Lächelnd lief Alexander auf das Portal des Engels zu. Er sah seinen alten Reichtum vor sich, doch diese Illusion verschwand, als er die grotesk geformten Dämonen sah. Sie sahen ihn direkt an und sie alle hatten Messer in den Klauen. Viele davon waren verrostet. Einige andere Dämonen umklammerten Glasscherben. Mit einem Mal stürmten sie alle auf ihm zu!
Sie rissen ihm die Kleider vom Leibe, bis er nackt vor ihnen lag. Und dann fingen sie alle an, mit ihren Messern und Scherben auf ihn einzustechen. Zuerst rammten sie es in seinem Bauch. Ein anderer Dämon zerrte an seinem Arm und ritzte Schnitte in seinen Oberarm. Das war aber noch nicht das Ende ihrer Gräueltat. Die Schnitte durch die rostigen Messer fingen an, zu schmerzen und sich zu entzünden. Ein Schlangendämon fuchtelte mit einem Messer vor Alexanders Gesicht rum, bevor er ihm viele Schnitte verpasste.
Die Schnitte fingen an, Beulen zu bilden. Eitrige Beulen. Sie wuchsen überall an Alexanders Körper. Sein Bauch wuchs durch die vielen Schnitte und die daraus resultierenden Auswucherungen auf das Doppelte an. Das Gesicht wurde in die Unkenntlichkeit gezogen. Er konnte kaum mehr etwas sehen, aber er spürte, wie die Dämonen auf seine Eiterbeulen einstachen, diese ausleckten um es genüsslich zu schlucken oder ihm ins Gesicht zu spucken. Einige drückten diese mit ihren Klauen oder Zähnen aus. Die ausgedrückten Beulen entzündeten sich erneut und neue Geschwulste entstanden. Den Dämonen reichte dies bei weitem nicht und sie drehten ihn auf den Bauch, um ihr Werk an seinem Rücken zu vollenden. Alexander konnte sich auf keine Seite drehen, ohne Schmerzen zu haben.
"Hässliche Visage!" keiften die Höllenwesen, während sie auf seinen Körper einstachen. "Pickelfresse!" Hämisch lachten sie und einer holte einen Spiegel hervor, damit Alexander einen Blick auf seinen zugerichteten Körper werfen konnte.
Im Gegensatz zu den letzten Tagen war Cedric wieder bei den Praktikern unterwegs und geleitete ein paar Seelen. Seine erste Akte führte ihn zur Seele eines Weltstars, welcher dem Druck der Öffentlichkeit erlag, körperlich und seelisch abgebaut hat und nun sein Herz zum erliegen kam.
Es war Cedric gleichgültig, wie viel Reichtum und Ruhm dieser Mensch besaß, sein Ableben war gekommen.
Die nächste Seele führte ihm zu einem kleinen Jungen, welcher sich frech von seiner Mutter entfernte, die genervt im kleinen Laden nahe der Straße stand. Auf ihre Rufe er soll herkommen hörte er nicht und sprang auf die Straße, direkt vor einem Bus, der nicht mehr bremsen konnte. Die Mutter, der Ladenbesitzer und Passanten rannten direkt auf die Straße. Der Körper des Jungen wurde durch den frontalen Aufprall in Mitleidenschaft gezogen. Entsetzen breitete sich aus und der Ladenbesitzer alarmierte den Notarzt. Dieser würde allerdings nichts mehr tun können. Cedric geleitete die Seele des Jungen und verschwand kurz darauf.
Er geleitete abschließend die Seelen zwei älterer Damen bevor er mit den Akten zur Gilde lief. Johannes saß in der Gilde und verabschiedete gerade zwei Schmieder. Cedric überreichte Johannes die vier Akten. "Guten Tag Cedric. Du bringst mir wieder abgeschlossene Akten! Die letzten Tage warst du ja eher theoretisch veranlagt." grüßte Johannes und merkte dies schmunzelnd an. Es war ihm aufgefallen, dass sich Cedric mehr im Hintergrund gehalten hat.
"Johannes? Darf ich dich etwas fragen? Es geht um dein Halbblutwesen." Überrascht sah Johannes Cedric an. "Äh klar, warum nicht?"
"Wie ist das Leben als Halbblut für dich in der Totenwelt?" fragte Cedric und Johannes verstand. "Ach darum geht's!" Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und setzte ein Fuß auf den Tisch ab. "Es ist ähnlich wie bei Menschen, die eine Behinderung haben. Du wächst damit auf und lebst damit. Es ist die Normalität für dich. Ich weiß, wann ich als Halbblut eine Pause brauche und arbeite, wie ich kann. Ich denke immer ein wenig an die Menschen, die Geister sehen können oder spirituell veranlagt sind." Lächelnd sah Johannes Cedric an und erzählte offen weiter. "Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Ich werde nie der Stärkste Seelengeleiter sein und sollte mir zweimal überlegen, was ich meinem Körper zumute. Dafür werde ich bei den Menschen aber immer eine überdurchschnittliche gute Sportskanone sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass mein Vater durch mich immer wieder in Genuss von wunderbaren Speisen kommt." Er schmunzelte und auch Cedric überkam dabei ein Lächeln.
