Niklas und Gamia lagen aneinander gekuschelt im Bett. Gamia lag auf Niklas nackter Brust und er hatte den Arm um sie gelegt. Sie lauschte seinem Herzschlag und schlief seelenruhig dabei ein.
Am nächsten Morgen zog sie sich einen schwarzen, mittellangen Rock an, passend zu einem schwarzen Oberteil, welches schulterfrei war. Sie ließ Niklas schlafen, gab ihn einen Stirnkuss und begab sich mit der Todesakte auf die Erde.
Vor ihr lag Patricia in ihrem Bett. Auf dem Schreibtisch stand ein Glas Wasser und diverse Tabletten. Ein Husten weckte Patricia und dem Husten folgte Blut. Gamia holte die Sense hervor und schlug die Akte auf. Patricias übertriebener Lebensstil mit Alkohol hatte seine Spuren hinterlassen. Ihre Organe gaben nach und ihr irdisches Leben endete. Gamia nahm sich der Seele an und geleitete sie in das für sie ausgewählte Nächsteleben.
Gamia warf einen letzten Blick auf die von Blut besudelte Decke und den leeren Augen Patricias. Sie kehrte unberührt zur Totenwelt zurück.
Mikel erfuhr vom Tod seiner Schwester und wie schon bei Caitlyn ließ ihn dieser kalt. Patricia hinterließ keine direkten Nachfahren, was Mikel als besser betrachtete. Er war froh, wenn sich der Stammbaum Steppender bis auf das Nötigste reduzierte.
Am späten Nachmittag kehrte Gamia in die gemeinsame Wohnung heim. Viel Zeit zum Schuhe ausziehen blieb ihr nicht, denn sie vernahm einen Schrei aus dem Badezimmer. Sie stürmte los und fand Niklas mit dem Gesicht vom Spiegel abgewandt.
"Was ist los?" Gamia nahm Niklas an sich.
"Ich, ich habe in den Spiegel gesehen und meine..."
"Du hast deine Todesdaten gesehen?" Von Niklas folgte ein Nicken.
"Klar und deutlich. Ich habe sie noch nie gesehen. Ich trau mich kaum wieder in den Spiegel zu sehen." Er fing zu zittern an und Gamia umfasste sein Gesicht.
"Wir gucken gemeinsam in den Spiegel, okay?" Aufmunternd sah sie ihn an und Niklas nickte. Langsam bewegten sie sich auf den Spiegel zu. Niklas schloss die Augen und öffnete diese vorsichtig vor dem Spiegel. Er fing zu lächeln an.
"Nichts." Gamia lächelte mit ihm.
"Welches Datum hast du denn gesehen?" Niklas stockte bei ihrer Frage. "Es war so plötzlich, ich habe es mir nicht gemerkt." antwortete er kühl und Gamia setzte eine gute Miene auf.
"Falls es dich beruhigt, ich sehe deine Todesdaten nur verschwommen, so wie alle anderen. Liegt wohl daran, dass du ein Halbblut bist." Beide nahmen sich in die Arme. "Danke, dass du das sagst. Ich hatte mir bereits Gedanken gemacht, du und deine Mutter würdet etwas sehen." Gamia schmunzelte nur.
"Nein, nein." Niklas lächelte und durch die Umarmung sah er Gamias besorgtes Gesicht nicht.
"Lass uns noch viele Jahre zusammen verbringen."
Felicia war in ihrem Arztzimmer und wartete auf einen ihrer Patienten. Es klopfte an der Tür und Felicia bat die Person hinein. Johannes stand vor ihr.
"Guten Tag." grüßte er und setzte sich ihr angespannt gegenüber. Er faltete die Hände zusammen.
"Ich habe bisschen Angst, was mich erwartet." Felicia nickte.
"Ich mache mir auch meine Gedanken, aber ich bin froh, dass du dich dazu entschlossen hast, dich untersuchen zu lassen."
"Früher oder später hätte dies gemusst. Dann lieber jetzt. Können wir anfangen? Ich möchte es wirklich schnell hinter mir haben." bat er und rieb beide Hände aneinander.
"Natürlich." Felicia machte ein paar allgemeine Routinechecks, nahm ihn Blut ab und zum Schluss tätigte sie einen Ultraschall seines Inneren.
Ihre Augen weiteten sich beim Anblick der Aufnahmen. Vor Johannes verblieb sie ruhig, obwohl sie innerlich die Nervosität packte. Sie fanden sich in ihrem Praxiszimmer zur Besprechung ein und Johannes schaute sie gebannt an. Felicia legte die Finger ineinander.
"Wie sieht es aus?" fragte Johannes nervös und Felicia holte die Aufnahmen hervor. Vorsichtig reichte sie diese Johannes.
"Es ist, wie ich vermutet habe."
Johannes füllte sich das dritte Glas Wein auf. Den Wein hatte er zuvor von Henrik mit Erlaubnis genommen. Er saß in seiner Wohnung auf dem Sofa. Es klopfte an der Tür.
"Ist offen." rief er und kurz darauf stand Niklas in seinem Wohnzimmer.
"Ich habe deinen Brief erhalten. Was ist bei den Heilern rausgekommen?" hakte er gespannt nach und setzte sich neben Johannes.
"Willst du das wirklich wissen?" Johannes nahm einen schluck.
"Eigentlich nicht." gestand Niklas.
"Dachte ich mir, aber ich würde dir wirklich raten, den Arzt aufzusuchen. Ich muss es zwar selbst erstmal verarbeiten, aber es ist besser, als in Ungewissheit zu sein." Mit ernsten Blick sah er Niklas an. Sein Rat stieß auf Sturheit.
