Nach getaner Arbeit verließ Gamia das Totenreich und teleportierte sich vor die große Halle. Wie vermutet fand sie Niklas vor einen der großen, grünen Traktoren vor. Er bemerkte ihre Anwesenheit und drehte sich mit gereizten Blickes um. Gamia lächelte ihn ruhig an und Niklas lockerte seine Miene.
"Nett, dich zu sehen." brachte er hervor und gab Gamia unbewusst das Gefühl, dass sie ihm über die Tage nicht egal geworden ist. Er lehnte sich an den Traktor und statt zu warten, dass sie was sagte, setzte er zum reden an. Er erlangte Gamias ganze Aufmerksamkeit.
"Hätte nicht gedacht, dass du zu mir kommst. Eigentlich hätte ich zu dir gehen sollen." Gamia nickte deutlich und Niklas kam auf sie zu. Er umfasste ihre Schultern.
"Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Ich habe mich zu sehr von meiner eigenen Angst meines Seins und dich zu verlieren, beeinflussen lassen. Es ist wie bei meinem Vater. Ich konnte seine Todesdaten ignorieren, bis der besagte Tag näher rückte. Die Blicke der Menschen um mich konnte ich nicht ertragen, da mir da meine Existenz wieder schmerzlich bewusst wurde." Mit der Hand strich er über ihre Wange und ihre Köpfe berührten sich. "Ich möchte nicht altern und in dieser Existenz zwischenstecken, während für dich die Zeit stillzustehen scheint."
Er nahm sie in den Arm und sachte strich er über ihren Rücken. Gamia ergriff das Wort.
"Ich habe mich ein wenig in dich hineinversetzt. Ich bin zwar ein Halbblut, aber stehe nicht zwischen den Sterblichen und Unsterblichen." Beide blickten sich an und verspürten dasselbe.
"Lass uns nicht über etwas nachdenken, was voller Ungewissheit ist." hauchte Gamia und in beiden blitzte ein Funkeln auf. Sie verblieben in ihrer umarmenden Position. Niklas strich über ihre Haare und sprach dabei ruhig: "Möchtest du wieder zu mir?" Gamia wartete einen Moment, bevor sie antwortete.
"Ich würde gerne noch bei meinen Eltern bleiben, aber ich komme wieder zu dir." Diese Antwort genügte Niklas.
"W-wenn du doch einen Arzt aufsuchen möchtest, können wir zu meiner-" setzte Gamia an, aber Niklas legte ihr die Finger auf den Mund, damit sie nichts mehr sagte.
"Ich möchte nicht, aber ich danke dir." lehnte er zärtlich ab und drückte Gamia einen Kuss auf die Stirn.
Gamia zog einige Tage später zurück zu Niklas. Sie vermieden es, über besagtes Thema zu sprechen. Es vergingen drei Jahre, in denen Niklas normal vor sich hinlebte und keine Beschwerden verspürte.
Mutter Natur und Gevatter Tod fanden sich im Garten Eden zusammen ein. Sie saßen an der Lichtung, an der sie sich öfters trafen. Mutter Natur hielt ihren Kopf gesenkt und blickte besorgt zu ihren Händen, die auf ihren Oberschenkeln ruhten. Der Tod ergriff mit seinen knochigen Händen ihre und seine leeren Augenhöhlen blickten sie an.
"Wir beide wissen, was nachdem hier kommt und trotzdem unvermeidbar ist."
Sie nickte ohne Worte und verdrückte eine Träne.
"Rufen wir ihn." hauchte sie und Gevatter Tod tat, wie sie es erbat. Vor ihm tauchte ein Siegel auf, welches dürre Gestalten zeigte. Er blickte auf dieses und rief dann:
"Komm."
In einem Armenviertel in einer Gasse offenbarte sich ein Sarg, aus dessen Inneren eine Kreatur entstieg und über die Welt hineinfiel. Die Ernten verdorrten, die Armen wurden ärmer, die Menschen unterernährt und krank. All dies geschah im Zusammenhang mit dem andauernden Krieg.
Heather legte in jede einzelne Tasche der Verkaufsstellen die neuen Preisschilder rein. Nach getaner Arbeit stellte sie sich einen Tee an und strich sich eine gräuliche Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Chefin kam mit ihrer Kaffeetasse in das Büro. Der Aufdruck Monday loading war bereits kaum mehr zu erkennen.
