Wie immer suchte sie die Gasse auf, wo sie Fritz sonst immer fand und er kam ihr direkt entgegen. Er war freudig überrascht, aber auch erleichtert. "Ich wollte gerade heim gehen. Möchtest du noch eine Runde Karten spielen?" fragte er und es beruhigte ihn, dass Gamia ihn gerade nach seiner üblichen Tätigkeit erwischt hat, weil er immer noch Adrians Drohung im Hinterkopf behielt.
Gemeinsam gingen sie noch ein Stück, setzten sich hin und Fritz zückte seine Karten. Er schlug ein Spiel vor und teilte aus, aber obwohl es Gamia erfreute, war sie doch relativ still und nachdenklich. Das bemerkte Fritz und fragte unsicher nach, weil er davon ausging, dass Gamia ihn nicht weiter als eine Bekanntschaft sah und warum sollte sie jemanden wie ihm dann auch etwas über ihre Probleme erzählen.
Gamia überlegte kurz, wie sie es erklärte, ohne zu direkt zu sein. "Mir wurde von jemanden gestanden, dass man mich sehr gerne hat, aber ich konnte die Gefühle nicht erwidern. Es war der Person sehr unangenehm. Ich habe sachlich erklärt, dass ich nicht dasselbe empfinde, aber keinen Kontaktabbruch möchte."
Ein wenig erstaunt blickte Fritz zu ihr und überlegte, was er antworten sollte. Dass sie ihm davon erzählte, war für ihn ein großer Vertrauensbeweis und er konnte es noch nicht richtig fassen. "Lass die Zeit machen und habe Geduld. Du hast es der Person gesagt, aber musst einfach abwarten, dass sie wieder zu dir ankommt. Die musst das nämlich auch erstmal verarbeiten und mit den Gefühlen klarkommen. Mach dir nicht zu viele Gedanken." riet er ihr ruhig und Gamia ließ es sich durch den Kopf gehen. "Stimmt, da hast du Recht. Ich kann da sowieso nichts dran ändern und habe getan, was ich konnte." Leise fing sie an zu gähnen und ließ von den Gedanken ab. Ein paar Kartenspiele spielten beide noch, aber Gamia verlor nach und nach mehr die Konzentration und ihre Augenlider wurden schwerer. "Wollen wir für heute aufhören und ein andermal weiter machen? Du scheinst so müde zu sein." bemerkte Fritz und und schaute lächelnd zu Gamia. "Ja, bitte. Ich bin auch ein bisschen erschöpft, weil ich länger gearbeitet habe, da mich die Sache auch so beschäftigt hat." Nebenbei sammelte sie die Karten zusammen, stand auf und erzeugte einen Riss, durch welchen sie hindurch ging, als Fritz rief: "Warte!! Du hast meine Karten!!"
Schnell war er aufgestanden und rannte Gamia durch das Flügelportal hinterher. Vor lauter Müdigkeit hatte sie seine Karten aus versehen eingesteckt.
Nun standen beide vor der Tür und Gamia bekam einen schreck, als sie ihr Versehen bemerkte. "Oh, nein! Das tut mir total leid! Ich wollte deine Karten nicht mitnehmen!" Hastig und beschämt holte sie diese aus ihrer Hosentasche hervor und überreichte sie wieder an Fritz. "Ist schon in Ordnung. Ich bin dir nicht böse. Mir sind meine Karten eben nur sehr wichtig und wenn jemand komplett schlecht mit ihnen umgeht, kann ich sehr sauer werden, aber alles gut." Bei jemand anderen wäre Fritz wohl wütend geworden, aber Gamia konnte er nicht sauer sein. Durch den Auffuhr dachte Gamia eher weniger an Schlaf und war wieder wach.
