- Nighton -
Mit gerunzelter Stirn sah ich Jennifer hinterher. Etwas stimmte nicht. Ich kannte sie zu lange und zu gut, um ihren Worten blind zu vertrauen, wenn in ihrem Blick etwas verborgen lag. Ihr Verhalten hatte etwas Nervöses, Gezwungenes, als würde sie mehr zurückhalten, als sie preisgab. Doch hier und jetzt war kaum der richtige Zeitpunkt, sie zu durchlöchern – dafür war später in Harenstone noch genug Zeit.
Oh ja, sie verschweigt uns etwas. Ich kenne sie mindestens genauso gut wie du, und auch ich erkenne die Anzeichen. Da ist etwas im Busch, raunte Sekeera mit lauernder Stimme.
Ja, und erfahrungsgemäß sollten wir nicht lockerlassen, sagte ich, bevor ich Jennifers Lächeln erwiderte, das sie mir vom Container aus zuwarf.
Da setzten sich die anderen bereits in Bewegung, und ich tat es ihnen gleich. Die sechs Soldaten, die der eine menschliche Offizier mir zugewiesen hatte, folgten mir durch das weitläufige Baugelände. Die beiden Offiziere selbst hatten sich jeweils auf die Gruppen von Melvyn und Gil aufgeteilt. Es war an mir, die Soldaten zu den Silos zu führen, dem Punkt, an den wir den Grottenmahr locken wollten. Die anderen hatte ich bald aus den Augen verloren, da sie sich in verschiedene Richtungen verstreuten, um den Wurm auf die richtige Fährte zu bringen. Sekeera pulsierte in meinem Kopf, sie spürte die Anwesenheit des Dämons – er war ganz nah. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er auftauchen würde.
Ich trat absichtlich laut auf, ließ meine Schritte knirschen, und befahl den Soldaten hinter mir, es mir gleichzutun.
Vielleicht fangen diese Maden ja eine Schlägerei mit uns an. Warum provozieren wir sie nicht ein wenig?
Sekeera lachte gehässig.
Nein, reiß dich zusammen. Wir sind hier, um den Wurm zu erledigen, nicht für deine blutigen Fantasien, schärfte ich ihr ein.
Langweilig,
schnappte sie zurück, doch die Spannung in ihrer Stimme nahm nicht ab. Sie hatte ein untrügliches Gespür für das entwickelt, was mich umtrieb, und ich spürte ihre Unruhe wegen Jen.
Jede paar Meter sah ich über die Schulter. Der Anblick der Soldaten löste ein tiefes Misstrauen in mir aus, das ich nicht abschütteln konnte – egal, welcher Einheit von TI sie angehörten. Einer von ihnen, ein kräftig gebauter, tätowierter Mann mit einer markanten Brandbarbe, führte die Gruppe an. Er lief direkt hinter mir, besaß die Nummer Acht und hielt sein MG immer in Reichweite. Sein Blick war kalt und aufmerksam, und ich spürte ihn oft genug auf mir lasten. Die anderen Soldaten, alle mit Leuchtgeschossen, MGs und Granaten ausgestattet, hielten sich in disziplinierter Form dicht bei mir. Ihnen allen stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Zwei von ihnen trugen eine Tasche mit Sprengstoff.
Als wir an einem Betonmischer vorbeikamen, trat ich absichtlich kräftig auf und erzeugte ein dumpfes Stampfen. Der Grottenmahr würde jede dieser Vibrationen spüren, und ich wollte ihm den Weg ebnen. Die Aufmerksamkeit meiner menschlichen Begleiter blieb dabei wachsam auf die Umgebung gerichtet. Sie waren zwar alle nervös, aber ich erkannte in ihren Bewegungen trotzdem die professionelle Routine von TI – und ich war mir sicher, auch diese Menschen waren Tötungsmaschienen, genau wie die Jäger im Hyde Park damals. Auch wenn sie sich nur als Aufklärungstrupp bezeichneten.
»Und, wo steckt der Wurm, Alien?«, rief mir Nummer Acht zu. Ich schnaubte auf und drehte mich im Gehen zu ihm um, den Blick auf ihn gerichtet. »Ich mag die Bezeichnung nicht sonderlich, Mensch«, entgegnete ich ihm warnend.
Acht spuckte auf den gefrorenen Boden. »Interessiert nicht. Du bist ein Alien, genau wie die anderen, ob’s dir passt oder nicht. Weiter jetzt, bevor das Mistvieh halt London in Schutt und Asche legt.«
Ich finde, der Moment ist gekommen, in dem wir hier mal die Fronten klären sollten!,
rief Sekeera zornig und wollte mich mit ihrer Wut fluten, doch ich ließ sie nicht. Stattdessen hielt ich dem Blick des Soldaten einen Moment stand, dann wandte ich mich leicht grinsend ab. »Pass auf, dass ich deine Visage nicht in Schutt und Asche lege«, grollte ich dabei leise. Acht war allerdings zu sehr damit beschäftigt, die Frau mit der Kennung 11 anzuschnauzen, um mich zu hören.
