Zuerst war da ein Geräusch. Es war leise, ein feines Knacken, so, als würde jemand sehr dünnes Eis unter den Schuhen brechen. Ich sah, wie Amandas Gesicht begann, sich zu verändern. Ihre Nase schien zu schrumpfen, dann zog sich ihr Haar in einer Bewegung zurück in den Kopf, als würde es von einer unsichtbaren Hand eingezogen. Es sah widerlich aus, war aber nicht das Schlimmste: Es waren die Augen – ihre blassblauen Augen schmolzen ein, drückten sich selbst nach hinten, bevor sich zwei neue, sturmgraue Augen hervorpressten. Ich wollte wegsehen, aber es war wie bei einem Unfall – ich konnte nicht. Jeder Millimeter ihres Körpers verformte sich, als würde eine unsichtbare Kraft alles neu modellieren. Neben ihr geschah dasselbe mit Pearl. Ihre Haut kräuselte sich, wurde heller, und dann begannen auch ihre Züge, sich zu verändern. Ihre Wangenknochen verschoben sich nach oben, ihre Lippen wurden schmaler, und ehe ich mich versah, war der Spuk vorbei. Plötzlich sah ich mich zwei Jennifers gegenüberstehen, die mich ansahen.
Zwei.
Zwei perfekte Abbilder von mir.
Ich starrte sie an. Mein Verstand weigerte sich, das Bild vor mir zu begreifen. Thomas auf seinem Barhocker schüttelte geschockt den Kopf. »Heilige Scheiße«, murmelte er, die Hand über den Mund gelegt, als könnte das irgendwie helfen.
Die beiden Jennifers sahen sich an und lächelten. Amanda schob sich eine ihrer schulterlangen, schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht – meinem Gesicht – und stemmte die Hände in die Seiten. »Na, wie sehe ich aus?«, fragte sie und legte den Kopf schief. Ich schluckte und schüttelte langsam den Kopf. »Schrecklich!«, presste ich hervor. Sah so etwa meine Frisur aus? Warum wirkte der Pullover so verbeult? Und wieso sahen die beiden drein, als würden sie den nächsten, der etwas Falsches sagte, direkt abstechen? Mit so einem Gesichtsausdruck lief ich doch nicht etwa herum, oder?
Evelyn prustete im Hintergrund los, während Sam sein Lachen hinter der Hand verbarg.
»Das ist echt eindrucksvoll. Und höllisch gruselig«, kommentierte Gil mit einer Grimasse, bevor er zu Nighton schaute und fragte: »Könntest du sie auseinanderhalten?«
Nighton, der bis dahin ruhig an der Tür zum Flur gelehnt hatte, trat einen Schritt näher. Seine Augen musterten erst die beiden unechten Jennifers und dann mich, und für einen Moment sah er so aus, als würde er ein besonders kompliziertes Rätsel lösen. »Geh mal ein paar Schritte«, forderte er Amanda auf. Die zog eine Augenbraue hoch, warf Nighton einen verdammt abschätzigen Blick zu und begann, quer durch den Raum zu gehen. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust, verdrehte die Augen und zischte mit ordentlich Sarkasmus: »Ganz ehrlich Nighton, es ist doch offensichtlich. Ich bin die Echte, wie kannst du das nicht sehen?«
Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Die Art, wie Amanda mich nachahmte – perfekt, mit diesem genervten Ton, den ich meistens gar nicht wahrnahm – ließ alle im Raum kichern, selbst Thomas. Dabei war die Situation eigentlich viel zu ernst für Spaß. »Wirklich witzig«, brummte ich, aber ich war zu leise, um gehört zu werden.
»Hey Nighton, meinst du, du kannst allen dreien auf einmal gerecht werden?«, feixte Evelyn da breit grinsend, woraufhin die beiden Jennifers und ich, als wäre es abgesprochen, ihr einen fassungslosen Blick zuwarfen.
»Wie bitte?«, entwich es mir wütend, genau wie den anderen beiden, und zwar in der exakt selben Sekunde. Mit offenem Mund sah ich erst Pearl und dann Amanda an, die sich angrinsten.