"Kann ich dich als kleine Wiedergutmachung auf einen Drink einladen? Meine Mutter hat ein bisschen was da und meine Eltern sind sowieso gerade nicht da, sie würden sonst ziemlich erzürnt sein." Leicht schmunzelte Gamia und Fritz wurde innerlich nervös und wusste nicht, ob er das Angebot annehmen sollte. "O-ok." sagte er dann leise und Gamia bat ihn herein. Unsicher schaute sich Fritz um, erhaschte einen Blick in die Stube, folgte Gamia aber direkt zur Küche, wo sie zwei Gläser hervorholte. "Meine Mutter hat das extra für besondere Abende." erklärte Gamia und stellte ein paar Getränke raus. "Was möchtest du?" erkundigte sie sich und Fritz entschied sich dann für einen Vodka und mischte Orangensaft bei. Gamia entschied sich für einen Himbeerlikör. "I-ich bleibe aber nicht lange... Bevor deine Eltern heimkommen oder Gina sauer wird und ihr euch streitet." Nervös schaute er um sich und hatte gemischte Gefühle. Auf einer Seite freute es ihn, bei Gamia zu sein, aber er war auch nervös wegen der Sache mit Gina. Jedoch auch weiterhin traurig über die Tatsache, dass er Gamia nie aufwachsen sehen konnte.
Gamia schreckte ihn mit einer Frage aus seinen Gedanken. "Woher kennst du meine Mutter so genau?"
Fritz wurde innerlich nervöser, als sonst schon und musste überlegen, wie er ihr antwortete, ohne etwas preiszugeben. "Sie war früher viel in der Menschenwelt und hat dort Schabernack getrieben. Genauso wie du ist sie eines Tages in der Gasse auf mich gestoßen und hat sich auf mich eingelassen. Wir haben ein paar Mal zusammen Karten gespielt und gewettet." antwortete er ihr und machte sich Gedanken, was wäre wenn Gamia noch mehr Fragen stellen würde. "Stimmt, das hat sie erzählt. Sie ist auch heute noch relativ aufgeweckt." Beide schmunzelten, als sie zusammen zuckten beim Geräusch wie eine Tür geöffnet wurde.
"Gamia?! Bist du Zuhause?!" rief Gina fragend in den Raum. Ängstlich antwortete sie: "J-ja! Ich bin im Besucherzimmer!"
"Ok!" Ihre Eltern zogen die Schuhe aus. "I-ich habe auch Besuch mitgebracht." Gamia konnte sowieso nicht mehr verhindern, dass ihre Mutter erfahren würde, mit wem sie sich, trotz Warnung, getroffen hatte. "Ach so." meinte Gina und lief zur Küche. "Hast du Wilma mitgebra-" Als sie dann aber sah, wer am Tisch mit ihrer Tochter saß, erstarrte sie. Gamia klammerte sich an ihre Hose und schaute nach unten, ängstlich davor, was für Ärger sie nun erwarten würde.
Traurig, nervös und schuldbewusst blickte Fritz Gina an, als Kilian dazu trat und perplex zu den Szenario sah. "Mit was für einen Mann sitzt Gamia da am Tisch?" Kilian war nicht begeistert, immerhin war Fritz ein Fremder für ihn. Auf diese Frage ging Gina nicht ein und sie wandte sich direkt an Fritz. "Fritz, warum bist du hier?! Du solltest dich von ihr fernhalten!" Erzürnt, wie auch erschrocken zugleich schaute sie zu ihm. "Und du solltest dich nicht auf ihn einlassen!" ermahnte sie ihre Tochter streng und Gamia entschuldigte sich und ging davon aus, dass ihre Mutter nicht wollte, dass sie zu etwas verführt wird.
