Im Totenreich kehrte Ruhe ein und die letzten Todeswesen, die ihre Erstsense noch nicht abgegeben haben, wurden verurteilt. Dadurch kehrte auch die Ruhe bei den Scythe Makern ein und Alma hatte gerade eine Sense auseinander gebaut und die Einzelteile einsortiert, als Sibylle auf sie zukam.
"Frau Coronzola, bitte folgen Sie mir." bat sie ihren Lehrling und Alma wusste nicht, was Sibylle von ihr wollen würde. Beide liefen in den kleinen Nebenraum und Sibylle bat Alma sich hinzusetzen, woraufhin beide gegenüber saßen. Wie gewohnt schaute Sibylle ziemlich neutral, sprach mit ihrer gewöhnlichen Stimme, aber Alma konnte ihr ansehen, dass sie etwas Ernstes besprechen wollte. Sie blickte ihre Lehrmeisterin an und Sibylle kam sofort zum Punkt. "Mir ist aufgefallen, dass Sie öfters alleine gearbeitet haben und Sensen auseinander gebaut haben, als die Erstsensen abgegeben worden.", fing sie zu erzählen an und Alma hatte erst das Gefühl, etwas nicht richtig gemacht zu haben, als Sibylle fortsetzte: "Sie haben gute Arbeit geleistet, bis auf vereinzelte Kleinigkeiten, aber ich bin sehr zufrieden mit Ihnen. Dass Sie selbstständig gearbeitet haben, ist mir positiv aufgefallen. Wie würden Sie es finden, wenn ich sage, dass ich Sie gerne prüfen wollen würde?"
Alma stockte und musste diese Worte erst begreifen. Zweieinhalb Jahre hatte sie auf diesen Moment hingearbeitet und nun war er zum greifen nah! Sie nickte. "Ja, ich würde mich sehr geehrt fühlen." antwortete sie gespannt und war ganz vorfreudig. Ihre Lehrmeisterin nickte. "Na dann will ich Sie in den nächsten drei Tagen nur an Ihrer ersten eigenen Sense schmieden sehen!" meinte Sibylle ruhig und stand auf. "Gehen Sie heim und enttäuschen Sie mich nicht." verabschiedete Sibylle sich kühl und Alma nickte, bevor sie sich umzog und daheim die frohe Botschaft verkündete.
Henrik und Smeralda nahmen sie stolz in den Arm. "Das freut mich sehr." schmunzelte Henrik und Alma grinste glücklich. "Dann bist du bald eine Gesellin!" sagte Smeralda erfreut und funkelte ihre Tochter stolz an. "Ja, aber erst muss ich meine Prüfung schaffen!" entgegnete Alma, als ihr Vater nur meinte: "Das schaffst du." Nebenbei füllte er allen ein Glas Wein auf und zusammen stießen sie auf Alma an.
Am nächsten Morgen wachte Alma früh auf, lange vor ihren Eltern und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie brauchte ein Konzept für eine Sense und blätterte ihren Ordner durch, als sie in der Schublade das Bild von sich und Yannis fand. In ihr kamen Erinnerungen hoch. Yannis hätte jetzt schon eine Gesellin sein können, wäre ihr nicht das Leben genommen worden. Alma musterte das Bild mit funkelnden Augen und strich über das Bild. "Ich werde diese Prüfung für uns beide machen." wisperte sie und legte das Bild wieder zurück in die Schublade.
Alma machte sich Notizen über ihre Sense, die sie bauen wollte und da sie in ihrer Freizeit gerne Sensen kreierte, fiel ihr das Gestalten einer Sense sehr leicht. Das Design, besonders die Klinge, war komplex und sie fragte sich, ob dies nicht sogar zu schwer für sie sein könnte, aber Alma vertraute auf ihre Fähigkeiten und war fest entschlossen, diese Sense zu schmieden!