Du solltest nicht nur darüber reden,
schnurrte Sekeera, nun auf einmal wieder mit ihrer üblichen, lüsternen Faszination, wenn es darum ging, Knochen zu brechen.
Wie lange willst du das Zerschmettern von Gliedmaßen nur herbeisehnen, ohne es zu tun? Der letzte Kampf ist viel zu lange her. Die paar räudigen Höllenhunde, denen wir in Unterstadt über den Weg gelaufen sind, zählen nicht.
Ich sagte, nein. Du kannst dich gleich beim Grottenmahr austoben, dachte ich, konnte mir aber ein weiteres Grinsen nicht verkneifen. Sekeera schwieg, und ich fühlte stattdessen ihr drängendes, unterschwelliges Pochen in meinem Geist, das wie ein Echo an mir nagte.
Ich sah kurz in den Himmel, stellte fest, dass es gleich wieder zu schneien beginnen würde. Ich hasste Schnee – die Dunkelheit darin, die Stille, die das Knirschen unserer Schritte unterstrich und die kühle Schärfe, die die Atmosphäre noch drückender machte. Nein, ich war wirklich kein Freund vom Winter. Und dieser Februar schien nicht vorzuhaben, wärmere Temperaturen zu bringen.
Plötzlich spürte ich eine Vibration unter meinen Füßen. Sie war kurz und bedrohlich. Ich blieb sofort stehen, das Adrenalin prickelte auf meiner Haut. Der Grottenmahr – er war zu früh dran! Er durfte noch nicht hervorkommen!
»Der Wurm ist sehr nah«, raunte ich so ruhig wie möglich. Die Anspannung in den Soldaten loderte auf wie eine Flamme. Ihre Schultern strafften sich, Finger glitten zu den Abzügen. Das brachte mich dazu, stehenzubleiben. »Es wird nicht geschossen! Schon gar nicht mit dem Yagransin! Falls ihr das abfeuert, wächst der Grottenmahr nur weiter!«, befahl ich direkt und bemerkte im selben Augenblick, dass das Narbengesicht mir nicht mal dazwischenfunkte. Er schien meine Befehlsgewalt plötzlich stillschweigend zu dulden. Gut für ihn.
Nachdem ich mich versichert hatte, dass ich verstanden wurde, bedeutete ich den Menschen mit einem Wink, weiterzugehen. Wir erreichten die Silos als erste, und sofort machten sich die Soldaten daran, die Sprengsätze an der Rückseite des größten Silos zu befestigen. Ihre Bewegungsabläufe wirkten effizient und routiniert, jeder Handgriff saß. Für den Moment überließ ich ihnen die Aufgabe und drehte ihnen den Rücken zu. Mit dem Blick durchkämmte ich dabei die weite, gespenstische Stille des Baugeländes.
Der Schnee fiel leise und schwer, legte sich wie ein dunkler Schleier über den Boden. Ich erfasste mehrere Bewegungen in der Ferne – aus verschiedenen Richtungen näherten sich die anderen, lautlos und wachsam. Ich erkannte Melvyn, Nivia, Gil und Sam, die jeweils einen Soldatentrupp herbrachten. Langsam hob ich den Kopf und sah in den Himmel. Hoch oben zog eine Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich: Penny und Elisae zogen dort ruhig ihre Kreise. Nur die Erzengel sah ich nicht. Die waren vermutlich gelandet oder dabei, sich zu uns zu gesellen.
Ich hielt inne und lauschte. Ein dumpfes Brummen zog sich durch die Erde, kaum spürbar, doch es reichte, um mein Blut in Wallung zu bringen. Die Menschen konnten es nicht wahrnehmen, dafür waren ihre Sinne zu stumpf, doch sie sahen mich, und das schien ihnen zu genügen, um zu verstehen, dass es gleich so weit war. Der Wurm war jetzt ganz nah.
Ich drehte mich um und wies die Soldaten an, die Yagransin-Patronen aus ihren Waffen auf dem Boden zu verteilen. Kaum hatte der Letzte sein Magazin geleert, verstummte das Rumoren unter uns plötzlich.
Dann ging alles sehr schnell.
Mit einem ohrenbetäubenden Lärm brach der riesige Grottenmahr durch die Erdoberfläche. Gesteinsbrocken und Erde flogen umher. Sein Brüllen hallte so laut durch die Nacht, dass es in meinen Trommelfellen vibrierte. Die Soldaten hinter mir stolperten nach hinten und stießen erschrockene Rufe aus, und noch bevor ich eingreifen konnte, schoss Nummer Acht zweimal auf den Wurm. Das hämmernde Stakkato prallte gegen den Wurm und stachelte ihn nur noch mehr an. Mit einem wütenden Kreischen warf er sich hin und her und schoss gegen einige gestapelte Betonplatten, die mit einem Krachen zu Boden fielen.