"Ich freu mich schon auf die ganzen Kundenbeschwerden." erwähnte Sarah sarkastisch und stellte ihre Tasse unter.
"Aber 5 Euro für das Roggenbrot ist schon happig.", erwähnte Heather, "Ich habe mich bei den Preisen ebenfalls erschrocken." Zustimmend nickte Sarah.
"Wenn ich könnte würde ich ja auch die Preise senken, aber es geht halt nicht." Sie fügte ihrem Kaffee Milch hinzu.
"Abbekommen tun das in erster Linie sowieso die Verkäufer." meinte Heather und Sarah nickte.
"Jaa! Die haben mein größtes Mitgefühl. Ich habe das ja auch eine Zeit lang mitgemacht." Sie nahm einen kräftigen schluck Kaffee. "Ich verlasse das Büro heute früher. Ich habe die Abrechnungen fertig und-"
"Keine Lust mehr und brauchst Pause?" ergänzte Heather und Sarah zuckte mit den Schultern. "Hätte ich so nicht gesagt, aber ja, du sprichst mir aus der Seele." Beide lachten auf und wandten sich danach ihrer Arbeit zu.
Bevor Sarah das Büro verließ, lief sie zu Heather. Aus Jux stupste sie das Plüschbrot vom Rechner und Heather sah mit hochgezogener Augenbraue zu ihr.
"Mach Feierabend." meinte sie kühl und Sarah schmunzelte.
"Ich sehe dich noch bis zu deinem Lebensende an diesem Schreibtisch sitzen." Heather wurde beschämt.
"Ich denke, dem wird wirklich so sein." gab Heather zu und Sarah verabschiedete sich kichernd.
"Bis morgen."
"Bis dann."
Sarah parkte ihr silbernes Auto vor der Doppelhaushälfte und betrat das Haus. Ihr erster Weg führte sie vom Flur in die Küche, wo sie sich eine Tiefkühlpizza aus dem Froster nahm. Sie wollte das Licht anschalten, aber die Lampe versagte. Genervt rollte Sarah die Augen und holte Werkzeug wie einen Stuhl. Sie stellte sich auf diesem und war dabei die Lampe von der Wand zu schrauben. Dabei verlagerte sie ihr Gewicht und der Stuhl kippte mit ihr. Sie konnte sich nicht abfangen, der Stuhl fiel und sie knallte mit der Stirn voran gegen die Spüle. Blutend lag sie auf dem Boden. Ihr Körper zuckte noch einmal und blieb dann regungslos liegen.
Johannes tauchte mit der Akte vor ihrem Körper auf und kniete sich zu ihr runter, bevor er die Seele geleitete. Sie vernahm seine Stimme.
"Johannes? Dass ich deine Stimme höre bedeutet?"
"Tod durch Haushaltsunfall, einem Sturz." ergänze er uns Sarahs Seele fing leise zu weinen an.
"Ich bin gestorben?"
"Ja, das bist du." bestätigte er und Sarah schluchzte.
"Und die Firma? Heather? Meine Freunde und alles?" fragte sie verzweifelt.
"Das ist alles irdisch. Genauso wie dein Körper. Deine Seele lebt fortan anderweitig weiter. Im Garten Eden." Sarah hatte die Nachricht kaum realisiert und ihre Seele wurde in den Garten Eden geleitet.
Heather erfuhr als eine der Ersten von Sarahs Tod und war erschüttert. Sie wusste kaum, wie es weitergehen sollte und musste dies verarbeiten. Sie betrat das Studio von Musuko zur Mittagszeit, welcher seinen Kunden gerade entließ. Er streckte sich und sein Rücken knackte.
"Ich bin alt. Ich vermisse die Zeit, wo ich noch keine Rückenschmerzen hatte." stöhnte er und lief zu Heather, um sie zu umarmen. Er löste die Umarmung, setzte sich auf seinen Stuhl und trank einen schluck.
"Du erzähltest bereits, dass etwas passiert sei?" erwähnte er und blickte sie aufmerksam an. "Ja. Meine Chefin Sarah ist gestorben." Ihre Stimme wurde leise.
