Die Gedanken von Alma waren zwar bei Jayna, doch sie konnte sich von dem gut ablenken und versuchte sich nicht darauf zu manifestieren. Die Schmiedearbeit war ihr dabei eine gute Ablenkung und sie war produktiv dabei, die vielen Sensenaufträge zu bearbeiten, die mit der Zeit überschaubarer worden. Guten Gemüts verließ sie die Scythe Maker und beim betreten ihres Stockwerkes verspürte sie zwei kleine Auren und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als ihr zwei helle Lichter aus der gegenüberliegenden Wohnung entgegen kamen. Die kleinen Engel waren genauso erfreut, Alma zu sehen und flogen ihr direkt entgegen.
"Alma! Hallo, wie geht es dir?" fragten sie mit ihrer klaren, hellen Stimme, die wie eines Kindes klang. "Ehrlich gesagt ist es ein Auf und ab, aber heute ist es besser." gestand sie und beide Engel setzten sich auf ihre Schulter. "Wir haben eine Hülle beseelt." erzählten beide glücklich und Alma musterte die Tür ihrer Nachbarin. "Wir dürfen noch ein paar Hüllen beseelen, möchtest du mitkommen?" fragte der kleine Engel mit braunem Haar und Alma überlegte. "Es wäre sehr interessant, eure Arbeit zu sehen." meinte sie fasziniert und folgte den kleinen Engeln durch ein Portal in die Menschenwelt.
Die Drei befanden sich im Zimmer eines jungen Mädchens, gerade 18 Jahre alt und die kleinen Engel flogen gemeinsam mit einem kleineren Licht zum Bauch, legten ihre Hände auf diesen und Alma sah, wie das kleine Licht im Inneren verschwand. Begeistert und freudig blickte sie dem entgegen und die Engel kamen wieder zu ihr. "In einigen Tagen dürfen wir die Seele wieder abholen."
Almas Blick weitete sich kurz, als sie die Bedeutung dieses Satzes verstand. "Wie? Also wird sie?" hakte sie nach und die Engel nickten. "Sie wird eine Fehlgeburt haben."
Leicht senkten sie den Blick und Alma guckte beide an. "Wenn bereits feststeht, dass es nicht überlebt, warum beseelt ihr die Hülle dann?" fragte sich Alma und war nicht auf diesen negativen Ausgang eingestellt. "Es ist unsere Aufgabe, dies zu tun. Es sterben nicht alle Kinder so früh im Mutterleib. Manche verlieren ihr Kind erst im 5.ten Monat und um zu agieren, treten, sich bewegen, braucht der Körper die Seele. Wenn der Himmelsfürst eine Seele erschafft, dürfen wir dieser eine Hülle geben." erklärte der Engel mit dem blonden Haar und Alma verstand die Engel, machte sich aber ihre eigenen Gedanken dazu.
Die Drei verließen den Ort und fanden sich außerhalb des Hauses wieder. "Todeswesen verlieren ihr Kind nicht. Im Totenreich werden alle Babys, wie ironisch, gesund und lebend geboren." merkte Alma an, während sie den Blick durch die Menschen, die am Haus vorbei liefen, schweifen ließ. Beide ihrer Begleiter nickten, bis Alma fragte: "Was würde passieren, wenn ein schwangeres Todeswesen Alkohol trinkt oder Drogen konsumiert?" Gedankenverloren sah sie die Engel an, welche beide den Kopf senkten. "Sie würde das Kind verlieren." war die bedauernde Antwort. "Ein kleiner Dämon würde es von innen töten, hat der Himmelsfürst uns gelehrt." fuhr der braunhaarige Engel fort und Alma konnte sich dies gut vorstellen.
"Wenn ich ehrlich bin, habe ich diese Antwort erwartet." gestand sie und verschränkte die Arme. "Wir dürfen noch zwei Hüllen beseelen." lenkten die Engel ab und lächelnd folgte Alma ihnen.
Sie war angetan von der Berufung der kleinen Engel und fasziniert davon, wenn diese eine Hülle beseelten, aber auch wenn sie eine kleine Seele wieder abholten. Dabei merkte sie auch, was für eine wichtige Arbeit die kleinen Engel vollrichteten. Ihre eigentliche Gedanken vergaß sie dabei und als sie daheim ankam lächelte sie freudig über den Tag. "Ich danke euch." Aufrichtig blickte sie den kleinen Engeln entgegen und die Engel nickten. "Wir danken dir!" kam es von beiden zurück. Alma öffnete die Tür und bevor sie diese wieder schließen konnte flogen die Engel hinein. "Wir bleiben noch ein wenig." beschlossen beide und Alma hatte nichts dagegen, erklärte aber auch, dass sie schlafen muss. Dagegen hatten die Engel keine Einwände. "Wir schlafen einfach an deiner Seite!" kicherten beide und als Alma in das Bett stieg, legten sich die Engel auf die Decke. Alma schlief in der Gegenwart der kleinen Engel schneller ein und hatte unterbewusst das Gefühl, neue Kraft gespendet zu bekommen.
