Bevor Henrik seiner Berufung in der Gilde nachging, besuchte er seinen Bruder Cedric, welcher im Koma lag. Henrik setzte sich auf einem Stuhl und seufzte bedrückt. Cedric bewusstlos dort liegen zu sehen, schmerzte ihm sehr, doch er versuchte einen positiven Gedanken zu fassen und redete mit ihm über verschiedene Dinge aus der Vergangenheit. "Erinnerst du dich daran, wie Mutter uns erzählt hat, dass wir nach der Geburt noch eine Weile unser Namensbändchen um den Arm trugen, damit unsere Eltern uns nicht verwechselten?" Bei dieser Erzählung schmunzelte Henrik und versuchte zu grinsen, doch mehr als ein ernüchterndes Lächeln schaffte er nicht. Für einen Moment war es still. "Weiß du noch, wie wir einst einen Streit hatten und daraufhin Mutter gefragt haben, warum wir Zwillinge sind?" Damals waren beide sauer und traurig, heutzutage lachte Henrik darüber und erinnerte sich an die Worte seiner Mutter. "Mutter nahm uns beide in den Arm und meinte, dass der Himmelsfürst zwei Personen auf der Welt haben wollte und dass wir eine Seele aufgeteilt in zwei Körpern sind." Über diese schöne Vorstellung lächelte Henrik und konnte dem nur zustimmen. Er hatte sich miserabel in all den Jahren ihres Konflikts gefühlt und spürte auch jetzt einen Schmerz, wenn er Cedric bewusstlos liegen sah.
Henrik verabschiedete sich von Cedric und lief durch die große Tür zur Gilde, als Florenz ihm schon entgegen kam. "Guten Tag, Henrik. Deine Tochter wartet schon auf dich an deinem Platz." begrüßte Florenz seinen früheren Ziehsohn. Sofort wurde Henrik hellhörig und schaute perplex auf. "Wie?!" Schnell dankte er und rannte die Treppen hinauf.
Mit überschlagenen Beinen, einen Weinglas in der Hand und einem Lächeln im Gesicht erwartete Alma ihren Vater schon. "Hallo Papa. Möchtest du auch ein Glas? Ich war mal so frei." Sie nahm ein zweites Glas und schenkte ihrem Vater ein, welcher sprachlos vor ihr stand und nicht fassen konnte, dass Alma vor ihm saß, als sei alles in Ordnung. Vor allem wenn er an die letzten Tage dachte. Leise dankte er und war perplex, bis er sich wieder fing und Alma an sich drückte. "Ich bin so froh, dass es dir besser geht." sagte er glücklich und setzte sich zu ihr. "Mama war auch erleichtert, dass es mir besser geht. Ich konnte mich im Himmel richtig von Yannis verabschieden und habe sie mit ihrem Freund zu Lebzeiten gehen lassen. Die beiden gehören zusammen. Unsere Zeit war schön, doch ich bin ein Todesengel aus dieser Welt. Sie ist und war immer ein Mensch." Aufmerksam hörte er seiner Tochter zu und verstand ihre Entscheidung. Es ist das Richtige gewesen.
"Außerdem habe ich deine Eltern getroffen und wir haben viel geredet." Was genau, behielt Alma für sich, musste aber immer noch an das amüsante Gespräch mit ihrer Oma denken. Henrik war komplett verwundert, aber auch glücklich, dass er wieder etwas von seinen Eltern hörte und Alma sie kennenlernen durfte. "Es war richtig interessant, mit ihnen zu reden! Vor allem war Opa stolz auf meine Begabung und ich habe ihnen von dem Mordfall erzählt! Darüber muss ich unbedingt mit dir reden, Vater!" Sie war Feuer und Flamme, während Henrik gespannt war.
