Mit einem hohen Stapel Akten lief Cedric zur Gilde und packte diese auf Henriks Tisch.
"Ich hätte bei der Menge Felicia erwartet." Die Zwillinge schmunzelten.
"Auf der Erde herrscht eine Pandemie. Es gab schon mehrere Pandemien auf der Welt, ausgelöst durch einen der apokalyptischen Reiter." Cedric legte den Kopf schief, während Henrik jeden Blick mied.
"Ach, das muss nicht unbedingt etwas bedeuten." Er stand auf und wollte die abgeschlossenen Akten zum Tod bringen, aber Cedric hielt ihn auf.
"Da steckt mehr hinter, richtig?" Beide sahen sich in die Augen und Henrik sprach ganz leise.
"Die Apokalypse wurde eingeleitet. Erzähl dies niemanden. Eigentlich dürfen nur die Gildenmitglieder davon wissen." Er sah sich um, um sicher zu stellen, dass niemand sie gehört hat.
"Das Geheimnis ist bei mir sicher. Selbst Felicia wird kein Wort erfahren." Die Brüder nickten sich zu. "In meiner Kindheit mochte ich die Erzählung der apokalyptischen Reiter gerne hören. In Realität ist es jedoch erschreckend." Cedric schwelgte in vergangenen Zeiten während Henrik die Akten hochhob. "Bin gleich wieder da." Henrik kehrte nach zwei Minuten zurück und setzte sich.
"Stimmt, jetzt wo du es sagst. Du wolltest die Erzählung immer zum einschlafen hören. Ich war dem schon überdrüssig." Lächelnd sah er zu Cedric.
"Ich glaube einmal hast du das sogar gesagt." Henrik schmunzelte. "So wie ich mich kenne, wird das so gewesen sein."
"Auf jeden Fall erinnere ich mich noch genau, dass alle vier die Apokalypse, den Weltuntergang, bringen. Phasenweise existierten sie in der Weltgeschichte, bis der Tod sie versiegelte." Henrik stützte das Kinn am Handballen ab.
"Und wie schon damals frage ich mich, wer die Reiter erschaffen hat. Die müssen doch irgendwoher kommen." Cedric seufzte.
"Das wüsste ich auch gerne."
Gevatter Tod verwaltete die Akten und kehrte an seinen Tisch zurück. Er war alleine. Nicht einmal Josef war bei ihm. Der Tod vernahm eine Präsenz an der Seitentür und im nächsten Moment öffnete sich diese. Mutter Natur betrat den Raum in ihren Gewand. Ihr folgte keine Begleitung. Die Tür schloss sich hinter ihr.
"Mutter Natur! Herzlich Willkommen. Was ist dein Begehr?" Er stand auf und lief zu ihr. Damit keiner sie stören konnte verschloss er die Tür. Der Tod ergriff ihre Hände.
"Was führt dich zu mir?" Seine leeren Augenhöhlen blickten in ihr Gesicht. "Ich möchte mich erkundigen, ob ihr Hilfe benötigt. Ich könnte sicher helfen."
"Es gibt mehr zu tun, aber gerade kommen wir aus. Josef, Gina und Justin sind dem Totenreich eine große Hilfe." Mutter Natur nickte. "Verstehe. Der Tod der Tiere kommt ebenfalls zurecht. Ich merke nur, dass die vielen verendeten Tiere das Gemüt belasten." Der Tod fuhr durch Mutter Naturs Haar.
"Ihr wärt sicher eine hübsche Seelengeleiterin." Ihre Augen funkelten. "Danke, das schmeichelt mir." Sie kam ihm näher und sie bewegten sich rhythmisch zur Seite. Mutter Natur drehte sich einmal im Kreis und schmiegte sich wieder an die Robe des Todes.
"Ich habe bereits die weiteren Vorbereitungen abgeschlossen." Ihre Stimme wurde leise. "Die Plagen?" Mutter Natur nickte. "Ich habe mir auch überlegt, dass wir den nächsten Reiter rufen, wenn sich die Situation beruhigt." Der Tod senkte den Schädel bei ihren Worten.
"Kaum ist eines überwunden, kommt die nächste Plage." Sorge lag in seiner Stimme. Mutter Natur neigte den Kopf nach unten.
"Glaube mir, ich leide genauso darunter. Ich bin mit der Erde verbunden. Ich spüre die Auswirkungen der Plagen und des apokalyptischen Reiters." Gevatter Tod legte schützend seine Arme um Mutter Natur. "Wir stehen das gemeinsam bis zum Ende der Weltgeschichte durch."