Als Alma am nächsten Morgen aufwachte, waren die kleinen Engel wieder in den Himmel zurückgekehrt und sie fühlte sich nach langem wieder erholt. Vorfreudig machte sie sich für die Arbeit bereit und da sie noch ein wenig Zeit dazwischen hatte, beschloss sie zur Gilde zu laufen. Sie stand vor der großen Tür und öffnete diese nach einem Klopfen. Ihr lautes Hallo ertönte in der Gilde und sie sah von unten schon, dass ihr Vater nicht alleine war und teleportierte sich hinauf zum Platz des Gildenführers. Oben angekommen unterbrachen Cedric und Henrik ihr Gespräch und blickten gleichzeitig zu Alma. Cedric lächelte.
"Hallo Alma." schmunzelte er und umarmte seine Nichte zur Begrüßung. Henrik tat es ihm gleich und zog seine Tochter zu sich. Alma lächelte und löste die Umarmung wieder. "Ich habe noch ein wenig Zeit, bevor ich zu den Scythe Makern gehe und dachte, ich schau vorbei." erzählte sie fröhlich und das fiel den Zwillingen auf. "Du wirkst auch viel ausgelassener." merkte Henrik an, er kannte den Zustand seiner Tochter von den letzten Tagen.
"Ja, ich habe auch das Gefühl. Die kleinen Engel haben bei mir geschlafen und mir Kraft gespendet." erklärte Alma weiterhin munter und fühlte den positiven Effekt der Engel auf ihr. Darum gaben Engel und kleine Engel gerne ihre Federn ab, für den heilenden und Kraft spendenden Effekt dieser auf die Todeswesen.
Die Drei sahen sich zufrieden an und Alma war die Erste, die sich verabschiedete. "Wir sehen uns, ich darf Sensen schmieden gehen." Sie drückte beide nochmal und verschwand zur Tür hinaus. Henrik sah lächelnd zu Cedric. "Aber du bleibst noch eine Weile, oder?" hakte er nach und sein Bruder nickte, während er sich dabei hinsetzte. Henrik tat es ihm gleich. "Ich bin froh, dass es ihr besser geht. Sie war die letzten Tage nicht ganz da und hatte sich auch auf der Arbeit verletzt. Ihr tut das ganz gut und darüber bin ich erleichtert." sagte Henrik stolz und schaute zu Cedric.
"Auf jeden Fall. Die letzte Zeit war nicht leicht. Ich verstehe sie und dich. Alma war auch letztens bei uns zum reden." Cedric erwähnte nichts davon, dass sie zu dem Zeitpunkt ihrer Handverletzung da war und er davon schon die ganze Zeit wusste. "Vergiss nicht, auch was für dich zu tun. Der Tod hätte es dir nicht übel genommen, wenn du dir noch ein paar Tage mehr frei genommen hättest." beteuerte Cedric mit einer leichten, fürsorglichen Strenge und sein Bruder sagte nichts dagegen. Er wusste, dass sein Bruder Recht hatte. "Ich achte auf mich, mir geht es gut und ich bin auch froh, dass du hier bist." dankte Henrik aufrichtig und nahm sich dabei eine der Akten von seinem Stapel. Schon beim berühren der Akte bekam er eine komische Vorahnung und blickte misstrauisch zu den anderen Akten. Dies blieb von Cedric nicht unbemerkt und auch er hatte als Todesengel ein fragwürdiges Gefühl, bis Henrik die Akte aufschlug, die er gerade in der Hand hielt und sich die Todesdaten vor seinem Auge änderten. Instinktiv griff er nach einer weiteren Akte aus dem Stapel, öffnete diese und sah dasselbe. Die eigentlichen Todesdaten änderten sich und Cedric sah nicht einen Moment von Henrik weg, bevor dieser aufstand und zu Cedric sagte: "Ein Doppelsuizid, wir müssen los!" Cedric schaltete sofort und griff nach seiner Sense, nahm eine der Akten und eilig verschwanden beide in die Menschenwelt.
