Mit seinem Sohn lief Jeremy zur Gilde. Es lag eine angespannte Stimmung zwischen den beiden. Sie kamen an Henrik vorbei. Henrik grüßte beide und wandte sich an Jeremy. Johannes war in Gedanken versunken und vergaß die Begrüßung zu erwidern. Jeremy blieb stehen und hörte sich Henriks Worte an.
"Danke für dein Tun in der Totenwelt." Er stand auf und verneigte sich vor Jeremy, welcher die letzten Worte von Henrik mit Dank annahm.
Johannes sah dem Szenario mit traurigen Blicken entgegen. Jeremy verabschiedete sich von Henrik und trat mit seinen Sohn vor die Tür des Todes. Er nahm Johannes in den Arm.
"Ich bin ja nicht aus der Welt. Besuch mich im Garten Eden." Mit einem Schmunzeln wollte er die Situation auflockern, aber Johannes entlockte es nicht einmal ein müdes Lächeln.
"Ich komm vorbei. Mach es gut in dieser Welt." Er drückte seinen Vater noch einmal an sich.
"Danke für alles." hauchte Johannes und sah, wie sein Vater durch die Tür zu Gevatter Tod ging.
Mit einer Verbeugung grüßte er den Todesgeist. "Herzlich Willkommen zu Ihrer Erlösung, Jeremy Soroski." Jeremy nickte nur. Der Sensenmann nahm seine Sense und kam Jeremy näher. Die Sense setzte er an Jeremys Brustkorb an und Jeremy verspürte einen kleinen Picks.
"Ich erlöse sie und geleite sie in den Garten Eden." Jeremys Körper begann sich augenblicklich in Erde, Asche und Staub aufzulösen, während seine Seele in den Garten Eden gebracht wurde.
Im Garten Eden erwartete Jorina bereits Jeremys Erscheinen. Sie musste nicht lange auf ihn warten. Sein erster Impuls war es, zu ihr zu gehen und er fand sie, dank Mutter Natur, in ihren vier Wänden wieder, in denen sie sich zu Lebzeiten trafen. Sie bat ihn hinein und sie fielen sich um die Arme. Jorina gab Jeremy einen langen Kuss und führte ihn zum Küchentisch.
"Ich bin so glücklich. Es erinnert mich an die früheren Zeiten. Weiß du noch, wie oft wir hier saßen und uns unterhalten haben?" Jeremy nickte.
"Jetzt müssen wir uns nicht mehr an deinen Grabstein treffen." Jorina gab ihm einen Pfefferminztee, den Jeremy dankend annahm. "Nach all den Jahren weiß du noch, welchen Tee ich gerne trinke." Stolz grinste Jorina.
"Natürlich." Sie nahm sich einen Früchtetee und konnte ihren Blick nicht von Jeremy abwenden. Mit den Fingern fuhr Jeremy über das glatte Holz des braunen Tisches. "Hier hast du mir auch deine Schwangerschaft eröffnet, indem du mir ein Ultraschallbild auf den Tisch gelegt hast." Er blickte in Jorinas Augen, die zu funkeln anfingen.
"Damals hatte ich etwas angst, du hättest mich sitzen gelassen, nachdem du dich Tage darauf nicht gemeldet hast." gestand Jorina und Jeremy blickte beschämt drein.
"Das tut mir leid. Ich war nur selber mit mir am kämpfen, weil ich ein Todesgeist war."
"Ich bin froh, dass du dich nicht dazu entschieden hast, mich sitzen zu lassen." Jorina nippte an ihren Tee.
"Das hätte ich bereut." Mit funkelnden Augen und einem Grinsen im Gesicht blickte Jeremy Jorina an.
Johannes stand mit verschränkten Armen und gesenkten Kopf vor Henrik. "Ich nehme mir dann ein paar freie Tage. Außerdem würde ich meine sechs Stunden Arbeitszeit in der Gilde gerne beibehalten. Ich hoffe, das ist in Ordnung." erklärte Johannes und wartete ab, was Henrik dazu sagen würde.
"Klar, kein Problem. Ich habe übrigens Cedric gefragt, ob er zwischendurch aushilft. Du musst dir keine Gedanken machen, wir bekommen alles hin." Henrik lächelte und Johannes dankte Henrik. Er verabschiedete sich von dem Gildenführer und begab sich fernab der Totenwelt in die Welt der Lebenden. In diesem Moment wollte er das Zwischenreich meiden.
Er teleportierte sich vor einem Blumenshop und erblickte an der Tür ein Schild, auf dem stand: Aushilfe gesucht.
Die Tür läutete und er stand vor einer Floristin mit dem Namensschild C. Krachten. Seine Augen fixierten den Namen und die Begrüßung von Clara riss ihn aus den Gedanken.
