Gründlich musterte Felicia die Wohnung und bemerkte die umgedrehten Bilder auf dem Flur. Sie erinnerte sich an früher und drehte eines der Bilder um. Es zeigte Felicia mit 14 Jahren. Ihre Haare waren glatt und ordentlich gekämmt. Sie machte einen schüchternen Eindruck und faltete die Hände vornehm vor dem Kleid, welches einen leicht viktorianischen Stil besaß, versehen mit weißen Rüschen. Über dem Kleid trug sie einen schwarzen Bolero. Paul bemerkte, dass sie sich die Bilder ansah und trat zu ihr. Genau erinnerte Felicia sich noch daran, wie ihr Vater ihr oft die Haare gemacht hatte oder ihr ansehnliche Kleidung heraussuchte. Niemals hätte er sie so unordentlich vor die Tür gelassen. "Du hast sie nicht abgehängt." merkte Felicia kühl an und Paul nickte, bevor Felicia das Bild wieder umdrehte. Weiterhin inspizierte sie die Wohnung und bemerkte, dass sich das Wohnzimmer verändert hatte. Es sah aus, wie ein edler Bibliothekssaal mit Bücherregalen, dunkler Tapete und zwei schwarzen Sesseln, dazu zwei kleine Tische. "Dein Zimmer habe ich nach deinem Auszug als weiteren Privatraum eingerichtet." merkte Paul an und beide setzten sich gegenüber voneinander hin. "Ich war überrascht, dich zu sehen. Lass mich raten, Cedric hat es irgendwie rausgefunden und du solltest eingreifen, oder?" Überlegen hob er das Kinn an, während Felicia stumm nickte. "So ungefähr. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich dich einfach deinem Schicksal überlassen, Paul." Sie sprach seinen Namen scharf aus und funkelte ihn finster an, als sie das sagte. Paul hob eine Augenbraue hoch. "Jetzt nennst du mich schon nur noch beim Vornamen?" merkte er an und grinste leicht, während Felicia sich mit den Händen an ihren Rock krallte.
"Ja, du bist nämlich nicht mehr, als mein Erzeuger." stellte sie finster klar und überschlug die Beine, während sie sich mit ihrem Vater gegenseitig kalte Blicke zuwarf. "In dir fließt immer noch mein Blut und ich finde es nach wie vor sehr bedauerlich, dass du dein Talent für die Heiler vergeudet hast! Du hättest jetzt schon eine Ärztin mit viel Erfahrung sein können! Wir hätten den Heilertrak zusammen leiten können." Er senkte seufzend den Kopf und faltete die Hände zusammen. Felicia konnte seine Worte nicht glauben und wurde innerlich wütend. "Daran bist ganz alleine du selber Schuld! Immerhin warst du es, der mir meine Träume genommen hat, wobei es im Nachhinein eine falsche Entscheidung war, dich als ein Vorbild zu haben. Wäre ich nicht deine Tochter, hättest du mich vermutlich schon längst gefickt." erklärte sie boshaft und erzürnte ihren Vater ein wenig mit dem letzten Satz. Er wollte es sich nicht ansehen lassen, aber Felicia sah es an seinen Händen, die sich kurzzeitig verkrampften. "Ich habe viel getan, aber dies würde ich nie tun! Trotz unserer Differenzen würde ich dich oder die Zwillinge unter meiner Obhut niemals sterben lassen, das habe ich mir geschworen." gestand er und blieb ruhig. Seine Tochter hegte immer noch einen Groll gegen ihn. "Diese Beziehung ist dann einseitig. Wäre dies eben nicht vom Nutzen gewesen, würde ich dich sterben lassen und lachend dabei zusehen, wie deine Seele in der Hölle gefoltert wird. Außerdem interessieren dich die Zwillinge doch nur, weil sie die ersten Todesengel sind. Hättest du die Möglichkeit gehabt, hättest du an ihnen genauso rumexperimentiert." stellte Felicia gefühlskalt fest und