Viktorius war vor kurzem 23 geworden und lief durch den Markt im Dorf. Er sollte nur das Brot vom Bäckermeister abholen, dem er heute Morgen den Teigling vorbeigebracht hatte. Die Bäckerstochter bediente ihn wieder und dankend nahm er das Brot an. Er begab sich auf dem Heimweg und kam dabei an einer Holztafel vorbei, wo gelegentlich Zettel für Veranstaltungen hingen oder wenn jemand Arbeitnehmer suchte. Manchmal blickte Viktorius drauf und guckte, ob eine Stellenanzeige für ihn dabei war. Tatsächlich wurde er diesmal fündig. Auf einem Zettel stand, dass eine vierköpfige Familie eine Haushaltshilfe sucht, die ein bis zweimal die Woche vorbeischaute. Der Lohn war mittelmäßig aber für Viktorius ausreichend. Haushaltsführung konnte er durch die Jahre daheim gut und die Zeiten waren für seinen mentalen Zustand ausreichend. Er entschied sich schnell das Brot daheim abzuliefern und die Familie aufzusuchen. Er kämmte sich schnell die Haare und zog einen edlen Mantel an, um einen ordentlichen Eindruck zu hinterlassen. Motiviert begab es sich zur Familie.
Mit einem Lächeln klopfte er an der Holztür des kleinen Hauses und eine Frau, die sich ihren Rücken hielt öffnete ihm die Tür. "Guten Tag, mein Name ist Viktorius von Eden und ich bin wegen der Stellenanzeige hier." Die Frau nickte mit leicht geöffneten Mund. "Treten Sie ein. Ich bin Frau Reiler. Mein Mann ist auch daheim." Sie lief voraus und Viktorius folgte ihr nervös. Er bekam plötzlich Sorge, dass es doch zu viel sein könnte. Der fremde Haushalt machte ihm Angst, er kannte sich nicht aus. Dann holte er einmal tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Er und Fr. Reiler setzen sich an den Küchentisch und ein stämmiger Mann betrat die Küche. Er hatte mitbekommen, dass Besuch gekommen war und Viktorius stellte sich vor.
"Ich habe bei meiner Mutter Haushaltsführung gelernt." erzählte er, um ein wenig von sich und seiner Erfahrung überzeugen zu können. Das Ehepaar nickte.
"Die Sache ist die, seit der Geburt unserer Kinder ist mein Rücken angeschlagen und es ist mit der Zeit schlimmer geworden. Mein Mann arbeitet und ich kann meiner Aufgabe als Hausfrau nicht mehr gerecht werden. Ich weiß, ich bin eine furchtbare Frau, die nicht mal den Bedürfnissen ihres Mannes gerecht werden und ihn ein warmes Essen nach der Arbeit bieten kann. Von den Kindern abgesehen. Sie sind übrigens neun und sieben Jahre alt, ein Junge und Mädchen. Beide sind relativ pflegeleicht, nur die Kleine ist manchmal bockig." erklärte Fr. Reiler und Viktorius hörte aufmerksam zu. "Ihre Aufgaben wird es sein, den Haushalt sauber zu halten. Wischen, fegen, Geschirr und Kleidung machen, was eben noch so anfällt. Ich hoffe auf Ihre Erfahrungswerte." erzählte Frau Reiler weiter und nahm die Hand ihres Geliebten, welcher hinter ihr stand. "Phillipp und Louise heißen unsere Kinder. Die meiste Zeit werde ich auch daheim sein, wenn sie hier sind. Aktuell wäre zweimal die Woche schon, es ist ein bisschen was liegen geblieben. Montag und Freitag, zur Mittagszeit. Bezahlen würden wir Sie immer am Monatsende." Mit ihren Forderungen war Viktorius einverstanden und sie schlossen die Einigung mit einem Handschlag. Den kommenden Freitag durfte er anfangen und mit einem Lächeln verabschiedete er sich. Der Ehemann umfasste seine Frau von hinten. "Diesem komischen Kauz möchtest du hier haben?" hinterfragte er kritisch und seine Frau nickte. "Der tut doch nichts und so wie der aussah würde er kein Wort über hier sagen." meinte sie und küsste seine Hand.