»Das ist voll gruselig«, bemerkte Penny und machte große Augen. Nighton hingegen schmunzelte nur. Dann wandte er sich Pearl zu, die sich erwartungsvoll vor ihn stellte, die Arme locker an den Seiten. »Jetzt du«, forderte er.
Pearl zuckte nicht mal zusammen. Stattdessen grinste sie, biss sich auf die Lippe und meinte: »Das Umhergelaufe ist blöd. Du bist doch der Experte. Was sagt deine Nase?«
Ich öffnete schon den Mund, um zu protestieren, aber Nighton hob eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. Mit einer fast schon übertriebenen Langsamkeit trat er näher an Pearl heran. Er griff nach ihrem rabenschwarzen Haar, strich es beiseite, und dann… dann beugte er sich vor. Seine Nase war nur Zentimeter von ihrem Nacken entfernt, und ich sah, wie er schnupperte.
Nach nur einer Sekunde richtete er sich wieder auf. »Zum Verwechseln ähnlich«, kommentierte er, und als er aufsah, trafen sich unsere Blicke. »Aber nichts geht über das Original.«
Pearl verdrehte die Augen. »Bitte, Nighton, fang jetzt bloß nicht an, eine von uns zu bespringen. Wir sind nur Kopien, ja?«
Evelyn brüllte vor Lachen, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich wütend oder verlegen sein sollte. Grummelnd verschränkte ich die Arme und murmelte vor mich hin.
»Testen wir es«, schlug Nivia plötzlich vor. Sie hatte sich bisher herausgehalten, aber jetzt beugte sie sich vor. »Alle drei Jennifers verlassen den Raum und kommen nacheinander wieder rein. Wir raten, wer die Echte ist. Wenn möglichst wenig auf das Original tippen, wäre der ultimative Test bestanden.«
Amanda grinste. »Pff. Kinderspiel.«
Ich war mir da nicht so sicher. Trotzdem nickte ich, ebenso wie Pearl. Wir verließen das Wohnzimmer und schlossen die Schiebetüren hinter uns.
Im Flur verlor ich selbst den Überblick darüber, wer jetzt wer war. Eine der beiden Jennifers lächelte mich sanft an und fragte: »Alles in Ordnung?«
Ich nickte nur, bevor ich die Schiebetüren wieder aufzog, und wir eine nach der anderen wieder in den Raum zurückliefen.
Dieser Test wurde ziemlich interessant. Evelyn, Sam und Thomas schienen mehr zu raten, als wirklich zu erkennen, wer wer war. Amanda und Pearl machten ihre Sache wirklich viel zu gut. Beide ahmten meine Körpersprache und Haltung so überzeugend nach, dass ich zeitweise sogar das Gefühl hatte, nicht mehr zu wissen, wer ich überhaupt war.
Alle schienen gebannt. Doch während die anderen damit beschäftigt waren, abwechselnd mit den Fingern auf uns zu zeigen und zu diskutieren, wer denn jetzt die echte Jennifer war, spürte ich eine Sache ganz deutlich: Nightons Blick. Wenn einer es wissen musste, dann ja wohl er. Dachte jedenfalls ich. Seine Augen ruhten ruhig und konzentriert auf mir, wie eine Last. Ich wollte seinen Blick nicht erwidern, denn ich wusste, dass er mich gerade durchbohren würde. Trotzdem spürte ich, wie mein Kopf sich hob und meine Augen fast wie von selbst zu ihm schauten – und unsere Blicke trafen sich.
Er legte den Kopf leicht schief, ein winziger Funke in seinen moosgrünen Augen, doch dahinter lag etwas Tiefes. Etwas, das mich aus der Fassung brachte. Röte stieg mir auf einmal in die Wangen, und in seinem Blick glomm es auf. Er wusste es. Ich konnte es sehen, und in dem Moment fühlte es sich an, als würde ich in einem Raum voller Leute völlig allein mit ihm sein. Mein Herz pochte schneller.
»Das ist sie«, sagte er plötzlich, ruhig und mit einer Selbstverständlichkeit, die keine Zweifel zuließ. Er zeigte auf mich.