war gehässig ihrem Vater gegenüber. "Das stimmt nicht ganz, ihr Vater war ein guter Freund von mir, der mir vertraulich erzählte, warum Todesengel existieren. Ein Geheimnis, welches ich sicher verwahren werde. Es erfüllt mich übrigens, dass du einen der Zwillinge geheiratet hast. Selbst später warst du für mir für meine Notizen noch nützlich. Dank euch erfuhr ich, dass sich auch Todesengel untereinander fortpflanzen können. Deine Mutter stand mir genauso zu Diensten. Vor kurzem erfuhr ich, dass die Gebärmutter von weiblichen Todesgeistern verkümmern. Ich denke, wenn sie hier wieder das gut gemacht haben, was sie zu Lebzeiten nicht getan haben, gilt dieser als ausgeglichen. Vermutlich verhält es sich bei Männern genauso.", Für einen Moment sah Felicia interessiert zu ihm, vertuschte dies aber, jedoch war es Paul aufgefallen, welcher lächelte. "Ach Felicia, ich sehe dir an, dass du ein gewisses Interesse daran hegst, obwohl du es nicht offenbaren willst. Ich weiß noch, wie du die Medizinbücher immer verschlungen hast und immer mit zu den Heilern wolltest. Du warst auch sehr lernfähig und ich habe damals schon dein Talent erkannt, immerhin bist du genauso intelligent wie ich." Ein kleines bisschen stolz musterte er sie an, während Felicia bei dem Gedanken übel wurde und nicht mit ihrem Vater verglichen werden wollte, noch der Tatsache ins Auge zu sehen, dass sie ihm ähnlich sah. "Damals hast du mich einfach gegen meinen Willen missbraucht und mich nicht einmal gefragt. Hättest du mich damals gefragt, wäre ich mit einigen Dingen einverstanden gewesen. Nicht mit allem, aber die Fragen, das Röntgen und die weniger qualvollen Dinge, hätte ich dann nicht so empfunden, aber du hast mich gezwungen und dich wie ein Monster aufgeführt, beziehungsweise erkannte ich da, dass du nichts anderes als ein Monster bist." Am Anfang klang es wie eine ehrliche Annäherung, doch dann wurde ihr Tonfall wieder eiskalt, genauso wie ihr Blick. Paul ließ diese direkten verhassten Sätze unberührt über sich ergehen. "Ich nehme an, dass du die Karten aber behalten hast, oder?" fragte er listig und Felicia senkte mit zusammen gebissenen Zähnen den Kopf. Bei dieser Tatsache musste sie ihm Recht geben. "Hat einer deiner Söhne dieses Talent geerbt?" hinterfragte er weiter und als Antwort nickte Felicia einfach nur.
"Ich erinnere mich, wie Fila zu mir kam und erzählte, dass du ein Kind auf die Welt gebracht hast. Als ich dann erfuhr, dass es von Cedric ist, erfreute es mich umso mehr." berichtete Paul leicht lächelnd, während Felicias Gesicht sich leicht verzog. "Bitte lass mich nicht daran denken, dass meine Söhne solch furchtbaren Großeltern wie euch haben." murmelte sie und kam dann auf das Thema zurück, weshalb sie dort war. "Woher wusste Dr. Plutna, dass du ein Opfer von Suicide Hangman bist?"
Für einen Moment blickten sie sich schweigend an, bis Paul aufstand und einen dünnen Ordner aus dem Bücherregal hervorholte, welchen er auf den Tisch packte. "Ich war auf der Erde und habe mir ein paar Bücher über die moderne Medizin mitgenommen und nach einiger Recherche fand ich alte Zeitungsartikel über meinen Tod. Anscheinend fand er sie auf meinen Schreibtisch, als ich unachtsam war." berichtete Paul und Felicia beugte sich über die alten Zeitungsartikel, aus dem Zeitalter der Hexen. Sorgfältig las sie die Überschriften, in denen stand:
Arzt ohne Zulassung praktiziert weiter!