Alma nahm sich eine Feder und ein Papier. "Ich vermute, dass der Grund für die Ermordungen nicht daran liegt, wie erst vermutet, dass sie eine andere Sexualität oder jemand hatten, der homosexuell war und aus Hass ermordet worden sind." fing Alma energisch zu erzählen an und Henrik hörte ihr fasziniert zu. "Es gibt eine ganz bestimmte Gemeinsamkeit zwischen beiden Opfern. Beide haben in ihrem Menschenleben Selbstmord begangen! Der Mörder tötet sie nicht aus einer bösen Absicht heraus, sondern weiß, dass die Seele ausgelöscht wird, wenn sich der Betroffene bewusst oder von jemand anderen bewusst töten lässt! Da die Opfer von ihrem kommenden Tod nichts wissen, gelingt ihm die Erlösung. Der Mörder musst dafür nur wissen, wer ein Opfer von Suicide Hangman ist!"
Von der Theorie war Henrik angetan und trank etwas Wein. "Warum sollte er das tun?" hakte Henrik nach und Alma überlegte. "Er ist ein Todesgeist, der dieses Leben hier verachtet. Viele Todesgeister mögen dieses Dasein nicht und werden rebellisch. Da er sich selber jedoch nicht töten kann, versucht er andere zu erlösen. Wir müssen nur wissen, wie er von der Vergangenheit seiner Opfer erfuhr." Nebenbei schrieb Alma sich alles auf und Henrik fragte sie, wie sie sich bei Markus sicher sein konnte, dass er damals Selbstmord beging, als Alma ihm beichtete, dass sie von ihren Großeltern erfahren hatte, warum Todesengel existierten. Henrik nickte und sah zu ihr. "Cedric wurde nur verletzt, weil er dem Täter auf der Spur war. Der Täter kannte Cedric oder die Aufgabe, die er verrichtet. In der Zeit, wo Onkel bei den Heilern liegt, werde ich diesen Fall übernehmen!"
Henrik zuckte bei dieser energischen Aussage zusammen. "Pass unbedingt auf dich auf." bat er besorgt und Alma nickte. "Ich werde diesen Fall lösen, so wahr ich Richards Enkelin bin!" rief sie motiviert und Henrik belächelte sie. Es stimmte ihm stolz, dass sie das Talent seines Vaters besaß, doch besorgte ihn ihre Verbissenheit und er wollte nicht, dass sie ebenfalls verletzt wurde. Zudem stieg seine Sorge um Smeralda. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass ihr nichts zustoßen würde, solange kein anderer von ihrer Vergangenheit erfuhr.
Auf dem Weg zu den Heilern kam Felicia an Ludheim vorbei und grüßte ihn. Ludheim erzählte ihr von Cedrics unverändertem Zustand und sie dankte ihm mit einem besorgten Blick. Er war der einzige Heiler, mit dem Felicia auskam und einen näheren Kontakt hegte.
Felicia lief in Cedrics Krankenzimmer und setzte sich zu ihm. Sie nahm seine Hand und küsste diese. "Du fehlst mir, Cedric. Es ist einsam ohne dich in der Wohnung." sagte sie leise und senkte den Kopf. Sie musste immerzu an Cedrics Worte denken und ihrer Bitte, dass es sie nun umso mehr verletzte, dass genau das Gegenteil eingetreten ist. Felicia wusste auch nicht, wann Cedric wieder aufwachen würde und musste an ihre Söhne denken. Nach einiger Zeit stand Felicia auf, küsste ihn auf die Stirn und verabschiedete sich. Hinter sich schloss sie die Tür und wollte heim gehen, als sie Jerome erblickte.
