"Ich habe mich lange nicht mehr mit jemanden auf diese Art und Weise getroffen. Das letzte Mal war ich noch in meiner Lehre.", erzählte Alma schmunzelnd und fuhr über den Rand ihres Weinglases. "Da war ich 18,19..." Alma wollte nicht näher darauf eingehen, als ihr Yannis Tod wieder in den Kopf kam und Jaynas Vergangenheit mit Redemptor Noster. Jayna verstand Almas Andeutung und nahm noch mehr von ihrem Wein, um locker zu werden.
"W-wann hast du gemerkt, dass du Frauen attraktiv findest?" fragte sie beschämt nach und Alma antwortete lächelnd: "Ich habe schon früh gemerkt, dass ich das weibliche Geschlecht attraktiv finde. Es ist mir in der Schule bewusst geworden. Alle hatten ihren Klassenschwarm aber ich fand die Mädchen, die ihren Schwarm anhimmelten, viel interessanter, haha. Ich glaube ich war 14, als ich es Mutter erzählt habe. Sie ist offen damit umgegangen." Beide Frauen lachten und Jayna gab etwas von sich kund. "Ich habe es damals mit 15 nur meinen Eltern gesagt, sonst wusste keiner davon. Hätte meine Klasse davon gewusst, hätte es vieles verschlimmert... Ich wurde schon gemobbt und ich glaube dann hätten die Mädchen meiner Klasse noch mehr getan, als mich nur in der Sportumkleide einzusperren." Unliebsame Erinnerungen kamen in Jayna hoch, die sie schnell wieder vergessen wollte.
"Aber deine Eltern standen hinter dir?" fragte Alma, ohne weiter auf Jaynas Mobbingvergangenheit einzugehen. Jayna nickte. "Meine Eltern haben mich über alles geliebt und standen immer hinter mir. Sie wären sicher stolz, wenn sie wüssten, dass eine Ärztin aus mir geworden ist. Ich hätte das selber nicht für möglich gehalten." Ein glückliches Lächeln schlich sich auf Jaynas Lippen. Jayna glücklich zu sehen ließ Almas Wangen leicht erröten. "Das kannst du auch. Ich bin auch stolz auf dich. Mir geht es auch ähnlich. Mein Vater hat mich ermutigt, die Schmiedelehre anzugehen und ich hätte selber nie gedacht, einmal Abteilungsleiterin zu werden." Jayna freute sich innerlich über das Lob und gab eines an Alma zurück. Beide waren gut drauf und froh, diese Zeit zusammen zu verbringen.
"Wie ist das eigentlich für dich, wenn der Vater der Gildenführer ist? Ist doch schon etwas hohes." murmelte Jayna und Alma schmunzelte. Sie war es gewohnt, dass ihr Vater irgendwann Gesprächsthema wurde.
"Für mich ist es nichts Besonderes. Er verrichtet auch nur seine Arbeit im Totenreich. Die Todeswesen stellen sich das immer wie einen Politiker oder eine Berühmtheit vor, aber eigentlich ist er auch nur ein Todesengel, oh und eine Schnapsdrossel." Alma scherzte und Jayna verstand, was sie meinte. Dabei gab sie ihr Recht.
"Ich reduziere dich nicht darauf, ich fand es nur interessant zu wissen. Du wirst sicher schon einiges diesbezüglich gehört haben." Jayna hatte innerlich die Sorge, was Falsches gesagt zu haben. Allerdings sah Alma dies nicht so eng. "Ach, solange du mich nicht eifersüchtig deswegen mit einer Sense attackierst, ist alles gut." lachte Alma und Jayna war sprachlos über das, was Alma ihr daraufhin erzählte. "Da bin ich froh, dass ihr sie aufhalten konntet." meinte Jayna erleichtert und bemerkte nebenbei, dass der Wein leer war. Darüber fluchte sie, aber Alma empfand es nicht als schlimm. Sie meinte, dass es eine gute Gelegenheit sei, sich zu verabschieden. Jayna war anfangs etwas traurig darüber, aber auch sie musste morgen wieder los. Sie stellte die Gläser auf den Tisch und brachte Alma zur Tür. "Es hat mich sehr gefreut, dass du da warst. W-wenn du magst können wir das wiederholen." verabschiedete Jayna sich und blieb am Türrahmen stehen. "Gerne." schmunzelte Alma und hatte das Gefühl, Jayna näher kennengelernt zu haben, als zuvor. "N-na dann, schlaf gut." murmelte Jayna nervös und kam Alma ein bisschen näher, um ihr einen seichten Stirnkuss zu geben. Diese Geste überraschte Alma, machte sie aber auch sehr glücklich. Am liebsten hätte sie diesen erwidert, aber sie wollte nichts überstürzen und wusste, dass dieser Stirnkuss schon viel wert war. Zufrieden verabschiedete sie sich und kehrte heim.