»Nicht schießen!«, brüllte ich zornig und ließ zu, dass Sekeera im selben Atemzug mein Äußeres übernahm. Der Grottenmahr spürte meine Anwesenheit, fletschte seine zahnbewehrten Mäuler in meine Richtung und schoss blitzschnell in den Boden zurück.
Ein Adrenalinschub durchfuhr mich, jede Faser meiner Muskeln straffte sich, und ich ging in die Knie, bereit zum Schlag. Das Zittern im Boden verstärkte sich, und dann durchbrach der Grottenmahr mit einem gewaltigen Krachen erneut die Oberfläche, direkt vor mir. Seine Kiefer schnellten vor, die Reihen scharfer Zähne blitzen auf. Ich begriff: Er wollte mich fressen.
Sekeera übernahm meinen Bewegungsapparat und ließ mich sofort zur Seite ausweichen, bevor sie mir nur den Bruchteil einer Sekunde später die Kontrolle zurückgab. Kaum hatte der Wurm mich verfehlt, setzte ich nach. In einer fließenden Bewegung griff ich in die Luft, packte in das knotige Gewebe seines Kopfes, und mit einem entschlossenen Ruck riss ich ihn in die entgegengesetzte Richtung. Der Wurm kreischte auf, seine Masse rollte seitlich ab, doch ich ließ ihn nicht los – mit einem weiteren Tritt gegen seine Flanke brachte ich ihn ins Wanken. Er war zwar riesig – aber ich war ein Yindarin. Mich verschlang niemand so schnell.
Der Grottenmahr bäumte sich auf, schleuderte seinen Körper wütend hin und her, doch ich wich mit einer Wendigkeit, die für ein menschliches Auge kaum wahrnehmbar war, erneut aus, schlug mit der rechten Faust gegen seine Kopfplatte und duckte mich tief, als er mit seinem Schwanz blindlings um sich peitschte. Dabei erkannte ich aus dem Augenwinkel alle fünf Erzengel, die in hohem Tempo heranstürmten. Michael hatte bereits sein Schwert gezogen und schwang es mit blitzender Präzision, bereit zum Schlag. Doch ein rascher Blick zu den Soldaten verriet mir, dass sie immer noch verzweifelt damit beschäftigt waren, die Sprengsätze zu montieren. Die Zeit lief uns davon!
Mit einem weiteren donnernden Aufschrei verschwand der Grottenmahr erneut unter der Erde, nur um wenige Meter weiter, nahe der verstreuten Yagransin-Patronen, wieder aufzutauchen. Zwei Soldaten erwischte er mit einem einzigen Biss, darunter Nummer Acht, verschlang sie im selben Atemzug, während ein Schwanzschlag zwei andere Menschen mit voller Wucht durch die Luft schleuderte. Die verbliebenen Soldaten, ein Mann und eine Frau, die bei den Sprengladungen beschäftigt waren, stießen Schreie aus, packten den Fernzünder und rannten in die entgegengesetzte Richtung. Der Silo blieb damit ohne Sicherung zurück.
Ich hielt die Luft an. Der Silo musste fallen! Es war unsere einzige Chance, den Wurm so in seiner Raserei aufzuhalten. Doch die Sprengsätze waren nicht aktiviert!
Gerade als ich das dachte, zuckte der Wurm wie ein Schatten über das Gelände und schoss mit rasender Geschwindigkeit auf Nivia und die Menschengruppe hinter ihr zu. Sie stieß die Menschen grob beiseite und sprang in die Luft, während von rechts Namilé und Ashila herangeschossen kamen und begannen, dem Wurm mit Pfeilen zu spicken. Doch es schien ihn nicht zu beeindrucken – mit einem weiteren tiefen Brüllen tauchte er wieder ab und brach kurz darauf zu meiner Linken bei einer Gruppe alter Balken aus dem Boden.
Wir mussten ihn festhalten, an Ort und Stelle fixieren, bevor er erneut untertauchte. Ein Plan musste her, und zwar schnell!
Die Seraph!,
rief Sekeera plötzlich.
Ihre Gesänge könnten den Dämon ablenken, ihn lange genug beschäftigen, damit wir den Turm kippen!
Das ist eine verdammt gute Idee, stimmte ich zu, bevor ich nach Penny und Elisae brüllte. Beide landeten sofort, und es bedurfte nicht mal langer Erklärung – sofort nahmen sie ihre Position ein.
Mit einem weiten Satz hechtete ich hinter das größte Silo und lehnte mich dagegen, bereit für den finalen Angriff. Jason und Raphael schienen verstanden zu haben, was ich vorhatte. Beide eilten an meine Seite, um zu helfen – auch wenn ich es vermutlich allein geschafft hätte.