"Woher kennst du diesen Fritz, Gina?" wollte Kilian wissen und die Angesprochene drehte sich zu ihn um. "Ich habe zu früheren Zeiten ein paar Mal mit ihm gewettet, mehr nicht. Ich wollte einfach nicht, dass Gamia sich auf etwas einlässt, was ihr zum Verhängnis werden könnte!" Sie schaute Kilian an, welcher den Blick zu allen Beteiligten schweifen ließ. Fritz senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen. "Es reicht, Gina. Wie lange willst du noch alle anlügen?!" Mit scharfen erzürnten Blick sah er Gina an, die schluckte und realisierte, dass sie mit der Wahrheit rausrücken musste. Verwirrt schauten Kilian und Gamia zu Gina. "Worüber redet er, Mutter?" "Was meint er, Gina?" verlangten beide zu wissen und seufzend senkte Gina den Kopf. "Wir sollten uns hinsetzen." Damit setzte sich das Paar und Gina wusste nicht, wie sie es beichten sollte. Es fiel ihr sehr schwer, wenn sie an das dachte, was danach kommen würde. Ihr blieb keine andere Wahl, sie musste es tun. "Es tut mir unendlich leid, was ich euch erzählen würde und ich mache es lieber kurz und bündig... Gamia?" murmelte Gina und bekam die Aufmerksamkeit ihrer Tochter. Mutter und Tochter schauten sich direkt an. "Fritz ist dein leiblicher Vater."
Geschockt und fassungslos spürte Gina die Blicke von Kilian und Gamia auf sich. Nur Fritz musste sein Grinsen verbergen. "Mutter, willst du damit wirklich sagen, dass du uns zwei Jahrzehnte lang angelogen hast und ich wirklich in den falschen Glauben aufgewachsen bin, mein Vater wäre Kilian? Und dann wolltest du mir auch noch verbieten, meinen echten Vater kennenzulernen?!" Gamia brauchte einen Moment, um es zu realisieren. Gina lief eine Träne runter, als sie die Worte ihrer Tochter hörte und sich ihr Vergehen bewusst machte.
"Wieso hast du das getan?! Bist du mir mit ihm fremdgegangen?! Antworte Gina!!" befahl Kilian und war sehr wütend auf seine Frau. Er verlangte eine Erklärung. Schließlich erzählte Gina ihnen die ganze Geschichte.
"Bevor ich mit dir zusammen gekommen bin, Kilian, habe ich eine Beziehung mit Fritz geführt. Wir haben uns aus bestimmten Gründen getrennt und dann kam ich mit dir zusammen. Wie du weiß, waren wir eine Zeit lang getrennt und diese Zeit habe ich bei Fritz verbracht. Da kam eines zum anderen. Später sind wir wieder zusammen gekommen, Kilian, aber da war ich bereits schwanger von ihm, mit Gamia. Davon wusste ich zu dem Zeitpunkt aber noch nichts und als ich erfuhr, dass ich ein Kind bekomme, wusste ich nicht, was ich tun sollte und hatte Angst, dich zu verlieren, wenn du davon wüsstest. Du kanntest ihn nicht einmal. Und weil ich dich zu dem Zeitpunkt so geliebt und dich nicht wieder verlieren wollte, beschloss ich diese Lüge zu leben."
In Kilians Gesicht stand absolute Fassungslosigkeit und Wut. "Jahrelang dachte ich Vater einer Tochter zu sein, aber in Wirklichkeit hast du mein Vertrauen missbraucht und mich jahrelang ein Kind aufziehen lassen, das nicht meins ist!!" Gina realisierte immer mehr, was sie für einen Fehler begangen hatte, aber innerlich löste sich eine Last von ihr. "Ich glaube, ich lass euch lieber alleine..." murmelte Fritz bedrückt, trank sein Getränk aus und ging zur Tür. Gamia stand ebenfalls auf und folgte ihm.
Als er aus der Tür raus war hielt Gamia ihn auf. "Warte." sagte sie, er drehte sich um und wusste nicht, wie er empfinden sollte. "Tut mir leid." brachte er leise hervor, doch Gamia schüttelte den Kopf. "Du hast nur die Wahrheit gesagt. Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass es raus ist. Auch wenn jetzt noch alles sehr überraschend ist..." Diese Worte munterten Fritz doch etwas auf und kurzerhand fiel ihn etwas ein! Er überreichte Gamia ein Stück Papier. Diesen faltete sie auseinander und erkannte, dass eine Adresse auf diesem geschrieben stand. "Wenn es dir zu viel wird oder du einfach eine Runde Karten spielen möchtest, komm mich ruhig besuchen." Leicht lächelnd nickte Gamia über das Angebot. "Ja."