"Entschuldigung.", haspelte er. "Ich hätte gerne orangene Blumen. Irgendwas." Clara nickte und verwies auf ein Gesteck mit den gewünschten Blumen. Johannes nickte. "Nimm ich." Er zahlte und gedankenverloren verließ er den Laden. Ein letztes Mal besuchte er das Grab seiner Mutter. Ein Blick fiel dabei auf das große Familiengrab der Krachten und kurzzeitig dachte er an Sarah.
In der Bäckerei bekam Sarah Besuch von Timothy, welcher für eine Kuchenbestellung vorbeikam. Timothy hatte seine Haare zu einen Zopf gebunden. Wenige Strähnen fielen lose vors Gesicht. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Jeans. Er stand bei Sarah im Büro.
"Wie die Azubine ist nicht da?" hakte er nach und verschränkte die Arme. "Die hat Berufsschule." Timothy rollte mit den Augen.
"Kannst du die Bestellung annehmen? Heather starrt mich immer so finster an." Sarah schmunzelte.
"Klar, hau raus." Damit nannte er ihr eine großen Kuchenbestellung. Er dankte ihr und Sarah stand auf, um vor dem Büro eine zu rauchen. Timothy folgte ihr.
"Gut siehst du aus. So verändert." merkte sie an und stellte sich um die Ecke des Gebäudes.
"Auch eine?" bot sie an, aber er winkte ab.
"Versuche mit Rauchen aufzuhören. Seitdem Vater mich gezwungen hat, mit Kiffen aufzuhören, macht sogar rauchen keinen Spaß mehr." Sarah verstaute ihre Schachtel. "Ich glaube in diesen Leben komme ich nicht mehr von der Zigarette los." lachte Sarah.
"Kannst du meinen Dad vielleicht dazu überzeugen, dass er mir den Laden vermacht?" fragte Timothy seine Cousine. "Ne, sicher nicht. Tomas weiß schon, was er tut. Warum? Bist du so scharf auf das Erbe? Ich würde mal keinen Druck machen. Außerdem brauchst du vorher einen Ausbilderschein oder nicht?" erkundigte sich Sarah und drückte die Zigarette aus.
"Den habe ich schon. Hab ich damals nach meiner ersten Lehre gemacht, weil mein damaliger Chef einen Bonus für die gezahlt hat, die einen haben und anlernen." Sarah nickte.
"Wusste ich nicht, aber egal. Du sollst sicher noch den Kuchen für heute abholen, oder nicht?" Sie liefen langsam zur Tür und Timothy nickte.
"Vielleicht ist die nette Vertretungskraft wieder da." schmunzelte er und Sarah sah ihn ermahnend an. "Bagger meine Verkäufer nicht an. Das finden die nicht sexy, sondern abstoßend."
Bis zu Tomas 67.tes Lebensjahr musste Timothy sich gedulden, bevor er das Bestattungsinstitut erbte. Tomas hielt eine kleine Feier ab, zu der er Shadia einlud. Shadia sagte ihm ab, da sie es nicht für richtig hielt, zur Feier einer ihr unsympathischen Person zu gehen. Den Abend verbrachte sie lieber bei ihren Sohn beim Abendessen.
Shadia saß auf einen der Küchenstühle und beobachtete Mikel beim andicken der Soße. Musuko saß seiner Mutter gegenüber und zeichnete an seinem Tablet, während sich Shadia mit Mikel unterhielt.
"Musst du Musuko auch manchmal mehrmals rufen oder persönlich zum essen holen?" fragte sie mit einem amüsierten Unterton und Mikel nickte.
"Ja, entweder ist er in seine Arbeit vertieft oder schlummert gemütlich vor sich hin." Shadia lachte leise. "Manches ändert sich nie. Irgendwann habe ich ihn immer aufs Handy geschrieben oder angerufen. Das hat gut funktioniert." Mikel stellte derweil die Herdplatten aus und Shadia verteilte das Besteck, das er ihr reichte. Musuko zuckte, als das Besteck auf seinen Teller klirrte und erwachte aus seinem Fokus. Er brachte das Tablet ins Wohnzimmer und setzte sich wieder an den Küchentisch. Dabei setzte er das linke Bein auf den Stuhl ab. Shadia musterte ihn in dieser Position.
"Seine Sitzposen habe ich auch nie aus ihn rausbekommen. Irgendwann habe ich es aufgegeben und ihn sitzen lassen, wie er will." Shadia füllte sich Mischgemüse und Kartoffeln auf ihren Teller. Musuko blickte zu ihr.
"Einmal komisch, immer komisch." kommentierte er und nahm sich zwei Tofu-Schnitzel. Shadia schmunzelte und erwiderte: "Wenn du wüsstest, wie viele schon zu mir sagten, mein Sohn sei komisch. Es fing schon im Kindergarten an, wo die Erzieherin Sorge wegen deinem stillen Verhalten hegte. Sie riet mir einen Hausarzt aufzusuchen und ehrlich gestanden habe ich dich bis heute nicht auf Autismus testen lassen." Musuko zuckte mit den Schultern.