Am Folgetag war sie gedanklich noch bei Jayna und ruhig auf der Arbeit. Nach außen gab sie weiterhin die emanzipierte Schmiedemeisterin. Sie vertiefte sich in die Arbeit von Deko für die Sensen und wandte sich einer besonders detailreichen Sense zu. Diese Sense kostete sie viel Zeit, aber für das Endergebnis war sie wert. Beim segnen der Sense erfuhr sie von Henrik direkt, wenn sie planten den Himmel zu betreten und Alma versicherte dabei zu sein.
Die Zwillinge und Alma fanden sich bei Henrik zusammen und betraten gemeinsam den Himmel, den Ort ihrer Eltern. Für Cedric war dies immer ein emotionaler Moment und auch sein Bruder konnte nicht abstreiten, dass es ihn berührte. Ihre Eltern saßen in dem Wohnzimmer, das sie zu Lebtagen in der Todeswelt bewohnt haben. Das weckte Erinnerungen in Cedric und Henrik, hatten sie bis zu ihren 14.ten Lebensjahr dort ebenfalls gewohnt.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf den Gesichtern aller Beteiligten aus und die Familie fiel sich in die Arme. "Wie ist es euch ergangen?" fragte Flavia lächelnd und strich durch ihre offenen Haare. Sie sprachen ihren Stolz aus, als sie von Almas Position in der Schmiede hörten, aber die Zwillinge kamen direkt auf den Punkt. Alle Beteiligten setzten sich auf das Sofa und Richard ahnte schon, dass sie ihn sprechen wollten. "Wir haben von Suicide Hangman beziehungsweise Viktorius von Eden erfahren." erzählte Cedric und Richard seufzte. "Ich hätte euch sicher davon erzählt, wenn ihr in die Lehre gegangen wärt. Für mich war es damals schon normal zu wissen, wer die Person ist, gegen die ich kämpfe, wenn ich auf Suicide Hangman getroffen bin. Ich nehme an der Tod hat euch alles erzählt. Wie kann ich euch helfen?" fragte Richard und hatte immer damit gerechnet, dass dieser Tag kommen würde. Henrik erhob das Wort. "Ja, Gevatter Tod hat uns alles erzählt. Wir würden gerne mit Tiffany sprechen wollen."
Dies überraschte Richard zuerst, aber er vermutete, dass seine Söhne ihre Gründe hatten. "Ja klar, ich frag sie. Kleinen Moment bitte." Er stand auf und bat einen kleinen Engel die Einladung zu verschicken. Nach dem dies getan war setzte er sich wieder und sie warteten Tiffanys Ankunft ab. Es dauerte einen kleinen Moment, bis sich ein gleißendes Licht auftat und Tiffany vor den Beteiligten stand. Vorsichtig musterte Tiffany die Situation und stellte sich ruhig vor. Richard umarmte seine Mutter herzlichst und nachdem auch die Anderen ihre Namen vortrugen war Tiffany immer noch fasziniert von ihren Nachfahren. Es fühlte sich immer noch sonderbar an, wie sich ihr Stammbaum entwickelt hat.
"Was kann ich für euch tun?" fragte sie schließlich und faltete die Hände zusammen. Cedric schilderte ihr die Situation. "Meine Enkelin Gamia wurde von Viktorius entführt.", Tiffany weitete die Augen und wirkte erschrocken. "Ihre Mutter hat mich um Hilfe gebeten und wir hatten die Hoffnung, du könntest uns helfen. Wir haben kaum Anhaltspunkte wo sie sein könnte." erklärte Cedric besorgt. Tiffany senkte den Kopf.
