"Danke, dass du mich vertreten hast." murmelte Henrik gedankenverloren und sah den kleinen Stapel Akten bei Cedric liegen. "Nichts zu danken. Du siehst nicht gerade so aus, als hättest du Erfolg gehabt." merkte Cedric ruhig an und sein Bruder nickte, während er sich einen kräftigen schluck Wein genehmigte und Cedric alles erzählte. Dieser hörte aufmerksam zu, nickte zwischendurch und redete auf ihn ein. "Es ist noch alles ungewohnt und ihr hattet einen blöden Anfang. Du hast getan, was du konntest. Lass ihr Zeit, um darüber nachzudenken. Sie wird schon auf dich zukommen, wenn sie sich bereit dazu fühlt." Dieser Aussage stimmte Henrik zu und ließ den Kopf hängen. Er fühlte sich komplett miserable nach allem und ihm wurde wieder einmal bewusst, dass er mit Gefühlen anderer nicht gut umging und erinnerte sich an den Streit mit Cedric zurück. Er war fest entschlossen, dieses Problem besser in den Griff zu bekommen!
Als Henrik genauer auf dem Tisch sah, bemerkte er, dass dort immer noch die Fotografie lag, nahm diese in die Hand und verwahrte dieser sicher im Schreibtisch.
Alma stand auf einem Ampelpfeiler, ihre Sense, welche einen klassischen Holzstab besaß, sah aus wie ein Pfeiler für Personen, die gehängt werden, hatte sie in der Hand. Passend dazu dekorierte ein kleines silbernes Männchen mit Strick diese Sense, welche dazu eine stolze Größe hatte. Sie hing sich kopfüber an die Ampel und begutachtete die heranfahrenden Autos. Bei einem, in dem eine ältere Frau drin saß, sprang sie aufs Autodach und ließ die Sense niedersausen. Die Frau erlitt einen Herzinfarkt und kam von der Fahrbahn ab. In der Zeit geleitete Alma die Seele, sprang vom Auto und warf einen letzten Blick auf das Auto, welches gegen ein Gebäude geprallt war. Die Akte war abgeschlossen. Seit dem Konflikt mit Henrik waren zwei Tage vergangen und sie hatte viel nachgedacht. Sie lief mit der Akte zur Gilde, was sie zuvor nie getan hat. Ihre Mutter ist selber nie zur Gilde gegangen und hatte auch Alma verboten, dorthin zu gehen. Das kam ihr schon immer komisch vor und sie hatte oft gedacht, dass ihr Vater in der Gilde sein musste. Darum hatte sie die Akten immer Praktikern gegeben, doch diesmal lief sie persönlich zur Gilde, klopfte und trat hinein. Henrik saß geknickt auf seinem Platz. "Ich habe es komplett vermasselt." murmelte er niedergeschlagen und hatte immer die Hoffnung, Alma würde jederzeit vorbeikommen. Er hoffte, dass sie nur noch ein wenig Zeit zum nachdenken brauchte und demnächst vorbeikommen würde. Jedoch konnte er Alma auch nachvollziehen, wenn sie ihn meiden würde. Auf einmal vernahm er eine Akte, die auf dem Tisch abgelegt wurde und ein kühles "Hallo."
Henrik blickte auf und ein kleines erleichtertes Lächeln schlich sich auf sein Lippen. "Guten Abend, wie schön, dass du vorbeigekommen bist, ich freue mich. Setz dich!" Damit bot er ihr einen Platz an, doch Alma blieb einfach stehen und verschränkte die Arme. Ihr Vater sah zur Seite, bevor er aufstand und sich seufzend zu ihr stellte. Alma musterte ihn nicht erfreut, bis Henrik sie an sich drückte und zu einer festen Umarmung zu sich zog. Überrascht erwiderte sie diese, wurde ruhiger und lächelte dann mit geschlossenen Augen. "Ich hätte dich niemals so behandeln dürfen." Er strich über ihre Haare und Alma drückte ihn noch einmal fest, bevor sie die Umarmung lösten. Als er sah, wie Alma lächelte, musste auch Henrik lächeln. "Mehr wollte ich nicht, ich wollte nur eine Umarmung von dir haben. Ich verzeihe dir." Ein großer Stein fiel Henrik vom Herzen und er umarmte Alma noch ein kurzes Mal. "Das erleichtert mich sehr, danke!"
Sie setzten sich und Henrik fragte, ob sie auch etwas Wein möchte. Alma überlegte und sagte zu. Ihr Vater gab ihr ein Weinglas. "Es ist ein trockener italienischer Wein." merkte er an und Alma wollte gerade einen schluck nehmen, als Henrik ihr zeigte, wie man einen Wein richtig verköstigt. Begeistert nahm sie einen schluck und lobte den Nachgeschmack. Stolz grinste Henrik. "Genau, das finde ich auch toll! Weiß du, ich habe zwar schon mit deiner Mutter oder meinem Bruder Wein getrunken, aber das Besondere daran haben sie nie verstanden, aber du bist meine Tochter!"