Unterdessen glitten Elisae und Penny näher an den Wurm heran, die Arme ausgestreckt, und die eingetroffenen Menschen wichen unwillkürlich zurück, um den beiden Seraph Platz zu machen. Elisae strahlte eine gerade ehrfurchtgebietende Autorität aus, und ihre leuchtenden, fließenden Stoffbahnen hüllten sie ein Schutzschild ein. Penny folgte ihr, nicht minder beeindruckend, doch mit einer Wachsamkeit, die verriet, dass sie noch in der Rolle der Schülerin war, Elisaes Bewegungen aufmerksam imitierend.
Der Wurm knurrte wütend, den beiden Gestalten zugewandt, die ihn langsam, aber sicher Richtung Silo trieben. Elisae schwebte einige Zentimeter über dem Boden, ihre Füße kaum sichtbar, und die heiligen Tätowierungen auf ihrer Haut leuchteten in der Dunkelheit wie ein lebendiges Netz aus Licht. Als der Wurm Anstalten machte, wieder abzutauchen, begannen Elisae und Penny, einen wortlosen, komplexen Gesang anzustimmen. Die Töne waren einfach, aber die himmlische Harmonie, die sie bildeten, drang mir wie Dornen in den Schädel. Sekeera heulte auf. Ein unbarmherziger Schmerz begann sich in mir auszubreiten, und ich biss die Zähne zusammen. Ein Seraph vermochte mit seiner Stimme Dämonen zu bannen, und dieser Gesang da vor uns war mächtig genug, das Biest vor Schmerz und Wut aufheulen zu lassen.
Das Kreischen des Wurms schwoll in den nächsten Sekunden zu einem gequälten, fast markerschütternden Schrei an, und auch Melvyn, Gil und ich verspürten die Schmerzen, die den Wurm plagten. Elisaes Stimme hielt den Mahr fest, fesselte ihn wie unsichtbare Kette, und Penny gab alles, um es ihrer Anführerin gleichzutun. Lediglich die anderen Engel standen mit zufriedenen Mienen herum, als lauschten sie einer ganz besonders entzückenden Musik.
Der Wurm war endlich nahe genug am Silo, und mit einem kraftvollen letzten Stoß warf ich mich gegen den Metallturm. Jason und Raphael taten es mir gleich, und zusammen brachten wir das Silo mit einem ohrenbetäubenden Knall zu Boden. Es krachte auf die Mitte des Wurms, der in einem schrecklichen Geheul zweigeteilt wurde. Mehrere Glieder seines Körpers zerplatzten, dickflüssiges, schwarzes Blut spritzte in alle Richtungen, und ein widerwärtiger Gestank breitete sich aus. Die Luft erzitterte von seinem Kreischen. Als der Staub sich legte, verstummten die Seraph, und ich trat vor, um sicherzugehen, dass der Dämon erledigt war. Aus meinen Ohren sickerte eine warme Flüssigkeit, die in den Kragen meiner Jacke rann. Ich berührte die Haut an meinem Hals, und als ich meine Finger zurückzog, glänzte Blut mit silbrigen Schlieren auf ihnen. Verdammte Gesänge.
Doch kaum hatte ich mich dem Wurm genähert, sah ich, wie der Grottenmahr, halb zerquetscht, noch immer am Leben war. Mit einem letzten Kraftaufwand trennte er sich von der eingeklemmten Hälfte seines Leibes und begann, sich fortzuziehen. Ich spannte mich bereits zum Angriff, da schnellte Michael von oben herab, sein Schwert blitzschnell schwingend. Er landete direkt neben dem Wurm und stieß ihm die Klinge in die vielen aufgerissenen Mäuler.
Mit einem letzten Beben erstarb das Kreischen des Dämons, und kurz darauf blieb er reglos liegen.
Erwischt,
knurrte Sekeera triumphierend.
Jason, Raphael und ich traten hinter dem umgestürzten Silo hervor. Der Schnee fiel weiter und legte sich wie eine kühle, stumme Decke über die Szenerie, als der Kampf endgültig vorbei war. Ich nickte Michael zu, der zurücknickte und sich dann an Penny und Elisae wandte.
»Beeindruckend wie eh und je«, lobte er voller Anerkennung. »Eine gute Entscheidung, sie bei den Seraph aufzunehmen, nicht wahr, Elisae?«
Der silberhaarige Engel lächelte milde auf Penny herab. Penny, mit leicht aufgelösten Braids und glänzenden Augen, erwiderte das Lächeln. Aber ich sah ihr die Erschöpfung und Anstrengung an, die es gekostet hatte, an Elisaes Seite zu singen.
»Du blutest ja, Nighton«, bemerkte Sam da plötzlich und zeigte auf meinen Kopf. Ich brummte nur und erwiderte: »Ja, das kommt von dem Gejaule der beiden. Das ist nichts für Dämonen, weder beseelt noch unbeseelt.« Ich tauschte einen Blick mit Melvyn und Gil aus, die unter denselben Symptomen litten.