Alle verstummten. Die Blicke der anderen wanderten sofort zu mir, hefteten sich auf mich, studierten mich, bohrten sich in mich, als wollten sie herausfinden, ob Nighton Recht hatte. An meinem Rücken kribbelte es sofort.
Evelyn stellte sich vor mich und musterte mich genauestens. »Woher willst du das so genau wissen?«
Auch Sam zog die Stirn kraus. »Du hast doch nur geraten, oder? Ich meine, sieh dir die Drei an, da gibt es keinen Unterschied.« Er klang eher neugierig als ungläubig.
»Leute, es ist Nighton, er kennt Jen ja wohl am besten«, merkte Penny seufzend an.
»Wenn er sich irrt, wird’s peinlich«, sagte nun auch Gil, der vor mir und den anderen beiden Jennifers auf und ablief.
Aber Nighton ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er hielt meinen Blick, und ich merkte, wie ich meine Hände automatisch vor meinem Unterleib verschränkte, fast, als müsste ich etwas verstecken. Sein Lächeln wurde einen Hauch breiter, aber es war nicht verspielt – eher aufmerksam und bedeutungsvoll. Dann, anstatt auf die Fragen der anderen zu antworten, setzte er sich auf den Rand der Couch, verschränkte die Arme und sagte milde grinsend: »Ich weiß es eben. Nennen wir es Intuition.«
»Du bist ja unerträglich«, brummte Evelyn schließlich, die zur nächsten Jennifer weitergezogen war. »Immer diese Überheblichkeit. Na gut, dann halt Jennifer Nummer drei. Aber es hätte definitiv auch eine von den anderen sein können, wenn du mich fragst.«
»Ich denke, es reicht langsam«, begann die eine der beiden Jennifers und stemmte die Hände in die Seiten. »Dann wollen wir mal. Wer von uns ist die echte Jennifer?«
Alle Blicke wanderten über uns. Die Spannung im Wohnzimmer war förmlich greifbar, und ich spürte, wie meine Wangen wieder heiß wurden. Zögernd hob ich den Arm, wie in der Schule.
Nightons selbstzufriedenes Grinsen war kaum zu übersehen. »Hab’s doch gesagt«, verkündete er gelassen.
»Moment!«, protestierte Evelyn, die mich ungläubig anstarrte. »Sie hat dir doch ein Zeichen gegeben, oder so! Woher wusstest du das? Und sag nicht wieder Intuition!«
Auch Thomas schüttelte fassungslos den Kopf. »Ja, ich habe auch auf die in der Mitte getippt. Sag schon, wie hast du sie erkannt? Irgendwie fühle ich mich mies, ich hätte meine eigene Schwester schon erkennen sollen, oder?«
Keiner antwortete ihm. Nighton sah mich an, und sein Blick war so intensiv, dass ich das Gefühl hatte, in diesem Moment unter einem Röntgenstrahl zu stehen. »Zuerst ist sie rot geworden, als ich sie etwas länger angesehen habe«, erklärte er mit einem fast spöttischen Unterton. »Das war ihr erster Verrat. Amanda und Pearl waren so perfekt ruhig, aber Jen hat reagiert.«
Ich spürte, wie ich noch röter wurde. War ich echt rot angelaufen eben?
»Und dann«, fuhr Nighton fort, ohne den Blick von mir abzuwenden, »hat sie sich ein bisschen anders bewegt. Es waren nur winzige Sachen – wie sie den Kopf gesenkt hat, als hätte sie etwas zu verbergen, oder wie sie ihre Hände vor ihrem Bauch verschränkt hat, als ob sie sich selbst schützen wolle.« Seine Stimme wurde weicher, als er hinzufügte: »Nur die echte Jennifer bewegt sich so. Keine Imitation der Welt kann das nachstellen.«
Das Schweigen, das folgte, war schwer. Alle sahen mich an, während ich versuchte, irgendetwas zu sagen, um von mir abzulenken. All diese Aufmerksamkeit war mir zu viel. Aber was hätte ich sagen sollen? Nighton hatte mich durchschaut. Niemand kannte mich so gut wie er.