Neben ihm stand ein Mädchen, vermutlich knapp 20 Jahre alt, welches schwarze Haare besaß und ein blaues T-Shirt über ihren schwarzen Pullover trug. Dazu ein schwarz-weiß karierten mittellangen Rock. Das Mädchen hatte den Kopf gesenkt und lief dicht neben Jerome. Kurzerhand grüßte Felicia Jerome. "Guten Tag, Jerome. Ist dieses Mädchen...?" fragte Felicia vorsichtig und lächelte seicht. Jerome nickte und legte den Arm um das Mädchen. "Das ist meine Tochter Jayna. Wir sind auf dem Weg zu einen der Heiler." erklärte er und Jayna schaute Felicia mit ihren ausdruckslosen braunen Augen an und sagte leise: "Hallo." Sie klang sehr kühl und sie senkte traurig den Kopf. "Wenn sie möchten, können wir uns gerne gleich noch ein bisschen unterhalten." schlug Jerome der bedrückten Felicia vor, welche einverstanden war und sich auf einen der schwarzen Stühle an der Wand setzte, während Jerome seine Tochter zu Dr. Elliot Bromerus brachte. Felicia wartete und schaute kalt zu ihren Eltern, als diese an ihr vorbei liefen, sie jedoch komplett ignorierten.
Jerome kam wieder und setzte sich zu Felicia. Seinen ernsteren in sich gekehrten Blick behielt er bei und senkte leicht den Kopf. "Jayna geht regelmäßig zu den Heilern zur Therapie." erzählte Jerome ruhig und Felicia nickte. "Sie erwähnten, dass ihre Tochter psychisch krank sei." erinnerte sie sich und dachte an das Gespräch im Krankenhaus zurück. "Genau. Sie hatte es zu Lebzeiten schon nicht leicht. Unteranderem wurde sie in der Schule fertig gemacht und dann erkrankte ihre Mutter an Krebs, welchem sie schließlich erlag. Das war für mich ein harter Schlag. Ich kannte meine Frau schon, seitdem wir zusammen im Waisenhaus aufgewachsen sind. Als sie an Bulimie erkrankte, stand ich ihr bei und habe mich zu ein paar verbotenen Dingen hinreißen lassen, um ihr zu helfen." erzählte Jerome mit einer verschlossenen Körperhaltung und obwohl er relativ kühl wirkte, merkte man ihm eine gewisse Traurigkeit an.
"Nachdem ihre Mutter starb, nahm Jayna sich das Leben. Ich werde diesen Tag nie vergessen, als ich ihren leblosen Körper im Bett fand und den Brief auf ihrem Schreibtisch las, in welchem sie sich vermehrt entschuldigte und dieses Leben nicht mehr aushielt." Er musste sich beherrschen, seine Gefühle im Griff zu behalten. Felicia tat ihm Leid und sie merkte, dass dieser Mann vom Leben gezeichnet war, weshalb er nun so war, wie er ist. Diese Schicksalsschläge hatten ihn verändert. Irgendwie erinnerte Jerome sie an Cedric, welcher ebenfalls kühler geworden war durch den Verlust seiner Eltern und dem Streit mit seinem Bruder.
"Trotzdem habe ich weiter gemacht, auch wenn ich meiner Familie wieder nahe sein wollte. Im Nachhinein wäre es sowieso egal gewesen, ob ich mich umgebracht hätte oder durch den Unfall starb, ich wäre so oder so in diese grausige Welt gekommen." Wieder spürte Felicia den Hass von Jerome gegenüber der Totenwelt in seinen Worten. "Es ist schlimm, was ihnen passiert ist und ich kann sie verstehen." sagte Felicia ruhig und lächelte ein wenig aufmunternd. Jerome nickte nur und fuhr erzürnt vor. "Wenn ich diese Gestalt Suicide Hangman in meine Hände bekomme, werde ich sie eigenständig auslöschen dafür, dass sie meine Tochter in den Selbstmord getrieben hat!" Er ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen, bevor er seufzte und sich zu beruhigen schien. Zwar hatte Felicia nie einen Verlust wie Jerome gemacht, doch sie wusste wie es war, wenn etwas Einfluss auf eine geliebte Person hatte, wie einst der Teufel an Fritz. Felicia erinnerte sich an ihre Lehre, in welcher bereits von der Gestalt Suicide Hangman erzählt wurde. Sie hatte allerdings das Gefühl, dass Jerome noch nicht lange in der Totenwelt lebte. Schließlich erzählte sie, warum sie bei den Heilern war. Erwähnte aber nur die Verletzung von Cedric durch einen anderen Todesgeist. Jerome wünschte gute Besserung, als Dr. Bromerus mit Jayna wiederkam. Er nahm seine Tochter in den Arm und verabschiedete sich von Felicia, welche ebenfalls heim ging.
