Alma setzte ihre Lehre ebenso weiter fort und Sibylle nahm sie hart ran. Bei den Sensenschmieden herrschte große Hektik und Stress, welchen Alma deutlich zu spüren bekam. Unsanft wurde sie zur Seite geschubst und barsch angesprochen, wie auch hin und her gescheucht. Sie bekam keinen Moment Ruhe. Sibylle nahm sie zur Seite und packte sie dabei fest am Arm. "Mitkommen!" Sie zeigte Alma die Schmiedeabteilung. "Zusehen und aufpassen!" befahl Sibylle und klopfte mehrmals mit einem Hammer auf ein heißes Stück Metall und verlieh diesem der Form eines Sensenblattes.
Erneut war Alma fasziniert von Sibylles Handwerk. Mit einem Fingerzeig wies die Schmiedemeisterin Alma daraufhin, zu ihr zu kommen. Alma sollte es selber einmal versuchen und machte sich daran. Ihre Schläge waren vorsichtig. "Härter zuschlagen!" brüllte Sibylle und war gereizt. Alma wusste nicht, wie sie was formen sollte und sie würde ängstlich bei Sibylles direkten eiskalten Blick. Sibylle hob das Kinn an und verschränkte die Arme. Schließlich wurde sie ungeduldig und entriss Alma die Zange samt Hammer. Beide musterten Almas undefinierbare Metallplatte. "Was ist das denn?! Selbst ein Krüppel ohne Arme könnte härter zuschlagen und formen!!" brüllte Sibylle erzürnt und Alma senkte den Kopf. "Weitermachen! Gefühle haben bei der Arbeit nichts zu suchen!" ermahnte Sibylle, weil ihr Almas Niedergeschlagenheit aufgefallen war. Sofort hob Alma den Kopf und nickte mit energischem Ausdruck.
Daraufhin holte Sibylle ein vorgefertigtes Sensenblatt hervor. Sie gab Alma dieses. "Die Klinge muss geschärft werden!" Sibylle verfuhr wie zuvor und verlangte, nach dem sie es Alma vorgeführt hatte, dass Alma es nach machte. Alma gab ihr bestes und war bemüht, doch merkte, dass ihr auch diese Aufgabe nicht gelingen wollte. Sibylle musterte ihre Arbeit und war nicht begeistert. "Die ist kein Stück scharf!! Damit ließe sich nicht einmal-", Sie trat an Alma heran und musterte eine lose Haarsträhne. Alma gefiel nicht, wie nahe ihr Sibylle kam. "Eine Haarsträhne schneiden!" fuhr Sibylle ihren Satz fort und riss dabei Alma Haarsträhne finster aus. Ohne etwas zu sagen ließ Alma dies einfach über sich ergehen, verstand aber immer mehr, warum viele die Lehre abbrechen.
Dann kam Sibylle mit der scharfen Seite der Sense näher an Alma heran. "Die Klinge muss so scharf sein, dass sie einen Teufel mit Leichtigkeit zerschneiden kann!" Aufmerksam hörte Alma zu, aber innerlich fühlte sie sich schlecht. Plötzlich packte die Schmiedemeisterin Almas linken Zeigefinger und sie hatte noch nicht realisiert, was los war, da hatte Sibylle ihren Finger schon über die scharfe Klinge gezogen. Alma sah auf den blutenden Finger und wollte nicht wahr haben , was ihre Lehrmeisterin eben getan hatte! "Verstanden, wie scharf die Sense sein muss?!" hakte Sibylle laut nach und Alma nickte. "J-ja!" sagte sie neben sich stehend und Sibylle gefiel Almas emotionale Lage gar nicht. Deshalb zerrte sie Alma zur Tür. "Ich habe keine Zeit, mich um einen Lehrling zu kümmern!! Wir haben Wichtigeres zu tun!!" Damit stieß sie Alma aus den Raum und verschloss diese wieder.
Irritiert und getroffen starrte Alma zur Tür und hielt ihre Tränen zurück. Ihr war nicht einmal klar, ob sie gerade aus der Lehre geworfen oder für den heutigen Tag entlassen wurde. Niedergeschlagen senkte sie den Kopf, als sie eine Stimme vernahm. "Was für ein glücklicher Zufall, dich hier zu treffen!"
