Der Vorfall mit dem Teufel war einige Monate her. Gina und Fritz hatten zueinander gefunden und waren glücklich zusammen. Ihre Tochter Gamia hatte vor kurzem ihren 21. Geburtstag gefeiert und diesen ruhig im Kreis der Familie verbracht. Nebenbei zog die Familie um, nach dem Gina darauf bestanden hatte, einen Neuanfang zu machen. Gamia ging ihrer Berufung als Theoretikerin in der Totenwelt nach und brachte Wilma Akten vorbei. Mittlerweile war Wilma von ihrer Strafe befreit und es ging ihr psychisch besser. Seitdem Ereignis mit dem sexuellen Missbrauch ist sie allerdings viel ruhiger geworden. Beide sprachen nicht viel miteinander, als Gamia ihr die Akten überreichte. Kurz schaute sie zur Frau im lavendelfarbenen Anzug neben Wilma, die einen Arm um sie gelegt hatte und über Wilmas Arm strich. Anscheinend war dies Wilmas Freundin.
Mit einer einfachen Verabschiedung ging Gamia und dachte nicht weiter darüber nach. Sie freute sich zwar für Wilma, aber ihr war dieses Mädchen egal geworden. Erst hatte Wilma sie als beste Freundin bezeichnet, als Gamia ihre Gefühle nicht erwiderte, brach der Kontakt zusammen. Ihr hatte an der Freundschaft nichts gelegen, da sie verschieden waren und Gamia viel an Wilmas Charakter kritisierte.
Gamia teleportierte sich in die Menschenwelt und begrüßte ihre Eltern, die die letzten Kartons zusammen packten. Das meiste hatte Fritzs Sammlung ausgemacht, im Allgemeinen war es nicht viel. Frederic war ebenfalls dort und sprach mit seinem großen Bruder.
"Vielen Dank, dass ich das Haus haben kann! Ich freue mich jetzt schon total darauf, in der Menschenwelt zu leben!" Voller Enthusiasmus fiel er seinem Bruder um den Hals. Eigentlich lebte Frederic noch daheim und machte wenig anstalten, auszuziehen. Dann erfuhr er von Fritzs Umzug und schlug direkt vor, dass er doch das Haus übernehmen könnte. Frederic störte sich auch nicht an den Nachbar oder auf der Erde zu leben, sondern fand es sogar faszinierend.
Zufrieden begutachtete Fritz die Kartons. "Dann lass uns mal!"
Er nahm einen Karton und verschwand durch ein Flügelportal.
Sie hatten sich ein gemütliches kleines Haus in einem Dorf ausgesucht und zu viert, dank Frederics Hilfe, waren die Umzugskartons schnell ins Haus getragen. Die erste Zeit war die Familie mit dem Einräumen und renovieren beschäftigt, wobei sie vor dem kompletten einziehen das Haus auf Vordermann gebracht hatten. Die grundlegenden Dinge waren schnell fertig, der Rest würde demnächst folgen.
Gamia legte sich eine schwarze Jacke um. "Ich werde mich schon etwas umschauen!" rief sie durch das Haus und trat dann durch die Tür hinaus. Für andere war sie sichtbar, da Gamia es so wollte. Sie lief die Straße entlang, als sie eine große graue Halle entdeckte. Für einen Moment schaute sie zu einem Traktor, als ein direkter Wasserstrahl sie erwischte und dieser sie aus den Gedanken riss. Gamia schaute, woher der Wasserstrahl gekommen war, als sie einen Mann rufen hörte: "Niklas! Das habe ich genau gesehen! Das Mädchen erkältet sich noch!"
Daraufhin trat ein Junge mit braunen, etwas länglichen Haar, grünen Augen und sanften Lächeln zu Gamia. Er trug einen dunkelblauen Pullover, eine blaue Arbeitshose und schwarze Stahlkappenschuhe. Der Mann, der ihn ermahnt hatte, kam dazu. Ebenfalls hatte er einen Pullover in schwarz-blau an, eine schwarze Arbeitshose und Stiefel. Auch er hatte braunes Haar, nur eine Nuance dunkler und seine Augen waren blau. Der Mann trug einen Drei-Tage Bart.
Mit einem schüchternen Lächeln stellte sich der Junge vor. "Ich bin Niklas Lenner, sorry für eben!", Nervös lachte er. "Mein Vater und ich haben hier den Hof! Ihr seid sicher die neuen Nachbarn, die hier vor kurzem eingezogen sind. Das Dorf ist klein, Neuigkeiten gehen sofort rum, hehe." Daraufhin stellte sich Gamia vor. "Ja, sind wir! Ich bin Gamia Cheriko!" Zuletzt gab Niklas Vater seinen Namen kund.
"Nenn mich ruhig Frank! Hoffentlich bist du meinem Sohn nicht böse für eben!" Gamia schüttelte den Kopf. "Nein, alles gut." schmunzelte sie und gab Frank die Hand, bevor sie Niklas die Hand gab. Beide musterten sich für einen Moment und hatten ein komisches Gefühl. "Zeig Gamia doch bitte das Dorf. Sie ist neu und kennt sich noch nicht aus. Ich mache den Rest schon fertig." schlug Frank vor und nahm den Wasserschlauch aus Niklas Hand. "Dann komm mit!"