Ihre Sense benötigte mehr Zeitaufwand und Alma begab sich umgehend zu den Sensenschmieden. Sie hatte ihren eigenen Abteil zum schmieden ihrer ersten eigenen Sense. Da ihre Klinge viel Zeit benötigte, sparte sie beim Sensenstab ein und nahm einen Metallstab. Sie fing mit den ersten arbeiten am Sensenblatt an, ihren Notizzettel immer zur Hand. Während ihrer Arbeit bekam Alma die Außenwelt nicht mehr mit und verlor sich in ihrer eigenen Welt. Intensiv beschäftigte sie sich mit ihrer Sense, denn die Prüfung war ihr sehr wichtig. Sibylle lief einmal an ihr vorbei und war es bereits gewohnt, dass sich ihr Lehrling immer etwas in der Arbeit verlor. Sie war ein wenig erstaunt, dass Alma bereits so früh mit dem Sensen schmieden begonnen hatte, aber sie hatte von ihr auch ein wenig mehr erwartet, als von anderen Lehrlingen, die sie bereits ausgebildet hatte.
Spätabends kehrte Alma heim und war von der Anstrengung müde geworden. Sie schlief sofort ein, wachte am Folgetag aber wieder so früh wie möglich auf, um erholt weiter zu machen.
Währenddessen saß Henrik in der Gilde. Er hatte seine Tochter nicht mehr angetroffen, wollte sie aber nicht weiter stören, damit sie sich in Ruhe auf ihre Prüfung konzentrieren konnte. Die Gildentür öffnete sich und Justin betrat den Raum. Ihn begleitete ein groß gewachsener Mann, welcher lange braune Haare hatte, die zu einem Flechtzopf gebunden waren. Seine Augen waren ebenfalls braun und wurden von einer silbernen Halbbrille umrandet, die ein auffällig welliges Brillengestell an der Nase hatte. Er trug einen Kinnbart und machte einen ruhigen, zurückhaltenden Eindruck. Sein weißes Hemd war braun an den Schultern durch den angenähten Stoff und seine Krawatte hatte unten drei Spitzen, die braun weiß kariert waren. Die Jeans war schwarz, leicht gräulich und er trug Schnallenstiefel. Interessiert musterte Henrik den Mann und bekam einen Verdacht, um wem es sich handeln könnte. Justin lief mit ihm zur Gilde hinauf und beide standen Henrik gegenüber, welcher bereits aufgestanden war. Vornehm verbeugte Henrik sich, als er sich vorstellte. "Ich bin Henrik Dronner, der Gildenführer." Er gab seinem Gegenüber die Hand und der Mann nannte seinen Namen. "Mein Name ist Samuel Serptes, freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Herr Dronner. Der Tod bat mich, in der Gilde eine Lehre anzufangen." erklärte Samuel höflich und Henrik hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen. Justin erhob das Wort und wandte sich an Henrik. "Herr Serptes wird dein Lehrling sein." Ein freudiges Lächeln schlich sich auf Henriks Lippen. "Das ehrt mich sehr! Ich werde ihm alles notwendige lehren!" gab Henrik sein Wort und verabschiedete sich von Justin, der zum Tod zurück kehrte. Henrik wandte sich an seinen Lehrling und empfand einen gewissen Stolz, nun sein Wissen jemand anderes zu vermitteln. Er verwies auf die drei Plätze, die unterschiedlich hoch waren. "In der Gilde ist jeder gleichgestellt. Natürlich gibt es eine leitende Position, aber wir vollrichten alle dieselbe Aufgabe! Wir vermitteln zwischen dem Tod und Zwischenreich!" Beide liefen ein stück hinunter und Henrik zeigte Samuel seinen zukünftigen Platz, an welchem Florenz immer gesessen hatte. Henrik und Samuel wurden abgelenkt, als sie vernahmen, wie die Gildentür erneut geöffnet wurde, als Henrik Jeremy erkannte, welchen er seit über einer Woche nicht mehr gesehen hatte. Henrik bat Samuel kurz zu warten und teleportierte sich zu Jeremy, der sich einfach einen dunkelroten Pullover übergezogen hatte und seinen Sohn auf dem Arm hielt. Auf das kleine Freudenbündel fiel Henriks Blick sofort. "Das ist der Kleine?" fragte er begeistert und beglückwünschte seinen Kollegen. "Johannes kam am 29.8 zur Welt." erklärte Jeremy ruhig und dankte Henrik für die Glückwünsche. Zwar lächelte Jeremy, als er auf seinen Sohn schaute, der friedlich schlummerte, aber wirkte auch ein wenig nachdenklich. "Um ehrlich zu sein bin ich hier, um dir etwas mitzuteilen. Mit dem Tod habe ich bereits darüber gesprochen.", gestand Jeremy und Henrik hörte seinen Worten gut zu. "Seine Mutter wurde kurz nach seiner Geburt erlöst und ich bin alleine mit dem Kleinen. Ich werde für einen längeren Zeitraum meiner Arbeit nicht nachgehen können." erklärte er und entschuldigte sich dafür, aber Henrik nahm es ihn nicht übel und zeigte viel Verständnis. Dies lag zum Teil daran, dass er an seine Partnerin denken musste, welche in einer ähnlichen Situation wie Jeremy war. Er bot ihm im Notfall seine Hilfe an und Jeremy dankte Henrik, bevor er die Gilde wieder hinter sich ließ.