Alma drehte sich um und erblickte ihren Vater, welcher sie mit offenen Armen empfing. Allerdings hielt er inne, als er ihren betrübten Gesichtsausdruck sah. "Ist etwas passiert?" hinterfragte er und Alma hielt sich den linken Arm, als Henrik den blutenden Finger bemerkte. "Du bist verletzt. Gehen wir zu mir, ich habe eben Dienstschluss gemacht." schlug er vor und mit gesenkten Kopf lief Alma ihm hinterher. Besorgt musterte er sie und legte behutsam den Arm um sie, bevor sie seine Wohnung erreichten. Alma trug immer noch ihre Arbeitskleidung, welche sie bei Henrik ablegte. "Folge mir einfach ins Bad." bat er und suchte dort in einem Schrank einen Verband. Er schnitt einen kleinen Teil ab und legte diesen um ihren Finger, nachdem er das Blut zuvor abgewischt hatte. "Danke." sagte Alma leise und lächelte kurz, senkte dann aber wieder den Blick.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer und Alma erzählte ihm von allem. "Ich möchte diese Lehre unbedingt machen, es ist ein großer Traum von mir, der mir sehr viel bedeutet, aber ich bekomme es nicht hin!" Sie war darüber sehr aufgelöst und die ersten Tränen rollten über ihre Wange. Henrik weitete die Augen, als er sie weinen sah und wollte das nicht mit ansehen. Erst zögerlich, aber dann mitfühlend zog er sie zu sich heran und umarmte sie. "Alles gut, nicht weinen." flüsterte er und war innerlich nervös, da er Sorge hatte, keine gute Hilfe zu sein. Schließlich sprach er ihr, wie bei den letzten Malen auch, gut zu. "Anfangs ist immer alles schwer. Außerdem hast du die Aufgaben das erste Mal gemacht und bei den Sensenschmieden herrschte Stress. Nichts ist direkt perfekt, du lernst immerhin noch. Du darfst nicht aufgeben!" Alma nahm sich die Worte zu Herzen. "Auf keinen Fall werde ich aufgeben, aber es zieht mich runter." Geknickt saß Alma auf dem Sofa und ihr war bewusst, dass die Lehre schwer war, aber der Tag hat sie demotiviert und sie fühlte sich, als würde sie es nicht können.
Ihr Vater versuchte ihr klar zu machen, dass diese Momente nicht schlimm waren und fing von seiner Lehre an zu erzählen.
"Meine Lehre war ebenfalls schwierig und streng. Mein Lehrmeister ließ mich damals jede Treppe einzeln hoch- und runterlaufen. Mehrmals sollte ich hohe Aktenstapel durcharbeiten und wenn ich was falsch gemacht habe, wurde ich entweder abgeworfen oder auf die Finger geschlagen. Selten wurde ich auch in der Gilde so laut zusammen geschrien, dass man es noch draußen gehört hat. Auch mir sind verherrende Fehler passiert. Einmal sind mir mehrere Akten runtergefallen und eine Zeit lang sollte ich bei den Praktikern mehr Erfahrung sammeln. Ich hatte viele Akten dabei und so passierte es, dass ein paar Mal Seelen fast zu spät geleitet worden wären. Jegliche Erklärungen waren egal, Fehler war Fehler. Als ich Anfangs die Regeln auswendig lernen und vortragen sollte, musste ich bei jeden kleinen Fehler neu anfangen und wurde mit dem Regelbuch geschlagen." Diese Sätze zeigten Alma erneut, dass auch ihr Vater einst angefangen hatte und es nicht einfach hatte.
Sie weinte nicht mehr und wischte ihre Tränen weg. Es erleichterte Henrik sehr, dass sie keine Tränen mehr vergoss. Schließlich berichtete sie ihrem Vater von dem, was Sibylle getan hatte und er war nicht erfreut, darüber zu hören. "Ich wurde in meiner Lehre auch geschlagen und Sibylle ist eine sehr kalte, wie auch strenge Persönlichkeit, trotzdem ist das nicht richtig." Es erzürnte ihn auf einer Seite, aber er blieb ruhig. "Wenn du möchtest, kann ich mit Sibylle reden." schlug er vor, aber Alma lehnte sofort kopfschüttelnd ab. "Nein danke, es ist schon in Ordnung." Vorsichtig lächelte sie und wusste die Hilfe zu schätzen, doch wollte sie keine Anstalten machen. "Wenn aber etwas ist, dann darfst du immer vorbei kommen. Deiner Mutter habe ich dasselbe ebenfalls schon vorgeschlagen." bot er ruhig an und Alma war dankbar für das Angebot. Sie nahm ihre Sachen und verabschiedete sich.
Daheim erzählte sie ihrer Mutter von dem Tag, die schockiert über die Umgangsweise von Sibylle war. Alma beruhigte sie jedoch und stand dem mehr gefasst gegenüber. Außerdem erzählte sie Smeralda, wie sich Henrik um sie gekümmert hat. Smeralda freute sich, dass er sich um seine Tochter sorgte und ihre Augen funkelten auf.
Am nächsten Tag stand Alma mit neuer Motivation vor den Sensenschmieden. Ihr Vater hatte ihr dazu geraten, weiter dorthin zu gehen. Das zeige, dass sie Stärke und Durchhaltevermögen besäße. Wie immer lief sie hinein und wurde von Sibylle gemustert, als sie dort kerzengerade stand, mit einem ruhigen Gesichtsausdruck. "Ich habe Sensen für Sie, die Sie beim Tod segnen lassen sollen!" Daraufhin drückte sie ihr mehrere Sensen entgegen und Alma nickte entschlossen, bevor sie aus der Tür trat. Sibylle sah ihr hinterher. Sie lobte Almas Selbstbewusstsein und ihr Auftreten hatte bei der Schmiedemeisterin einen positiven Eindruck hinterlassen.