"Es tut mir leid, dabei kann ich euch nicht helfen. Wüsste ich, wo er ist und wie ich zu ihm könnte, wäre ich schon vor langer Zeit zu ihn gegangen." gab sie betrüb zu und Cedric nickte. "Verstehe, trotzdem danke." Er lächelte und Tiffany nickte. "Tut mir leid, ich hätte euch gerne geholfen." Betrüb senkte sie den Kopf, aber Cedric versicherte, dass er sich trotzdem freute, seine Oma mal kennengelernt zu haben. Tiffany lächelte, als sie dieses Kompliment hörte und sah mit Freude zu ihren Enkelsöhnen. "Ich freue mich, dass Richards Wunsch nach einer Familie doch noch in Erfüllung gegangen ist. Er war immer ein hoffnungsloser Romantiker und hat mir von gefühlt jeder Frau erzählt, die er interessant fand." Sie seufzte und Flavia linste verstohlen zu ihren Gatten. Richard grinste beschämt und legte den Arm um sie. "Wenn ihr meine Hilfe nicht mehr braucht würde ich wieder gehen. Ich möchte Berta noch besuchen." verabschiedete Tiffany sich höflich und auf die Frage, wer Berta, erzählte Richard, dass sie Tiffanys beste Freundin ist.
Kaum war Tiffany gegangen, fragte Flavia Richard neckisch: "Und wann soll ich meine Eltern mal wieder einladen?" Richard wurde augenblicklich nervös. "Äh ja... Deine Eltern... das ist immer etwas... speziell?" stammelte er und Flavia hob eine Augenbraue. "Warum? Sind doch nette Leute." murmelte sie schelmisch und die Drei beobachteten das Szenario. "Ja, aber nur so lange, bis sie mich fragen, ob ich mit ihnen am klavier spielen möchte... Die wissen genau, dass ich von Musik keine Ahnung habe und wenn ihr noch anfangt von Noten und Stücken zu reden, bin ich raus." meinte er seufzend. Flavia verschränkte die Arme und grinste weiterhin. "Ach komm, Vater ist doch immer von dir begeistert und beteuert, was für einen tollen Schwiegersohn er hat. Die Cezener sind halt eine Musikanten-Familie. Wir haben schon vor vielen Leuten gespielt. Cedric würde sich gut mit ihnen verstehen." Stolz lächelte sie und überrascht sah Cedric zu ihr. Schließlich stand sie auf und meinte begeistert zu Cedric: "Lass uns doch Klavier spielen, das haben wir seit hundert Jahren nicht mehr gemacht." Glücklich setzte sie sich ans Klavier und Cedric konnte ihr diese Bitte nicht abschlagen. Beide setzten sich auf die Klavierbank und ließen die Tasten erklingen. Die musikalisch Unbegabten der Familie lauschten dem Klavierspiel des Mutter-Sohn Gespanns. In vollen Zügen genossen sie diesen wundervollen Familienmoment.
Die Zwillinge kehrten mit Alma zurück und Cedric verabschiedete sich. Alma blieb noch kurz bei ihrem Vater. "Wir könnten beim nächsten Mal Mutter besuchen. Sie fehlt und würde sie sicher freuen." erwähnte Alma. Henrik musste ihr Recht geben. "Das machen wir demnächst." meinte er lächelnd und verabschiedete sich von seiner Tochter. Er vermisste Smeralda ebenfalls.
Fritz und Gina waren weiterhin in Sorge um Gamia. "Was ist, wenn er ihr was antut?" entfuhr es Fritz ähnlich und Gamias Fehlen fügte seiner Psyche Schaden zu. Er trug seit Tagen dieselbe Kleidung und war lange wach, bevor er dann einschlief. Er verbrachte viel zeit bei den Tieren, auch wenn er oft geistesabwesend war. Überraschenderweise lenkten Frank und Niklas ihn gelegentlich ab. Entweder sprach er mit Frank oder begleitete Niklas auf dem Hof. Gina war versteift darauf, Suicide Hangman zu finden, um ihn auszulöschen und Gamia wiederzufinden. Dafür vertiefte sie sich in die Arbeit beim Tod und ging nicht richtig auf Fritzs Bedürfnisse ein. Das versetzte Fritz einen weiteren Stich und drängte ihn weiter in ein kleines loch. Aktuell unterstützte sich das Ehepaar nicht gegenseitig, obwohl es jetzt am wichtigsten wäre. Stattdessen lebten sie aneinander vorbei.