Tag und Nacht arbeitete Alma an ihrer Sense und heute war der letzte Tag, an dem sie an dieser arbeiten konnte, gleichzeitig aber auch abgeben musste. Sie hatte sich so in ihre Sense vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie sie auf der Arbeit einschlief, bis ein Kollege sie weckte. Erschrocken fuhr Alma hoch und war sofort wach. Ihr Blick fiel auf die Sense, die fast fertig war. Nur die kleinen Feinheiten fehlten noch, welche sie heute ausbessern würde. Sie schärfte die letzten Klingen an ihrer Sense, bis sie zufrieden war und verschweißte alle Teile zu einer Sense. Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, als sie die Sense sah, in die sie ihr Herzblut gesteckt hatte. sie räumte alles auf und säuberte ihren Arbeitsplatz, bevor sie aufgeregt zu Sibylle lief und sagte: "Meine Sense ist fertig."
Sibylle unterbrach ihre Arbeit sofort und musterte ihren Lehrling. "Wirklich mit allem? Möchten Sie noch einmal drüber schauen oder soll ich mir die Sense direkt vornehmen?" fragte sie noch einmal nach und Alma meinte nur: "Können Sie sich sofort anschauen!" Sibylle nickte und folgte Alma zum Arbeitsplatz. "Sie haben vorher alles aufgeräumt, das ist sehr positiv. Ich hatte schon welche, die meinten sie sind fertig und als ich die Sense begutachten wollte, sah ich als Erstes den dreckigen Arbeitsplatz. Die sind natürlich sofort durchgefallen." erzählte Sibylle und näherte sich der Sense, die Alma ordentlich auf einer Halterung präsentierte. Die Schmiedemeisterin wollte es sich nicht anmerken lassen, aber sie staunte nicht schlecht, als sie die zackige Klinge, wie bei einer Säge, sah. Sie strich über den Metallstab. "Ich sehe schon, Ihr Schwerpunkt liegt bei der Klinge." merkte Sibylle an und begutachtete die Schweißnaht. Sibylle war eiskalt mit ihrer Bewertung.
"Für einen Lehrling wie Sie ganz gut, auch wenn mir eine kleine Unebenheit auffällt." Alma nickte nur und Sibylle wandte sich an das Sensenblatt. "Ich muss Sie loben. Sowas aufwendiges innerhalb kürzester Zeit gut hinzubekommen, traut sich nicht jeder. Optisch fällt die Sense positiv auf." Diese Worte bedeuteten Alma viel, denn Sibylle sprach ungerne Lob aus. Dann inspizierte sie die Klinge genau und testete jede einzelne Zacke nach ihrer Schärfe. Bei einer stockte sie. "Scharf, aber hätte noch schärfer und feiner sein können, aber es ist nur die eine Seite." merkte sie dann an und wandte sich an Alma. Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken und musterte noch ihren Notizzettel mit der Skizze der Sense, als sie zu Alma sagte: "Frau Corenzola, Sie haben bestanden."
Diese Worte zu hören machte Alma unfassbar glücklich und ein stolzes euphorisches Gefühl überkam sie. Zweieinhalb Jahre hatte sie diesen Tag herbeigesehnt, dafür gearbeitet, Höhen und Tiefen erlebt und nun war sie endlich eine Gesellin. Sie wollte sich unbedingt bedanken bei Sibylle und fing gerade an mit: "Danke, dass Sie-", Als Sibylle sie unterbrach. "Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, wenn Sie aber unbedingt mit mir reden möchten, würde ich darum bitten, dies nicht hier zu tun, sondern mich privat zu besuchen." bat Sibylle und dieses Angebot überraschte Alma, aber sie nickte und beide machten ein Treffen für Abends aus.