Daheim setzte Felicia sich ins Klavierzimmer und versuchte ein wenig zu spielen, doch sie hatte keine Kraft dazu. Sie blickte auf, als sie jemanden klopfen hörte und lief zum Türspion. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie Fritzs Familie erblickte und dazu Frederic mit Ferdinand. Sie öffnete ihnen die Tür, als ihre Söhne sie schon mitfühlend umarmten. "Wir wollten dich nicht alleine lassen." sagte Frederic besorgt und das fand Felicia so niedlich, dass sie eine Träne verdrücken musste und ihre Kinder mit funkelnden Augen anlächelte.
Alle sechs setzten sich zusammen und waren besorgt. Gina schaute kühl zu Boden. "Ich habe von Gina erfahren, dass Vater verletzt wurde und sofort Freddy Ricci Bescheid gesagt." erklärte Fritz und beide Brüder nickten. Gina war zu dem Zeitpunkt bei Gevatter Tod gewesen, als Henrik von Cedrics Verletzung erzählte. Nach ihrem Dienst hatte sie sofort ihrem Ehemann davon berichtet. Frederic hatte seinen Vater zuvor noch gesehen und ihm gesagt, dass er sich nicht übernehmen soll. Auch ihn hatte die Nachricht getroffen. "Cedric wird wieder gesund." versicherte Felicia, um alle zu beruhigen . Trotzdem waren sie besorgt.
Verwundert schaute Felicia zur Tür, als es erneut klopfte und sie aufstand, um zu sehen, wer dort stand. Zu ihrer Überraschung war es Alma. "Hallo Tante Felicia!" grüßte sie lächelnd und umarmte ihre Tante. "Ich muss mit dir reden." sagte sie etwas ernster und Felicia nickte irritiert. Felicia wusste von Cedric, was Alma zugestoßen war und war etwas überrascht, sie so zu sehen.
Alma lief zu Frederic und umarmte ihren Cousin erfreut. Die beiden Todesengel verstanden sich sehr gut, was unteranderem daran lag, dass beide homosexuell waren und ein bisschen was zusammen unternommen hatten. Ferdinand drückte sie ebenfalls, welcher ihr sein Beileid aussprach. Stumm nickte Alma und winkte dem Rest der Familie zu, bevor sie sich an Felicia wandte und mit ihrer Bitte hervortrat. "Weiß du, ob Onkel Cedric seine Unterlagen zum aktuellen Fall hier gelassen hat?" hakte sie nach und Felicia überlegte, während sie in Cedrics Privatraum gingen. Dort fand Alma, was sie suchte und packte alles ein, was sie brauchte. Dabei erklärte sie Felicia ihr Verhalten, welche noch überrascht war. "Ich übernehme den Mordfall. Sag Cedric unbedingt Bescheid, wenn er wieder aufwacht, bevor er einen Schreck bekommt." Leicht schmunzelte Alma, als sie zur Familie zurück liefen. Alma erhob das Wort. "Bitte passt auf, wenn ihr jemanden kennt, der ein Opfer von Suicide Hangman ist. Wir vermuten, dass der Mörder es auf diese Todesgeister abgesehen hat." Gina nickte ruhig, während Ferdinand besorgt zusammenzuckte und nach Frederics linker Hand griff. Alma musterte sein Verhalten und auch Gina schien Bescheid zu wissen. Mitfühlend streichelte Frederic Ferdinands Hand und lächelte ihn aufmunternd an. Alma dankte ihrer Tante noch einmal und verabschiedete sich anschließend.