Die Sensenklingen stießen gegeneinander und beide wichen zurück. Viktorius nahm am Kampfgeschehen teil und attackierte Gina von rechts. Sie sah seine Bewegung und stieß ihn mit einem Fußtritt von sich. Gamia sah Gina entgegen, die Sense mit beiden Händen fest vor ihrem Körper im Griff. Gegen ihre Mutter hatte sie keine Chance, das wusste sie.
Viktorius kam wieder auf die Beine und spurtete mit Gamia gemeinsam auf Gina zu. In zwei Angreifern sah sie keine Bedrohung. Gekonnt wehrte sie beide Schläge ab und mit einem Hieb flog Gamias Sense durch den Himmel, fiel zu Boden und klirrte.
Viktorius drückte sie mit ihrer Sense zur Seite, während Gamia versuchte, ihre Sense wiederzubekommen. Aus dem Augenwinkel sah Gina ihren Versuch und ließ vom Suicide Hangman ab, um ihrer Tochter mit dem Stab der Sense Einhalt zu gebieten. Viktorius bemerkte dies, schnellte zu Gamia rüber und steckte den Schlag für sie ein. Schützend stand er neben sie und bei diesem Anblick weitete Gina die Augen. Sie hatte das Gefühl, Fritz zu sehen, welcher Gamia um jeden Preis beschützen würde. "Fritz..." hauchte sie und ihr wurde klar, wie mitgenommen er wäre, wenn er wüsste, dass seine zwei liebsten Todeswesen gegeneinander kämpften und wäre sicher wütend auf sie. Generell war sie die letzte Zeit nicht gut mit ihrer Familie umgegangen.
Gina drehte sich von beiden weg und lief auf Gamias Sense zu, hob diese auf und brachte sie ihrer Tochter. "Ich sollte dich beschützen und nicht gegen dich kämpfen." wisperte sie und Gamia nahm die Sense entgegen. Es erfreute sie, dass sich ihre Mutter zu beruhigen schien.
Suicide Hangman wich von den Beiden. Er wollte den Moment nicht stören und traute Gina zu, dass sie ihm hinterhältig eine Sense in den Körper stieß. Allerdings deutete Gina dies als Fluchtversuch und ihre Reaktion war schnell. Hinter seinem Rücken spürte er die Sense und sah Gina ins Gesicht.
"Es ist noch nicht zu Ende! Du bist immer noch der Feind des Todes!" zischte sie, aber bevor sie angreifen konnte, teleportierte Viktorius sich von ihr weg. Gina blickte ihm hinterher und als sie ihn sah, rannte sie auf ihn zu. Ihre Sensen schlugen aufeinander und Gamia sah nur die schnellen Bewegungsabläufe, als die Sensen immer wieder zusammen stießen. Ein gezielter Tritt gegen Viktorius Magengrube stieß ihn nach hinten und ließ ihn zu Boden stürzen. Ginas Augen waren auf Viktorius fixiert. Obwohl sie ihm ein Ende bereiten wollte, entschied sie sich schließlich dazu, ihm die Sense zu entwenden und ihm die Hände vor dem Körper anzuketten. Für Gina war es ein Erfolg, den Suicide Hangman in Gewahrsam zu haben. Viktorius fügte sich und unterließ jeden Fluchtversuch. Gamia lief auf Gina zu und war glücklich, dass ihre Mutter ihm vorerst verschonte. Sie fiel Gina in die Arme und vergoss Tränen vor Erleichterung. "Ich habe dich vorhin nicht wiedererkannt!" schluchzte sie und Gina strich Gamia durch das Haar, Viktorius immer im Blick. "Ich war zu verbissen, ihn zu erledigen und war in meinem Weltbild zu festgefahren. Ich teile deine Meinung noch nicht wirklich, aber warten wir ab, wie das Urteil von Gevatter Tod ausfällt." Beide umarmten sich ein weiteres Mal, bevor sie das Augenmerk auf Viktorius richteten.