Mutter Natur kniete auf dem Rasen der Lichtung, an der sie sich mit dem Tod getroffen hatte. Sie schloss die Augen und legte die Stirn auf den Rasen. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. Ihre Zähne waren zusammen gebissen und sie konzentrierte sich auf die Energien der Erde. In ihren Ohren klang das Zirpen der Heuschrecken, das Surren der Mücken und das Quaken der Frösche wieder. Die Geräusche wurden immer lauter und Mutter Natur musste sich die Ohren zuhalten. Ihre Augen waren zugekniffen und Tränen fielen auf den Rasen.
"Es tut mir so leid!" Ihre Stimme war nur noch ein Japsen.
Mit einem schlag verstummten die Geräusche und Mutter Natur kippte zur Seite. Ihr Körper verkrampfte sich leicht und nachdem sich ihr Körper wieder beruhigte, blieb sie regungslos im Gras liegen.
Im Sommer, wo alles erblühte, wurden die Menschen in Teilen der Welt durch Plagen heimgesucht. Heuschrecken grassierten durch die Ländereien, Frösche versperrten ganze Straßen und die Mücken häuften sich. Die Menschen deckten sich mit Anti-Mücken-Spray und Netzen ein, um sich zu schützen. Zusätzlich zu den Plagen, fegte eine Hitzewelle über das Land. Niklas blickte mit Gamia zu den Feldern.
"Langsam bin ich es gewohnt, dass der Sommer unerträglich heiß wird, aber Regen würde echt nicht schaden. Jedes Mal muss ich bangen, dass die Ernte nichts wird." Er zog Gamia an sich und legte den Arm um sie. "Hoffen wir mal das Beste."
Mitten in der Nacht wurde das Paar geweckt. Etwas prasselte gegen die Fensterscheiben und Gamia wurde als erste wach. Sie stand auf und blickte aus dem Fenster hinaus. "Äh, Niklas?" Er wurde wach und stand auf. Beim Anblick auf dessen, was sich draußen abspielte, wurde er hellwach. "Nein, das gibt es nicht! Es waren abends noch 28 Grad und jetzt hagelt es?" Fassungslos starrte er auf den erbsengroßen Hagel, der ihm und vielen anderen Bauern die Ernte ruinierte. Dies erzürnte nicht nur die Landwirte, auch das Bäckereihandwerk war betroffen. Die Nachfrage nach Mehl war hoch und dementsprechend stieg der Preis. Im Büro konnte Heather Sarah fluchen hören und klopfte sachte an ihrer Tür.
"Sarah?" Sie öffnete die Tür und betrat vorsichtig das Büro. Sarah saß am Rechner.
"Ich habe dich fluchen gehört."
"Ja! Ich bin so sauer! Wir sollen fünfzig Prozent mehr für das Mehl zahlen, als im Vorjahr! Was für eine scheiße!" Im Gegensatz zu ihrer Chefin blieb Heather ruhig.
"Ich nehme an, demnächst müssen wir die Preise erhöhen?" Sarah zeigte mit den Finger auf Heather. "Korrekt!" Sie lehnte sich in dem Bürostuhl zurück. "Diese ganze Pandemie-Scheiße geht mir so dermaßen auf den Sack. Wo soll das noch alles hinführen?" Sie stützte sich den Kopf an ihren Handballen ab.
"Vater hätte uns besser durch die Pandemie geführt und sich nicht so aufgeregt.", Sarah seufzte. "Ich glaube er wäre enttäuscht von mir. Ich bin einfach keine Chefin." Heather setzte sich ihr gegenüber und rollte mit den Augen. "Fang nicht damit an. Du leitest den Betrieb auf deine Weise. Ich sprach letztens mit einer Azubine, die es toll fand, wie nahbar du bist." Sarah nahm das Kompliment an.
"Danke. Ja, mir ist das wichtig auf einer Ebene mit den Kollegen zu sein. Außerdem liebe ich diese aufregenden Kundenstorys. Immerhin habe ich auch mal im Verkauf gearbeitet und weiß wie das ist." Sie schmunzelte und wollte nach ihrer Tasse greifen, die auf dem Beistelltisch stand, aber aus Ungeschicktheit warf sie diese runter. Die Tasse zerbrach.
"Zum Glück war nichts mehr drin. War eh nur die Sunday Tasse. Die nehme ich ja eh nur, wenn ich verpeile die Geschirrspülmaschine anzustellen." Sie holte Handfeger und Schaufel, um den Scherbenhaufen zu beseitigen. Heather brachte einen Lappen, um die letzten Kaffeeflecken wegzuwischen.
"Danke, Heath." Die Scherben landeten im Müll und Sarah machte sich frischen Kaffee in einer neuen Tasse, während Heather zurück in ihr Büro lief.
Sarah starrte auf den PC.