Die frohe Botschaft von Almas bestandener Prüfung verbreitete sich in der Familie und sie freuten sich sehr für sie. Besonders ihre Eltern wollten den Erfolg zelebrieren. Sie kam daheim an und zeigte ihre Sense vor, die sie geschmiedet hatte und beide staunten nicht schlecht. Henrik sah man total an, dass er von dem Handwerk seiner Tochter begeistert war. "Ich bin total sprachlos von dem Design der Sense... Wie viel Mühe dahinter steckt." lobte er fasziniert und Smeralda fing vor Freude zu weinen an, als sie die Sense sah und von der bestandenen Prüfung hörte. "Herzlichen Glückwunsch." sagte Smeralda gerührt und zog ihre Tochter zu einer Umarmung zu sich. Henrik schloss sich dieser an und strich über Almas Haar. Ihr kamen die Tränen und sie dankte ihren Eltern sehr. "Ich kann nicht glauben, dass ich nun eine Gesellin bin und muss immer daran denken, wie ich angefangen bin. Danke Papa, dass du mich damals dazu ermutigt hast, diese Lehre zu machen und dass ihr mich immer wieder aufgebaut habt, wenn es nicht so funktionieren wollte, wie ich wollte." Sie wischte ihre Tränen weg und diese Worte rührten ihre Eltern. Die Familie setzte sich auf das Sofa in Henriks Wohnzimmer und Alma lehnte ihre vorsichtig an die Wand und wollte diese später in ihren Zimmer aufhängen. Henrik holte drei Weingläser hervor und den besonderen Wein mit dem süßen Geschmack aus Frankreich. Alma seufzte schmunzelnd, als sie die Flasche erblickte und auch Smeralda grinste. "Ich dachte mir, zu diesem Anlass muss dieser Wein einfach sein." Alle drei stießen zusammen an. "Auf Almas bestandene Prüfung." riefen ihre Eltern und während Alma ihr Glas erhob, dachte sie an Yannis. "Wir haben es geschafft." Alma trank nicht sehr viel und erklärte, dass sie noch zu Sibylle wollte. Auch ihre Eltern waren darüber überrascht und hätten nicht damit gerechnet, dass Sibylle auch so eine Seite hatte. Schließlich stand sie vor Sibylles hölzerne Wohnungstür und klopfte an. Sie war schon interessiert daran, wie ihre Lehrmeisterin so lebte, denn trotz der Jahre wusste sie nur sehr wenig über Sibylle. Ihr wurde die Tür geöffnet und Alma zog ihre Schuhe aus. Sie musterte die Wohnung, die durch das dunkle Holz etwas düster wirkte und mit Möbeln eingerichtet war, die aus der früheren Zeit stammten, was Alma sehr gefiel.
Sibylle bot ihr im gemütlichen Wohnzimmer einen Platz an und holte einen Champagner hervor. "Wenn Sie möchten oder soll es lieber ein Wein sein?" fragte Sibylle gelassen und Alma nickte lächelnd. Sie war innerlich noch etwas nervös, das erste Mal Sibylle privat zu sehen. Sibylle trug ihre langen Haare offen und trug eine schwarze Stoffjacke über ihr weißes Hemd. Sie schlug das rechte Bein über das Linke und trank einen Schluck. "Wenn Sie demnächst zu den Scythe Makern kommen, dann gehen Sie nicht erst zu mir, sondern setzen sich direkt an eine eigene Sense." erklärte Sibylle und Alma nickte verständlich, bevor sie sich für all die Zeit bedankte. "Ich bin sehr dankbar, dass Sie mich angelernt haben." sagte Alma ruhig und beide blickten sich ruhig an. Sibylle seufzte. "Ich erwähnte ja bereits, dass ich nur meine Pflicht erfüllt habe. Was sind nun Ihre Ziele nach der Lehre?" fragte sie bodenständig nach und Alma musste überlegen. "Ich würde gerne meinen Meister machen." antwortete sie ruhig und Sibylle hob eine Augenbraue. "Bevor Sie Ihren Meister machen, empfehle ich Ihnen erstmal, mehrere Jahre Erfahrung zu sammeln und Ihr Handwerk zu verfeinern. Sie haben erst Ihre Gesellenprüfung abgeschlossen und ich sehe, dass Sie viel Talent haben, aber für die Meisterprüfung müssen Sie eine perfekte Sense in eineinhalb Tagen