»Also dann! « Ich schnallte mich an. »Wohin fahren wir?«
Sam gab Gas und der Wagen schnellte vorwärts. Ich genoss den kühlenden Fahrtwind auf meiner Haut und hob das Gesicht zur Sonne an.
»Bei einem Erkundungsflug haben Evelyn und ich einen See nahe Harenstone entdeckt. Der sah echt süß aus. Da wollen wir hin«, eröffnete Penny und half Sam beim Rausfahren aus London, da der sich hier offensichtlich nicht so gut auskannte. Da ich nicht genau wusste, wo das Haus lag, konnte ich nicht helfen.
Sam machte Musik aus den Neunzigern an. Ich lehnte mich zurück in den bequemen Sitz und verspürte sogar etwas Freude über den Ausflug. Die Nachrichten vom Morgen hatte ich schon wieder vergessen.
Die Fahrt dauerte insgesamt eine Dreiviertelstunde. Nachdem wir London hinter uns gelassen hatten, nahm Sam die Landstraßen und wir fuhren durch kleine Städtchen, über Brücken und Flüsse, zwischen Feldern und Wäldern hindurch und an Pferdekoppeln vorbei. Es war ländlich, ruhig, nahezu idyllisch. Während der Fahrt erzählte Sam, dass Harenstone etwa anderthalb Kilometer von einem Zweitausend-Seelen-Dorf namens New Havenbrook entfernt lag. Laut Penny erinnerte das Dörfchen sie an die Jane Austen Romane, wodurch mein Interesse natürlich geweckt war. Immerhin war ich ein großer Fan von dieser Autorin. Viel mehr ausquetschen konnte ich sie dann allerdings nicht mehr, denn da bog Sam von der schlaglochübersäten Landstraße auf einen Waldweg ein. Dort hielt er nach wenigen Metern links am Wegrand und schaltete den Motor aus.
»Da wären wir«, verkündete er fröhlich. Gemeinsam stiegen wir aus. Sofort umfing mich brütende Wärme, die ein spätes Sommergewitter vermuten ließ. Überall schwirrten Stechmücken herum, bildeten kleine Schwärme und tanzten scheinbar ziellos in der Luft auf und ab. Das konnte nur bedeuten, dass Wasser in der Nähe sein musste. Penny zog den Korb von der Rückbank und zeigte auf einen Trampelpfad zwischen ein paar Eichen.
»Ist gar nicht weit!«, versprach sie und ging voran. Sam und ich folgten ihr.
Tatsächlich war es nur ein kurzer Fußmarsch. Nicht mal fünfzig Meter hatten wir zu laufen. Doch als wir an unserem Ziel ankamen, war ich ziemlich unterwältigt. Der hochangepriesene See stellte sich nämlich eher als ein Tümpel als ein schönes Fleckchen inmitten des Waldes heraus. Das Wasser des Sees wies eine schmutzig-braune Farbe auf und roch stark nach Algen und Moos.
Penny blieb am Ufer stehen und stemmte die Hände in die Seiten. Skeptisch beäugte sie das trübe Wasser.
»Wie seltsam«, überlegte sie laut. Sam trat neben sie und schnüffelte. »Riecht komisch«, befand auch er. Penny hob die Schultern an und tat ein paar Schritte um den Teich herum, mit den Fingern durch abgestorbenes Schilf fahrend.
»Ja, aber als Evelyn und ich den See gefunden haben, sah er ganz normal aus von da oben. Und das ist nicht mal vier Tage her.«
Nachdenklich schaute sie noch ein paar Sekunden auf den Tümpel, dann zuckte sie mit den Schultern und setzte sich mit einigem Abstand und mit dem Rücken zu ihm ins weiche Gras. Sam gesellte sich zu ihr. Scheinbar störten sich die beiden nicht am Geruch.
Unentschlossen blieb ich an Ort und Stelle stehen. Eigentlich war ich kein Freund der Idee, nahe dieser müffelnden Plörre ein Picknick abzuhalten.
»Vielleicht habt ihr euch ja vertan und es gibt hier noch einen See?«, wandte ich naserümpfend ein. Doch Penny schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, nein, das ist der Einzige in der nahen Umgebung. Sollen wir woanders hin?« Fragend schaute sie mich an. Aufseufzend zuckte ich mit den Schultern und sagte, dass es mir egal sei. Dann lief ich auf die beiden zu und ließ mich neben ihnen zu Boden sinken. Tatsächlich herrschte an dieser Stelle ein etwas weniger unangenehmer Duft. Lag aber vielleicht auch an dem Wind, der aufzufrischen begann.