»Gejaule?«, hakte Penny ein bisschen beleidigt nach, doch in diesem Moment kam der grauhaarige Offizier und sein Anhang angelaufen und blickte sich fassungslos um. Der Blick des zweiten Offiziers fiel auf den leblosen Wurm, und sein Gesicht verzog sich vor Entsetzen. »Oh Gott, ein Monstrum!«
»Oh Gott? Wie paradox, dass einer wie du nun zum Großen Einen ruft, Mensch. Dabei dachte ich, vorhin gehört zu haben, wir seien die Gotteslästerung hier«, spottete Michael voller Herablassung, doch weder der eine noch der andere Offizier schien das gehört oder wahrgenommen zu haben. Stattdessen rief der grauhaarige Offizier: »Was ist mit meinen Männern passiert?«
Ich zuckte kaum mit der Wimper. »Vier wurden vom Grottenmahr verschlungen.« Ich sprach in einem neutralen Ton, meine Worte jedoch schienen den Offizier schwer zu treffen, denn seine Schultern sackten nieder.
»Das waren gute Männer«, murmelte er mit Bedauern und wies seine Leute an, die Toten, oder zumindest das, was von ihnen übrig war, zu bergen. Ich zog die Mundwinkel leicht herab, doch in Wahrheit kümmerten mich die toten Soldaten wenig.
Warum auch?,
knurrte Sekeera in meinem Geist.
Es sind nur Menschen. Menschen, die zu denen gehören, die Jennifer wehgetan haben und uns fangen wollen. Sie verdienen kein Mitleid.
Sehe ich ganz genauso, murmelte ich innerlich genauso düster und schlug im Anschluss vor, zurückzugehen. Es zog mich zu Jennifer.
Zurück bei den Containern fiel mir als Erstes die kindliche Oberste ins Auge, die bei Tharostyn stand. Ich hatte während der Jagd ganz vergessen, dass es einen Grund für das alles hier gab und nicht bloß eine Gefahrenabwendung gewesen war. Allerdings interessierte mich Isaras Anwesenheit eher weniger, stattdessen sah ich sofort zu Jennifer, die zwischen einer Planierraupe und einem Container stand, Evelyn an ihrer Seite, und mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht ins Leere starrte. Obwohl Evelyn mit ihr redete, war ich mir ziemlich sicher, dass sie nicht zuhörte. Der eisige Wind zerrte an ihren ungewohnt kurzen Haaren, und sie schien völlig in Gedanken versunken – ganz anders, als sie sonst war. Sie kaute sogar auf ihrer Lippe herum, etwas, von dem ich wusste, das sie es sonst nicht tat, weil es diese ‚harten Platten erzeugt, die man noch viel lieber abkaut, wenn sie erst mal da sind‘. Ihre Worte übrigens, nicht meine. Doch als Evelyn sie in die Seite stieß, sah sie auf. Ihr Blick fiel auf mich, und ihre Augen leuchteten für einen Moment auf. Dazu huschte ein sanftes, fast erleichtertes Lächeln über ihre Lippen. Sofort löste sie sich von der Stelle und kam zu mir. Sekeera ließ mich ihre Freude über Jennifers Anblick wahrnehmen, und ich drückte Sam im Gehen spontan die zwei Gewehre in die Arme, die ich bei den Silos vom Boden aufgehoben hatte. Er nahm sie etwas überfordert entgegen.
Sobald Jennifer mich erreichte, schmiegte sie sich an mich, als wäre ich ihr Anker in dieser Welt. Ich konnte nicht anders, als ihre Umarmung zu erwidern, fühlte, wie Wärme durch mich strömte, zusammen mit einer tiefen Erleichterung, sie wieder so nah bei mir zu haben.
Sie war etwas blass, aber sonst schien es ihr gut zu gehen. Zumindest das. Ich spürte den Drang, sie noch enger an mich zu ziehen, ihr zu signalisieren, dass alles gut war – doch ihre Stirn war in nachdenkliche Falten gelegt, und irgendetwas in ihrem Blick blieb abwesend. Sie war da, und doch … nicht ganz. Ein Schatten, den ich nicht benennen konnte, lag über ihrem Lächeln, das zwar aufrichtig schien, aber nicht die gleiche liebevolle Wärme ausstrahlte, die ich sonst von ihr kannte. Insgeheim nahm ich mir vor, sie in Harenstone zur Rede zu stellen. Geheimnisse waren noch nie eine gute Basis zwischen uns gewesen, und ich konnte nur hoffen, dass sie bereit war, mit mir zu reden.
»Wir haben Leute verloren«, begann der grauhaarige Offizier, und ich riss meinen Blick von Jennifer los, die sich an mich lehnte, mit einer Hand an meinem Arm verankert. Tharostyn nickte bedauernd.
»Ich konnte ihren Tod spüren. Es tut uns sehr leid. Aber die Gefahr durch den Dämon konnte abgewendet werden, und das ist alles, was zählt. Wo wir gerade dabei sind, darf ich vorstellen: das ist die Oberste Isara, die Herrin der Engel. Sie hat eine Bitte an euch Menschen.«
Isara stellte sich mit freundlicher Haltung den Menschen vor, das fließende, weiße Kleid ließ sie beinahe wie eine Erscheinung wirken, und das Diadem auf ihrem Kopf schimmerte matt im kühlen Licht. Hinter ihr postierte die Himmelswache, ganz in ihrer Manier als stoische Wächter. Wenigstens merkte man Isara gerade nicht an, dass sie sonst die emotionale Reife eines Kindes hatte. Sowieso musste ich zugeben, dass sie nicht einmal sonderlich nervös wirkte.