"Vielleicht sollte ich den Betrieb auch mit allen möglichen Utensilien zudecken. Genau wie die ganzen Menschen, die die Supermärkte leer kaufen." Sarah scherzte und nippte an ihren Kaffee. "Hoffentlich hat der Mist bald ein Ende." Ihre Gedanken wurden durch einen Anruf unterbrochen. Sie griff nach dem Telefon und meldete sich mit: "Grünlandbäckerei Krachten, guten Tag?" Es dauerte kurz, bis sich der Anrufer meldete.
"Sarah?"
"Onkel Tomas? Was ist los? Brauchst du Kuchen für Trauerfeiern die nicht stattfinden dürfen?" Sie scherzte über die aktuelle Lage, bis ihr Onkel einen ernsteren Ton anschlug.
"Nein. Ich wollte dir nur mitteilen, dass deine Tante an Nigreos pelli erkrankt ist." Sarahs Augen weiteten sich.
"Wie hat sich Tante Claudia denn angesteckt?"
"Du weiß doch wie sie ist. Sie hat es nicht eingesehen, ihren wöchentlichen Damentisch ausfallen zu lassen. Stur und dickköpfig haben sie sich zu viert getroffen. Eine der Vier hatte es wohl und jetzt fing das gestern bei Claudia mit massiven Juckreiz an. Sie hört auch nicht auf sich zu kratzen. Mich hat sie dann nur angepflaumt, als ich sagte sie soll aufhören. Heute morgen kam sie dann ins Krankenhaus. Sie hat sich beide Unterarme aufgekratzt." Sarah biss sich während seiner Erzählung unterbewusst in den Finger. "Hoffentlich hast du dich nicht angesteckt und hoffentlich wird Tantchen wieder. Es gibt genug Leute, die es überlebt haben oder wo es bei einem Ausschlag blieb. Warum muss sie nur so starrköpfig sein? Sie kannte die Auflagen doch!" Sie konnte ihren Onkel Luft holen hören.
"Du weiß, da kann sie noch so mit jemanden reden, der Recht hat, sie macht ihr Ding und ich habe sowieso nichts zu sagen."
"Du hattest noch nie das Sagen in eurer ehe. Sorry, Onkelchen, aber du weiß, dass du bei ihr immer schnell klein beigegeben hast." Sarah versuchte witzig zu klingen, aber ohne Erfolg.
"Ja, aber du weiß wie bissig sie werden kann! Naja egal. Ich befinde mich aktuell in Quarantäne und halte dich auf den Laufenden. Mein Sohn stellt mir nachher ein paar Einkäufe vor das Haus. Eigentlich wollte er was mit mir besprechen, aber das hat sich jetzt erledigt. Keine Ahnung, was meinen jüngsten wieder in die Heimat führt. Bis dann."
"Ja, bis dann und schreib mir. Ich mache mir wirklich Sorgen. Es ist beängstigend, wenn sowas in der eigenen Familie geschieht." Sarah biss sich wieder auf den Finger und spürte wie ihr Magen krampfte.
"Mache ich. Aber sollte ich draufgehen, gib meinen leblosen Körper bitte dem Fukkatsu Bestattungsinstitut." Sarah rollte mit den Augen. "Noch so ein Spruch und Tantchen Claudia schickt dich persönlich ins Grab! Echt jetzt, Onkel? Deine Ehefrau, ich betone, Ehefrau liegt mit einer neuartigen Krankheit im Krankenhaus und du denkst an diese Sandrine-"
"Shadia."
"Ist mir egal! Solltest du nicht eigentlich um sie bangen und in Sorge sein? Generell klangst du schon die ganze Zeit, als wäre dir das egal! Keine Ahnung ob ihr euch vorher schon wieder gestritten habt, aber jetzt reiß dich mal zusammen und werde dir bewusst, warum du sie geheiratet hast!" Ihre Stimme wurde laut am Hörer und Tomas ließ ihre Worte über sich ergehen.
"Warum ich sie geheiratet habe? Weil sie es so wollte, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Du hast keine Ahnung, was in unserer Ehe alles abging. Natürlich hoffe ich nicht, dass sie stirbt oder die Krankheit schlimmer wird. So ein Unmensch bin ich bei weitem nicht. Ich, wir sollten das Thema lassen. Ich schreibe dir."
"Ok, tut mir leid. Bye." Ihre Stimme wurde leise und ihr Onkel legte schließlich auf. "Oh man, dass es immer wirkte, als sei es nicht das Wahre und sie hätten sich nur zusammen gerauft, haben wir alle gemutmaßt, aber dass es wirklich so schlimm ist? Vielleicht sollte ich mein Cousinchen mal fragen." Ein weiterer Anruf kam durch und Sarah vergaß aufgrund dessen, dass sie ihrer Cousine über ihre Eltern fragen wollte.