fertigstellen und von einem perfekten Handwerk sind Sie noch entfernt." sagte Sibylle ehrlich und direkt. Mit dieser Aussage hatte Alma bereits gerechnet und sie war sich darüber im Klaren gewesen. "Sie machen privat auch viel handwerkliches, richtig?" hakte Sibylle nach und nahm noch einen Schluck Champagner. Alma lächelte nickend. "Genau, seit ich klein bin baue ich vieles zusammen." Ihrer Lehrmeisterin schien dies zu gefallen. "Das finde ich gut. Auch ich erschaffe gerne etwas aus eigener Hand, aber zu meinen Lebzeiten wurde dies nicht gerne gesehen. Man sagte mir oft, ich soll den Hammer aus der Hand legen und mir die Schürze umbinden. Ich habe es gehasst, besonders wenn ich noch mit ansehen musste, wie mein Mann versuchte, etwas zu reparieren, es aber nicht hinbekam und meinte, ich soll mir doch nicht die Hände schmutzig machen, obwohl ich es in wenigen Minuten heil gemacht hätte. Ich habe ihn dann oft einfach weggezerrt und das getan, was dieser Idiot nicht konnte." erzählte Sibylle leicht erzürnt und Alma dachte daran zurück, dass sie mal mitgehört hatte, dass Sibylle die frühere Rollenverteilung gehasst hat. Sie sprach auch nicht sehr löblich über ihren Ehemann. Alma hörte ihr ruhig zu und trank nebenbei. "Ich bin übrigens froh, dass wir den Stress mit den Akten nicht mehr haben. Warum genau ging es denn bei diesen Morden? Sie haben doch direkten Kontakt." erkundigte Sibylle sich, auch wenn sie dies nicht großartig interessierte. Über die Frage war Alma ein wenig verwundert, aber erklärte ihr die Umstände. "Eine Gruppe von Mördern wollte die Opfer von Suicide Hangman erlösen." Sibylle lauschte und nickte dann. Alma senkte leicht den Kopf und blickte auf ihr Glas. "Ich verstehe Menschen nicht, die Selbstmord begehen und so aufgeben oder vor ihren Problemen davon laufen, aber jeder ist sein eigener Herr." meinte sie etwas kalt und unverständlich. Alma horchte auf. Sie war im Gedanken bei Yannis. "Es ist ein komplexes Thema und nicht jeder läuft vor den Problemen weg oder ist ein Aufgeber. Für diese Personen war es der letzte, für sie, richtige Weg. Meine Freundin wurde damals gebrochen und konnte die Last nicht mehr tragen..." Ihre stimme wurde leiser und sie teilte Sibylles Ansicht nicht, allerdings war Sibylle eine hartgesottene Person, welcher es an Empathie mangelte. Sie konnte es nicht nachempfinden und verstehen, im Gegensatz zu jemanden, der bereits auch den Abgrund gesehen hatte. "Ihre Freundin, es interessiert mich übrigens nicht, auf was oder wem sie stehen, war doch auch ein Sensenlehrling." meinte Sibylle und Alma nickte gedankenverloren. Sie wollte sich von der Trauer nicht den Abend verderben lassen, lächelte und wechselte das Thema.
Sie tranken zwei Gläser zusammen und waren leicht angetrunken, ließen es sich aber nicht anmerken. Beide standen an der Tür und Sibylle umfasste Almas Schulter. "Ich bin wirklich froh, Sie als Lehrling gehabt zu haben. Wir sehen uns dann auf der Arbeit." lobte Sibylle und für Alma kamen diese ehrlichen Worte etwas unerwartet, aber sie freute sich darüber und lächelte. "Sie waren eine gute Lehrmeisterin." gab Alma das Lob zurück und hatte das Gefühl, ein leichtes Lächeln auf Sibylles Lippen zu erkennen.
Alma lief am nächsten Tag zu den Scythe Makern und nahm sich einen Sensenauftrag. Es war ungewohnt und sie musste sich erst daran gewöhnen, dass sie nun kein Lehrling mehr war. Auf ihren Heimweg lief sie an Felicia vorbei, die anhielt und Alma grinsend fragte, wie ihr erster Tag als Gesellin war. "Ungewohnt." murmelte Alma schmunzelnd und Felicia strich über ihr Haar, während sie noch einmal ihre Glückwünsche aussprach.