Es dauerte nicht lange, bis der Sensenmann vor ihnen erschien. Er dankte Gina für die Hilfe und neigte auch leicht den Kopf vor Gamia. "Wir werden ihn in den Raum des Todes nehmen. Es wird eine Versammlung über seinen Verbleib geben." erklärte der Tod und Gina, Gamia wie auch Viktorius kehrten durch das Todesportal zurück. Sie fanden sich in Gevatter Tods Raum wieder. Gina nahm an ihrem Sitz neben dem Sensenmann Platz. Der Sensenmann gesellte sich zu seinem Stuhl, blieb aber stehen und sah zu Viktorius, der mitten im Raum stand, weiterhin gefesselt und keine Möglichkeit zur flucht. Es dauerte einen Moment, doch dann ertönte ein Klopfen an der Tür, an der der Tod die neuen Seelengeleiter empfing. Den Raum betrat einer der Engel von der Fraktion der vier Engel. Er war in Vertretung des Himmelsfürst da und als Viktorius ihn sah, keimte Hass in ihn auf. Dieser Hass beruhte auf Gegenseitigkeit.
Ein weiterer Moment verging und die Tür öffnete sich. Alle verneigten sich, als Mutter Natur den Raum gemeinsam mit dem weißen Tod betrat. Sie wirkte bescheiden und unsicher zugleich, sich ihrer Ausstrahlung nicht bewusst.
"Alle Beteiligten haben den Raum betreten." fing der Tod mit lauter Stimme an, als Mutter Natur die Hand hob. "Entschuldigt.... Ich habe für später eine Zeugin gebeten, dieser Versammlung beizuwohnen." erklärte sie und der Tod nickte.
"Wir haben uns heute hier versammelt, um über den Verbleib von Viktorius von Eden zu sprechen.", Alle verneigten sich voreinander.
"Viktorius von Eden hat als Suicide Hangman Menschen zum Freitod getrieben. Viele Menschen sind wegen ihm vor ihrem natürlichen Todeszeitpunkt verstorben, was für Unruhen im Totenreich und Himmelsreich geführt hat.", Bestätigend nickte Engel. "Was hat Sie dazu getrieben, dies zu tun?" fragte der Sensenmann und Viktorius hatte das Wort.
"Ich wollte nie zu dem hier werden. Ich habe die Menschen auch nicht dazu verleitet, sich umzubringen. Ich habe ihre Sorgen gehört und versucht, ihnen zu helfen. Für mich war der Freitod einst die beste Lösung. Außerdem erwähne ich, dass ich nicht bei jedem Suizid dabei war. Er gehört in diese Welt. Man wird ihn genauso wenig auslöschen können, wie die Morde und die negativen Dinge dieser Welt. Diese perfekte Welt von Friede, Freude und Liebe, wo alles läuft wie es jemand plant, wird nie existieren." erklärte er und sprach indirekt den Himmelsfürst an.
Der Engel war sich dieser Stichelei bewusst und behielt die Ruhe, vorerst. Gevatter Tod gab das Wort an den Engel. Seine Stimme war laut und streng. "Er bringt Ungleichgewicht über die Welten. Dazu lässt er Angehörige leidend zurück, was ein guter Nährboden für den Höllenfürst ist oder für weitere Suizide!" Er blickte in Viktorius Richtung. "Wenn der Höllenfürst könnte würde er die Menschen auch zum Freitod verleiten." murmelte Viktorius und der Engel wurde lauter.
"Ihre Existenz ist die eines Höllenwesens ähnlich!"
Der Sensenmann schritt ein und befahl beide, ruhig zu werden. Es beschämte den Engel in seiner Reinheit, ohne dass er es sich anmerken ließ. Nach diesem kurzen Tumult durfte Mutter Natur reden, welche sich sehr im Hintergrund hielt. "Ich möchte bitte meine Zeugin aufrufen." sagte sie und der Tod öffnete die Tür. Mit gesenkten Blick betrat Tiffany Dronner den Raum.
Bei ihrer Erscheinung weitete Viktorius die Augen und auch Tiffany schaute zu ihm, allerdings mehr aus Schreck vor seinem Dasein. Sie hatten sich über Jahrhunderte nicht gesehen.
