilette gibt«, brachte ich hervor, während mir eine grauenhafte Ahnung den Magen zusammenzog.
Nighton grinste dieses Grinsen, das mich zur Weißglut bringen konnte, und nickte. »Ja, beim Kastellanhaus. Weißt du noch? Da, wo wir reingekommen sind, gleich nach dem Fallgitter.«
Mein Mund klappte auf. »Was? Das ist doch nicht dein Ernst!« Ein gequältes Wimmern entkam mir, lauter als zuvor. »Und was, wenn ich mitten in der Nacht auf Klo muss?! Was stimmt denn nicht mit den Deutschen, warum haben die keine Toiletten in ihren Häusern?«
Nighton zuckte die Schultern und musterte mich amüsiert. »Tja, kein Sex, kein Klo – das wirst du schon überleben.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den Stoffhasen, der auf dem Bett lag. »Du kannst dich ja mit dem Ungetüm da trösten.«
Ich griff mir den Hasen, fest entschlossen, wenigstens über etwas Kontrolle zu haben. »Ja, werde ich auch!«, schnappte ich zurück und setzte mich auf das Bett, das weiter vom Türrahmen entfernt stand – das Bett am Fenster. Falls irgendetwas hereinkommen würde, dann fraß es zuerst Nighton als mich. Das war nur logisch, oder?
Nighton stand kurz etwas verloren in der Zimmermitte, dann räusperte er sich und kam auf mich zu. Kurz dachte ich, er wollte mir den Hasen wegnehmen, doch er hielt mir bloß beide Handflächen auffordernd entgegen, als wollte er, dass ich aufstehe. Verwirrt legte ich das Stofftier beiseite, griff nach seinen Händen und ließ mich in die Senkrechte ziehen. Ohne mir zu erklären, was er vorhatte, zog Nighton mich vor den Spiegel, der über dem Schminktischchen hing. Dort drehte er mich so, dass ich in den Spiegel schauen und mein verdutztes Gesicht mit den geröteten Wangen sehen konnte. Meine Verwirrung stieg. Was hatte er vor?
Nighton legte mir die Hände auf die Schultern. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Er bewegte seinen Mund neben mein Ohr, nach wie vor mit mir Blickkontakt haltend. »Bleib genauso stehen. Mach die Augen zu.«
»Aber-«
»Augen zu!«
Zögernd tat ich, was er sagte. Plötzlich war ich nervös. Ich hörte es rascheln, etwas wurde aufgeklappt. Schritte näherten sich mir. In meinem Nacken fühlte ich auf einmal warmen Atem, woraufhin Schauer meinen Körper überzogen. Mein Herz pochte schneller.
Im nächsten Moment war es, als zöge ein Schatten vor meinem Gesicht entlang. Dann spürte ich einen kleinen Gegenstand auf meinem Brustbein aufkommen, gefolgt von metallischer Kälte, die sich um meinen Hals und Nacken schloss. Kurz war ich versucht, die Augen aufzureißen, doch ich wurde ermahnt, sie geschlossen zu halten.
Allerdings begriff ich schnell, um was es sich da handelte: Es schien eine Halskette zu sein. Der Gedanke ließ ein aufgeregtes Grinsen auf meinem Gesicht keimen, bis ich mir auf die Unterlippe beißen musste. Er schenkte mir Schmuck?
Ich hörte, wie Nighton sich räusperte und dann mit Unsicherheit in der Stimme erklärte: »Also, ich bin nicht so gut darin, anderen Geschenke zu machen, weil ich – na ja, es kam bishernicht so oft vor, eigentlich noch nie, dass ich jemandem etwas schenken wollte. Ich habe viel und lange überlegt. Was hat eine Bedeutung, was ist dir von Nutzen, sowas eben... Du kannst übrigens gucken.«
Zaghaft öffnete ich die Augen. Mein erster Blick im Spiegel zielte in Nightons grüne Augen, die mir fast besorgt entgegenschimmerten, als hätte er Angst, ich könnte seine Geste zurückweisen. Doch dann nahm ich die Kette in Augenschein, die Nighton mir um den Hals gelegt hatte. Sie kam mir merkwürdig bekannt vor, aber etwas an ihr war anders. Am unteren Ende der Kette hing ein in Silber gefasster tropfenförmiger, hellgrauer Stein, der von innen heraus zu glühen schien. Er verströmte Licht, das sich bewegte und herumwaberte.