Es war spät abends, dementsprechend hatte sich die Temperatur abgekühlt und das kalte Wasser floss über die nackten Füße der beiden Frauen, die ihre Hände mit einem kurzen Seil zusammen gebunden hatten. Mit einem trübseligen Blick schauten sie auf das offene Meer hinaus, während etwas über das Seil strich und ein Flüstern ertönte. "Die Gesellschaft, eure Familien erkennen eure Liebe nicht an. Sie sind der Meinung, ihr bräuchtet einen richtigen Mann und ihr solltet nie Kinder bekommen. Sie sagen, eure Homosexualität wäre falsch. Wenn ihr hier auf Erden nirgends einen Platz findet, verlasst diese Welt und werdet zusammen im Jenseits glücklich. Dem Tod ist es egal, vor ihm sind alle gleich, er akzeptiert euch." Die Worte drangen durch und das Paar setzte mehrere Schritte in Richtung des Wassers. Mit ihrer freien Hand umfassten sie das Gesicht des jeweils anderen und gaben sich einen letzten Kuss, bevor sie weiter in das Wasser liefen. Suicide Hangman beobachtete sie von hinten, bis er zwei Auren verspürte und eine laute Stimme, die rief: "Lass die Zwei in Ruhe!"
Kurzerhand legte sich ein Lächeln über Suicide Hangmans Lippen und er drehte sich zu den Zwillingen um. "Haltet sie doch auf, Todesengel!" grinste er und lief bisschen zurück, Richtung Meer. Leichtfüßig ging er über das Wasser, während das Wasser der Frauen um sie herum immer tiefer wurde und sich ihre Kleidung mit der Nässe vollsogen. Es herrschte ein leichter Wellengang und das Paar war über die Begrenzung hinaus. Die Zwillinge ignorierten Suicide Hangman und sprinteten mit ihren Sensen über das Wasser, um zu den Frauen zu kommen, die instinktiv versuchten, sich über Wasser zu halten. Cedric und Henrik konnten nicht eingreifen, um zu helfen, sie mussten stillschweigend ihre Arbeit verrichten und als beide Körper langsam hinabsanken, tauchten beide unter und setzten ihre Sensen zum Seelengeleit an. Zusammen führten sie die Seelen in das Zwischenreich. Das Wasser um sie herum hatte keine Auswirkungen auf sie.
Die Zwillinge waren nicht glücklich darüber, dass es weitere Suizide gab, tauchten wieder auf und standen auf dem Wasser. Beide schauten Suicide Hangman entgegen, welcher am Strandufer stand und lächelte. "Warum verschwindet er nicht, wie sonst immer?" dachte sich Cedric fragwürdig, aber diese Chance wollte er nutzen, um dieser Kreatur den Garaus zu machen. Er linste zu seinem Bruder rüber und beide nickten, bis sie auf Suicide Hangman zu rannten. Sie teilten sich auf und Henrik griff von der linken und Cedric von der rechten Seite an. Suicide Hangman musterte beide mit einem plötzlich unfreudigen Gesichtsausdruck und verschwand nach oben. Die Zwillinge reagierten jedoch schnell und sprangen ebenfalls hoch, wo sie direkt ihren nächsten Schlag setzten. Cedric hielt die Sense auf Kopfhöhe und wagte den Versuch, die Gestalt zu köpfen.
Suicide Hangman neigte den Kopf weit nach hinten, um den Angriff auszuweichen und ein Knacken von seinem Genick ertönte. Er fand es nicht gut, wie sie ihn in die Mangel nahmen und biss die Zähne zusammen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Henrik seine Sense zum enthauptenden Schlag anhob und seine Augen sich weiteten. Henrik ließ die Sense auf den Hals niedersausen und war dabei, der Gestalt den Garaus zu machen.
Seine Sense wurde aufgehalten, als diese auf einen alten, dennoch robusten Sensenholzstab traf, den Suicide Hangman umfasste und damit Henriks Schlag abwehrte. Beide bauten Druck auf ihre Sensen auf, Henrik um die Gestalt zu enthaupten, Suicide Hangman um den Angriff abzuwehren. Er besaß eine alte Sense mit Holzstab und schlichten Sensenblatt, wie es früher im Totenreich üblich war. Cedric blickte dem Geschehen entgegen und begutachtete die Sense aufmerksam, bevor er sich wieder auf das Kampfgeschehen konzentrierte.
Suicide Hangman stieß die Sense von Henrik weg und richtete sich mit lauten Knochenknacken wieder auf, die Sense fest in der Hand. Der Nebel um ihn herum wurde stärker und er richtete die Sense abwechselnd auf die Zwillinge, welche ihn genauestens musterten. "Warum erzählst du ihnen diese Dinge? Wer sagt, dass sie nicht doch glücklich geworden wären?! Du veränderst die Schicksale dieser Menschen!" entfuhr es Cedric lautstark und die Gestalt sah ihn an, die Sense aber auf Henrik gerichtet.