Tiffany stellte sich zu Mutter Natur. "Bitte erzähl mir über ihn." bat sie Tiffany lieblich und Tiffany erzählte.
"Wie ich Viktorius zu Lebzeiten kannte, hätte er Menschen nie was angetan. Meine Freundin sagte einst, dass seine Seele krank sei. Er wollte das Leben nicht und wenn er könnte, würde er sich sofort selber töten, als weitere Menschen.... Ich würde nicht einmal sagen, dass er sie tötet. Es ist wie ein Höllenwesen. Sie flüstern dir Dinge ein und dringen in deinen Kopf ein ohne, dass du sie siehst. Viktorius oder eher Suicide Hangman ist nur der Gedanke im Kopf dieser erkrankten Seelen." Nervös klammerte sie sich an ihr Kleid und trat einen Schritt zurück. Der weiße Tod sorgte sich um ihr wohlergehen. Mutter Natur dankte ihr.
"Ich sehe Viktorius von Eden nicht als böse an. Er ist weder ein Höllenwesen oder sonst eine Kreatur. Er ist ein Mensch, auch wenn die Henkerssense seine Menschlichkeit und einen Teil seiner selbst ausgelöscht hat." Die Teilnehmenden waren fasziniert, dass Mutter Natur all dies spüren konnte. "Er bewegt sich auf einen schmalen Grad als Mensch und Todeswesen."
Tiffany war erschrocken darüber, als sie hörte, dass seine Menschlichkeit fehlte. Innerlich war ihr bewusst, dass er nicht mehr der Viktorius ist, den sie einst kannte. "Ich empfinde seine Tat als natürlich. Wenn ein Tier in die ecke gedrängt wird, bleibt ihm der natürliche Instinkt von Flucht oder Kampf. Er wurde vom Leben in die ecke gedrängt und wählte die Flucht." Viktorius zuckte kurz zusammen. Zum ersten Mal wurde er von einer höheren Macht nicht verurteilt und erhielt sogar Beistand. "Ich habe ihm zwar das Leben geschenkt, doch ist es sein Wille, was er damit anstellt." Ein leichtes Lächeln kam über ihre Lippen und Viktorius fühlte sich verstanden. "Ich habe eine meiner Venefica nie den Zutritt zu Garten Eden untersagt, wenn sie ihr Leben vor der Zeit abschloss. Sie ist und bleiben trotzdem meine Schöpfungen." Ihre Stimme war dabei herzlichst und Viktorius konnte nicht glauben, dass er auf Verständnis stieß und nicht für seinen Suizid verurteilt wurde.
Gamia hörte der Unterhaltung zu und war von Mutter Natur fasziniert. Sie empfand Mutter Natur als wunderschön, aber auch, dass sie stärker war, als sie glaubte. Sie sah zu ihrer Mutter, die steif auf ihren Platz saß und das Geschehen genau beobachtete. Plötzlich fühlte sie ein tippen auf ihrer Schulter und Josef bat sie leise, einen Schritt mit ihm nach hinten zu gehen.
"Es ist eine besondere Erfahrung. Eigentlich solltest du nicht hier sein. Als Tochter des Todes sehen wir darüber hinweg. Halte dich bitte zurück und bleibe bei mir." erklärte er und bat sie eindringlich. Gamia nickte und senkte leicht den Kopf.
Der Engel durfte reden und er hatte eine klare Meinung vom Himmelsfürst, die er kund gab. "Der Suizid ist genauso wie Mord kein natürlicher Tod, sondern ein herbeigeführter. Es ist nicht vorbestimmt, dass Menschen vor ihrem Todesdatum sterben. Das ganze Himmelsreich kommt dadurch in Unruhe. Unruhen, die wir nicht zulassen dürfen. Darum muss der Suicide Hangman vernichtet werden!" Seine Stimme füllte den Raum und der Hass gegenüber Viktorius wurde deutlich. Viktorius war sich dessen bewusst, dass der Himmelsfürst ihn auslöschen wollte. Dieser Hass beruhte auf Gegenseitigkeit und er empfand den Himmels als schlimmeren Feind als den Sensenmann. Bevor die Verhandlung eskalierte erhob der Tod das Wort. "Wie entscheiden wir über den Verbleib von Viktorius von Eden, den Suicide Hangman?"
