"Es tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest und sowas über mich erfahren hast. Ich möchte dir keine Angst machen." flüsterte Fritz und wollte nicht, dass seine eigene Tochter ihn als Monster ansehen könnte. "Am Anfang hatte ich Angst, aber das bist du und deine Geschichte. Hat nicht jeder irgendwo einen Schaden? Bei den Menschen gibt es auch einige, die ein psychisches Laster haben. Außerdem ist es ein Teil von dir und macht dich zu dem, was du bist. Ich habe dich trotzdem lieb und du bist immer noch mein Papa."
Diese beruhigenden Worte von Gamia zu hören, ließ ihn ein Stein vom Herzen fallen. "H-hast du irgendwo Schmerzen oder noch Verletzungen?" fragte er dann besorgt und Gamia schmunzelte. "Nur die kleine Stelle am Kopf, aber einmal mit einem Tuch und Wasser rüber wischen reicht." antwortete sie ruhig, als Fritz den Kopf senkte. "Ich hätte dich besser beschützen sollen." murmelte er niedergeschlagen, aber Gamia schlug ihn diesen Gedanken direkt wieder aus dem Kopf. "Du hast alles getan, was in deiner Macht stand, warst da und es war dir nicht egal. Man kann nicht jeden zu einhundert Prozent beschützen.", Noch wenig überzeugt nickte Fritz, wich ihren Blicken jedoch aus. "Lass uns heim gehen! Dann reinige ich meine Wunde und wir spielen noch ein Kartenspiel!" Sofort wurde Fritz hellhörig und lächelte auch wieder.
Daheim behandelten beide ihre Verletzungen, die nicht großartig schlimm waren für einen Todesengel. Gerade als sie damit fertig waren und ein Kartenspiel anfangen wollte, kam Gina heim, sah Gamias Wunde und fragte besorgt, was los sei, als sie das ganze Geschehnis erfuhr. Sie hatte sich zu beiden auf das Sofa gesetzt. Sie war sehr gelassen bei der Erzählung und auch die Tatsache mit der gespaltenen Persönlichkeit überraschte sie nicht, denn sie kannte Fritz schon sehr lange und gut genug. "Dieser Alexander ist einfach unglaublich! Er wird niemals in den Himmel kommen und dass er Gamia mit reingezogen hat ist unfassbar dreist.", Ihr Gesicht verzog sich kurz, entspannte sich aber schnell wieder. "Hauptsache es geht euch gut."
Schließlich kam Gamia wieder auf das Thema Kartenspiel zurück und fragte ihre Mutter, ob sie mitspielen wolle. Überlegend stimmte Gina dann zu, aber verlor als erste und sah sich das verbissene Duell zwischen Gamia und Fritz an. Es war das erste Mal, dass sie sah, wie ähnlich Gamia ihrem Vater dabei sah und genau ein Talent für das Kartenspielen besaß wie er. Sie musterte beide noch einen Moment und bekam ein freudiges Gefühl in ihrem Körper, welches sie nicht beschreiben konnte. Es war eine Art Freude, vermischt mit Stolz.
Fritz gewann die Runde ganz knapp. "Verdammt!" murrte Gamia, lächelte dabei und stand dann auf. "Ich gehe zu Bett, gute Nacht!" verabschiedete sie sich und drückte beide an sich, bevor sie die Treppe hinauf spurtete.
Ihre Eltern saßen alleine im Wohnzimmer . Lächelnd schaute Gina zu Fritz. "Ich finde es toll, wie du Gamia beschützt hast und dich um sie sorgst." Sie strich über seine Hand und Fritz wurde ein bisschen rot. Es überraschte ihn. "Natürlich doch! Immerhin ist sie unsere Tochter! Ich werde immer für sie da sein!" erwiderte er entschlossen und irgendwas ließ Gina im Inneren ein lang vergessenes Gefühl spüren. Für einen Moment saßen sie einfach so da.
"Du gehst wirklich gut mit ihr um." lobte Gina freudig. "Selbstverständlich! Ich habe sie über alles lieb und bin stolz, sie zu haben!" Für Fritz war es selbst verstehend.