Sam widmete sich bereits dem Picknickkorb, aus dem er eine riesige Schüssel Cous-Cous-Salat hervorholte.
»Oh, wow, Penny«, stieß ich hervor, als Sam noch Baguette, Joghurtsoße, Falafel und Hühnerspieße ans Tageslicht beförderte. Penny winkte ab, wirkte aber geschmeichelt.
Ich merkte, wie mein Magen zu knurren anfing und seufzte: »Ich habe euch echt vermisst.«
Sam lachte und behauptete dann: »Das sagt sie nur, weil sie denkt, dass sie was von dem Essen abbekommt, das du für mich gemacht hast.«
Penny zog eine Augenbraue hoch und entgegnete: »Ich glaube, da hast du was falsch verstanden. Das ist nämlich alles nur für mich!« Sie streckte ihm die Zunge raus und Sam tat so, als wollte er sie festhalten, was Penny wiederrum mit einem angeekelten Quietschen quittierte. Zwischen den beiden entstand eine alberne Plänkelei, der ich amüsiert zuschaute.
Zumindest so lange, bis ich eine Bewegung hinter den beiden wahrnahm, bei der mir das Lachen im Hals stecken blieb. Einen Moment lang starrte ich auf das Etwas und fragte mich, ob ich träumte oder halluzinierte. Stück für Stück schob sich schob sich ein bräunliches, glitschiges Ding aus dem Tümpel, immer auf uns zuhaltend. Was war das denn? Eine Schlange?
»Und deswegen habe ich ja auch zwei Pakete genommen und nicht-«
Ich beschloss, Sam und Penny zu unterbrechen und murmelte, ohne das Etwas aus den Augen zu lassen: »Leute?«
Keiner der beiden achtete auf mich.
»Aber du hättest mehr Feta nehmen können. Und es sind zu viele Frühlingszwiebeln drin.«
»He, ich glaube-«
»Dann mach dir doch nächstes Mal deinen Salat einfach selbst, Samuel.«
»Hört mir doch mal zu! Da ist etwas im Tümpel!!« Ich musste meine Stimme anheben, um mir Gehör zu verschaffen, da die beiden so sehr in ihre Diskussion vertieft waren, dass sie mich nicht hörten.
Nun aber hielten sie inne und drehten sich dahin um, wo ich mit zitterndem Finger hinzeigte.
»Igitt!«, kreischte Penny und stand sofort auf den Beinen, da das braune Ding ihr am nächsten war. Auch Sam sprang wie von einer Tarantel gebissen auf.
Scheinbar wollte das Etwas aber zu mir, denn es schlängelte sich weiter über das Gras, immer auf mich zu. Da ich auf gar keinen Fall damit in Kontakt kommen wollte, kroch ich hektisch und entsetzt auf allen Vieren nach hinten weg. Was war das bloß?! Doch keine Schlange, oder?
Penny indes bewaffnete sich bereits mit dem Brotmesser und stürzte schon herbei. Als es fast meinen Fuß erreicht hatte, riss Penny das Messer wie ein Beil in die Luft und wollte damit auf das braune Ding einstechen, doch dazu sollte sie keine Chance bekommen. Plötzlich schossen sieben weitere dieser glitschigen Teile aus dem Tümpel hervor und versetzten Penny einen peitschenden Schlag gegen den Bauch. Sie gab ein Geräusch von sich, als würde man Luft aus einem Sack lassen. Der Hieb katapultierte sie meterweit durch die Luft. Sie landete im Gras. Sam machte einen Satz auf mich zu und half mir vom Boden auf. Er wollte mich hinter einen nahestehenden Baum zerren, aber das braune Was-auch-immer, das man nun durchaus als Tentakel bezeichnen konnte, schlang sich mit einem schmatzenden Geräusch um meinen Knöchel. Ein Ruck ging durch mich durch, der mich von den Beinen zog. Hart schlug ich auf. Da kam Penny herbeigesprungen.
»Das ist ein Krollwürger!«, schrie sie.
Ich versuchte mich an allem Möglichem festzuhalten, wurde aber unbarmherzig auf den Tümpel zugezogen. Penny und Sam versuchten nach mir zu greifen, liefen dabei aber ineinander.