Arzt ohne Zulassung tot im eigenen Haus gefunden!
Fassungslos blickte Felicia zu ihrem Vater, welche die Zeitungsberichte wieder an sich nahm und erzählte. "Ich war damals bereits ein gelernter Arzt und auch zu Lebzeiten machte ich mir dies beim weiblichen Geschlecht zugunsten." Es überraschte Felicia wenig, dass er zu Lebzeiten genauso war, wie sie ihn kannte. Trotzdem widerte es sie an. "Mein Vater erkrankte und ich konnte ihn nicht retten. Meine Mutter war über diesen Tod sehr bestürzt und gab mir die Schuld, da ich unteranderem ein nicht zugelassenes Medikament verwendete. Sie klagte sogar gegen mich und ich verlor meine Approbation. Daraufhin verließ ich die Stadt, ließ mich aber nicht aufhalten und praktizierte weiter. Jedoch kam auch dies ans Licht und wie es damals üblich war, wollten sie mich richten, bevor sie mich verurteilten konnten, nahm ich mir mit einer Medikamentenüberdosis das Leben. Allerdings nicht, weil ich verzweifelt war, sondern um meinen Taten zu entkommen. Ich war 48 zu dem Zeitpunkt und wer hätte auch damit gerechnet, dass es eine Welt gibt, die dich über deine Sünden nachdenken lässt. Als Mann der Wissenschaft hatte ich an all dieses Himmelsfürst-Getue nicht geglaubt. Allerdings frage ich mich, wie schwer die Sünde wiegt, wenn du einen Menschen nicht retten kannst oder bei dem Versuch versehentlich tötest, aber viele weitere Menschen rettest? Ich habe zwar ohne Zulassung praktiziert, aber dafür viele Menschen gerettet." Ruhig schloss er seine Erzählung ab und schaute zu Felicia, die ihm zugehört hatte und nachdenklich wirkte. "Manchmal ist es Schicksal, das Todesdatum stand fest. In anderen Fällen wäre es wohl Totschlag oder Mord. Ich denke, das entscheidet der Himmelsfürst ganz individuell. Immerhin weiß der Himmelsfürst und seine Engel alles über die Person, welche Ziele und Gedanken du hattest, ihn wirklich retten wolltest oder nur so getan hast." antwortete Felicia gelassen mit einem strengen Blick in ihren Augen. Ihr Vater nickte. "Verstehe. Diese Welt ist sehr komplex und egal, wie sehr wir es wohl versuchen mögen, nur der Himmelsfürst versteht komplett, was es mit allem auf sich hat." musste Paul sich als wissbegieriger Mensch eingestehen und verstaute die Zeitungsartikel wieder ins Bücherregal. Er drehte sich zu seiner Tochter um, welche ihn musterte. "Und ist Fila auch ein Opfer von Suicide Hangman?" fragte sie interessiert nach, doch Paul schüttelte mit dem Kopf.
"Sie hat mir einst erzählt, dass sie von ihrem Vater umgebracht wurde, weil sie lange krank war und keine Besserung eintrat. Allerdings war deine Mutter eine kleine Lügnerin und tat auf kränklich, da sie die Vorteile erkannte. Ihr Vater hatte nämlich ein kleines Anwesen. Sie erzählte auch, dass sie mit einen der Angestellten schlief und meinte, er hätte sie vergewaltigt. Ihr Vater erstickte sie, da er ihre `Krankheit´ nicht mehr mit ansehen konnte und Fila hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, die Wahrheit zu sagen." berichtete Paul und Felicia blickte zur Seite. "Aha." meinte sie gefühlslos und konnte es sehr gut glauben, dass ihre Mutter eine Lügnerin gewesen ist.
Ihr Vater stand noch und Felicia erhob sich aus ihrem Sessel. "Ich werde Cedric Bericht erstatten." wollte sie sich verabschieden, als Paul zu ihr trat. "Wäre es nicht vom Vorteil, wenn ich mitkäme, um genauer davon zu erzählen?" Er lächelte überlegen und Felicia musste ihm leider zustimmen. Zusammen teleportierten sie sich zu der gemeinsamen Wohnung und Felicia öffnete die Tür.