Jeder gab seine Meinung kund. Voran der Engel.
"Wir sollten ihn auslöschen!" Scharf gestochen sah er zu Mutter Natur, die mit ihrer Antwort zögerte.
"Er soll weiter existieren." gab sie dann leise von sich und der Engel sah von ihr weg. Zuletzt kam die Antwort des Todes.
"Anfangs hätte ich mich dem Himmelsfürst angeschlossen. Auch im Totenreich kommt es zu Auffuhr, aber nach mehreren Gesprächen komme auch ich zu dem Entschluss, Viktorius von Eden weiter existieren zu lassen."
Es erleichterte Tiffany, dies zu hören. Viktorius selbst war überrascht. Der Engel war unzufrieden damit, überstimmt worden zu sein, aber er schluckte seinen Zorn. Der Tod bat um Ruhe.
"Aber! Viktorius von Eden, Sie sagten, Sie hören das Leid derer, die sich das Leben nehmen wollen?" sprach der Sensenmann und Viktorius nickte. "Sie werden zukünftig die Seelen all derer geleiten, die sich dem Freitod hingeben, ohne in ihren Gedanken zu sein. Dieser Aufgabe werden Sie als Suicide Geleiter nachgehen!"
Damit fällte er das Urteil, sprach aber auch eine Verwarnung aus. "Sollten Sie sich dem widersetzen, werden Sie ausgelöscht werden!" Diese Drohung war deutlich und ließ den Engel lächeln.
Die Ketten verschwanden und Viktorius ergriff seine Sense. Er war über das Urteil und des Tods Meinung überrascht. Am meisten erfreute es ihn allerdings, dass der Himmel mit seiner Ansichtsweise nicht gewonnen hat. Der Engel ging auch als erster, während Mutter Natur noch blieb. Dies allerdings aus dem Grund, dass sie wollte, dass Tiffany Viktorius wiedersehen durfte. Unsicher sahen sich beide an und kamen langsam aufeinander zu. Vorsichtig umarmten sie sich und Tiffany kamen die Tränen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und sagte das Erste, was ihr in den Sinn kam. "Ich bin einfach nur froh, dich wieder sehen zu dürfen." hauchte sie und Viktorius drückte sie an sich. Er wollte weinen, aber er konnte es nicht mehr. Er würde gerne mit Tiffany im Garten Eden leben, doch es würde ihn nie mehr möglich sein. Er war keine komplette menschliche Seele mehr. Das war ein Moment, wo er seine Taten etwas bereute. "Ich hätte dir damals sofort sagen sollen, dass ich schwanger bin, vielleicht..." Mutter Natur umfasste Tiffanys Schulter und sah sie sanft an.
"Es ist anders gekommen und unveränderlich. Dinge verlaufen oft anders als ihr Plan." Sie ließ von Tiffany ab. Viktorius dachte an seinen Sohn, welchen er auch nicht mehr sehen konnte. Der Gedanke war für ihn immer noch etwas unwirklich.
"Ich liebe dich trotzdem, egal, was du bist oder dass wir nie zusammen in Frieden leben können, aber du bedeutest mir nach wie vor viel." In seinem tiefsten Inneren spürte er das alte Gefühl, was er ihr gegenüber empfand, als er am leben war. Ein seichter Kuss legte sich auf seine Wange und es war Zeit, Abschied zu nehmen. Tiffany lief zu Mutter Natur, die Viktorius herzlichst ansah. "Im Garten Eden wirst du immer willkommen sein." sagte sie und verschwand mit dem weißen Tod und Tiffany durch das Portal.
Er war mit dem Sensenmann alleine. "Deine Aufgabe ist wie zu Zeiten als Seelengeleiter." erzählte er und Viktorius verstand. Er nickte und es wurde ihm genehmigt, zu gehen. Viktorius verschwand zurück in seine persönliche Hölle. Der Suizid wurde nicht besiegt, man lebte mit ihm.