Voller Angst trat ich um mich und schrie: »TUT WAS!«
Sam schien eine Idee zu kommen. Er rief an mir vorbei auf den Tümpel zuspringend: »Penny, du hältst Jen fest, ich ziehe an dem Arm! Wir holen den Dämon an Land!«
Kaum, dass er es ausgesprochen hatte, ging ein erneuter Ruck durch mich hindurch. Penny stand hinter mir, sich in den Boden stemmend. Sie hatte nach meinen Handgelenken gegriffen und hielt mich mit eiserner Kraft fest. Mit ihrer schier unermesslichen Kraft riss sie mir damit beinahe die Arme aus. Stechender Schmerz schoss durch meine Schultern, denn der Tentakel zerrte nicht minder stark an mir. Ich fühlte mich wie auf einer Streckbank.
Sam zog mit lautem Ächzen an dem Tentakel. Aus dem Tümpel ertönte ein dumpfes Röhren, das klang, als wohne da eine Herde Elche. Das Wasser wurde aufgewirbelt und im nächsten Moment durchbrach eine scheußliche Kreatur mit acht Armen die Wasseroberfläche. Sie war unsagbar fett, hatte warzenübersäte, braun-grüne Haut und keinen erkennbaren Kopf. Doch das Schlimmste war der senkrechte Mund, der den gesamten Bauch des Monsters einnahm und in diesem Moment weit aufgerissen war.
Sam und Penny zogen weiter mit vereinten Kräften sowohl an mir als auch an dem Wesen, das wütend mit seinen übrigen Armen um sich schlug. Kurz vor dem Tümpelrand ließen sie mich und den Tentakel plötzlich los, nur um zeitgleich zu beiden Seiten des Krollwürgers zu springen. Dort packten sie dessen zwei seitlichste Tentakel und zogen an diesen.
Wie gelähmt schaute ich der dicht vor mir aufragenden Kreatur entgegen, die sich mir gefährlich weit entgegenneigte. Sie war mir so nah, dass ich einen Blick in ihr riesiges, zahnbewehrtes Maul werfen konnte. Ich weiß, ich hätte aufspringen und weglaufen sollen, doch ich konnte nicht. Mein Körper gehorchte mir nicht.
Der immense Zug an seinen Tentakeln schien dem Krollwürger die größten Schmerzen zu bereiten, denn er fing an zu röhren und sich zu winden, um Penny und Sam zu entkommen. Aus dem Röhren wurde schnell ein gellendes Heulen. Die übrigen sechs Tentakel peitschten wild durch die Luft. Sie trafen Penny, Sam und auch mich, hinterließen rote Striemen auf uns allen, aber es änderte nichts an dem, was dann geschah: Mit einem scheußlichen Schmatzen rissen die Tentakelarme ab. Eine grünlich-gelbe Masse spritzte aus den Wunden. Das Wesen neigte sich noch weiter über mich und der riesige Mund klaffte noch weiter auf, beinahe, als machte es sich bereit, mich mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Im nächsten Moment wünschte ich ernsthaft, ich hätte mich weggerollt. Oder wäre aufgesprungen oder hätte wenigstens den Mund zugemacht. Ein Schauer durchlief den Krollwürger. Darauf folgte ein zischendes Geräusch, dessen Quelle ich nicht ganz ausmachen konnte. Ohne Vorwarnung begann der Dämon jedoch jene Masse zu erbrechen, die eben noch aus seinen Wunden geschossen war - und zwar genau auf mich.
In mein Gesicht, auf meine Kleidung, meine Arme, meine Beine. Dabei schrumpfte er in sich zusammen wie eine Hüpfburg, in die man hineingestochen hatte.
Nach wenigen Sekunden war es vorbei und Sam und Penny standen links und rechts von dem zusammengefallenen Monstrum, jeder einen ausgerissenen Tentakel in der Hand. Beide starrten mich voller Entsetzen an.
Ich lag da auf dem Rücken, mich mit den Unterarmen auf das Gras stützend, von oben bis unten bedeckt mit sauer riechender Kotze.
Oh du Hölle.
Oh Gott.
»Alles okay?«, fragte Sam mich bestürzt. Eine Frage, für die ich ihn in dieser Sekunde am liebsten umgebracht hätte. Arme und Beine abspreizend erhob ich mich. Ich spürte, wie es in meinen Augen zu brennen anfing. Daran war nicht nur die dampfende Kotze Schuld.
»Alles bestens, klar«, presste ich hervor und musste mich zusammenreißen, nicht zu schniefen, um nicht noch mehr von dem Zeug in die Nase zu kriegen. Es gab ein lautes Schmatzgeräusch, als Penny Sam ihren Tentakel auf den Kopf schlug.