"Wäre ich nicht hier aufgewachsen würde ich auf der Erde irgendeinen Job verrichten. Mir stehen beide Welten offen. Hast du nicht selbst einen Halbblut in der Familie?" fragte Johannes zum Schluss und Cedric nickte. "Ja, er lebt auf der Erde und hat mit dieser Welt nicht viel zu tun." erwähnte Cedric und dachte an Niklas. "Siehst du? Jeder führt ein anders Leben und würdest du die Menschen nach dem Leben fragen, würden sie dir alle was anderes sagen. Was für den einen Leben ist, kann für den anderen eine Qual sein. Was wäre denn Leben für dich?" Diese Frage stieß Cedric vor den Kopf. Er hatte solche Worte nicht erwartet.
"Ich... Ich weiß nicht. Ich habe Leben immer als etwas angesehen, das für die Menschen bestimmt ist. Wir sind die Gehilfen des Todes, eine Existenz." gestand Cedric und Johannes verstand Cedric immer mehr. "Existenz und Leben sind zwei unterschiedliche Dinge. Du hast eine Frau und Familie die du umsorgst. Würdest du dies nicht als Leben bezeichnen?" Cedric stockte. "D-doch." "Und in welchen Momenten hast du einfach nur existiert? Dich deinem Dasein hingegeben?" Abrupt dachte Cedric an all die Momente vor Felicia. Stumm ist er von Tag zu Tag seiner Berufung nachgegangen. Er war kalt und nur für sich. Auch die Momente in denen er als Henker seine Aufgabe verrichtete war er einfach nur irgendwie da.
"Nur weil man der Tod ist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht leben darf. Gina ist dafür das beste Beispiel!" Grinsend sah er zu Cedric und sah ihm an, dass er einige Gedankensätze bei ihm ausgelöst hatte. Cedric dankte ihm. "Ich kann natürlich nicht für alle reden und ich denke jeder Todesgeist wird dir eine andere Sichtweise präsentieren. Die einen mögen es hier als Hölle sehen, andere als 2.te Chance. Es gibt auch Todesgeister, die dieses Leben hier als schön erachten. Letztens sprach ich mit einem Seelengeleiter, welcher nur dankbar war, wieder sehen zu können und ihm diese Berufung hier der geringste Preis ist, den er zahlen muss." sprach Johannes und obwohl er so jung war, kam Cedric ihn gerade sehr weise vor. Vermutlich lag dies an seiner Erfahrung und seinem Dasein als Halbblut. Johannes schien auch von sich selber überrascht zu sein und war auch irgendwie stolz, dass er Cedric weiterhelfen konnte.
Eine strenge Stimme unterbrach die Stille.
"Fuß vom Tisch, Johannes!" Augenblicklich zog Johannes den Fuß zurück, als er seinen Vater erblickte. "Entschuldige." murmelte er und Cedric verabschiedete sich von beiden, während Johannes Übergabe mit Jeremy machte.
Schummrig öffnete Felicia ihre Augen und verspürte einen kleinen Schmerz in ihrer Brustgegend. Mit der Hand berührte sie ihren Oberkörper und vernahm ihr schlagendes Herz. Mit kritischen Blick musterte sie ihre Umgebung und bekam Flashbacks an ihr 18.tes Lebensjahr. Sie war glücklich, dass sie diesmal nicht ihr Vater erwartete. Ein Sensenmanngeist war bereits auf dem Weg, um Cedric zu informieren. Cedric hatte die Nachricht gelesen und war sofort zu den Heilern gespurtet. Er wollte Felicia sehen! Dr. Bromerus brachte ihn in ihr Zimmer und konnte Cedric kaum dazu bringen, kurz ruhiger zu werden.
Das Ehepaar sah sich und ihre Augen funkelten beim Anblick des jeweils anderen. Mit der linken Hand fuhr Cedric durch Felicias Haar, mit der anderen hielt er ihre linke Hand, während sich ihre Lippen zu einem Kuss vereinten. "Du hast mir die letzte Zeit so gefehlt." hauchte Cedric und Felicia lächelte bei diesen Worten.
"Ich war auch fast drei Wochen nicht bei Bewusstsein." gab sie zu und diese Wochen kamen Cedric wie Jahre vor.