Für einen Moment schauten sich beide unsicher an, aber fielen sich dann in die Arme und es war das erste Mal, dass Fritz seine Tochter umarmte. Diese Umarmung stimmte ihn voller Stolz und er konnte kaum glauben, dass er nach 20 Jahren endlich sein Kind in den Armen halten konnte, wovon er lediglich immer nur wusste, dass dieses Gamia hieß und am 23.11.1651 Geburtstag hatte. Ein paar kleine Tränen liefen sein Gesicht runter und nur schwer konnten sie sich von der Umarmung lösen, bis Fritz schließlich durch das Flügelportal und Gamia durch die Tür trat.
Gamia bekam mit wie Kilian ihrer Mutter gegenüber wütender und lauter wurde. "Ich kann das immer noch nicht glauben, dass Gamia nicht von mir, sondern von diesen komischen Kerl ist!!" "Der komische Kerl hat auch einen Namen." funkte Gamia, ein wenig sauer über diese Aussage, dazwischen. "Wie fühlst du dich überhaupt dabei, dass deine Mutter so etwas abgezogen hat?!" fragte Kilian sie mit zusammen gebissenen Zähnen. Gamia zuckte mit den Schultern. "Gemischte Gefühle, muss das erst verarbeiten." meinte sie monoton und nippte an ihren Getränk.
"Es tut mir unendlich leid! Ich weiß, dass ich damals einen schlimmen Fehler gemacht habe und ich von vorne rein mit offenen Karten hätte spielen sollen und euch nicht wegen meinen Gefühlen, so anzulügen! Ich werde auch nie wieder die Zeit zurück holen können!" Laut holte sie Luft und weinte leicht. "Diese Lüge kann ich nie wieder gut machen und das weiß ich."
Sauer redete Kilian weiter auf sie ein. Er ließ seinen Emotionen freien Lauf. "Wirst du auch nicht, dieses Vertrauen und diese Beziehung hast du zerstört! Du hast schon viele Sachen angestellt, aber das ist das niederträchtigste, was du hättest tun können!!", Er schlug die Faust auf den Tisch. "Ich bin eigentlich nicht so, aber gerade würde ich dir gerne eine klatschen!!"
Augenblicklich verfinsterten sich Ginas und Gamias Miene. "Egal, was ist, so etwas tut man nicht!!" rief Gamia laut und streng. Mit ihren scharfen Blick schaute sie Kilian an, welcher spürte, dass er mit diesen Satz etwas ausgelöst hatte. "Ich verstehe dich, tu es doch, wenn es dich befriedigt, aber ich gebe Gamia Recht." meinte Gina kalt und sah direkt in Kilians Augen, welcher schluckte.
Gamia schloss sich währenddessen in ihr Zimmer ein, Gina redete mit Kilian darüber, wie es weiter gehen sollte. Es überkamen Gina die Tränen, als sie nach und nach bemerkte, dass sie, bis auf Gamia, gerade alles verlor. Beide beschlossen, dass einer von ihnen auszieht, wobei Gina von sich aus sagte, dass sie gehen würde. Gamia bekam alle Worte mit und klammerte sich an ihre Decke. Sie schlief diese Nacht nur sehr wenig und weinte immer wieder mal.
Am nächsten Morgen ging sie, ohne beiden über den Weg zu laufen, ins Totenreich und versuchte die Akten alle auszufüllen. Sie ging am Nachmittag, da sie gestern länger geblieben war und nicht richtig bei der Sache war. Nachdem diese abgegeben waren, faltete sie den Zettel, den Fritz ihr gegeben hatte, auseinander und wusste sofort, wo sie hin wollte.