Die Soldaten blickten sich kurz verwundert und nervös zugleich an.
»Ich weiß, dass eure und unsere Spezies keine Freunde sind und sicher nicht so bald sein werden. Aber unsere Welt wird von einer Bedrohung heimgesucht, die bald die eure befallen wird, wenn keiner sie aufhält. Eine uralte Widersacherin von uns, eine dämonische Göttin namens Selene, plant in ihrer Festung einen Angriff auf das gesegnete Oberstadt, und zwar in naher Zukunft – sei es heute, morgen oder in einer Woche. Wir sind zu wenige, um ihr standzuhalten, und sehen keine andere Möglichkeit, als uns an euch Menschen zu wenden.«
Die beiden Offiziere tauschten einen erstaunten Blick, der eine von ihnen lachte leise, hohl.
»Moment. Soll das heißen, ihr Metawesen bittet UNS, die euch offiziell jagen, um Hilfe gegen eine Dämonenfrau? Ihr habt den Hybrid bei euch! Was braucht ihr denn noch?!«
Isara machte ein ernstes Gesicht. »Wir brauchen mehr Streitkräfte, oder wir werden überrannt. Helft uns, und wir werden euch reich belohnen, seien es Wertgegenstände oder Informationen über unsereins. Oberstadt ist ein Land der Hülle und Fülle.«
Schweigen kehrte nach Isaras Anliegen ein, und ich konnte sehen, wie es im Kopf vom grauhaarigen Offizier ratterte. Er war hergekommen, um einen Dämon zu stoppen, und nun stand jemand wie Isara vor ihm und fragte ihn so etwas. Schließlich stemmte er die Hände in die Seiten. Er wirkte mehr zögerlich als entschlossen.
»Das ist eine gewaltige Bitte, die Sie uns da stellen«, begann er langsam. »Ich kann so etwas nicht entscheiden. Mir unterstehen gerade mal die dreißig Männer und Frauen, die ihr hier seht, und die würden kaum ausreichen, um eine solide Streitmacht aufzubauen.«
Isara hielt seinen Blick fest und antwortete ohne Zögern: »Dann bitten Sie Ihren Anführer. Diese Bedrohung geht über uns alle hinaus und wird auch Ihre Welt erfassen, wenn sie nicht gestoppt wird.«
Der Offizier wirkte einen Moment lang nervös, und sein Blick wanderte kurz zur Seite, als suchte er einen Ausweg. »Ich kann nur eine Anfrage ans HQ stellen«, antwortete er leiser als zuvor, »aber ich wage zu bezweifeln, dass Herr Turano dieser Bitte nachkommt. Er hat nur ein einziges Interesse, das die Operation in dieser Dimension für ihn von Bedeutung macht…« Seine Augen verengten sich leicht, als er in meine Richtung nickte. »Den Hybrid.«
Ein unangenehmes Schweigen legte sich über die Gruppe, und ich spürte, wie die Blicke aller plötzlich auf mir lasteten.
»Den Yindarin? Nein. Nach den Gräueltaten, von denen ich gehört habe-«
Ich fiel Isara, die energisch gesprochen hatte, ins Wort. »Warte.« Ein Stich der Entschlossenheit durchfuhr mich, aber der Gedanke, mich TI zu stellen, verursachte ein drückendes Gefühl in meiner Brust. Ein leises Murmeln kam von den anderen um mich herum, die mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Verwirrung ansahen, als warteten sie darauf, dass ich etwas Entscheidendes sagen würde.
Du willst dich diesem Höllenkonzern stellen?,
rief Sekeera entsetzt.
Wofür? Du sagst doch immer, dass du keinem was schuldest, und das sehe ich genauso! Sie haben dich jahrelang gefoltert, und du willst jetzt für sie in die Bresche springen?