"Dann verschwinden ihre Tattoos ja." war Musukos erster Kommentar und Heather hatte mit dieser Aussage bereits gerechnet. Er stand auf und umarmte Heather.
"Wenn du eine Begleitung brauchst komme ich mit." bot er an und Heather nickte. Sie wusste sein Angebot zu schätzen.
"Erstmal findet die Beerdigung statt und wir müssen überlegen, wie es mit der Firma weitergeht. Sarah hat damals ihre gesamte Beerdigung geplant, als sie mit den Lungenkrebs zu kämpfen hatte." Sie drückte Musuko an sich. Er bemerkte, dass sein Shirt leicht feucht wurde und strich über ihre Haare.
"Wir bekommen das hin. Meine Tür steht dir jederzeit offen." Seine Worte und die Trauer sorgten dafür, dass Heathers Tränen sich verstärkten. "Ich danke dir." brachte sie schluchzend hervor. Bis zu seinem nächsten Termin nahm Musuko sich die Zeit, für Heather da zu sein.
Sarahs Beerdigung fand im großen Kreise statt. Über die Hälfte der Besucher bestanden aus Arbeitnehmern der Firma. Für den Betrieb kamen turbulente Zeiten zu. Heather versuchte als Gehilfin den Betrieb unter die Arme zu greifen, wo es ging. Jedoch war sie nicht in allem involviert und konnte nicht alles beherrschen. Stressige Wochen beherrschten ihren Alltag und sie bekam einen leichten Rückfall ihrer Depression. Musuko und Mikel bemerkten dies und standen Heather zur Seite, indem sie sie bei sich schlafen ließen. Heather war Musuko dankbar für seine Aufmerksamkeit und Hilfe.
Die Situation besserte sich, nachdem sich ein Herr Mitte 50 dazu entschloss, den Betrieb aufzukaufen. Er war selbst Inhaber einer Bäckerei und plante, sich dadurch weiter zu vergrößern.
Mit Heather stand er in Sarahs ehemaligen Büro. Er war von großer Statur und besaß einen kleinen Bierbauch. Heather sah zu ihm und hoffte, dass ihre Augenringe nicht zu sehr auffielen. Er setzte sich ausgelassen auf dem Bürostuhl hin.
"Langsam kommt wieder Struktur in diesen Betrieb, Frau Willers." sagte er mit lauter, gehobener Stimme und schaute Heather dabei direkt ins Gesicht. Sie nickte nur, obwohl sie merkte, dass ihr Gegenüber eine bestätigende, lobende Antwort erwartete. Er merkte, dass diese ausblieb und schaute dementsprechend unerfreut, lockerte seine Mimik aber kurz darauf.
"Hat die Buchhaltung schon die Kosten für die Firmenfeier abgeglichen?" fragte er weiter und Heather nickte.
"Wir haben eine passende Location gefunden." Der Herr nickte.
"Gut. Ich werde mich hier noch um ein paar Sachen kümmern. Was hat die Chefin früher gemacht, dass der Laden so ist?" fragte er sich in einen aufregenden Tonfall und Heather sagte kein Wort, um nicht in Lästerei zu verfallen. Der neue Chef riss sie aus den Gedanken.
"Sie haben für viel Ordnung in diesem Chaos gesorgt. Ich würde sie gerne als persönliche Chef-Assistentin beibehalten. Ist Ihnen das Recht?" fragte er sie und Heather nickte.
"Ja, das ist in Ordnung." Freudig grinste der Chef.
"Ich weiß auch schon, wie Sie mir als rechte Hand behilflich sein können." Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Ja? Wie denn?" fragte Heather aufmerksam nach und in dem Moment fing der Herr an, seinen Hosenstahl zu öffnen.
Erschrocken wich Heather zurück und starrte mit geweiteten wütenden Blickes zu ihm.
"Vergessen sie es! Nie im Leben! Ich werde weder ihre Fick-Sekretärin, noch werde ich hier länger verbleiben!" Sie verließ das Büro mit einem lauten Knall und ließ den Mann fluchend im Büro sitzen. Wutentbrannt packte sie ihre Sachen und mied die Kollegen. Obwohl sie noch arbeiten hätte sollen, machte sie Feierabend und beim abmelden entschied sie, dass dies das letzte Mal sei, wo sie sich einloggte.