Er trank noch etwas Wein und überschlug die Beine. Schließlich fragte er sie: "Wie alt bist du denn nun und wann hast du Geburtstag?" Lächelnd antwortete Alma auf seine Frage und trank dabei Wein. "Ich bin 18 und werde am 17.5 19 Jahre alt." Henrik nickte stolz. "Das werde ich mir sofort merken. Und du schreibst gerne Tagebuch? Was machst du noch gerne?" hinterfragte er weiter und hörte interessiert zu. Etwas unsicher erzählte Alma davon und sah zu ihrem Weinglas. "H-hast du das Sofa oder mein Bett gesehen?", fragte sie und Henrik erinnerte sich. "Das habe ich zusammen gebaut. Auch mein Schreibtisch oder die Regale sind selber gebaut. Ich mache gerne handwerkliche Dinge." Ihr Vater blickte sie überrascht aber auch begeistert an. "Das würde ich mir gerne einmal ansehen! Meinst du, ich dürfte mir das mal anschauen?" fragte er lächelnd nach und Alma nickte. "Gerne." Sie wurde ein wenig beschämt und beide tranken ihr Glas aus, bevor Jeremy aus der Gilde Henrik ablöste und etwas überrascht zu Alma sah, aber nichts dazu sagte. Beide teleportierten sich zu ihr und Alma trat als erste in die Wohnung, wo sie zu ihrer Mutter, die am Schreibtisch saß und Akten bearbeitete, trat. "Mama? Darf Papa reinkommen und sich ein paar Dinge anschauen? Wir haben uns vertragen." Sie war unsicher aufgrund den Umständen der letzten Tage, deshalb erkundigte sie sich lieber. Smeralda blickte auf und senkte ein wenig den Blick. "Natürlich, ich habe nichts dagegen, immerhin hat er sich bei dir entschuldigt." Sie wandte sich wieder ihren Akten zu und Alma bat ihren Vater hinein. Er grüßte Smeralda vorsichtig, welche leise zurück grüßte und verschwand dann mit Alma in ihr Zimmer, welches sie stolz präsentierte.
Henrik musterte alles genauer und war sichtlich begeistert. "Sowas baust du selber?" Mit Stolz begutachtete er eines der Regale und Alma nickte grinsend. Sie fühlte sich sehr geehrt und freute sich über das Lob. Henrik bemerkte die vielen Geräte. "Die habe ich von der Erde. Das ist ein Akkuschrauber." erklärte sie und Henrik war nach wie vor fasziniert. "Du bist öfters in die Menschenwelt, oder?" bemerkte Henrik und nahm den Akkuschrauber in die Hand, zuckte allerdings ein wenig zusammen, als er diesen aus versehen anstellte. Alma schmunzelte und stellte diesen wieder in das Regal. "Genau, früher ging ich dort zur Schule oder um irgendwas handwerkliches kennenzulernen, wie in Kursen. Natürlich war ich auch immer dort, um mir meine Sachen, die ich brauchte, im Baumarkt zu kaufen." erzählte sie glücklich und Henrik nickte. "Ich bin sprachlos von alldem."
Eine Weile schaute er sich um und sein Blick fiel auf eine Flagge, die über ihrem Bett hing. Diese war in unterschiedlichen Pinktönen und einem weißen Streifen in der Mitte bedruckt. Daneben hing eine Regenbogenflagge. "Was bedeuten denn diese Flaggen?" hinterfragte er und selbstsicher grinste Alma. "In der Menschenwelt gibt es Personen, die sich zur LGBT Community zählen, dafür steht die Regenbogenflagge. Die andere steht speziell für Frauen, die das gleiche Geschlecht lieben, ich bin nämlich lesbisch."
Ohne Hemmungen outete sie sich vor ihrem Vater, welcher lächelte. "Das finde ich nicht schlimm, einer meiner Neffen ist schwul. Wie hast du das für dich rausgefunden und hast du eine Freundin?" Er gab sich absolut verständnisvoll und hatte keine Probleme damit. Das freute Alma um so mehr und sie war richtig fröhlich, bevor sie dann auf seine Frage antwortete. "Eine Freundin habe ich nicht, aber ich habe früher schon immer gespürt, dass ich Frauen attraktiv finde. Auf der Erde habe ich das ein oder andere hübsche Mädchen gesehen."