Ich weiß, dass es ein hohes Risiko birgt, aber hier geht es nicht nur um Oberstadt. Isara hat Recht. Und wenn wir TI auf unserer Seite haben, wer weiß, wie wir dann im kommenden Krieg dastehen, gab ich zu bedenken und schloss die Augen für einen Moment, bevor ich mich zwang, die Worte langsam und bewusst zu formen. »Wenn Turano Industries uns im Kampf gegen Selene und Asmodeus hilft … dann bin ich bereit, mich nach dem Krieg zu stellen.« Ich blickte zu dem Offizier und fügte entschieden hinzu: »Aber nur auf freiwilliger Basis. Ich werde für einige Untersuchungen zur Verfügung stehen, aber die Bedingungen lege allein ich fest.«
Um mich herum brandete nach meinen Worten eine Aura des Respekts auf, die von den anderen Dämonen und Engeln ausging. Selbst Raphael sah mich ernst an, ohne den Hohn und Spott, den er mir sonst entgegenbrachte. Sie alle hatten begriffen, welches Risiko ich bereit war einzugehen, und ich spürte die unausgesprochene Anerkennung in ihren Blicken. Das war mir zu viel. Viel zu viel. Jennifer hingegen zog heftig an meinem Arm, aber ich ignorierte sie. Der andere Offizier, der mich bisher misstrauisch beäugt hatte, nickte nämlich mit einem nachdenklichen Ausdruck. »Das könnte die Chancen natürlich steigern. Wir werden das so weitergeben. Keine Übernahme oder Festsetzung, sondern nur unter Ihrer Kontrolle, unter den von Ihnen bestimmten Rahmenbedingungen.«
Ich glaube, wir haben gerade einen Vertrag mit dem Teufel gemacht,
prophezeite Sekeera voller Sorge, während um mich herum Gespräche entstanden. Ein erneuter Ruck an meinem Arm lenkte meine Aufmerksamkeit jedoch um. Als ich hinabblickte, sah ich das Entsetzen und die Wut in Jennifers Gesicht. »Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt?«, warf sie mir mit unterdrückter Stimme vor, doch ich wendete meinen Blick ab und zwang mich, ruhig zu bleiben. Sie verstand es nicht, natürlich nicht – es war ja auch der komplette Irrsinn. TI würde in jedem Fall versuchen, mich zu bescheißen. Deshalb musste ich vorbereitet sein.
Ich schnappte mir Jennifer, deren Augen vor Unverständnis und Wut nur so sprühten, und zog sie ein Stück mit mir, weg von den anderen. Sie funkelte mich an, und bevor ich ein Wort sagen konnte, zischte sie: »Wie kannst du denen auch nur im Ansatz anbieten, dich nach dem Kampf auszuliefern? Das ist Turano, Nighton! Hast du vergessen, was die mir angetan haben und dir antun wollen?« Ihre Stimme bebte vor Entsetzen, und ich spürte, dass sie mich am liebsten schütteln wollte.
Ich hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste und suchte ihren Blick. »Es ist nicht das, was du denkst. Ich liefere mich ihnen nicht aus. Das Ganze läuft unter meinen Bedingungen. Sie werden zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle über mich haben.« Ich hatte leise, aber eindringlich gesprochen, und ich versuchte, die Ruhe zu bewahren, die sie ganz offensichtlich verloren hatte.
»Unter deinen Bedingungen?« Sie schüttelte wild den Kopf. Inzwischen hatten wir einiges an Aufmerksamkeit. »Und du glaubst ernsthaft, dass interessiert die? Nighton, due haben … die haben gefoltert und gejagt, und sie -« Sie stockte, und ich sah den Schmerz über das Erlebte, die Angst in ihren Augen, die sie vergeblich versuchte, zu verbergen.
Sanft ergriff ich ihre Schultern und hielt sie fest. »Ich weiß, was sie getan haben. Aber ich werde nicht schutzlos sein, und ich tue das, um das Leben anderer zu retten. Auch dein Leben.«
Jennifer öffnete den Mund, als suchte sie nach Worten. In ihren sturmgrauen Augen entstand Verzweiflung, den ich so noch nie zuvor gesehen hatte. »Du weißt gar nichts. Bitte … du musst das nicht tun, du – du darfst mich nicht allein lassen. Sollen die doch selbst einen Weg finden, an dich ranzukommen!«
Ein kleiner Teil von mir wollte einfach nicken, einfach nachgeben. Doch ich wusste, was auf dem Spiel stand, und ich konnte nicht zurück. »Ich tue es für die Zukunft – für eine Zukunft, in der auch du sicher bist. Glaub mir, ich weiß, was ich tue. Und ich lasse dich nicht allein, wie kommst du denn jetzt schon wieder auf sowas?«
Bevor Jennifer antworten konnte, räusperte sich Tharostyn hinter mir. »Miss Ascot.« Er richtete den Blick seiner faltigen Augen auf Jennifer. »Ich muss kurz allein mit dem Yindarin sprechen. Würden Sie uns wohl für einen Augenblick allein lassen?«
Jennifer schob den Unterkiefer vor, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie stocksauer war. Ich konnte das Zucken ihrer Hände sehen, als sie sie zu Fäusten ballte. Ohne ein Wort ging sie mit starren Schritten zu Penny, Sam und Evelyn hinüber. Ein paar der Menschen warfen ihr neugierige Blicke zu, doch Jennifer ignorierte sie alle und stellte sich mit verschränkten Armen zu ihren Freunden.
Sie sorgt sich. Ich kann ihre Gedanken förmlich vor mir sehen,
seufzte Sekeera.
Natürlich tut sie das, erwiderte ich geknickt.