»Okay, das ist beeindruckend«, gab Sam stirnrunzelnd zu. »Aber auch ein bisschen unheimlich, wenn ich ehrlich bin.«
»Ich sag’s ja, Erfahrung und Talent«, meinte Nighton trocken, bevor er sich endlich von mir abwandte und zu Amanda und Pearl schaute. »Aber hey, ihr wart wirklich überzeugend. Fast hätte ich mich täuschen lassen.«
Eine der beiden Jennifers winkte ab. »Fast?«, wiederholte sie schnippisch, als würde sie ihn herausfordern. »Na, bei dir ist das wohl ein Kompliment.«
Die andere Jennifer tickte mit den Schultern. »Ja, was soll’s. Die Hauptsache ist, dass wir unsere Rolle spielen können, ohne dass irgendjemand draußen etwas merkt. Ob Jennifer Nummer eins, zwei oder drei – die Verwirrung wird perfekt sein.« Dann räusperte sie sich. »Ihr alle wisst, was zu tun ist, oder?« Ihr Blick wanderte einmal durch den Raum und blieb an jedem einzelnen hängen, als wollte sie sicherstellen, dass niemand auch nur den Hauch eines Zweifels hatte. Evelyn und Sam nickten, Nivia zeigte ihr den erhobenen Daumen, und selbst Melvyn rang sich zu einem knappen Nicken herab.
Dann wandte die Fake-Jennifer sich an mich und fügte hinzu: »Und du, Jennifer, solltest jetzt hochgehen und deine Sachen packen. Denk daran, unauffällig, aber vollständig. Keine halben Sachen. Nighton, du bleibst bei mir. Man muss uns zusammen sehen.«
Ich biss mir auf die Unterlippe und erwiderte ihr Nicken, ohne etwas zu sagen. Irgendetwas in ihrem Ton, ihrer Art, wie sie mich ansah – so entschlossen und gleichzeitig so… wie ich selbst – ließ für mich plötzlich alles noch absurder erscheinen. Ich fühlte mich wie eine Zuschauerin in meinem eigenen Leben.
Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Wohnzimmer und machte mich auf den Weg nach oben. Ich wusste, dass der Moment des Abschieds nun immer näher rückte. Während ich in mein Schlafzimmer ging, hörte ich, wie Amanda unten ihre Aufgabe mit erschreckender Präzision in Angriff nahm. Das meiste ihres Schauspiels ging in Poltern und Scharren unter, als sie anscheinend etwas umstellte. Dann folgten schwere Schritte, die durch das Haus trampelten, begleitet von einem tiefen Seufzen, das mir nur zu gut vertraut war.
Ich schüttelte den Kopf, schloss die Zimmertür und öffnete meinen Schrank. Einfach alles war so surreal. Ich musste einen Koffer für eine Reise packen, deren Dauer ich nicht einmal kannte. Ich griff nach meinen Lieblingssachen – einem alten Kapuzenpullover, einem Band-Shirt von Nirvana, ein paar Shirts und meiner bequemsten Jogginghose. Als ich den Koffer schloss, hörte ich Amanda unten wieder auf- und abgehen und in der Küche herumräumen. Sie spielte ihre Rolle perfekt.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und wandte mich zur Tür, doch kaum hatte ich sie geöffnet, prallte ich fast gegen Nighton, der direkt vor mir stand. Seine plötzliche Nähe ließ mich innehalten, und als ich in seine Augen sah, wusste ich sofort, warum er hier war.
»Wir müssen los«, verkündete er mit gewohnt ruhiger Stimme und versuchte, mich anzulächeln.
Mein Herz setzte aus. »Was?«, brachte ich nur stockend hervor. »Jetzt schon?«
Er nickte knapp, und ich spürte, wie eine Welle aus Panik in mir aufstieg. »Nighton, warte«, sagte ich hastig und ließ die Tasche fallen, um mich an ihn zu klammern. Ich drückte mich so fest an ihn, als könnte ich ihn so davon abhalten, zu gehen. »Bitte geh nicht. Ich habe so ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache! Was, wenn ich es verbocke? Alles, was ich anfange, scheitert, was, wenn auch das hier schiefgeht? Ich kann das nicht!«
Er legte seine Hände auf meine Schultern und schob mich ein Stück weg, nur so weit, dass er mir in die Augen sehen konnte. Sein Blick war fest, durchdringend, und doch schwang darin so viel Wärme mit, dass es beinahe weh tat.