"Ich empfinde ebenso und würde sie immer beschützen." Gelassen schaute Gina zu ihm und bemerkte, dass Fritz ihre Bewegung erwiderte und ebenfalls über ihre Hand streichelte. Gina wurde müde und schlief auf dem Sofa ein. Fritz fand es niedlich, wie sie dort lag. Er nahm sie auf den Arm, trug sie ins Bett und ging selber schlafen, allerdings auf dem Sofa.
Gamia war die Erste, die aufstand und direkt ins Totenreich ging. Sie war einige Zeit lang gut mit den Akten beschäftigt und beschloss diese dann direkt bei den Praktikern abzugeben, da ihr Stapel relativ groß war. Bei den Praktikern traf sie auf Cedric. "Guten Tag, Gamia! Bringst du uns heute die Aufträge? Das ist ja schön." grüßte er sie, nahm den Stapel direkt entgegen und stellte diesen auf den Tisch. "Wie geht es euch?" fragte er vornehm. "Soweit ganz gut. Mutter und ich wohnen jetzt bei Paps." Den Vorfall mit Alexander wollte sie hier nicht erzählen, der Ort war unpassend und es kamen mehrere Praktiker dazu. "Bis demnächst, kommt gerne wieder vorbei." verabschiedete sich Cedric und Gamia lief zurück zu ihrem Büro, wobei sie an das von Wilmas Eltern vorbei kam. Diese kamen Gamia direkt entgegen und sie bemerkte, dass sie nicht so wie sonst, sondern belastet aussahen. "Ist Wilma in ihrem Büro oder daheim?" erkundigte sie sich ruhig, als sich die Blicke ihrer Eltern senkten. Markus antwortete, denn Mia konnte es nicht. "Sie ist bei den Heilern."
Kurz zuckte Gamia zusammen, als Markus ihr erzählte, was Wilma widerfahren war. Gamia konnte das nicht ganz fassen und hatte nur noch die Auseinandersetzung im Kopf und wie sie noch mit Fritz darüber geredet hatte, wie er noch sagte, manchmal muss erst was passieren. Kurz nach dem Gespräch verschwand Gamia wieder nach Hause und musste erstmal mit jemanden darüber reden. Es belastete sie nicht schwerwiegend, aber sie wollte die Nachrichten irgendwie los werden.
Sie kam gerade noch rechtzeitig heim, denn ihre Mutter wollte gerade gehen. Gina hielt inne und Gamia meinte, sie müsste ihr etwas erzählen, was sie eben erfahren hatte und sie beschäftigte. Fritz gesellte sich dazu und daraufhin erzählte sie, dass Wilma sexuell von einem Teufel missbraucht wurde und Fritz zuckte zusammen. "Das ist schlimm, besonders wenn ich dabei an Wilma denke, aber nicht sehr überraschend von den Teufel." meinte Gina ein wenig mitfühlend, blieb aber sachlich. Sie verschränkte die Arme. Jedoch merkte sie Fritz eine gewisse Anspannung an. "Ist etwas?" hakte sie nach und Fritz packte endlich mit der Sache mit Adrian aus.
"Ihr wisst, dass ich mal drogenabhängig war...", fing er an und wusste nicht, wie er es sagen sollte. "Ja, ein Teufel hat dich in deiner schwersten Zeit dazu verführt. Du hast dich auf ihn eingelassen und ihre Substanzen probiert. Bis du ebenfalls anfingst, Menschen zum Konsum zu verführen." ergänzte Gina ruhig und Fritz nickte besorgt. "Ich bin nichts anderes als ein Teufel selbst. Seit Jahren bin ich in den Fängen eines Teufels gefangen. Er heißt Adrian, hat mich damals verführt und dazu getrieben, selber mit Drogen zu handeln. Mein Talent zum Karten spielen bewunderte er und auch wenn ich nicht mehr abhängig bin, verführe ich doch immer noch andere. Ich will das nicht mehr, aber schaffe es nicht von ihm weg! Bitte helft mir!" flehte er verzweifelt und bat inständig um Hilfe.