In Viktorius Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und er war voller Freude. Davon musste er seiner Mutter berichten. Kaum war er wieder daheim, rief er nach ihr und fand sie im Wohnzimmer wieder.
"Ja, was ist denn? Seit wann bist du so energiegeladen?" fragte sie verwundert nach und verschränkte die Arme. Beide setzten sich an den Tisch und Viktorius konnte die gute Nachricht nicht länger verbergen. Er wollte seine Mutter stolz machen.
"Ich habe einen kleinen Nebenjob als Haushaltshilfe gefunden." gab er kund und Klarissa war erst überrascht.
"D-das ist gut, endlich kommst du auf die richtige Spur. Wie gut, dass ich dir all dies gelehrt habe!" freute sie sich und lobte sich dabei selber. Viktorius nickte nur lächelnd. "Komm her." meinte sie lächelnd und umarmte ihn. "Dein Vater wäre stolz, dass aus dir doch noch was wird." sagte sie leise, während sie ihn an sich drückte und Viktorius nahm die Umarmung beschämt hin. Es überraschte ihn, er kannte das gar nicht. Er war voller Motivation, auch wenn er vor dem ersten Tag nervös war. Mit guter Laune begab er sich auf sein Zimmer und hatte das erste Mal das Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Mit einem langärmeligen schwarzen Pullover und einer grauen Hose fing er pünktlich seinen ersten Arbeitstag an. Frau Reiler zeigte ihm vorerst alle Räume.
"In unseren Schlafgemächern reicht es, wenn Sie dort fegen und wischen, mehr nicht. Hauptsächlich sollen Sie sich um die Küche und das Wohnzimmer kümmern." Viktorius nickte und war aufgeregt. Die Aufgaben kannte er, aber die Umgebung war neu. "Das Kinderzimmer müssen Sie heute nicht machen. Die Kleinen sind daheim und Louise ist heute wieder besonders zappelig." Sie rollte mit den Augen und Viktorius nickte nur. Er mochte dazu nicht viel sagen und hielt sich raus. "Ich habe die Kinder schon eingeweiht, dass Sie hier sind." Beide kehrten zur Küche zurück und Frau Reiler setzte sich. "Heute haben Sie ein bisschen mehr zu tun. Fangen Sie mit der Küche an und dann können Sie einmal fegen und wischen, überall." Sie holte tief Luft und umfasste ihren Rücken. "Ich bin im Schlafgemacht, wenn Sie Fragen haben." Gebückt ging sie aus der Küche und Viktorius fing mit dem Geschirr abwaschen an. Er sah in den Schränken, um alles richtig einzusortieren und ließ stehen, wovon er nicht wusste, wohin damit. Durch seine Erfahrung achtete er auf die verschiedensten Kleinigkeiten und hoffte seine Arbeitgeber zufrieden stellen zu können. Er trug extra Kleidung, die schmutzig werden durfte. Allerdings zog er die Ärmel seines Pullovers nicht hoch, er wollte nicht, dass man seine Narben sah.
Plötzlich vernahm er zwei kindliche, schüchterne Stimmen, die Hallo sagten. Viktorius drehte sich um und kniete sich zu den Kindern. "Hallo." erwiderte er ruhig und beide fragten unsicher: "Bist du der Putzmann?" Beschämt schmunzelte Viktorius und nickte. "Ja, der bin ich." Er musterte die Kinder und verlor sich kurz in seinen Gedanken. "Ich werde nie Kinder haben." dachte er bedrückt und schüttelte den Kopf, um den Gedanken abzuwimmeln.