»Jennifer, hör auf damit«, entgegnete er mit Nachdruck. »Wie kannst du so etwas sagen?« Er sah mir tief in die Augen, und seine Stirn legte sich in Falten. »Du bist nicht mehr dieses ängstliche, wütende, rebellierende Mädchen von damals. Du bist so viel mehr als das geworden.«
Ich wollte den Kopf schütteln, doch er ließ mich nicht. »Hör zu«, fuhr er fort, und seine Stimme wurde sanfter und zugleich eindringlicher. »Du bist durch so viele Widrigkeiten gegangen, hast so vieles überlebt. Aber du hast dich nicht zerstören lassen. Das alles hat dich stärker gemacht – stärker, du glaubst.«
Ich schluckte schwer, unfähig, etwas zu erwidern.
»Also werde ich dir jetzt eines sagen, und du wirst mir gut zuhören«, setzte er entschlossen nach. »Wir alle glauben an dich, Jennifer. Und das solltest du auch. Denn wenn du das nicht tust, kann ich nicht fahren, und der ganze Plan fällt ins Wasser. Also?«
Aus großen Augen sah ich ihn an. Tränen stiegen mir in die Augen.
»Ich will ja stark sein, aber das ist so furchtbar schwer«, flüsterte ich erstickt, obwohl ich mich zugleich für so viel Schwäche hasste. Das war doch nicht ich! »Was, wenn dir in Oberstadt etwas passiert? Was, wenn alles schiefgeht? Was, wenn wir uns nie wiedersehen?«
»Das wird nicht passieren«, sagte er entschieden, während er eine Hand beruhigend über meinen Rücken gleiten ließ. »Dafür werde ich sorgen. Du bist nicht allein, und du wirst es auch niemals sein. Verstehst du das?«
Ich schniefte nur leise.
Er schob mich erneut ein Stück von sich weg und hob eine Hand, um meine Tränen wegzuwischen. »Schau mich an«, forderte er, und als ich es widerwillig tat, war sein Blick sehr bestimmt. »Ich werde so schnell wie möglich zu dir zurückkommen. Aber jetzt musst du mir vertrauen.«
Nach ein paar Sekunden nickte ich schließlich. »Ich… ich versuche es«, flüsterte ich.
Ein Hauch von Erleichterung huschte über Nightons Gesicht, bevor er ein letztes Mal meine Hände ergriff und sie drückte. »Gut. Das reicht mir. Für jetzt.«
Doch ich ließ ihn nicht los. Nicht ganz. Stattdessen erwiderte ich den Druck seiner Hände und zwang mich dazu, tief durchzuatmen. »Bitte«, hauchte ich daraufhin, schniefte, riss mich zusammen und schob mit einer Prise Nachdruck hinterher: »Pass auf dich auf. Und ich schwöre dir, wenn du draufgehst, ich finde dich und trete dir in den Hintern!«
Ein schwaches Lächeln huschte über Nightons Gesichtszüge. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Da ist meine Jen ja wieder. Ich dachte schon, sie kommt nicht mehr raus, bevor ich gehe.« Dann beugte er sich zu mir, und bevor ich wusste, was geschah, legte er seine Lippen auf meine. Der Kuss war warm und voller Zärtlichkeit, aber auch schwer von all dem, was über uns schwebte. Ich spürte die Dringlichkeit darin, die stumme Entschuldigung und das Versprechen, dass wir uns bald wiedersehen würden.
Beinahe instinktiv vergrub ich meine Hände in seinem Pullover, klammerte mich an ihn, sog jedes Gefühl ein, das er in diesen Kuss legte. Der Moment schien sich zu dehnen, bis alles um uns herum verblasste. Nur er und ich.
Doch schließlich zog er sich langsam zurück, und seine Stirn lehnte sich einen Moment lang gegen meine. »Denk an meine Worte, Jen.« Damit löste er sich endgültig von mir.
Ich ließ ihn gehen, auch wenn es sich anfühlte, als würde er einen Teil von mir mitnehmen.