Cedric begrüßte beide und merkte seiner Frau den Hass richtig an. Paul erinnerte sich bei Cedrics Erscheinung an Richard zurück und verschränkte die Arme hinter dem rücken, während er die Wohnung musterte. Er folgte Felicia in Cedrics Privatraum und unterhielt sich ganz normal mit Cedric. Allerdings war Cedric die Situation etwas unangenehm, da er die Spannungen zwischen Felicia und Paul merkte. Ausführlich erzählte Paul, dass Dr. Ahrend Plutna ihn angegriffen hatte und wohl auch für Ellies Tod verantwortlich gewesen ist. Sorgfältig notierte er sich alles und dankte dem Heiler. "Wir werden ihn ausfindig machen." versprach Cedric und Paul nickte, bevor er Cedric fragte, ob er noch was wissen wollte. Als Cedric diese Frage beneinte, verabschiedete der Heiler sich, was Felicia sehr erleichterte. Kurzerhand umarmte sie Cedric und gab ihm einen Kuss. Ihr Mann umfasste ihre Taille und blickte in ihre Augen. "Ich danke dir sehr, Felicia und weiß das sehr zu schätzen."
Cedric schaute noch einmal über seine Notizen rüber, bevor er sich die Akte nahm, die er sich auf dem Wohnzimmertisch zur Seite gelegt hatte. Er schaute lächelnd zu Felicia, die im Schlafzimmer stand und ihren Kleiderschrank sortierte. Kurzerhand trat er zu ihr und umarmte sie von hinten. "Ich gehe noch eine Seele geleiten und unseren Sohn besuchen. Bis nachher. Ich liebe dich." verabschiedete er sich und beide küssten sich. "Sei vorsichtig." bat sie, er nickte und Felicia sah ihm noch einen Moment hinterher, bevor er zur Erde ging.
Der Seelengeleiter befand sich in einer privaten Werkstatt und beobachtete einen Mann mittleren Alters dabei, wie er an einer Waffe baute, die kaputt zu sein schien, bis ihm ein Missgeschick passierte und er sich versehentlich mit der Pistole in den Kopf schoss. Er war auf der Stelle tot und Cedric machte sich daran, seine Seele zu geleiten. Der Tod war hervorbestimmt, ein Unfall und wurde nicht als Suizid gewertet. Allerdings war der Mann nicht sauber gewesen und hatte unteranderem mit Drogen und das Schmuggeln von Waffen zu tun gehabt. Für Cedric war der Tod des Mannes Ironie und gerecht.
Er führte die Sense zum Körper, welcher auf dem Boden lag, eine offene, blutende Kopfwunde hatte, die Augen noch geöffnet. Cedric sprach den Namen und die Formalitäten aus, bevor er eine Brücke in die Hölle errichtete. Die Seele hatte den Tod noch nicht komplett realisiert. "Das ist so dumm." ärgerte sich die Seele und wurde wütend. "Warum lässt man mich auf diese Art sterben?! Wie dämlich ist das?! Vermutlich wollte, wer auch immer dafür verantwortlich ist, einfach nur seinen Spaß daran haben, mich auf diese Weise sterben und dann, ungerecht, in die Hölle zu schicken." Cedrics Gesichtsausdruck blieb kalt, bis er einen Ruck an der Sense spürte. Damit hatte Cedric bereits gerechnet, denn viele Seelen, die in die Hölle kommen sollten, wehrten sich zu Anfang. Jedoch war Cedric stärker, packte die Sense und drückte die Sense in die Hölle, als ein makabrer Schlangenschwanz nach der Seele griff und am Hals packte. Der Mann konnte kaum sprechen, da ihm der Hals zugedrückt wurde. Der Teufel zog den Mann in die Hölle und das Portal verschloss sich. Cedric verstaute die Akte gut und teleportierte sich zu seinem Sohn.