Gamia drückte ihn und Gina senkte den Kopf. "In all den Jahren, wo ich bei dir war, ist es mir nie gelungen, diesen Teufel auszutreiben! Wir werden dir auf jeden Fall helfen, versprochen!" gab sie ihr Wort und wusste immer, dass Fritz in den Fängen eines Teufels stecken musste, denn Drogen hatte die Hölle kreiert und Teufel lieben es, Menschen zu verführen und in den Abgrund zu stürzen. Mit Fritz als Todesengel war Adrian wirklich etwas großes gelungen.
"Um ehrlich zu sein, vermute ich, dass Adrian auch derjenige war, der Wilma missbraucht hat. Er ist durch und durch ein richtiger Teufel." gestand er bedrückt und Gamia biss die Zähne zusammen. "Wir werden ihn fassen und zurück in die Hölle treiben. Nur wie wollen wir ihn aus der Reserve locken?" fragte sich Gamia und sprach ihrem Vater Mut zu. Beide gaben ihm das Gefühl, dass er da nicht alleine durch musste. "Wenn ich es so sagen kann, kennt er dich und weiß, welchen Bezug du zu mir hast. Beim letzten Mal hat er mir gedroht, dass er dir ganz schlimme Dinge antut, wenn du wieder bei mir bist. Er möchte unbedingt, dass ich dich verführe oder mit anderen Geschäfte mache, statt Zeit mit dir zu verbringen. Ich möchte dich nicht in Gefahr bringen, aber wenn wir den Lockvogel spielen, um ihn aus dem Versteck zu locken und Gina in der Nähe ist..." "Könnten wir ihn besiegen!" beendete Gamia energisch den Satz und Fritz nickte bestätigend.
Für den heutigen Abend ging Fritz noch ganz normal zur üblichen Gasse. Gina und Gamia sprachen sich ein wenig ab. "Wusstest du die ganze Zeit von diesem Teufel?" fragte Gamia nochmal nach und ihre Mutter bejahte die Frage. "Es war ganz logisch. Teufel haben die Drogen und den Alkohol erschaffen, um die Menschen zu betören und zu verführen. Natürlich gibt es zwei Ausnahmen, nämlich Wein und Cannabis, denn dies hat der Himmel und Mutter Natur erschaffen. Immer wieder ziehen sie Menschen in den Abgrund und wenn man dann jemanden wie Fritz damals trifft, war es klar, dass das Böse ihn in der Hand hatte und ich denke Adrian war sehr erfreut, als er es schaffte, keinen Menschen, sondern einen Todesengel zu verführen und für ihn handeln zu lassen. Deshalb müssen wir immer aufpassen, um uns nicht um den Finger wickeln zu lassen." erklärte Gina mit ruhiger Miene und lehnte sich zurück. Gamia schmunzelte. "Was ist?" fragte Gina perplex nach, als ihre Tochter sie so angrinste. "Mich überrascht es, sowas aus deinem Mund zu hören. Ich bin doch der Streber und du der Rebell!" Sie musste lachen und Gina schaute sie nur verdutzt an. "Sowas lernt man doch! Das weiß jeder!" verteidigte Gina sich und schaute zur Seite. Irgendwie konnte sie nicht glauben, dass ihre Tochter sie gerade als dumm abstempelte. "Du hast tatsächlich etwas gelernt?" Gamia war selber über sich überrascht, als sie diese frechen, lustig gemeinten, Sprüche hervorbrachte. Gina war absolut sprachlos, dann brachen aber beide in schallendes Gelächter aus. "Hab dich lieb, mein nerdiges Kind." grinste Gina und nahm ihre Tochter in den Arm. Beide lächelten überglücklich. "Ich bin froh, dass du meine Tochter bist." sagte Gina freudestrahlend und strich Gamia über das Haar. Etwas unsicher fragte sie: "Magst du Vater eigentlich noch?"