"Warum trägst du einen Polluver? Ist doch warm." fragte das Mädchen und sprach Pullover falsch aus. Die Frage ließ Viktorius stocken und er versuchte eine kindgerechte Antwort zu finden. "Ach, ich friere sehr oft." meinte er dann leicht lächelnd, als Louise bat: "Wir haben Durst." Sie war die Selbstbewusstere von beiden und Viktorius nickte.
"Soll ich euch ein Glas Wasser geben?" hakte er nach und die Kinder nickten, also überreichte er ihnen das Wasser, bevor er sich weiter dem Haushalt zuwidmete.
Nach getaner Arbeit kam Frau Reiler auf Viktorius zu und begutachtete seine Leistung. "Sie haben mit ihrer Erfahrung nicht gelogen. Ich bin zufrieden. Gehen Sie, bis morgen." lobte sie und eine Euphorie breitete sich in Viktorius aus. Er hatte etwas gut gemacht. "Bis Montag. Das letzte Geschirr räume ich weg." meinte sie lächelnd und Viktorius verabschiedete sich. Für ihn war es ein gelungener Tag und euphorisch berichtete er seiner Mutter von dem Erlebnis. Auch sie war zufrieden mit ihrem Sohn.
Viktorius fand gefallen an seiner Arbeit und war bereits viermal bei der Familie daheim gewesen. Dem Ehemann sah er kaum, er traf eher auf Frau Reiler und ihre Kinder an. Bis jetzt waren sie immer zufrieden mit ihm und am heutigen Tag war Viktorius mit den Kindern alleine. Frau Reiler hatte kurz nach seiner Ankunft sich zum Einkaufen verabschiedet. Sie verließ das Haus und bemerkte den kritischen Blick einer älteren Dame aus der Nachbarschaft. "Den lassen die bei sich ins Haus? Der ist doch nur ein weiteres Ungeziefer." keifte sie und Frau Reiler konnte sich denken, was die Frau gesagt habe. Seelenruhig ging sie ihre Wege entlang und ließ die Dame lästern. Frau Reiler brauchte nicht lange auf dem Markt und als sie heimkehrte musterte die Dame sie immer noch. Das nahm Frau Reiler als Anlass und klopfte an das Fenster. Die Dame zuckte zusammen aber öffnete das Fenster. "Guten Tag, was kann ich für sie tun?" grüßte sie scheinheilig, bis sie direkt darauf angesprochen wurde, warum sie das Haus mustert.
"Warum haben sie sich diesen komischen Kauz ins Haus geholt? Haben sie keine Angst?" Frau Reiler hingegen lächelte, während ihr Gegenüber der Ekel im Gesicht geschrieben stand. "Ich weiß, er ist ein gruseliger Mann, aber seine Aufgabe macht er gut. Aber er wird sowieso nicht lange bei uns bleiben." versicherte sie und in ihrem Gesicht war etwas gemeines. "Besser ist das." bestätigte die ältere Dame und beide Frauen verabschiedeten sich. Als Frau Reiler das Haus betrat war Viktorius gerade bei dem Wohnzimmer bei und sie verwahrte die Einkäufe. Sie ließ ihn in Ruhe machen und verzog sich wieder in ihr Schlafzimmer. Sie kam nur noch einmal raus, um sich von Viktorius nach getaner Arbeit zu verabschieden.
Viktorius lief durch die Gassen über den Markt heim und war fast daheim, bis er einen Mann. "Halt!" brüllen hörte und ein schnaufendes Pferd. Augenblicklich zuckte er zusammen und realisierte dann, dass die Kutsche gerade rechtzeitig vor ihm halten konnte. Starr blieb er stehen und realisierte jetzt, dass die Kutsche ihn überfahren und hätte umbringen können.