Die Augen leicht verengend murmelte ich: »Ich kenne diese Kette.«
Nighton nickte. »Das ist die, die Siwe dir in Oberstadt gegeben hat. Ich habe sie in London gefunden, als du deine Sachen gepackt hast.« Kurz zögerte er, dann fügte er leise hinzu: »Ich habe sie reparieren lassen. Das Werlicht im Inneren ist jetzt wieder aktiv.«
Ich musste schlucken und spürte Traurigkeit, aber auch tiefempfundene Freude in mir aufwallen. »Danke«, flüsterte ich.
Wieder trafen sich unsere Blicke. Nighton wirkte plötzlich verkrampft, doch da nahm er meine rechte Hand und führte sie vorsichtig zu dem Stein. Als meine Finger ihn berührten, fing der Nebel an, aus dem Stein zu entweichen. Erschrocken sog ich Luft ein und sah mit an, wie sich der Nebel zu Boden ergoss und langsam aufbaute, zu einer Gestalt, die mir mehr als bekannt war. Ein Keuchen unterdrückend schlug ich beide Hände vor den Mund und starrte dem Wesen aus Nebel in die Augen, das sich neben mir manifestiert hatte. Es sah so aus wie ich.
Es – es war Sekeera!
Mein Yindarin lächelte sachte und hob eine Hand an, um mir zu winken.
»Was siehst du?«, wollte Nighton mit flüsterleiser Stimme wissen. Scheinbar konnte nur ich sehen, was der Nebel geformt hatte. Ich schluchzte einmal, Sekeera anstarrend, die ein schmerzerfülltes Lächeln aufsetzte und eine Hand nach mir ausstreckte. Es war befremdlich und gleichzeitig so erfüllend, sie anzuschauen. In diesem Moment klaffte die Wunde ihres Verlustes so schmerzhaft auf wie nie zuvor.
Fast wie in Trance streckte ich ihr meine Hand entgegen, doch bevor sich unsere Hände berühren konnten, zerfiel Sekeeras Abbild und wurde wieder in den Stein gesogen. Ich schnappte nach Luft. Tränen rannen über meine Wangen.
Bestürzt drehte Nighton mich zu sich herum und beteuerte: »Ich – ich – tut mir leid, Jen, ich wollte nicht, dass du weinst, ich wusste nicht-«
»Sekeera«, unterbrach ich ihn flüsternd und merkte, wie sich unter den Tränen ein Lächeln auf meinen Zügen anbahnte, das von Sekunde zu Sekunde breiter wurde. Nighton riss die Augen auf. »Was?«
»Der Nebel hat Sekeera gezeigt. Ich konnte sie sehen! Sie hat mir gewunken!« Ich schniefte und lachte glücklich auf, fast wie von Sinnen. Nighton hatte mir meinen Yindarin geschenkt. Zwar nicht in Person, aber jetzt konnte ich Sekeera sehen, wenn ich das wollte! Diese Erkenntnis versetzte mir einen Schub. Ungestüm sprang ich in die Luft und schlang beide Arme um Nightons Hals, dass es den ein wenig nach vorn riss. Meine Füße baumelten nun in der Luft. Auch Nighton umarmte mich und hielt mich somit in der Schwebe. So umschlungen verharrten wir einen Moment. Glück pulsierte durch meinen Körper, und mit einem Mal fühlte ich mich leicht. So leicht.
»Danke, Nighton«, wisperte ich mit geschlossenen Augen, ehe ich meinen Griff lockerte, was für Nighton das Zeichen zu sein schien, mich wieder auf dem Boden abzustellen.
Liebevoll legte ich beide Hände an seinen Kiefer und sah ihm in die Augen. Ich lächelte ihn mit so viel Hingabe an, wie ich auszudrücken im Stande war. Sehr ernst raunte ich: »Ich liebe dich. Wirklich, das tue ich.«
Nightons Augen weiteten sich um ein Quantum. Er hielt meinen Blick für einen Moment fest, als würde er meine Worte in seinem Kopf hin- und herwälzen. Sein Ausdruck blieb wie immer undurchdringlich, doch da war dieses kaum merkliche Zucken in seinen Augen – ein winziger Moment, in dem ich glaubte, ihn durchschauen zu können. Es war echt, das spürte ich.
»Ich - ich dich auch, Jen«, rang er sich ab. Plötzlich löste sich sein Griff um meine Taille, und ich spürte, wie die Wärme zwischen uns zu schwinden begann. Er blinzelte kurz, fast als hätte er sich an etwas erinnert, das ihn aus diesem Moment herausriss.
»Ich muss noch was erledigen.« Seine Stimme klang fast entschuldigend, und seine Hand glitt sanft über meine Wange, bevor sie verschwand. »Bin bald wieder da.« Er küsste mich auf die Stirn, bevor er innerhalb eines Wimpernschlags die Tür öffnete und verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.