Nachdenklich ließ Gina von Gamia ab und seufzte. "Ich weiß es nicht und es ist schwer. Hassen tue ich ihn nicht, aber die Sache mit Kilian ist auch noch nicht lange her und ich bräuchte Zeit." Ein kleiner Hoffnungsschimmer funkelte in Gamias Augen auf. "Das heißt aber, du würdest irgendwann wieder mit ihm zusammen kommen!" Ein wenig empört sah Gina zu Gamia. "Das hast du gesagt!" Sie wollte schmollen, aber realisierte, dass Gamia schon Recht mit ihrer Aussage hatte und lächelte einfach nur matt, bevor sie meinte: "Ich habe deinem Vater damals geholfen, von der Sucht loszukommen, aber ich habe es leider nicht geschafft, diesen Teufel zurück in die Hölle zu stoßen, was ich sehr bereue. Und das, obwohl wir eine ganze Zeit zusammen waren..." Gina senkte den Kopf, lehnte sich ans Sofa und streckte die Arme auf der Lehne aus. "Wie lange wart ihr zusammen und warum habt ihr euch getrennt?" erkundigte sich ihre Tochter interessiert und blickte sie an, während sie sich hinkniete.
"Lass mich überlegen." flüsterte Gina gedankenverloren. Sie wippte mit dem Bein und schaute hinauf. "Zusammen waren wir gut über vier Jahre, aber ich war vorher schon immer bei ihm und habe ihn geholfen. Früher dealte er auch unfair, schummelte und betrog gerne. Als wir zusammen kamen war er fair, aber ein paar Jahre später brach er sein Versprechen und betrog eine größere Gruppe von Männern, was ohne sein Dasein als Todesengel tödlich ausgegangen wäre. Es hatte mich einfach enttäuscht und ich trennte mich. Im Nachhinein hätte alles anders sein können und wenn ich darüber nachdenke, vermute ich mittlerweile, dass der Teufel ihn dazu gezwungen hat, sein Versprechen zu brechen. Er scheint eine große Macht auf deinen Vater auszuüben." Im Gedanken linste sie zu ihren Beinen und schaute traurig vor sich hin.
"Aber Dinge passieren und kann man nicht ändern." meinte sie dann genauso aufgeweckt wie immer und stand auf, streckte sich und warf einen Blick zu Gamia, die noch eine Frage hatte. "Woher wusstest du genau, dass ich nicht von Kilian bin? Woran merkt man überhaupt, dass man ein Kind erwartet?"
Ruhig setzte Gina sich wieder zu Gamia hin. "Um es direkt zu sagen, hatten Kilian und ich eine Weile nicht miteinander verkehrt, beziehungsweise passte es nicht. Irgendwie wusste ich es einfach, habe es gespürt. Spätestens bei deinem spitzen Zahn hätte ich Bescheid gewusst." Das war typisch Gina. Frech, offen, direkt und sie nahm kein Blatt vor dem Mund. "Und um deine zweite Frage zu beantworten... Es ist etwas ganz wunderbares, wenn Todeswesen erfahren, dass sie Nachwuchs bekommen. Wir merken es nicht so, wie die Menschen, sondern ein kleiner Engel kommt zu uns und überreicht uns die Seele. Und dann den ersten Herzschlag zu spüren, ist etwas unbeschreibliches, was man nur nachempfinden kann, wenn man selber Mutter ist." schwärmte sie, bevor sie gähnte. Gamia fand die Erzählung wundervoll. "Dann werde ich mal ins Bett gehen. Gute Nacht."
Im Bett lag Gina noch eine kurze Weile wach, bevor sie einschlief und wenig später wieder aufwachte. Sie brauchte nicht viel Schlaf und ging deshalb in die Totenwelt.
Es war einiges los und verschiedene Todeswesen liefen umher. Theoretiker gaben Praktiker direkt die Akten und sie bekam mit, wie sich mehrere Praktiker zusammen taten, um mehrere Seelen, die gleichzeitig an einem Ort starben, zu geleiten. "Wir müssen in der Nähe der Bar, Autounfall von Jugendlichen, drei Tote!" rief jemand und immer wieder sah Gina Flügelportale oder gezückte Sensen, als sie jemand ansprach. Eine schüchterne Frau mit langen braunen Haar und weißen Hemd hielt mehrere Formulare in der Hand. "Sie sind eine Praktikerin... Ich hätte einige Akten." Gina nickte und hielt ihre Sense griffbereit, darum war sich ihr Gegenüber sicher gewesen, sie sei eine Praktikerin. Damit verabschiedete sich die Frau und Gina ging ihrer Tätigkeit nach.