Felicia war auf dem Weg zu den Heilern, um sich nach Jayna zu erkundigen. Sie klopfte an Ludheims Bürotür, welcher Felicia mit offenen Armen empfing. "Wie geht es Jayna Makricia?" fragte sie nach und setzte sich auf einen Stuhl. Ludheim blickte von seinem Dokument auf. "Sie ist sehr angeschlagen und kann nur bedingt alleine gelassen werden. Der Tod ihres Vaters und dass er ein Mörder war, hat sie sehr getroffen. Anscheinend wusste sie davon nichts und gibt sich die Schuld dafür, weil sie der Meinung ist, dass sie es durch ihren Suizid ausgelöst hat. Ich möchte sie in der Wohnung nicht alleine lassen und habe ihr Einverständnis bekommen, dass sie bei mir einziehen darf. Ich hoffe, es hilft ihr, mit ihren psychischen Laster umzugehen, wenn sie sofort jemanden an ihrer Seite hat, der ihr helfen kann." berichtete Ludheim und auch Felicia empfand dies als eine gute Idee. Beide verabschiedeten sich und Ludheim trat seinen Heimweg an. Jayna war schon zur Hälfte bei Ludheim eingezogen und Ludheim half ihr viel dabei. Er wusste, dass der Umzug ihr zu schaffen machte, denn es war eine ungewohnte Umgebung für Jayna und sie kannte Ludheim nur von wenigen Therapiestunden. Um sich in ihrem neuen Zuhause zurecht zu finden, schaute sie sich um und bemerkte ein Bild von Ludheim zu Lebzeiten. Es war sehr alt, da es eine schwarz-weiß Fotografie war, die an den Rändern ein wenig beschädigt war und er Kleidung aus der früheren Zeit trug. An seiner Seite sah sie eine Frau, die in die Kamera zu lächeln versuchte, was ihr nicht ganz gelang. Sie saß auf einen Stuhl, während Ludheim stand. Ludheim fiel auf, dass Jayna die Fotografie musterte. "Das ist meine Ehefrau Marita. Sie hätte dich sicher sehr geliebt und nur das Beste für dich gewollt." erzählte Ludheim ruhig und Jayna senkte den Kopf. "Warum?" fragte sie ungläubig nach, als in Ludheim etwas Trauriges aufblitzte.
"Wir haben uns immer Kinder gewünscht, aber es sollte wohl nicht sein. Entweder wurde sie nicht schwanger oder als sie dann ein Kind unter ihrem Herzen trug, verlor sie es bald darauf wieder. Wir haben es aufgegeben, als sie unsere Tochter tot zur Welt bringen musste." erzählte er leise, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und dachte an seine Ehefrau. Jayna sah zur Seite und wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, aber Ludheim verlangte auch kein Mitgefühl und lächelte nach kurzer Zeit auch wieder. "Ich bin sehr froh, dass du hier bist."
Daheim war Felicia sofort ins Bett gegangen und am nächsten Tag, den 15.9, weckte Cedric sie zärtlich. Felicia grinste verliebt und beide küssten sich. "Alles Gute zum Hochzeitstag." beglückwünschten sie sich gegenseitig. Felicia hatte keine Zeit zum umziehen, denn Cedric hob sie samt schwarzem Nachtkleid lächelnd hoch und setzte sie aufs Sofa ab. Beide schenkten sich nichts, aber trotzdem bereitete Cedric immer eine Kleinigkeit vor. Felicia blickte auf einen Bilderrahmen und einem Bild, welches sie in die Hand nahm. Es zeigte Felicia, wie sie auf dem Sofa saß und ein Buch in der Hand hielt. Unter ihren Armen hatten sich Fritz, damals acht und Frederic, damals sechs, an sie gekuschelt und hörten ihr aufmerksam zu. "Du hast ihnen immer viel beigebracht." lobte Cedric und bei diesem Bild kamen ihr fast die Tränen. "Ich habe nur das vermittelt, was ich damals gelernt habe." meinte sie bescheiden, ohne dabei an ihren Vater zu denken. Sie war sehr gerührt und umarmte Cedric ganz fest. "Ich danke dir so sehr und werde dich niemals gehen lassen." flüsterte sie und beide funkelten sich verliebt an. "Du bist die Frau meines unsterblichen Lebens." erwiderte Cedric überglücklich und sie vereinten ihre Lippen zu einem Kuss.
Akt 7 Redemptor Noster II Ende