"Pass auf!" ermahnte der Mann ihn nur und riss Viktorius aus seiner Schockstarre. Er nickte und trat zur Seite. Diese Erfahrung verblieb in seinen Gedanken. In ihm kamen fragen auf, was wäre, wenn ihn die Kutsche erwischt hätte. Er fand es ein wenig bedauerlich, dass dies nicht passiert war, auf einer Seite war er ein wenig froh, so konnte er weiter seiner Arbeit nachgehen. Die Arbeit im Haushalt der Familie Reiler war ihm aktuell ein Anker im Leben. Seit er dieser Tätigkeit nachging war es auch zwischen ihm und seiner Mutter ruhiger geworden.
Klarissa war nicht daheim und befand sich beim Notar. "Ich möchte, dass mein Sohn, Viktorius von Eden, nach meinem Ableben alles erbt. Das Haus und das Geld. Man weiß nie, wann der Tod einen Holt und ich habe Sorge, dass er auf der Straße landet, wenn ich nicht mehr bin." erzählte sie ihm den Notar und sie fertigten ein Testament an, welches sie anschließend unterschrieb und den Notar dafür entlohnte. Ihrem Sohn selbst erzählte sie nichts von dem Testament.
Viktorius lief gut gelaunt zur Familie Reiler. Er empfand eine gewisse Freude dabei, diese Tätigkeit ausführen zu können. Am heutigen Tag betrat er das Haus und Frau Reiler kam ihm beschämt entgegen. "Das ist noch das schmutzige Geschirr von gestern." erklärte sie und Viktorius wusste, was er zu tun war. Er fing mit der Küche an und wie immer ließ Frau Reiler ihn machen. Die Kinder kamen zwischendurch ebenfalls zu ihm und wollten ein Glas Wasser. Kaum war er mit allem fertig, stellte der Sohn das Glas wieder in die Küche und ging. Frau Reiler kam aus dem Schlafzimmer und sah das Glas, welches sie kritisch beäugte.
"Das müssen Sie auch wegräumen. Nicht, dass sie jetzt zu schlampen anfangen!" ermahnte sie und Viktorius sah zum Glas. "D-das..." wollte er sich abklären, aber gab dann klein bei und wischte es schnell ab. "Mir ist das schon öfters aufgefallen. Bei sowas bleiben Sie einfach kurz länger, verstanden?" verlangte sie in einem barschen Ton und Viktorius dachte sich, dass sie zuvor doch nichts zu bemängeln hatte, trotzdem setzte er sich nicht für sich ein. Seufzend holte Frau Reiler eine kleine Dose mit Geld und zahlte Viktorius aus. Eine Euphorie überkam ihn als er das Geld in den Händen hielt und wusste, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Er dankte und verabschiedete sich, dabei begegnete er dem Ehemann noch. Dieser setzte sich zu seiner Frau, als Viktorius verschwunden war. "Und?" fragte er nach und seine Gattin überschlug die Beine. "Das ganze Dorf redet darüber, dass er bei uns arbeitet. Es wird Zeit, dass wir ihn loswerden."
Viktorius ging weiterhin guten Gewissens zu der Familie putzen und wurde gut gelaunt begrüßt. "Wie schön, dass Sie da sind!" Frau Reiler lächelte und Viktorius fing sofort mit seiner Tätigkeit an. Die Küche machte er heute zum Schluss und wischte das Geschirr sauber, bis ihm ein Teller aus der Hand fiel und zerbrach. Das laute Geräusch brachte Frau Reiler dazu nachzuschauen und sie stemmte die Hände an die Hüfte.
"Sie wissen, dass ich Ihnen das vom Lohn abziehen werde? Konzentrieren Sie sich mehr!" Viktorius war die gesamte Situation sehr unangenehm. "E-es tut mir leid." stammelte er leise und sammelte die Scherben auf, dabei wäre er am liebsten in Selbstmitleid versunken. Er war froh, als er Feierabend hatte und nahm das Schlechte von der Arbeit mit nach hause. In seinem Zimmer regte er sich über sein Missgeschick auf.