In Suicide Hangmans persönlicher Hölle verlor Gamia langsam das Zeitgefühl. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie schon an diesem Ort gefangen war. Ihre Sense war nicht mehr in ihren Besitz, sonst hätte sie den Versuch gewagt, sich aus dieser Gegend zu befreien. Langsam glaubte sie allerdings, dass sie ihre Sense nicht wegteleportiert hätte und nur Viktorius darüber entschied, wer ein und aus ging.
Mit angewinkelten Beinen saß sie auf der Kirchenbank und beobachtete Viktorius dabei, wie er all die Stimmen der Personen vernahm, die leideten und Gedanken wie er hegten.
"Hätte ich mich nicht so sehr auf die Arbeit konzentriert und es eilig gehabt, hätte ich sie gesehen und dann wäre sie noch da..." "Warum habe ich nicht besser auf sie aufgepasst?" Ein Pistolenklicken.
Suicide Hangman drehte sich zu Gamia um und hielt ihr die Hand hin. "Bitte komm mit." bat er höflich und Gamia sah ihre Chance, endlich wegzukönnen. Sie folgte ihm und fand sich mit ihm in einem kleinen Haus wieder.
Vor ihnen stand ein junges Ehepaar. "Sie hatten eine Tochter... zwei Jahre alt. Sie war neugierig... Ihr Vater hat kurz nicht aufgepasst und sie ist zur Garage gelaufen, um ihrer Mama zu folgen. Ihre Mama war in Eile und wollte zur Arbeit. Ihre Tochter stand hinter dem Auto und der Rückwärtsgang war noch eingelegt... Kurz darauf war ihr Familienglück zerstört..." hauchte Viktorius und Gamia schaute zum Pärchen, während sie neben Viktorius stand. "Bitte tue es nicht." wisperte Gamia ihm zu und sie hatte den Drang, ihn aufzuhalten, aber sie konnte es nicht. Suicide Hangman stellte sich zwischen dem Paar und Gamia hörte ihm genau zu, wie er ihre Gedanken bestärkte. Oder war er nur die Personifikation ihrer Gedanken?
"Euer Familienglück wurde durch Unachtsamkeit zerstört und wird nie wieder wie vorher sein. Ihr habt verloren, was ihr geliebt... Diese Bürde werdet ihr immer tragen müssen... Eure Träume worden zerstört." hauchte er und es trieb dem Paar die Tränen in die Augen. "Ich brauche und will dieses bescheuerte Haus nicht mehr... Genauso wenig will ich dieses scheiß Auto nicht mehr! Ich will Betty zurück!" kreischte die Frau, die Pistole auf ihren Mann gerichtet.
"Ich habe nicht auf sie aufgepasst, es war meine Schuld!" beteuerte der Mann schluchzend und hob seine Hände. Er war bereit, zu sterben. Seine Gattin löste die Sicherung und setzte den ersten Schuss in seine Brustgegend. Er fiel ein Stück zurück und sie setzte zwei weitere Schüsse in seine Kopfgegend, um seinen sicheren Tod zu garantieren. Als er auf dem Boden lag drückte sie die Pistole gegen ihren Unterkiefer und drückte ab, um sich einen tödlichen Kopfschuss zu geben.
Blut und Gehirnmasse verteilte sich, ihr Leichnam sackte samt Pistole zu Boden. Gamia konnte nur zusehen und hatte den Drang, die Seelen zu geleiten. Sie dachte daran, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis ein weiterer Seelengeleiter auftauchte, um die Seelen zu geleiten. Innerlich hoffte sie auf ihre Mutter.
Gina hatte ihre Kapuze der Robe aufgesetzt, die Sense in der Hand und folgte dem Sensenmann stumm durch das Portal. Sie biss die Zähne zusammen und war verbissen darauf, Suicide Hangman endlich auszulöschen und ihre Tochter wieder bei sich zu haben.