Alma wurde leicht rot im Gesicht, bevor sie sich anerkennend bedankte. "Danke, dass du mich so akzeptierst, wie ich bin." Dabei sah sie zur Seite, als Henrik ihr über den Kopf strich. "Natürlich, ich nehme dich so wie du bist und werde dich immer lieb haben, egal was ist." Diese Worte erfüllten Alma mit einem wunderbaren Gefühl, bevor ihr etwas einfiel. "Hast du meine Notizen schon gesehen?" Sie setzte sich and en Schreibtisch und Henrik musterte die Papiere, welche ihm schon beim ersten Mal aufgefallen waren. Nun hatte er die Möglichkeit, sich diese genauer anzusehen. Er erkannte viele Skizzen zu verschiedensten Sensen und konnte sich nicht alles auf einmal ansehen "Du hast wirklich Talent." merkte er an und lobte sie stolz. "D-danke. Am liebsten würde ich auch etwas in diese Richtung machen wollen." merkte sie leise an und Henrik erwiderte begeistert: "Geh doch zu den Sensenschmieden."
Alma schien sich darüber unsicher. "Daran habe ich auch schon gedacht und ich würde das gerne machen, aber ich traue mich nicht. Die Ausbildung und Schmiedemeisterin sollen sehr streng sein." Sie senkte den Kopf und ihre Augen verrieten sie und wie gerne sie dies eigentlich tun wollen würde. Ihr Vater machte ihr Mut und redete ruhig auf sie ein. "Mache deine eigene Erfahrung und finde es heraus. Wenn es sich als nicht passend herausstellt, dann kannst du immer noch aufhören. Es wäre nur schade, wenn du es nicht einmal versuchen würdest. Dass du es nicht können wirst, das bezweifle ich sehr. In dir scheint eine große Begabung dafür zu stecken." Diese Worte machten Alma Mut und sie stimmte ihrem Vater zu. Dieser umfasste ihre Schulter. "Morgen gehen wir zusammen zu den Sensenschmieden und dann sehen wir weiter, einverstanden?" schlug Henrik vor und Alma stimmte ihm dabei zu. Sie war innerlich aufgeregt und verabschiedete sich vor der Tür. Beide umarmten sich. "Ich hole dich dann morgen ab, okay?" fragte er ruhig und Alma nickte ganz vor freudig. In der Wohnung erzählte Alma ihrer Mutter von allem, die sanft lächelte und ihrer Tochter viel Erfolg für den morgigen Tag wünschte. Smeralda war müde, hörte ihrer Tochter aber noch solange zu, bis Alma sagte, dass sie ihre Mutter nicht weiter stören möchte, da sie gemerkt hatte, wie müde sie war. Lächelnd gab Smeralda Alma einen Stirnkuss und legte sich hin. Irgendwie hatte Alma jedoch auch das Gefühl, dass ihre Mutter nicht gut auf Henrik zu sprechen, beziehungsweise traurig war und wurde später in ihrer Erzählung ruhiger. Schließlich legte sie sich ebenfalls ins Bett, konnte vor Aufregung anfangs aber nur schwer einschlafen.
Am nächsten Tag wachte Alma früh auf und war aufgeregt. Sie konnte kaum stillhalten und schmunzelnd sah Smeralda zu ihr und legte kurz die Silberfeder zur Seite. "Du kannst es kaum abwarten, oder?" Alma nickte und setzte sich aufs Sofa. "Ja, ich hoffe, ich bekomme das hin! Das war wirklich ein großer Traum von mir, bei den Sensenschmieden anzufangen. Und dieser erfüllt sich gerade!" Ihre Mutter lächelte sanft. "Das freut mich sehr. Dann wünsche ich dir viel Erfolg."
Es klopfte an der Tür und Alma stand vom Sofa auf. Sie drückte ihre Mutter. "Danke!" Ihre Augen funkelten richtig und Smeralda gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor sie die Tür hinaustrat. Freudig trat Alma zu Henrik. "Na, bist du schon sehr gespannt?" erkundigte Henrik sich grinsend und Alma konnte ihre Nervosität kaum verbergen. Schließlich standen sie vor einer massiven Tür und Alma starrte mit begeisterten Augen zu dieser. "Na dann, würde ich sagen, dass du dich einmal vorstellst. Ich werde dann gehen." schlug Henrik vor und seine Tochter sah ihn perplex an. "Wie?" Ihr Vater konnte sein Grinsen nicht verbergen. "Es kommt besser an, wenn du dich alleine und persönlich vorstellst." Er lächelte und Alma nickte. "D-danke, dass du mich bis hierher begleitet hast. Wenn ich fertig bin, werde ich dir alles erzählen!" Ihre Freude war nicht zu verbergen und Henrik nickte. "Darauf freue ich mich schon. Bis später und viel Erfolg." Er strich über ihre Haare und verabschiedete sich. Alma trat einen Schritt näher an die Tür und vernahm laute Geräusche. Sie zog an der Klingelschnur und bei den Scythe Makern ertönte eine laute Klingel.