Mit mehreren Sensen in der Hand teleportierte sie sich zur Gilde und zum obersten Bereich. Ein Gildenmitglied, welches sie schon öfters gesehen hatte, saß dort und sie fragte, ob sie zum Tod dürfte. Der Mann mit den braun mittellang gewellten Haaren lächelte sie an. "Geh nur, du bist doch Henriks Tochter und Schmiedelehrling." Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Alma seufzend hinterher. "Wie groß beide mittlerweile geworden sind und selber eine Familie haben. Ich vergesse nie, wie ich mich um beide gekümmert habe und wenn ich mich recht erinnere, haben die Zwillinge doch bald Geburtstag."
Währenddessen hatte Alma an der Tür angeklopft und war nervös. Als sie in den Raum trat, grüßte und verbeugte sie sich direkt. "Guten Tag, Gevatter Tod. Ich bringe ein paar Sensen zum segnen." Der Tod freute sich über ihre Anwesenheit und bot ihr das Du an, was viel bedeutete. Im ersten Moment war Alma verwundert. "Nicht jeder hat dieses Recht. Nur wenigen ist dies erlaubt. Immerhin bist du die Tochter von Henrik Dronner." Das war das zweite Mal, dass sie diese Aussage hörte.
Dankend nahm sie an. "Ich weiß das Angebot sehr zu schätzen, aber ich bin auf keinen Fall etwas Besonderes, sondern ein einfacher Todesengel, der seine Schmiedelehre macht." Entschlossen blickte sie dem Tod entgegen und er lobte sich ihre Bodenständigkeit. Justin neben ihm stand auf und nahm die erste Sense zur Hand. "Ich werde diese segnen!" Gebannt sah Alma ihn bei den Segnungen zu und war fasziniert. Schließlich überreichte er ihr alle Sensen und beide sahen sich für einen Moment an. Justin lächelte und wollte sich verabschieden, als Alma ihn eine Frage stellte. "Kann man eine Segnung aufheben?"
Der Tod und Justin sahen sich an. Mit solch einer Frage hatten beide nicht gerechnet. Ruhig antwortete der Tod ihr. "Auf Geheiß kann eine Sense in Ketten gelegt werden, damit es dem Todeswesen versperrt bleibt, ins Menschenreich zu gehen. Verstirbt der Träger der Sense, erlischt automatisch ihre Segnung. Im Notfall ist es den Gildenmitgliedern und uns erlaubt, eine Sense mit Ketten unhandlich zu machen." Alma bedankte sich für die Antwort und kehrte nach der Verabschiedung zu den Sensenschmieden zurück.
Sie lief in einem Raum, in dem alle fertigen Sensen verwahrt worden. Beim Türklingeln öffnete sie diese und ein älterer Mann stand vor ihr und wollte mehrere Sensen für seine Lehrlinge abholen, woraufhin Alma ihm mehr als 30 Stück brachte. Die Aufträge hatten sich alle in einem Ordner mit dem Namen des Mannes befunden, was es ihr einfacher machte, diese zu holen.
Zwischendurch kamen welche vorbei, um ihre neuen Sensen abzuholen. Alma sorgte sich um die organisatorischen Angelegenheiten und übergab den Schmieden die Aufträge, als es an der Tür läutete und Alma die Tür öffnete.
Eine Frau mit langen braunen Haar lächelte sie an. "Schönen Tag. Mein Name ist Fabiola Chinchensu. Ich würde gerne eine neue Sense beantragen." Sie fasste sich mit einer Hand ans Kinn und musterte Alma lächelnd. Alma wusste genau, von der Theoretiker-Arbeit, was zu tun war und bat sie, ihr in einen Nebenraum zu folgen und nahm sich Silberfeder wie auch das Auftragsformular. Erst notierte sie den Namen und dass es ein Zweitantrag war. Alma wollte ihr das Formular zum ausfüllen geben, doch Fabiola beschrieb ihre Sense genau. Ihre Wünsche notierte Alma und Fabiola beugte sich etwas zu Alma vor, um ihr näher zu kommen. Interessiert schaute sie Alma an und blickte ihr ins Gesicht. Dabei lächelte sie entspannt. "Dann hätten wir alles." sagte Alma offen und sah Fabiola nervös an, als sie die Blicke sah, aber sie versuchte das unwohle Gefühl zu verbergen und machte normal weiter. "Ich danke Ihnen." Erfreut stand Fabiola auf und Alma brachte sie zur Tür. "Bis dann!" verabschiedete sich Fabiola und Alma nickte nur, bevor sie die Tür ins Schloss fallen ließ.
Ihr kam Fabiolas Art ihr gegenüber komisch vor und sie fühlte sich angespannt. Den Auftrag überreichte sie Sibylle und wurde nach einigen Aufräumarbeiten entlassen.