"Zumindest darf ich schon entlassen werden." schmunzelte sie und war froh, diese Einrichtung bald verlassen zu dürfen. Ihr Hass auf die Heilerstation war weniger geworden, aber sie war dennoch kein Freund von dieser.
Beim Aufstehen brauchte Felicia Hilfe. Ihr Kreislauf spielte noch nicht so mit, wie sie wollte und ihre Beine gaben nach. Cedric war sofort zur Stelle und elegant hob er sie auf seine Arme. "Wie bei unserer Hochzeit." schmunzelte er und es folgte ein weiterer Kuss.
Daheim angekommen setzte Cedric Felicia auf dem Bett ab. "Ich bin froh, wieder auf den Beinen zu sein." seufzte Felicia erleichtert, während in Cedric Zweifel aufkamen. Felicia sah ihm an, dass er sich wegen etwas Gedanken machte.
"Erzähl, worüber denkst du nach?" hakte sie direkt nach und Cedric wusste, dass er ihr nichts verschweigen konnte. "Ich habe dich in etwas hineingezogen nur, weil du meine Frau bist." Seine größte Angst war immer, dass seine Familie unter seiner Berufung Schaden nimmt. Dieser Vorfall bestätigte die Angst. Felicia sah zu ihrem Mann.
"Es liegt nicht an dir. Ich habe dir schon oft gesagt, dass es für mich in Ordnung ist, die Frau des Scharfrichters zu sein. Ich meinte, in all den Jahren ist es diesmal das erste Mal, dass etwas passiert ist und ich lebe noch." entgegnete sie optimistisch, bevor sie hinzufügte: "Ganz davon ab, dass ich damals sowieso schon schwanger war, als du es mir erzählt hast." Ihre Worte munterten Cedric zwar auf, aber die Sorge um seine Familie blieb bestehen. "Was ist eigentlich aus diesem Phil geworden? Wurde er bestraft für das, was er getan hat?" wollte Felicia wissen und hatte etwas kaltes an sich. Ihr Mann setzte sich zu ihr auf das Bett. "Ich habe ihn zur Gilde gebracht. Er wurde bestraft. Seine Sense wurde ihm entnommen und er arbeitet unter Josefs Führung." Felicia nickte nur und fing dann an, sich auszuziehen. Sie streifte ihr weißes Krankenbild ab und Felicia sah auf ihre neue Narbe and er Brust. Die auf dem Rücken konnte sie nicht sehen.
"Eine Narbe mehr fällt auch nicht auf." schmunzelte sie und blickte zu ihrer Vivisektions-Narbe. "An die Narbe, die ich Paul zu verdanken habe, wird nie eine andere Narbe herankommen." Beim aussprechen des Namens ihres Vaters wurde ihr gefühlt schlecht.
Cedric schaute zu ihren Narben und war immer wieder fasziniert von der Geschichte hinter diesen. Er umfasste ihre Schultern, küsste ihren Hals und fuhr hinunter zu ihren Narben. Zaghaft fuhr seine Zunge über die Narben entlang. Felicia genoss seine Berührungen und war froh, dass er all dies an ihr liebte.
Felicia erholte sich schnell und fand wieder zur alten Form zurück. Ihre Söhne kamen zu Besuch, als sie erfuhren, dass es ihr besser ging und waren heilfroh über ihre Genesung. Sie nahm ebenfalls ihre Arbeit wieder auf und meinte scherzend, dass sie genug entspannt hätte. Cedric zuliebe fing sie mit dem bearbeiten von Akten an. Die Akten brachte sie direkt zur Gilde, dabei lief ihr Johannes über den Weg. Beide blieben für ein Gespräch stehen. "Wie schön, dass du wieder auf den Beinen bist." freute sich Johannes und Felicia nickte. "Ich bin auch froh darüber, dass ich wieder bei meiner Familie sein darf." Glücklich schmunzelte sie. "Hat Cedric dir schon von den Gesprächen erzählt, die wir geführt haben?" fragte Johannes lächelnd und Felicia sah ihn überrascht an. "Nein, welche Gespräche?" Johannes erzählte ihr daraufhin von der philosophischen Unterhaltung.
"Er wollte die Todesgeister verstehen lernen und wir hatten ein intensives Gespräch über das Leben. Hat er dir auch nicht erzählt, dass er sich für einen psychisch labilen Todesgeist eingesetzt hat?" Felicia war mehr als überrascht, als sie dies vernahm und war auch irgendwie stolz auf ihren Gatten.
"Na, da werde ich ihn auf jeden Fall nochmal drauf ansprechen müssen." Sie dankte Johannes und zog mit den stolzen Gedanken an ihren Mann weiter zu den Praktikern.