"Wozu sollte ich? Ich habe keine Symptome und behandelbar scheint es nicht zu sein. Da kann ich auch weiter unwissend bleiben. Ich muss das nicht unbedingt wissen. Ich bin auch so zufrieden." Niklas stand wieder auf.
"Wenn du meinst." murmelte Johannes.
"Wir beide sitzen immer noch im gleichen Boot. Irgendwann wird es dich sowieso einholen und dann wirst du keine andere Wahl haben." Niklas fielen keine passenden Gegenworte dazu ein.
"Ich würde dann jetzt gehen." meinte er und Johannes verwies auf die Tür.
"Du weiß, wo es rausgeht. Ich hoffe aber du denkst noch einmal darüber nach." Ohne eine Verabschiedung verließ Niklas die Wohnung.
In Begleitung des weißen Todes betrat Mutter Natur die Hölle. Die Fürsten zuckten zusammen bei ihrer Erscheinung.
"Ihr müsst keine Angst haben." schmunzelte Mutter Natur und kniete sich zu ihnen.
"Wie ergeht es euch?" Lächelnd legte sie den Kopf schief.
"Prächtig.", krächzte die Hölle. "Bis eben. Wenn ihr gehen würdet, würde es uns besser gehen, khehe." Er hoffte au einen wütenden Blick. Diese Erwartung blieb unerfüllt. Stattdessen lächelte sie entspannt. Stille zog ein und dass keine Reaktion kam, erschreckte die beiden Entitäten.
"Ihr kommt miteinander aus. Was anderes wollte ich nicht. Ihr existiert seit Jahren wunderbar miteinander." Sie stand auf und verabschiedete sich von ihnen. Nachdem sie sich umgedreht hatte, warf das Böse ihr einen verachtenden Blick zu, welchen Mutter Natur spürte. Sie drehte sich um und funkelte ihn ebenso böse an. Er zog sich sofort zurück.
Der weiße Tod und Mutter Natur verweilten au einer Lichtung im Garten Eden.
"Die Beiden scheinen sich zu benehmen. Von ihrer Aussage abgesehen." merkte der weiße Tod an.
"Diese Aussagen kümmern mich recht wenig. Sie waren abzusehen. Ihnen ist bewusst, dass sie mir unterliegen." Sie ließ sich auf das Gras nieder. Ihre Finger fuhren durch die Grashalme. Es war von einem satten Grün. Der weiße Tod setzte sich ihr gegenüber hin.
"Das Ende naht, oder?" fragte dieser und Mutter Natur blickte auf die Rasenfläche. "Es ist unausweichlich und wird kommen."
"Irgendwann werden Neubauten Altbauten sein. Was jetzt alt ist, war einmal jung. Ich würde mir nicht viel daraus machen, in einem neuen Haus zu wohnen. Lass die Zeit nur mal machen. Wenn Gebäude reden könnten, würden sie uns eine Menge Geschichten erzählen. Und wenn sie abgerissen werden, endet ihre Story, Heath.", Lächelnd sah Damian zu seiner 13-jährigen Schwester und setzte ihr den Baustellenhelm auf. "Zeit ist ein verdammt mächtiges Werkzeug."
17.03.1751
Cedrics linke Hand hielt Heathers Akte fest. Die Sense hatte eine Brücke aufgebaut. Friedlich lag Heather in ihrem Bett und ließ sich von Cedric in den Garten Eden geleiten. Der Tod war friedlich gekommen.
In der Gestalt ihres 30-jährigen Ichs stand Heather im Garten Eden und suchte ihren Bruder. Dieser stand vor einem Baum und biss genüsslich in einem Apfel. Er blickte immer wieder auf. Beim zweiten Bissen sah er, wie sich ihn etwas näherte, verschluckte sich fast und rannte au Heather zu. Dabei gab er gut acht auf den Apfel. Heather quietschte seinen Namen regelrecht und drückte ihn fest an sich. Damian glaubte fast, er würde durch zerquetschen ein weiteres Mal sterben. Die Geschwister lagen sich noch lange in den Armen.
"Meine Welt ist zusammengebrochen, indem Moment wo du gestorben bist." Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wimpern. "Am Anfang fiel es mir im Garten Eden schwer, zu realisieren, dass ich wirklich tot bin. Und dass nur wegen einem anderen Menschen. Es hat mich wütend gemacht, deswegen nicht mehr bei dir sein zu können. Dass dieser Mensch ebenfalls dabei starb konnte mein Gemüt nicht besänftigen. Ich brauchte meine Zeit, damit umzugehen." Er drückte seine Schwester ein Stück fester und nahm ihren Geruch wahr. Einen Geruch, den er jahrelang nicht riechen aber nie vergessen hat. Seine Hand strich über ihren Arm und er fühlte bewusst. Sie waren endlich wieder vereint.
Musuko und Mikel saßen ganz vorne bei der Beerdigung und scheuten sich nicht, ihre Tränen zu zeigen. Musuko blickte auf die Urne.
"Ihre wundervollen Tattoos, einfach verbrannt." hauchte er und lauschte weiter den Worten des Pastors.
Das Ehepaar löste sich als erstes von den anderen Menschen. Beide beschlossen in Ruhe zu trauern. Mit einem warmen Kakao und Kuchen von der Bäckerei saßen sie in ihrem Wohnzimmer.
"Ich werde nie vergessen, wie sie mich ohne Vorurteile angesprochen hat. Sie war ein Herzensmensch durch und durch." Musuko umfasste die Hand seines Geliebten, der eine Kerze vor einem Bild von Heather aufgestellt hatte.