Er ging voraus und Gamia folgte ihn. "Also das Haus gegenüber der Halle ist unseres.", Sie gingen ein kleines Stück zur Weide. "Die Galloways und paar Schafe gehören auch zu uns. Demnächst schlachten wir auch wieder." Daraufhin streichelte er eines der Galloways, welches zu ihnen ans Tor gekommen war und Niklas zupfte ein paar Blätter zum füttern. Gamia streichelte das Tier ebenfalls vorsichtig und bemerkte, dass Niklas sehr tierlieb war, als er freudig über die Kuh strich. Beide liefen weiter und kamen zu einem Haus mit Schafsweide. Bei den Schafen stand ein etwas kräftiger Mann. "Das ist Norbert. Er und seine Tochter haben hier die Schafsweide."
Daraufhin rief Niklas schon zu Norbert rüber. Dieser kam näher und stellte sich vor. Norbert schien ein sehr aufgeschlossener und fröhlicher Mensch zu sein. Abrupt drehte Gamia sich um, weil sie das Gefühl hatte, etwas am Fenster gespürt zu haben. Das, was Gamia gespürt hatte, kam näher und ein schlankes Mädchen mit langen schwarzen Haaren stand vor ihnen. Sie trug ein Gothic Outfit, welches aus einem langen Rock bestand, der lila schwarz war. In ihrem Gesicht war kein Ausdruck einer Miene zu erkennen. Zudem hatte sie die Augenkrankheit Iris Heterochromie, denn ihr linkes Auge war braunfarben und ihr rechtes hellblau, wie die Augen von Norbert. Ausdruckslos musterte sie Gamia. "Rin, mein Name." stellte sie sich ohne Betonung vor. Norbert lachte vorsichtig und strich über seinen braunen Haare. "Das ist normal bei ihr. Sie ist immer so, aber das ist meine Tochter." erklärte er und flüchtig nannte Gamia ihren Namen und zog dann mit Niklas weiter. Monoton schaute Rin beiden hinterher.
Niklas und Gamia gingen ein gutes Stück, als sie zu einem Hof mit Kühen kamen. Ein Junge, komplett in braun gekleidet, schien gerade mit dem Füttern beschäftigt zu sein. Er bemerkte die Zwei erst einige Zeit später, aber lief dann sofort zu ihnen. "Niklas, wie schön! Wem hast du denn da im Gepäck?" Kurz holte er tief Luft und klopfte sich die Hände an seiner Latzhose ab, bevor er Gamia die Hand reichte. "Jakob Bassel! Wenn du mal Milch oder Eier brauchst, wir haben Kühe und Hühner! Komm einfach vorbei!" Anscheinend stand er unter Stress, denn er verabschiedete sich sofort wieder, als Gamia ihn ihren Namen nannte. Daraufhin liefen sie auch schon zurück und Gamia sah sich genau um. Bei Norberts Haus konnte sie am Briefkasten seinen Nachnamen Maté lesen. "Habt ihr eure Schafe von Norbert?" erkundigte sich Gamia interessiert und Niklas nickte. "Ja, er hat uns ein paar Mal gefragt, ob wir Handlämmer haben möchten und so kamen wir zu unseren Schafen."
Wieder bei Frank erblickte Gamia ihre Eltern, die sich wohl vorzustellen schienen. Niklas machte direkt Bekanntschaft mit Fritz und Gina. Erneut war es, wie bei Gamia, ein komisches Gefühl.
Am Abend saßen Gamia und ihre Eltern zusammen und unterhielten sich. Sehr schnell kamen sie auf die Bewohner des Dorfes zu sprechen und Gamia war die Erste, die Mut zur Aussage fand. "Ihr habt es auch gespürt, oder?"
Von beiden Elternteilen folgte ein nicken. "Niklas ist eindeutig ein Halbtodesengel."
Gina brachte die Sache auf den Punkt. "Sein Vater war eindeutig ein Mensch, seine Mutter muss ein Todesgeist oder Todesengel sein. Gespürt habe ich keinen, aber dafür etwas anderes." fuhr Gina ernst fort. Ihre Tochter wusste, wen sie meinte. "Ihr habt auch Rins Aura gespürt? Die Aura eines Halbdämonen? Es ist wie bei Niklas... Ihr Vater ist ein Mensch und ihre Mutter muss ein Teufel oder Dämon sein. Gespürt habe ich aber nichts. Ich wusste nicht einmal, dass Menschen mit anderen Wesen Nachfahren haben können." Fragend guckte Gamia auf den Tisch. "Irgendeine Begründung wird der Himmelsfürst gehabt haben." meinte Gina ruhig.
Nachdenklich vegetierte Niklas in seinem Zimmer rum, als sein Vater ihn aus den Gedanken riess. "Ich habe gefragt, ob du auch was essen möchtest." Frank stand am Türrahmen. "Oh, nein danke... Sorry." Eigentlich wollte Frank wieder in die Küche gehen, aber er sah seinem Sohn an, dass sich dieser Gedanken machte und fragte nach. "Die neuen Nachbarn... Irgendwie habe ich das Gefühl, sie sind keine Menschen. Ich konnte es spüren, an ihren Auren, so wie ich bei Rin spüre, was sie ist oder wie bei dir. Außerdem stand ihnen keine Uhr ins Herz geschrieben. Sonst sehe ich in Leuten immer eine mit einem Todesdatum." Traurig blickte er seinen Vater an, seufzte und drehte sich zum Schreibtisch. Er senkte den Kopf. "Mutter hätte bestimmt eine Antwort gewusst."
Vorsichtig kniete Frank sich zu seinem Sohn und umfasste Niklas Schulter mit der Hand. "Sie hätte uns und dir sicher noch viel erzählen und beibringen können. Sieh es aber so, wenn sie auch Todesengel sind, können sie dir sicher einiges erklären." Aufmunternd lächelte Frank seinem Sohn zu und Niklas versuchte es positiv zu sehen.