"Würde jetzt eh nichts mehr ändern." murmelte er und tunkte das Schnitzel in Soße. "Wäre ja auch langweilig, normal zu sein."
Shadia und Tomas trafen sich die Tage drauf in der Woche an einem Nachmittag und saßen bei Tomas auf dem Sofa. Neben dem Sofa standen zwei Sessel. Shadia lehnte sich auf dem Sofa zurück, während Tomas den Arm um sie legte. "Und wie geht es dir als Rentner?" fragte Shadia lächelnd nach. "Komisch. Da arbeitest du 50 Jahre deines Lebens und dann nicht mehr. Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann." Über seine Aussage kicherte Shadia.
"Ich kann dem nachempfinden. Ich schaue weiterhin regelmäßig ins Institut."
"Das werde ich auch so handhaben. Alleine schon um mich zu vergewissern, dass Timmy alles im Griff hat. Ich habe immer noch Sorge, dass es eine falsche Entscheidung war, den Laden Timmy zu vererben. Versteh mich nicht falsch, er ist mein Sohn, aber ich glaube er unterschätzt ein wenig die Wucht dessen, selbstständig zu sein." erklärte Tomas mit Sorgenfalten im Gesicht. "Er sieht das Geld und die Stellung, aber das Andere nimmt er zu sehr auf die leichte Schulter." Shadia nickte mit den Kopf.
"Alleine schon, wenn die Steuererklärung anstand. Mir tat es immer so um Musuko leid, dass er dann weniger Aufmerksamkeit bekommen hat." Shadia war leicht beschämt. "Claudia konnte auch ein Lied davon singen, wenn ich mit Bürokram beschäftigt war. Das hat zusätzlich oft für Streit gesorgt, aber was hat bei uns nicht zu Zoff geführt?" Da Shadia nichts negatives über die frühere Ehe von Tomas sagen wollte, blieb sie stumm. Tomas merkte, dass sie nichts zu sagen hatte und erzählte weiter. "Gut, dass du übrigens nicht bei der Feier warst. Timmy hat es etwas mit dem Alkohol übertrieben und sogar Hannes abgefüllt. Ich fand das nicht gut, dass er sich nicht gezügelt hat. Ich hätte mich das nicht getraut. Was gibt das bitte für ein Bild ab?" Er schüttelte den Kopf und Shadia konnte seinen Standpunkt nachvollziehen. "Dann habe ich ja nichts verpasst."
Das Klingeln des Haustelefons holte beide aus ihrer gemütlichen Formation. Tomas stand auf und spurtete zum Telefon. Er las den Namen auf dem Display und traute seinen Augen kaum.
"Es ist Clara!" rief Tomas zu Shadia ins Wohnzimmer, die nur ein: "Geh ran!" erwiderte. Tomas hob den Hörer ab und meldete sich überrumpelt mit: "H-hallo?" Am anderen Ende ertönte die Stimme seiner Tochter, zu der er 1,5 Jahre keinen Kontakt mehr hatte.
"Hey, Paps." kam es leise und zögerlich aus Claras Munde. Tomas vernahm bereits, dass es ihr nicht gut ging.
"I-ich freu mich, von dir zu hören, aber etwas lastet dir auf der Seele, nicht?" Verkrampft stand Clara an ihrem Handy und krallte sich an ihren Hoodie.
"Was machst du so?" murmelte sie und Tomas linste zu Shadia aufs Sofa.
"Shadia ist gerade da, aber sonst nichts."
"Achso... Dann rufe ich später an."
"Nein, warte! Ich kann mir Zeit für dich nehmen. Was ist los?" Ein kleines Lächeln erschien auf Claras Lippen, welches sich schnell wieder verflüchtigte.
"Es geht um meinen Freund, besser gesagt Ex." Tomas hob beide Augenbrauen. "Bevor du weitererzählst, ich glaube das ist etwas, worüber wir persönlich reden sollten. Möchtest du oder soll ich vorbeikommen?" Clara überlegte.
"Ich komme vorbei. Dann komme ich raus aus diesem Loch."
"Ich bitte Shadia dann, heimzugehen." erwähnte Tomas und dachte an Claras Worte. Zu seiner Überraschung hielt sie ihn von diesem Tun ab.
"Ist schon okay, wenn sie dabei ist." Ihre Worte erfreuten ihn. "Super, bis gleich. Ich warte auf dich." Er legte auf und strahlte über das ganze Gesicht. Trotz der Freude mischte eine gewisse Sorge mit und er fragte sich, was gravierendes vorgefallen sei, dass seine Tochter wieder den Kontakt suchte. Er teilte Shadia die Neuigkeiten mit und wartete auf die Ankunft seiner Tochter.