»Aua!«, rief der empört und streifte sich schmierige Glibberfäden vom Haar. »Ist ja gut, ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl - ich meine, mit dem Tentakel verstanden, du musst mir mit dem Ding nicht noch Eins überziehen! War eine blöde Frage, ich hab's ja selbst gemerkt.«
Er versetzte dem toten Dämon einen Tritt. Der rutschte damit wieder zurück in den Tümpel und zog seine verbliebenen Arme mit. Blubbernd und Blasen werfend versank er. Penny warf den Tentakel hinterher und Sam tat es ihr gleich.
Ich stand immer noch da, tropfte vor mich hin und wünschte mich weit weg.
»Wir gehen am besten nach Harenstone, dann kannst du duschen«, schlug Penny unsicher vor.
»Okay«, presste ich erneut hervor.
Wie hatte das nur passieren können? Die beiden waren Engel, die hätten doch die Anwesenheit des Dämons bemerken müssen! Und wieso nur war schon wieder einer in meiner Gegenwart aufgetaucht? Das konnte wirklich kein Zufall sein.
Hastig warfen die beiden alles in den Picknickkorb. Die Blicke, die sie dabei sich und mir zuwarfen, entgingen mir nicht. Ich schwieg jedoch. Einerseits, weil ich kurz vor einem hysterischen Heulkrampf stand und andererseits, weil ich Angst hatte, dass mir das Zeug in den Mund laufen könnte.
Wir gingen schweigend zurück zum Auto, von wo aus es laut Penny nicht weit bis Harenstone war. Inzwischen lief mir die Brühe schon in den Hosenbund und durchweichte meine Unterwäsche. Es war widerlich, so abgrundtief ekelerregend.
Was hatte ich denn bloß getan, um so etwas zu verdienen?
Als wir am Haus ankamen, wurde es leider nur noch schlimmer.
Wir hatten gerade den ansteigenden Kiesweg zum Haus hoch hinter uns gebracht, da ging die Haustür auf.
Heraus kam? Ja, genau, Nighton. Der hatte mir jetzt natürlich noch gefehlt.
Warum? Weil ich von oben bis unten mit Erbrochenem bedeckt war!
Das Zeug war in der Hitze bereits leicht eingetrocknet und verströmte einen intensiven Gestank, weswegen Sam und Penny weiter vorne gingen. Wir hatten den ganzen Weg über kein Wort gewechselt.
Auf jeden Fall kam da gerade Nighton aus der Haustür. Er trug eine Jeans und ein dunkelgrünes Sweat-Shirt mit hochgekrempelten Ärmeln. In seinen Händen hielt er einen Autoschlüssel und sein Handy. Ein leichter Bartschatten war in seinem Gesicht erkennbar, was ihn aber nicht unattraktiver machte, das Gegenteil war eher der Fall.
Verdammt nochmal, wieso war er nicht hässlich?! Das würde so vieles einfacher machen. Hinzu kam der Annäherungsversuch, den er vorgestern dank Sekeera nicht beendet hatte. Auch der spukte in diesem Augenblick in meinen Gedanken herum und hinderte mich daran, einen kühlen Kopf zu bewahren. Insgeheim ärgerte ich mich wieder mächtig über mich selbst, dass ich so schwach war. Ich wollte ihn nicht anschmachten, nein, nein, nein! Schon gar nicht jetzt.
Als Nighton uns erkannte und sein Blick mich als mich identifizierte, blieb er ruckartig stehen. Ich sah, wie sich seine Augen weiteten und sein Mund ein »Oh!« bildete. Er nahm Schlüssel und Handy in eine Hand und schaute mit schiefgelegtem Kopf zwischen Penny und Sam hindurch, die ebenfalls stehengeblieben waren und sich nach mir umsahen.
Ich ballte beide Hände zu Fäusten und musste immer stärker gegen den Drang loszuheulen ankämpfen. So hatte ich mir den Tag nicht vorgestellt.
»Was ist passiert?«, fragte Nighton mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung. Ich konnte ihm genau ansehen, dass er sich mühsam das Lachen verbeißen musste. Er schaute zwischen Sam und Penny hin und her, die kurz und knapp schilderten, was an dem angeblich so schönen See vorgefallen war. Ich stand zwei Meter hinter ihnen und fixierte wortlos meine total ruinierten Schuhe.