Auch Tharostyn folgte ihrem Weg einen Augenblick lang mit ernster Miene, bevor er sich mir zuwandte. »Und du bist dir ganz sicher bei dem, was du vorhast?«, fragte der alte Engel ohne Umschweife.
Ich nickte knapp. »Ja. Aber das ist Zukunftsmusik. Wie geht es jetzt weiter?«
Tharostyn musterte mich noch eine Weile, bevor er sich langsam auf seinen Stock stützte und schließlich erklärte: »Wir werden uns nach Oberstadt zurückziehen, Nighton. Der Krieg naht, und wir müssen vorbereitet sein – das gilt auch für dich, Yindarin.« Er hielt einen Moment inne, seine Augen wanderten zu Jennifer, die inzwischen wie ein trotziger, kleiner Schatten etwas abseits der Gruppe stand, und dann wieder zu mir. Er trat einen Schritt näher und senkte die Stimme. »Nighton, sie muss aus der Schusslinie bleiben. Es geht nicht nur um ihre körperliche Unversehrtheit – Selene und Asmodeus werden weiter alles daransetzen, um ihrer habhaft zu werden, so viel ist sicher. Sie darf in den kommenden Krieg nicht hineingezogen werden, und wenn es sein muss, sorgst du dafür, dass sie bleibt, wo sie sicher ist. Notfalls auch gegen ihren Willen.«
Ein schweres Gefühl legte sich auf meine Brust. Tharostyn hatte das ausgesprochen, woran ich mich bisher geweigert hatte zu denken. Alles in mir wusste, dass der alte Engel recht hatte. Was auch immer Selene und Asmodeus mit Jen vorhatten – es konnte nichts Gutes sein. Aber der Gedanke daran, Jennifer gegen ihren Willen zurückzuhalten, nagte an mir, und ich spürte, wie sich mein Blick verdüsterte. »Ich verstehe«, erwiderte ich gequält, »aber ich habe keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen soll, ohne sie anzulügen. Sie würde niemals zulassen, dass ich allein nach Oberstadt gehe, um mich dem Kampf zu stellen. Sie würde sich eher selbst in Gefahr bringen, als mir den Rücken zu kehren.«
Tharostyn nickte langsam, als hätte er genau mit dieser Antwort gerechnet. »Das habe ich mir auch schon gedacht. Deshalb habe ich mit einigen der Erzengeln gesprochen und bereits eine Lösung ins Auge gefasst – die Gestaltwandlerinnen Dawn und Pearl, die du früher an deiner Seite hattest. Ich werde sie in Harenstone vorbeischicken, sobald wir zurück in Oberstadt sind. Sie werden dir helfen.«
Sekeera teilte meine Überraschung, die mich bei Tharostyns Worten überkam. »Ihr meint … sie haben einen Plan? Ausgerechnet die beiden? Sie-«, ich schluckte, »sind wahrscheinlich nicht so gut auf mich zu sprechen.«
Ein ernstes Lächeln huschte über seine Lippen. »Die eine mehr, die andere weniger. Aber das ist gleich. Ich habe mit ihnen gesprochen und sie vorbereitet. Sie wissen, was zu tun ist, um Miss Ascot fernzuhalten und gleichzeitig Selene und ihre Verbündeten zu täuschen. Es wird nicht leicht, und du wirst Miss Ascot in jedem Fall die Wahrheit sagen müssen, sowohl was die Gestaltwandler als auch den Kampf angeht. Es gibt keinen Raum für Lügen oder Halbwahrheiten, Nighton, auch wenn sie dir das übelnehmen mag. Miss Ascot hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu kennen – und sie wird sie auch akzeptieren, wenn du mit Ehrlichkeit an sie herantrittst.«
Er sah mir fest in die Augen, als wollte er seinen Worten Nachdruck verleihen. Die Vorstellung, Jen die Wahrheit zu sagen, war schwierig, aber nicht so schlimm wie die Aussicht, was sie täte, wenn sie herausfände, dass ich sie belogen hätte. Ich nickte schließlich, während sich Tharostyn abwandte und einen letzten prüfenden Blick auf die Menschen warf, die sich gerade zurückzuziehen begannen.
In meinem Kopf brandete Neugierde und Besorgnis auf.
Das wird bestimmt interessant, wenn die beiden aufkreuzen. Ich bin sehr gespannt, was sich der alte Sack ausgedacht hat,
murmelte Sekeera. Ich stimmte ihr zu und fragte beunruhigt: Glaubst du, Jennifer wird es verstehen und das tun, was wir ihr sagen?
Ja, wird sie. Aber wahrscheinlich erst, nachdem sie uns an die Gurgel gegangen ist.
Sekeera brummte nachdenklich, bevor sie mich eindringlich erinnerte:
Aber über all dem sollten wir nicht vergessen, Jennifer auf den Zahn zu fühlen. Ich mache mir Sorgen um sie. Wer weiß, vielleicht liegen wir ja auch falsch, aber … etwas sagt mir, dass wir vorsichtig sein sollten.