"Schicksale.... Die Menschen sagen bei grausamen Ereignissen immer, dass es geschehen sollte, Schicksal war... Dabei sollte kein Leben vorbestimmt sein. Wir sind keine Marionetten einer höheren Macht. Wir haben einen freien willen und sind unser eigen Herr, also sollten wir auch selbst entscheiden dürfen, wann wir gehen, wenn wir nicht mehr wollen! Wir wurden immerhin auch einfach geboren, weil es jemand anderes wollte und da gibt es keine Einwände, aber wehe dem der sich selbst das Leben nimmt!"
In Suicide Hangmans Stimme lag Wut und er neigte den Kopf schief. Cedric hob erst eine Augenbraue, bevor er mit der Sense auf die Gestalt zeigte und entgegnete: "Diese unvorhergesehenen Todesfälle sind problematisch für das Totenreich und können mitunter gefährlich für die Seelen selber werden!" Suicide Hangman grinste nur. "Bis jetzt ist keine Seele die Suizid begangen hat, abhanden gekommen. Der Tod, ihr oder der Himmel waren immer da. Hört auf, die Menschen die sich umbringen als Sünder anzusehen, sie weiter im Zwischenreich zu foltern und lass sie frei entscheiden! Schicksale werden verändert oder eher der Plan einer höheren Macht, die sich dann Gedanken darum machen muss, wie es anders weiter geht, weil die Menschen nicht nach seiner Nase tanzen!!" Suicide Hangman wurde lauter und wütender, als er diese Worte sprach und anhand des plötzlich verstärkten Wellengang merkten die Zwillinge, dass er damit noch jemand anderes erzürnte. Cedric ging nicht auf die Gestalt ein und rannte mit der Sense auf ihn zu, ebenso Henrik und Suicide Hangman musste zwei Angriffe auf einmal abwehren. Sie näherten sich ihm, aber konnten nicht gegen an, als Henrik von der Sense aufgehalten wurde und Cedric staunte nicht schlecht, als die Gestalt mit ihrer dürren Figur Cedrics Sense festhielt und diese von sich wegdrückte. Der Nebel umfing die Zwillinge und den kurzen Moment wo sie nichts sahen nutzte Suicide Hangman, um aus dieser Situation zu fliehen. Der Nebel lichtete sich und die Zwillinge erblickten ihn weiter weg. Sie wollten ihn erneut angreifen, doch Suicide Hangman hielt die Sense gerade vor seinem Körper und lächelte gemein.
"Es war mir eine Ehre. Wir werden uns sicher noch einmal sehen." schmunzelte er und verschwand in dem Nebel. Beide sahen ihm verärgert entgegen und Henrik ärgerte sich, dass sie ihm nicht den Garaus machen konnten, als Cedric seine Schulter umfasste und ruhig meinte: "Wir sollten dem Tod davon berichten." Sein Gesichtsausdruck blieb neutral und nachdem sein Bruder zustimmend nickte öffnete Cedric ein Todesportal.
Mit den Akten in der Hand betraten sie nach Aufforderung den Raum und ihre Gesichter waren ernst, besonders von Cedric, welcher noch über das Geschehnis nachdachte. Der Tod war mit Gina, Justin und Josef dort. Alle wirkten nicht erfreut über den Vorfall und Henrik gab die beiden Akten ab, bevor er den Sachverhalt schilderte. "Suicide Hangman stand nach dem Seelengeleit noch dort und beobachtete uns. Wir haben mit ihn gekämpft, in der Hoffnung, ihn auszulöschen, doch er verschwand." Er neigte den Kopf leicht nach unten und beide verschränkten die Arme. Der Tod merkte, dass Cedric am nachdenken war und richtete sich an ihm. "Was geht dir durch den Kopf?" erkundigte der Sensenmann sich und Cedric löste seine verschränkte Körperhaltung, sah Gevatter Tod ernst entgegen und fragte:
"Wer war Suicide Hangman wirklich? Was ist er? Beim Kampf griff er nach einer Sense, die für Todeswesen üblich ist. Warum besitzt Suicide Hangman solch eine Sense?" Seine Frage war durchdringend und für einen Moment war es still im Raum des Todes. "Außerdem sprach er über den Willen der Menschen, als könne er diese sehr gut nachempfinden oder hätte sie selber einmal gefühlt. Er ist mehr als nur eine Gestalt, die Menschen zum Suizid verführt, oder?" Cedric wurde direkt und verlangte eine Antwort. Gevatter Tod merkte, dass er ihm eine Antwort schuldig war. Der Sensenmann faltete die Knochenhände zusammen und blickte in den Raum. "Ich denke, es wird Zeit, euch die Wahrheit über Suicide Hangman zu erzählen.", setzte er an und bekam die Aufmerksamkeit aller Beteiligten, bis der Tod schließlich, trotz kurzer Zögerung erzählte:
"Suicide Hangman ist Richard Dronners Vater."