"Kann ich überhaupt irgendwas?" fluchte er und stülpte die Decke über sich.
Mit einem weniger motivierten Gefühl lief Viktorius wieder zur Familie und dachte an die letzten Male. Er nahm sich vor, dass dies nicht noch einmal passiert, hatte im Hinterkopf allerdings auch Sorge, dass er wieder Ärger bekommt. Frau Reiler kam direkt mit mehreren Bitten auf ihn zu.
"Es wäre toll, wenn Sie heute im Kinder und Schlafzimmer fegen und feudeln würdest." bat sie und Viktorius nickte lächelnd. "Mache ich." Nach dem er das Übliche wie die Küche oder das Bad erledigt hatte, fegte er und fing mit dem Schlafzimmer an. Beim Kinderzimmer merkte er, dass er erst das Spielzeug zur Seite räumen musste. Praktisch für ihn war, dass Frau Reiler die Kinder mit zum Einkaufen genommen hat. Er räumte alles sicher auf das Bett oder einem Schrank und fegte das Zimmer, bevor er wischte. Als er fertig mit allem und der Boden schon etwas getrocknet war, kam die Familie heim und Louise rannte als Erste auf ihr Zimmer.
"Sie war heute unmöglich.", fluchte ihre Mutter. "Warum kann sie nicht so ruhig wie ihr Bruder sein?" fragte sie sich selbst, als kurz darauf ein Geschrei zu hören war und Louise weinend angerannt kam. "Ich kann mein Spielzeug nicht finden!" schluchzte sie und misstrauisch nahm Frau Reiler ihre Tochter an die Hand. Viktorius folgte ihr nervös und bekam ein ungutes Gefühl. Frau Reiler musterte das Zimmer und sah das Spielzeug auf den Betten und Schränken.
"I-ich habe es zur... Seite räumen müssen... um putzen zu können..." murmelte Viktorius leise, sodass man ihn kaum hörte. "Als nächstes beklauen Sie uns noch oder vergehen sich an den Kindern." War Frau Reilers Antwort auf sein Genuschel und Viktorius zuckte bei dieser Anschuldigung zusammen. "Nein, ich würde nie..." Er brach innerlich zusammen und Frau Reiler gab ihm den Rest, als sie rief: "Gehen Sie, Sie sind entlassen!"
Viktorius zuckte zusammen und verließ eilig das Haus. Er realisierte ihre Worte.
"Nein, es lief doch so gut... Ich habe doch nichts falsch gemacht...." dachte er und rannte heim. Er war froh, dass seine Mutter nicht da war, damit sie seine Schande nicht mitbekam. Tränen rangen über seine Wangen und er sperrte sich in seinem Zimmer ein. "Nicht mal sowas einfaches kannst du!" fluchte er und zückte in rage seiner Klinge und setzte mehrere Schnitte an seinem rechten Arm nieder. Ein mieses Gefühl machte sich in ihm breit und er wollte sich die Blöße nicht geben, seiner Mutter zu beichten, dass er seinen Job nach wenigen Wochen bereits verloren hatte.
Viktorius schämte sich dafür, dass er diese Tätigkeit, die ihn auch ein wenig Routine gab. Er fragte sich, was er tun sollte, wie er es seiner Mutter beichten sollte oder ob er vorerst so tut, als würde er noch arbeiten, aber er wusste, dass er diese Farce nicht lange aufrecht erhalten könne. Ein Rütteln an der Tür ließ ihn zusammen zucken und er vernahm Klarissas Stimme. "Warum schließt du dich wieder ein? Lass mich rein und hör auf damit?" bat sie seufzend und ihr Sohn öffnete vorsichtig die Tür. Beim eintreten der Tür sah sie seinen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck und fragte irritiert, was er denn hätte.