Als sie endeten, setzte Nighton ein finsteres Gesicht auf. Vorwurfsvoll sagte er zu ihnen: »Wie, und ihr habt den Würger nicht gespürt? Also ehrlich, die Sinne zu nutzen ist Grundwissen. Darüber sollten wir uns später nochmal unterhalten.«
Ohne die zwei weiter zu beachten, drängte Nighton sich zwischen ihnen hindurch. Sam und Penny sahen mich entschuldigend an und trotteten langsam ins Haus.
Nighton blieb anderthalb Meter vor mir stehen.
»Du Arme«, seufzte er und schüttelte den Kopf, während er sich sichtlich darum bemühte, nicht grinsen zu müssen. »Das stinkt ja schlimmer als in einer Moloch-Brutstätte.«
Ich ballte die Hände zu Fäusten und grollte wütend: »Sag doch gleich, dass du eine Umarmung willst! Kein Problem!« Ich breitete die Arme aus.
Nighton lachte etwas unsicher, klatschte einmal in die Hände und verkündete: »Unter anderem Umständen sage ich nicht nein, aber so - lass mal. Ich hole den Gartenschlauch.«
Das erschreckte mich, sodass ich die Arme sinken ließ. Schriller als beabsichtigt wiederholte ich: »Gartenschlauch?!«
Nighton hatte sich schon halb herumgedreht, blieb aber stehen. Mit gerunzelter Stirn maß er mich von Kopf bis Fuß und hob eine Augenbraue.
»So willst du ja wohl nicht das Haus betreten, oder?«
Darauf fiel mir nichts ein, also kniff ich den Mund zu und verwünschte Nighton und seine gar nicht mal so blöde Idee. Daran hatte ich nicht gedacht.
Aus dem Haus kamen in dem Moment zwei fremde Personen, nämlich ein großer, dünner Mann mit schulterlangen, braunen Haaren und arrogantem Gesicht und eine kleine, dunkelhäutige Frau mit Zopf. Beide hielten bei meinem Anblick inne und schauten fragend zu Nighton, der gerade einen grünen Schlauch anschleppte.
»Was ist das für ein schrecklicher Geruch?«, fragte die Frau naserümpfend und schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab.
Nighton grinste verhalten. Ich sah das ganz genau. Er warf den beiden einen Blick über die Schulter zu und erklärte: »Das, Niv, ist frisches Krollwürger-Erbrochenes.« Diese Niv verzog angeekelt das Gesicht, schickte mir aber einen mitleidigen Blick. Der Typ hingegen schaute mich ausdruckslos an und ging, Niv im Schlepptau, einen weiten Bogen um mich machend an mir vorbei und runter zum Tor.
Nighton stellte sich mit einigem Sicherheitsabstand vor mich und fragte: »Bereit?« Seine Schadenfreude machte mich furchtbar sauer, sodass ich nur knurrte. Diese Situation war eh schon scheiße, und dann kam auch noch er. Sowieso hatte er überhaupt kein Recht, über mich zu lachen, er nicht!
Im nächsten Moment traf mich ein eiskalter Wasserstrahl, der mich zum Aufschreien brachte. Ich wusste nicht, wie lange Nighton mich damit abspritzte. Ich wusste nur, dass es ihm viel zu viel Spaß machte. Irgendwann hörte er auf und begutachtete mich ausgiebig.
»Das dürfte reichen«, fand er. Den Schlauch abklemmend warf er mir ein vorsichtiges, beinahe entschuldigendes Lächeln zu, ehe er mit dem Kopf in Richtung Haus ruckte. Ich verharrte einfach nur da, triefend von Kopf bis Fuß und mir ziemlich sicher, dass es ihm mitnichten leidtat. Da mir nur leider in den folgenden Sekunden nichts in den Sinn kommen wollte, stampfte ich erst einmal auf, bevor ich mich äußerst langsam in Bewegung setzte. Die Hände zu Fäusten geballt lief ich an ihm vorbei. Für diese unangebrachte Freude würde er noch bezahlen.
Eine Spur aus Tropfen hinterlassend schlurfte ich ins Haus, durch das Foyer bis zum Bad des Erdgeschosses und schloss mich dort ein. Mit einigen Schwierigkeiten entledigte ich mich der völlig verdreckten Kleidung und legte sie in eines der Waschbecken. Dann stieg ich in die Dusche, wo ich bestimmt eine halbe Stunde lang meine Haut schrubbte, bis sie rot war. Und selbst dann fühlte ich mich noch nicht gut. Lag aber vielleicht auch daran, dass meine Gedanken unablässig um den Dämon kreisten. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, und dieses Gefühl beunruhigte mich immens.