Er wollte ihrer Frage erst ausweichen, aber dann gab er sich einen Ruck und erzählte es kleinlaut. "Frau Reiler hat mich rausgeschmissen." Er erwartete Schläge oder niederträchtige Worte, doch überraschenderweise blieb Klarissa still und sagte dann nur: "Hab ich mir gedacht, dass das irgendwann passiert. Diese alte Vettel war schon immer so ein listiges Weib." Ihr Sohn war mehr als verwirrt von ihrer beleidigenden Aussage. "W-wie?"
"Ich kenne die Alte von früher. Wir haben uns immer über sie lustig gemacht, weil ihr Rücken unten bisschen wie ein S aussieht. Sie saß doch bestimmt auch immer etwas schief oder hatte Rückenschmerzen, oder?" Bestätigend nickte ihr Sohn. "Schieferrücken haben wir sie immer genannt, was war sie garstig mit uns, haha. Sie hat dann irgendwelche Lügen erzählt und sich auch an den Partner von einer rangemacht. Wundert mich nicht, dass sie so mit dir umgesprungen ist. Mach dir nichts draus, sie ist ein Drecksweib." In erster Linie war Viktorius froh, dass seine Mutter nicht sauer war und ihn auf ihre Art versuchte, aufzumuntern. Allerdings wusste er auch, dass sie heute wohl einen guten Tag hatte und dass er sich, wenn sie wieder betrunken war, anhören durfte, wie er selbst einen einfachen Job wie diesen nicht hinbekommt. Ein müdes Lächeln kam über ihn und seine Mutter erinnerte ihn an das Abendessen, welches er nickend annahm.
Fortan war es wie vorher. Viktorius verblieb daheim und machte dort den Haushalt. Er war nicht motiviert, sich eine neue Arbeit zu suchen, egal was seine Mutter davon hielt. Klarissa war auf dem Markt einkaufen während Viktorius das Haus putzte. Er hörte die Tür und wie seine Mutter das Haus betrat. Ihr Gesichtsausdruck war nicht erfreut und sie machte ihren Ärger sofort Luft. "Im Dorf erzählen sie, dass du das Haus von Frau Reilers in einen Schweinestall verwandelt hättest." Sie war nicht wütend auf Viktorius, sondern auf Familie Reiler und das Dorf. Er zuckte zusammen aber beruhigte sich schnell wieder, denn er war es gewohnt, dass sie sich über ihn das Maul zerrissen. War er doch schon immer der Komische gewesen, der anders ist.
Klarissa packte neben den Lebensmitteln auch eine Weinflasche aus, die sie sofort öffnete und sich ein Glas einschenkte. "Besser." meinte sie befriedigt als sie einen Schluck zu sich nahm und Viktorius beäugte sie misstrauisch. Er hoffte, dass sie später bei guter Laune sein würde, wenn sie die Flasche geleert hätte. Stillschweigend entfernte er sich aus der Küche, als seine Mutter sich schon das zweite Glas auffüllte und wollte nur in Ruhe gelassen werden.
Seine Sorgen, die er innerlich mit sich trug, wurden wahr, als er abends im Bett lag und Klarissa an seiner Zimmertür klopfte. "Sohnemann, warum trinkst du nicht mit mir ein Glas?" fragte sie lallend und er war froh, seine Tür abgeschlossen zu haben und tat so, als würde er schlafen.
"Viktor! Sei kein Langweiler!" lallte sie weiter und wurde lauter. Weiterhin sagte Viktorius nichts dagegen und versteckte sich unter der Decke. Beim dritten Mal, wo sie gegen seine Tür klopfte hielt er sich nicht mehr zurück. "L-lass mich bitte schlafen!" bat er verzweifelt und kurz hörte das Klopfen auf, bis seine Mutter gehässig meinte: "Ja, dann geh doch sterben." sie fühlte sich beleidigt und ging stampfend die Treppe hinunter, während Viktorius mit starren Augen im Bett lag und ihre Worte immer wieder durch seinen Kopf hallten.
"Ja.... Ich wünschte auch, ich würde endlich sterben."